Innehalten: Kraft schöpfen in allen Lebenslagen
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Buchvorschau
Innehalten - Rüdiger Maschwitz
Rüdiger Maschwitz
Innehalten
Kraft schöpfen
in allen Lebenslagen
KREUZ
© KREUZ VERLAG
in der Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2011
Alle Rechte vorbehalten
www.kreuz-verlag.de
Umschlaggestaltung: Bergmoser + Höller GmbH, Aachen
Umschlagmotiv: © masahi sakajiri / istockfoto.com
Datenkonvertierung eBook: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
ISBN (eBook) 978-3-451-33690-4
ISBN (Buch) 978-3-451-61020-2
Wenn ich
Wenn ich
gedankenlos
überfüllt
durch
den Tag
gelebt werde
Wenn ich
gar
mir selbst
aus dem Wege gehe
statt
mir
im Wege zu stehen
statt
Anstoß
zu nehmen
an der
verflüchtigten
Zeit
an der
überflüssigen
Geschäftigkeit
an den
verdösten
Atemzügen
an den
Waldbränden
in mir
selbst gelegt
und
fremd gezündelt
Wenn ich
denke
Ich bin
doch
noch
Herr
im eigenen Haus
dann
suche
ich
eine
Insel
auf.
Liebe Leserinnen und Leser!
Eine kluge Frau wurde gefragt, ob es beim Innehalten einen Unterschied zwischen Männern und Frauen gibt. Nach einer Weile nickte sie und sprach: Ja, die Männer müssen beim Innehalten auch noch beschäftigt sein. Sie müssen etwas in der Hand haben oder etwas tun. Die einen müssen ein Glas festhalten oder rauchen oder rumkritzeln oder reden oder laufen. Wir Frauen tun dies auch, wir stricken dabei oder nähen Kaputtes zusammen. Aber wir können leichter gar nichts tun. Wir können gar nichts tun und in der Sonne sitzen.
Ich überlege, ob dies stimmt. Ich sehe Frauen, die ruhig in der Sonne liegen, Männer, die auf einem Stuhl im Schatten sitzen. Vielleicht gibt es bei beiden Geschlechtern Menschen, die selbst beim Innehalten noch Beschäftigung brauchen, und andere, die wirklich eine Zeit nichts tun können. Ich kenne bei mir beides. Je nach meiner Gestimmtheit und Anspannung brauche ich ein aktives oder passives Innehalten. Beides ist wertvoll und gut. Hauptsache, ich halte inne und komme bei mir an. Dabei ist Innehalten eine bewusste Entscheidung, die mehr sein will als die Pause im tagtäglichen Trott, die mehr ist als eine Unterbrechung und mehr schenkt als Luft zum Atemholen. Dieses Buch erzählt von meinen Erfahrungen und Gedanken mit dem Innehalten. Dies geschieht in erzählenden und reflektierenden Texten und manchmal in poetischen Zwischentönen. Die einzelnen Kapitel und Zwischentexte stehen für sich und können abschnittsweise gelesen werden. Gleichsam sind sie in ihrem Aufbau miteinander verbunden. Ich erzähle von intensiven, schwierigen und misslungenen Aspekten, von der Kraft, die ich gewinne, der Kreativität, die sich auftut, und dem Frieden, den ich finde. Dies will ich mit diesen Zeilen weitergeben.
Die erste Hälfte des Buches widmet sich den persönlichen Erfahrungen und Möglichkeiten des Innehaltens in der Natur, im Genießen oder in der Muße.
Es folgen meine Betrachtungen zu den gesellschaftlichen Bedingungen, die Innehalten und Verlangsamung nicht einfach machen, und diese laden ein, sich in den gegenwärtigen Wirklichkeiten einen Raum für die eigenen Ruhephasen zu suchen.
Der letzte Teil widmet sich den heilsamen und spirituellen Ebenen des Innehaltens.
Gerade weil wir in uns eine Sehnsucht nach dem Innehalten tragen und dieses notwendig zu einem erfüllten Leben brauchen, will ich Sie einladen, bewusst neben sich zu treten, um anzuhalten und innezuhalten. Es wird Ihnen guttun.
Ihr
Rüdiger Maschwitz
Innehalten – ein weiter Ort der Selbstbegegnung
Eigentlich halte ich gerne inne. Ich kann viel arbeiten und auch gar nichts tun. Dafür kann ich nicht dosiert arbeiten: ein bisschen arbeiten und ein bisschen Müßiggang und dann wieder ein bisschen arbeiten. Dies ist nicht mein Lebensstil.
In diesem Jahr aber fiel mir das Innehalten schwer. Ich merkte dies nicht sofort, sondern erst mit der Zeit, eigentlich nach langer Zeit. Es war erstaunlich, da mich das Innehalten für dieses Buch doch beschäftigte. Was passierte: Ich sinnierte über das Innehalten, und merkwürdigerweise hatte dies wenig mit mir zu tun. Bisher war es immer umgekehrt. Jedes Buch, das ich geschrieben hatte, besaß mehr oder weniger einen biografischen Bezugspunkt, der im Schreiben eine Auseinandersetzung und oft auch eine Klärung fand. Beim Schreiben aber geschah diesmal nichts Persönliches. Die Texte waren richtig, und doch musste ich sie auf die Seite legen, weil das Leben zwischen den Zeilen und Buchstaben – die jüdische Tradition nennt dies das weiße Feuer – fehlte. Es entstanden Worte ohne Feuer, ohne Lebendigkeit. Die Buchstaben, die Worte, die Sätze holperten und stolperten auf die Seiten. Nichts war im Fluss.
Langsam begriff ich und schaute mir das letzte halbe Jahr an. Was war geschehen?
Anfang des Jahres wurde ich krank, und dieses Kranksein begleitete mich bis in den Sommer. Es gab ein Auf und Ab. Mal blieb die Stimme fast ganz weg, mal war ich mehr oder weniger kraftlos. Ich habe mich mehrfach brav ins Bett gelegt und dann viel gelesen. Sehr viel gelesen, und immer habe ich es vermieden, mich wahrzunehmen. Ich hatte so viele Pausen wie selten im Leben und legte mich tatsächlich hin, aber ich vermied das Innehalten, denn Innehalten bedarf einer eigenen Entscheidung. Im Kranksein setzte ich mein Leben mit anderen Mitteln fort. Aus dem Beschäftigtsein im beruflichen Alltag wurde ein »Ich beschäftige mich mit Lesen, Fantasien, mit Planungen«. Gleichzeitig nahm ich weitere Termine an und halste mir immer mehr auf.
Die Sprache ist verräterisch, es ging um meinen Hals. Dort war eine Vergrößerung, deutlich spürbar beim Schlucken und Liegen. Ich spürte diese unangenehme Tatsache und merkte nicht, dass ich mir mehr als zuträglich »aufhalste«. Es war für mich eher ungewöhnlich. Ich machte weiter so und noch mehr, als ob ich mir beweisen müsste: Ja, ich kann alles und ich lebe. Die Folge war eine große Müdigkeit, und ich schlief viel. Allerdings hielt ich immer noch nicht inne und nahm dies nicht wahr. Meine Meditationszeiten wurden weniger,