Achtsamkeit für Gefühle: Mit Meditation und innerem Erforschen Stress abbauen, das innere Team führen und im Einklang leben
Von Michael Seibt
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Über dieses E-Book
Die damit verbundenen Haltungen fördern die Lebensqualität und ein Gefühl von unbedingtem Glück, das nicht an die Umstände gebunden ist.
Das Buch wendet sich an Leserinnen und Leser, denen ein guter Zugang zu ihren Gefühlen wichtig ist. Der Autor lädt dazu ein, etwas für sich selbst zu tun und von externer Hilfe unabhängiger zu werden.
Das Buch enthält alltagsnahe Übungen, die eine Kultur der bewussten Begegnung und des achtsamen Zuhörens fördern.
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Buchvorschau
Achtsamkeit für Gefühle - Michael Seibt
KAPITEL 1: SCHON WIEDER PASSIERT MIR DAS!
Auf einen Blick:
Im Griff automatischer emotionaler Reaktionen
Die Macht der Gewohnheit
Die nächste Ausfahrt nehmen
Was geschieht bei einer automatischen emotionalen Reaktion?
Eine automatische Reaktion unterbrechen
Praxis: Eine hinderliche automatische Reaktion erkennen und Wechselwirkungen erforschen
Im Griff automatischer emotionaler Reaktionen
Vermutlich kennst du das: Schon oft hast du versucht, etwas in deinem Leben zu ändern. Doch es blieb bei ein paar guten Vorsätzen. Es ist, als ob du automatisch funktionierst. Du scheinst keine Chance zu haben, dein Leben an dem auszurichten, wonach du dich eigentlich sehnst. Ist das wirklich so?
Ich möchte dich einladen, automatisch ablaufende Reaktionen genauer zu untersuchen. Die innere Automatik besteht darin, dass bestimmte Gefühle die Tendenz haben, wiederholt aufzutreten. Sie sind keine Einzelgänger. Man bezeichnet sie auch als Muster
.
Oft treten sie auch im Verbund mit anderen Erscheinungen deiner inneren Welt auf. Zum Beispiel ist sehr oft erst ein Gedanke da und dann folgt das Gefühl.
Vielleicht sind dir Sätze wie diese vertraut:
Darauf reagiere ich allergisch.
Mein Mann drückt bei mir immer wieder denselben Knopf.
Wenn meine Frau das sagt, gerate ich aus dem Häuschen.
Wenn ich diese Person nur sehe, mache ich dicht.
Bei Stress liegt meine Wahrheit im Kühlschrank.
In unserem Team geraten wir regelmäßig in Streit.
Mit meiner Kollegin komme ich nicht mehr klar.
Veränderungen machen mir Angst.
Im Grunde weiß ich, dass es nichts bringt, aber ich sage es trotzdem.
Manchmal ertappe ich mich dabei, dass ich tue, was ich gar nicht will.
Hinterher habe ich den Eindruck, dass ich irgendwie neben mir stand.
Halte einen Moment inne, wähle einen Satz aus der Liste oder nimm einen eigenen Gedanken, der dir bekannt vorkommt. Dann frage dich: Was löst es in mir aus, wenn ich diesen Gedanken für wahr halte? Was breitet sich dann in mir aus?
Meistens braucht es nicht viel, um eine starke Reaktion in dir auszulösen. Ein Wort, eine bestimmte Bemerkung, ein Gesichtsausdruck, eine unangenehme Situation - das genügt und schon überfluten dich starke Gefühle und du weißt nicht, wohin damit.
Die Folge: Du bekämpfst deine Gefühle oder fliehst vor ihnen.
Wie das geschieht, erkennst du an der spontanen Reaktion, die jetzt einsetzt. Du fängst an, dich zu rechtfertigen, dich zu verteidigen, anderen Vorwürfen zu machen. Dein Gewinn dabei ist: Du kannst etwas dagegen
tun und musst nicht fühlen. Du kannst dich auch einfach abwenden und jedem weiteren Kontakt aus dem Weg gehen. Du stellst deine Gefühle ab und ziehst dich zurück. Dein Gewinn ist auch hier: Du brauchst nicht fühlen.
Diese ersten Reaktionen laufen völlig automatisch ab. Die Gedanken und Gefühle tauchen wie von alleine auf und du bist ihnen ausgeliefert. Es folgen bestimmte Worte und Verhaltensweisen, die du schon oft an dir erlebt hast. Du scheinst dich nicht anders verhalten zu können. Eigentlich willst du das nicht, doch es passiert dir trotzdem immer wieder.
Du sagst vielleicht etwas Verletzendes, strafst dein Gegenüber mit Missachtung oder behandelst andere Menschen als wären sie Luft für dich. Kommt es ganz dicke, greifst du zu verbaler oder auch körperlicher Gewalt als letztem Mittel. Doch dabei fühlst du dich alles andere als wohl in deiner Haut. Eigentlich passt das nicht zu dir und deinen Werten. Und trotzdem geschieht es.
Dann beginnt ein Kreislauf weiterer automatischer Reaktionen. Dein Gegenüber macht es genauso wie du und reagiert ebenfalls impulsiv und automatisch. Die Folge: Ein Konflikt eskaliert, eine Beziehung geht in die Brüche, eine wichtige Arbeit bleibt liegen, eine fällige Entscheidung wird endlos vertagt. Dein Alltag kostet dich unendlich viel Kraft. Um das alles wieder in Ordnung zu bringen, braucht es sehr viel Zeit und Einsatz. Und manchmal lassen sich die belastenden Folgen automatischer Reaktionen gar nicht mehr heilen.
Du befindest dich also zum x-ten Mal im gleichen emotionalen Strudel und kannst nicht einmal sagen, wie du da jetzt wieder hineingeraten bist:
- Du unterbrichst zum Beispiel eine Mitarbeiterin zum hundertsten Mal, obwohl du ihre Meinung eigentlich anhören willst.
- In deinem Team am Arbeitsplatz dreht sich alles regelmäßig in den bekannten Grabenkämpfen um Einfluss und Macht. Die Interessen und Bedürfnisse anderer scheinen keine Rolle zu spielen.
- Im Umgang mit deinem Partner, deiner Partnerin könnt ihr euch nicht mehr positiv überraschen. Es läuft alles wie immer. Das langweilt dich.
Du meinst, deine allernächsten Menschen gut zu kennen, dabei handelst du lediglich so, wie du es gewohnt bist und schon oft gemacht hast. Obwohl dein Verstand weiß, dass ein anderes Verhalten eigentlich angemessener wäre, reagiert irgendetwas in dir vollkommen automatisch. Das kann sich anfühlen, als ob du fremdgesteuert wirst.
Ist die automatische Reaktion einmal in Gang gekommen, ist es schwer, sie zu stoppen. Selbst dann, wenn dein Kopf merkt, dass da etwas gründlich schiefläuft, schaffst du es nicht, dich dabei zu unterbrechen und etwas anderes zu versuchen. Deine vernünftige Stimme kritisiert dich:
Du weißt doch, dass es nichts bringt.
Schon wieder hast du deine Fassung verloren.
Deine Worte waren sehr verletzend.
Wie konntest du nur!
So geht das immer weiter. Bis du am Ende völlig frustriert bist. Denn automatische Reaktionen sind meistens der Situation nicht angemessen und hinterlassen bei dir einen faden Nachgeschmack. Sie waren vielleicht einmal in einer bestimmten Situation hilfreich. Von da an ist es dir zur Gewohnheit geworden, so zu reagieren. Heute gerätst du immer tiefer in die Krise damit. Es macht dich unglücklich.
Damit kein Missverständnis aufkommt: es gibt auch automatische Reaktionen, die im Alltag sehr nützlich sind. Zum Beispiel ist es gut, wenn du weißt, welche Handgriffe beim Autofahren nötig sind. Das weißt du inzwischen im Schlaf - nach einiger Übung in der Fahrschule und nach langjähriger Fahrpraxis. Du kannst es. Der Vorteil: du musst nicht mehr groß nachdenken, was als nächstes zu tun ist. Der automatisierte Ablauf spart dir viel Energie und Denkaufwand.
Hier aber sprechen wir von automatischen Reaktionen im Bereich der Gefühle und des Verhaltens in Beziehungen - im persönlichen oder im beruflichen Bereich. Da können unbewusste Automatismen sehr schädlich sein.
Vielleicht hast du mit solchen unbewussten und automatischen Reaktionen schon oft und sattsam Bekanntschaft gemacht. Dann hast du zwei Möglichkeiten:
Du kannst aufgeben und dir sagen: Es hat alles keinen Zweck, so bin ich halt
oder so ist das Leben
. Du ergibst dich in ein angeblich unausweichliches Schicksal und erklärst dich zum Opfer der Umstände oder anderer Leute.
Oder: Dir reicht es jetzt. Du möchtest endlich aussteigen aus hinderlichen Gewohnheiten. Du hast die Nase voll von den immer gleichen Abläufen. Dein Leben ist so berechenbar geworden, dass du genau sagen kannst, was als nächstes kommt. Das interessiert dich aber immer weniger.
Vielleicht pendelst du auch zwischen diesen beiden Möglichkeiten hin und her, was sich auch nicht gerade komfortabel anfühlt. Mal bist du am Boden und mal hast du die besten Vorsätze. Doch mit der Umsetzung im Alltag - da hapert es.
Bei mir war es so: Ich wollte nicht mehr um des lieben Friedens jeden Konflikt vermeiden, der nötig war, um den nächsten Schritt zu gehen. Ich hatte keine Lust mehr darauf, mich selbst und mein Innerstes zu verleugnen. Der Preis wurde mir zu hoch, denn ich verlor meine Lebendigkeit und mein Interesse an dem, was ich tat.
Am Anfang motivierte mich also ein ziemlich großer Frust. Ich gehe davon aus, dass auch dir das nicht völlig fremd ist. Ich wusste intuitiv: So kann es irgendwie
nicht weitergehen. Aber ich hatte noch keine Ahnung, wie es anders werden sollte.
Das ist auch nicht verwunderlich. Denn heute weiß die Hirnforschung, dass die automatischen Reaktionen und Muster unseres Verhaltens deshalb so gut funktionieren, weil sich unsere Nervenzellen daran gewöhnt haben, immer dasselbe Muster abzufahren. Sie feuern, wie sie es gewohnt sind. Sie tun einfach, was sie gut können. Ganz normal eigentlich. Du musst es also nicht persönlich nehmen, wenn du einschränkende oder selbstschädigende Gewohnheiten erst einmal nicht aufgeben kannst.
Das kannst du dir wie auf einer Autobahn vorstellen. Du rast mit Tunnelblick und hohem Tempo auf dein Ziel zu. Solange die Autobahn frei ist, funktioniert das prima. Doch du bekommst nicht mit, was abseits der Autobahn passiert. Wenn es zum Stau kommt, fragst du dich vielleicht, was du da eigentlich tust und ob es nicht besser wäre, einfach auszusteigen und dich