Sinnvoll leben – freudvoll sterben: Die tiefgründige Übung der Bewusstseinsübertragung
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Buchvorschau
Sinnvoll leben – freudvoll sterben - Geshe Kelsang Gyatso
Sinnvoll leben, freudvoll sterben
Auch von Geshe Kelsang Gyatso
Allumfassendes Mitgefühl
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Acht Schritte zum Glück
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Wie wir den Geist verstehen
Der vom Tharpa Verlag erzielte Erlös aus dem Verkauf dieses Buches fließt gemäß den Richtlinien in Ein Geldhandbuch in den Internationalen Tempelprojekt Fond in Deutschland (eingetragen unter: VR 4062), Ein buddhistischer Verein, der für den Weltfrieden baut.
www.kadampa.org/de/temples
GESHE KELSANG GYATSO
Sinnvoll leben, freudvoll sterben
DIE TIEFGRÜNDIGE ÜBUNG DER BEWUSSTSEINSÜBERTRAGUNG
THARPALOGOsm_fmtTHARPA VERLAG
Deutschland • Schweiz
Originaltitel: Living Meaningfully, Dying Joyfully
© Geshe Kelsang Gyatso und Manjushri Centre 1999
Alle Rechte vorbehalten.
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.
Jede Reproduktion ist unzulässig, außer zur Verwendung kurzer Passagen für privates Studium, Forschung und Buchbesprechungen.
Herausgeber:
Tharpa Verlag Deutschland, ein Teil des
Dipankara Kadampa Meditationszentrum e. V. (VR 33517 B)
Chausseestraße 108
10115 Berlin
© Deutsche Übersetzung Geshe Kelsang Gyatso und Neue Kadampa Tradition – Internationale Union des Kadampa Buddhismus 2014
Satz: Tharpa Verlag Deutschland
ISBN 978-3-908543-28-2
ISBN ePub 978-3-908543-99-2
ISBN Kindle 978-3-908543-99-2
Druck: Elbedruckerei Wittenberg
Inhalt
Abbildungen
Danksagung
Einführung
ERSTER TEIL: Powa zum eigenen Wohl und zum Wohle anderer praktizieren
Die vorbereitenden Übungen
Schulung in Powa Meditation
Powa zum Zeitpunkt des Todes praktizieren
Tod, Zwischenzustand und Wiedergeburt
Wie wir den Sterbenden und denen, die gestorben sind, helfen
ZWEITER TEIL: Die fünf Kräfte in die Powa Praxis einbinden
Motivation und Vertrautheit
Schulung in Tugend
Reinigung und Gebet
Anhang I - Die zusammengefasste Bedeutung des Textes
Anhang II - Sadhanas
Befreiendes Gebet
Der Pfad ins Reine Land
Die Powa Zeremonie
Der Pfad des Mitgefühls für Verstorbene
Der Pfad des Mitgefühls für Sterbende
Tiefempfundene Gebete
Mahayana Bekenntnissutra
Glossar
Bibliografie
Bücher
Sadhanas und andere Broschüren
Studienprogramme des Kadampa Buddhismus
Tharpa Niederlassungen weltweit
Leseempfehlungen
Abbildungen
Buddha Shakyamuni
Buddha Vollständiger Unterwerfer mit der Essenz des Vajras
Buddha Juwel des strahlenden Lichtes
Buddha Machtvoller König der Nagas
Buddha Anführer der Helden
Buddha Glorreiche Freude
Buddha Juwelenfeuer
Buddha Juwelenmondlicht
Buddha Sinnvoll zu betrachten
Buddha Juwelenmond
Buddha Der Makellose
Buddha Gewährer von Ruhm
Buddha Der Reine
Buddha Mit Reinheit Verwandelnder
Buddha Wassergottheit
Buddha Gott der Wassergottheiten
Buddha Glorreiche Vortrefflichkeit
Buddha Glorreiches Sandelholz
Buddha Endlose Pracht
Buddha Glorreiches Licht
Buddha Glorreicher frei von Leiden
Buddha Sohn ohne Verlangen
Buddha Glorreiche Blume
Buddha Klares Wissen durch Genießen reinen Strahlens
Buddha Klares Wissen durch Genießen des Lotosstrahlens
Buddha Glorreicher Reichtum
Buddha Glorreiche Achtsamkeit
Buddha Glorreicher Name großartigen Ruhmes
Buddha König des Siegesbanners, Anführer der Mächtigen
Buddha Glorreicher vollständiger Unterwerfer
Buddha Großer Sieger in der Schlacht
Buddha Glorreicher vollständiger Unterwerfer, hinübergegangen
Buddha Glorreiche Aufstellung alles erleuchtend
Buddha Juwelenlotos großer Unterwerfer
Buddha König des Berges Meru auf einem Juwel und Lotos Verweilender
Der Buchstabe HRIH
Danksagung
Dieses Buch Sinnvoll leben, freudvoll sterben bietet eine vollständige und praktische Erklärung der Übung der Bewusstseinsübertragung des Mahayana Buddhismus, die im Tibetischen «Powa» genannt wird.
Der Autor entwarf den Text während eines intensiven redaktionellen Retreats im Winter 1998/99. Wir danken dem Ehrwürdigen Geshe Kelsang Gyatso aufrichtig für seine unerschöpfliche Güte, dieses Buch zum Wohle der heutigen buddhistischen Praktizierenden verfasst und vorbereitet zu haben. In der Arbeit an diesem Vorhaben zeigt der Autor erneut seine große Weisheit und sein Mitgefühl, sein Wissen und seine Erfahrung.
Wir möchten auch allen langjährigen, hingebungsvollen Dharma Schülern danken, die mit dem Autor zusammengearbeitet haben, um das Buch herauszugeben und für die Veröffentlichung vorzubereiten.
Roy Tyson,
Administrativer Direktor,
Manjushri Kadampa Meditationszentrum
Mai 1999
01_Buddha_ShakyamuniEinführung
Es gibt nichts, was kostbarer ist als unser menschliches Leben. Als Mensch geboren zu sein, gibt uns die immense Freiheit, fast alles zu erreichen, wonach wir streben. Wir können ein mächtiger Politiker, ein erfolgreicher Geschäftsmann oder Geschäftsfrau, ein großer Wissenschaftler oder Künstler werden. Wir können die ganze Welt bereisen und sogar zum Mond fliegen. Oder aber ein einfaches Familienleben führen. Weil wir so viel Freiheit haben, müssen wir uns fragen, wie wir unser Leben am sinnvollsten nutzen können. Was wird uns wirklich glücklich machen? Was wird für andere von größtem Nutzen sein? Und wenn dieses Leben zu Ende ist, was wird uns dann helfen?
Denken wir über diese Fragen aufrichtig und tief nach, dann werden wir herausfinden, dass wir unserem Leben wirklichen Sinn verleihen, wenn wir es unserer spirituellen Entwicklung widmen. Im Wesentlichen bedeutet das, unsere negativen und verblendeten Geisteszustände zu beseitigen und positive, friedvolle Geisteszustände zu fördern. Ist das unser Hauptanliegen, dann werden negative Geistesarten wie Wut, Eifersucht, Anhaftung, Stolz und Unwissenheit nach und nach abnehmen, und unsere positiven Eigenschaften wie Liebe, Mitgefühl und Weisheit zunehmen. Dann werden wir uns eines glücklichen, friedvollen Lebens erfreuen, frei von Ängsten und Problemen, und anderen ganz natürlich helfen. Das, was unserem Leben Sinn verleiht, ist unsere spirituelle Praxis. Und wenn wir unsere Praxis zur Todeszeit anwenden, können wir freudvoll sterben und werden reines, anhaltendes Glück in all unseren zukünftigen Leben erfahren. Schließlich können wir über alle Begrenzungen gewöhnlicher Existenz hinausgehen und den höchsten aller Zustände, die volle Erleuchtung, erlangen.
Begleitet uns der Gedanke an den Tod nicht unser Leben lang, dann werden wir zum Zeitpunkt unseres Todes plötzlich feststellen, dass uns unser ganzer Reichtum und unser Besitz, unsere Freunde und Verwandten nicht helfen können. Da wir in uns keine innere Stärke durch spirituelle Praxis entwickelt haben, werden wir tiefe Reue empfinden, dass wir unser Leben verschwendet haben und wir werden uns davor fürchten, was während des Todes und nach dem Tod geschehen wird. Unsere Tränen und Bitten um Hilfe kommen dann zu spät. Es wird uns so ergehen wie dem Tibeter Mondrol Chodak. Er wurde von all seinen Bekannten bewundert, weil er in weltlichen Angelegenheiten sehr geschickt und begabt war. Sein Leben war sehr ausgefüllt. Er reiste von Ort zu Ort und begegnete vielen Menschen. Als dann plötzlich die Zeit seines Todes nahte, schrie er: «Ich habe so viel gemacht. Ich habe so viele Geschäfte getätigt. Ich habe so viele weltliche Dinge unternommen. Doch all das nützt mir jetzt nichts. Die Menschen sagen, dass ich sehr klug bin. In Wirklichkeit aber bin ich unglaublich dumm, denn ich habe meine spirituelle Praxis, das einzige, was mir jetzt helfen kann, völlig vernachlässigt. Ich habe mein ganzes Leben damit verschwendet Dinge zu tun, die keinen wirklichen Nutzen haben.» Er verspürte tiefe Reue und weinte. In diesem elenden Geisteszustand starb er.
Mit solch einer Reue zu sterben, ist überhaupt nicht unüblich. Um einem derart traurigen und sinnlosen Ende unseres Lebens zu entgehen, sollten wir uns ständig bewusst sein, dass auch wir sterben müssen. Denken wir über unseren eigenen Tod nach, dann wird uns dies dazu bringen unser Leben sinnvoll zu nutzen, indem wir die innere Zuflucht spiritueller Verwirklichungen erlangen. Tun wir das nicht, dann können wir uns nicht vor den Leiden des Todes und vor dem was danach kommt schützen. Liegt jemand, der uns nahe steht, im Sterben, wie zum Beispiel ein Elternteil oder ein Freund, dann werden wir nicht in der Lage sein ihnen helfen zu können, weil wir nicht wissen was zu tun ist und wir sind traurig und frustriert, weil wir keine wirkliche Hilfe geben können. Sich auf den Tod vorzubereiten, gehört zu dem Gütigsten und Weisesten, was wir sowohl für uns selbst als auch für andere tun können.
Tatsache ist, dass diese Welt nicht unser Zuhause ist. Wir sind Reisende auf der Durchreise. Wir sind aus unserem früheren Leben gekommen und werden in einigen Jahren oder ein paar Tagen in unser nächstes Leben gehen. Wir kamen in diese Welt mit leeren Händen und allein, und gehen mit leeren Händen und allein. Alles, was wir uns in diesem Leben angeeignet haben werden wir zurücklassen, selbst unseren eigenen Körper. Das einzige, was wir von einem zum nächsten Leben mitnehmen können, sind die Prägungen unserer positiven und negativen Handlungen. Ignorieren wir den Tod, dann vergeuden wir unser Leben, indem wir für Dinge arbeiten, die wir schließlich doch zurücklassen müssen. Zudem werden wir viele negative Handlungen begehen und mit einer schweren Last negativen Karmas in unser nächstes Leben reisen.
Wurzelt unser Leben jedoch in dem realistischen Bewusstsein unserer eigenen Sterblichkeit, dann wird uns unsere spirituelle Entwicklung viel wichtiger sein als die Erlangungen dieser Welt. Und wir werden die Zeit, die wir in dieser Welt haben, zuallererst als eine Möglichkeit sehen, positive Geisteszustände wie Geduld, Liebe, Mitgefühl und Weisheit zu entwickeln. Motiviert durch diese tugendhaften Geistesarten, werden wir viele positive Handlungen begehen und somit die Ursache für zukünftiges Glück erschaffen. Schlägt dann unsere Todesstunde, ist unser Geist ermächtigt durch das positive Karma, das wir geschaffen haben, und wir können ohne Furcht oder Reue sterben.
Die Kadampa Lehrer sagen, dass es unnütz ist, uns zum Zeitpunkt unseres Todes, wenn wir auf dem Sterbebett liegen, zu fürchten. Wir sollten den Tod viel mehr fürchten, solange wir noch jung sind. Die meisten Menschen machen das Gegenteil. Solange sie jung sind, denken sie: «Ich werde nicht sterben.» Sie leben sorglos, ohne sich um den Tod zu kümmern. Doch wenn der Tod naht, erfasst sie das Grauen. Fürchten wir aber den Tod jetzt, dann werden wir unser Leben sinnvoll nutzen, indem wir tugendhaft handeln und nichttugendhafte Handlungen vermeiden, und dadurch Ursachen für eine glückliche Wiedergeburt schaffen. Naht dann der Tod, fühlen wir uns wie ein Kind auf dem Heimweg zu seinen Eltern und sterben freudvoll und ohne Furcht. Wir werden wie Longdöl Lama sein, ein tibetischer buddhistischer Meister, der sehr alt wurde. Als die Zeit seines Todes kam, war er überglücklich. Die Menschen fragten ihn, warum er so glücklich sei. Er antwortete: «Wenn ich heute morgen sterbe, werde ich heute abend in einem Reinen Land wiedergeboren. Mein zukünftiges Leben wird diesem Leben bei weitem überlegen sein.» Longdöl Lama hatte sich sorgfältig auf seinen Tod vorbereitet und einen besonderen Ort für seine Wiedergeburt gewählt. Nutzen wir unser Leben für reine spirituelle Praxis, können wir es ihm gleich tun.
Obwohl wir alle vom Kopf her wissen, dass wir eines Tages sterben werden, sträuben wir uns normalerweise so sehr dagegen über unseren Tod nachzudenken, dass dieses Wissen nicht unser Herz berührt. Und so verbringen wir unser Leben, als ob wir für immer in dieser Welt sein werden. Deshalb sind die Dinge dieses Lebens wie materieller Besitz, guter Ruf, Beliebtheit und sinnliche Vergnügen von höchster Wichtigkeit und wir widmen den größten Teil unserer Zeit und Kraft dem Ziel, uns diese Dinge anzueignen, und verstricken uns ihretwegen in viele negative Handlungen. Wir sind so beschäftigt mit den Belangen dieses Lebens, dass in unserem Geist nur wenig Raum für echte spirituelle Praxis bleibt. Schlägt dann tatsächlich unsere Todesstunde, stellen wir fest, dass wir völlig unvorbereitet sind, denn wir haben den Tod unser ganzes Leben lang ignoriert.
Was ist der Tod? Tod ist die dauerhafte Trennung der Verbindung von unserem Körper und Geist. Die meisten Menschen glauben, dass der Tod eintritt, wenn das Herz aufhört zu schlagen. Aber dies bedeutet nicht, dass der Mensch gestorben ist, denn sein subtiler Geist kann immer noch in seinem Körper sein. Der Tod tritt ein, wenn das subtile Bewusstsein schließlich den Körper verlässt, um ins nächste Leben zu gehen. Unser Körper ist wie ein Gästehaus und unser Geist ist wie der Gast. Wenn wir sterben, muss unser Geist diesen Körper verlassen und in den Körper der nächsten Wiedergeburt eintreten, wie ein Gast, der ein Gästehaus verlässt und zu einem anderen reist.
Der Geist ist weder körperlich, noch ist er ein Nebenprodukt rein körperlicher Prozesse. Er ist ein formloses Kontinuum, eine getrennte Wesenheit vom Körper. Löst sich der Körper beim Tod auf, dann hört der Geist nicht auf zu existieren. Unser oberflächlicher, bewusster Geist endet zwar, doch nur weil er sich in eine tiefere Ebene des Bewusstseins, in den sehr subtilen Geist auflöst. Das Kontinuum des sehr subtilen Geistes hat keinen Anfang und kein Ende. Es ist dieser Geist, der sich, wenn er vollständig gereinigt ist, in den allwissenden Geist eines Buddha umwandelt.
«Buddha» ist Sanskrit und bedeutet «der Erwachte» – jemand, der aus dem Schlaf der Unwissenheit erwacht und vom Traum fehlerhafter Erscheinung frei ist. Seit anfangsloser Zeit sind fühlende Wesen wie wir im Albtraum Samsaras gefangen, da wir nie aus dem Schlaf der Unwissenheit erwacht sind, das heißt nicht erkannt haben, dass unser ganzes Leiden lediglich die Schöpfung unseres eigenen verwirrten Geistes ist. Aus diesem traumähnlichen samsarischen Leiden können wir nur erwachen, wenn wir Buddhas Lehren, die als «Dharma» bekannt sind, verwirklichen. Diese Verwirklichungen sind unser wirklicher innerer Schutz vor Leiden. Diejenigen, die Dharma Verwirklichungen erlangt haben, werden «Sangha» genannt. Sie bilden die spirituelle Gemeinschaft, die uns in unserer spirituellen Praxis unterstützen und uns mit gutem Beispiel vorangehen. Weil sie so kostbar sind, werden Buddha, Dharma und Sangha die «Drei Juwelen» genannt.
Buddha sagte, dass jede Handlung, die wir begehen, eine Prägung in unserem sehr subtilen Geist hinterlässt und dass jede Prägung schließlich zu ihrer eigenen Auswirkung führt. Unser Geist ist wie ein Feld und mit unseren Handlungen säen wir Samen in dieses Feld. Tugendhafte oder positive Handlungen sind Samen zukünftigen Glücks und nichttugendhafte oder negative Handlungen sind Samen zukünftigen Leidens. Die Samen, die wir in der Vergangenheit gesät haben, ruhen bis die Bedingungen zusammenkommen, die zu ihrer Reife nötig sind. In manchen Fällen geschieht das erst viele Leben nach der ursprünglichen Handlung.
Die Samen, die reifen, wenn wir sterben, sind sehr wichtig, denn sie bestimmen die Art der Wiedergeburt, die wir annehmen. Welche Samen zum Zeitpunkt des Todes reifen, hängt vom Geisteszustand ab in dem wir sterben. Sterben wir mit einem friedlichen Geist, wird ein tugendhafter Samen angeregt und wir werden eine glückliche Wiedergeburt erfahren. Sterben wir aber mit einem unruhigen Geist, zum Beispiel in einem Zustand der Wut, wird ein nichttugendhafter Samen angeregt und wir werden eine unglückliche Wiedergeburt erfahren. Dies ähnelt der Art und Weise wie Albträume entstehen, wenn wir uns kurz vor dem Einschlafen in einem aufgewühlten Zustand befinden.
Der Vergleich mit dem Einschlafen ist nicht zufällig gewählt, denn der Vorgang des Schlafens, Träumens und Aufwachens hat große Ähnlichkeit mit dem Vorgang des Todes, des Zwischenzustandes und der Wiedergeburt. Wenn wir einschlafen, sammeln sich die Energiewinde, die unsere groben Geistesarten tragen, nach innen und lösen sich auf. Infolgedessen wird unser Geist allmählich immer subtiler, bis er sich in den sehr subtilen Geist des klaren Lichts des Schlafes umwandelt. Während das klare Licht des Schlafes manifest ist, sind wir im Tiefschlaf und ähneln jemandem, der gestorben ist. Endet es, wird unser Geist allmählich immer gröber und wir durchlaufen die verschiedenen Ebenen des Traumzustandes. Schließlich werden unser normales Erinnerungsvermögen und unsere geistige Kontrolle wiederhergestellt und wir wachen auf. Wenn dies geschieht, verschwindet unsere Traumwelt und die gewöhnliche Welt unseres Wachzustandes erscheint.
Sterben wir, dann findet ein sehr ähnlicher Vorgang statt. Während wir sterben, lösen sich unsere Energiewinde nach innen auf und unser Geist wird allmählich immer subtiler, bis er sich als sehr subtiler Geist des klaren Lichts des Todes manifestiert. Die Erfahrung des klaren Lichts des Todes ähnelt der Erfahrung des klaren Lichts des Schlafes. Nachdem das klare Licht des Todes geendet hat, erleben wir die Stufen des Zwischenzustandes oder Bardo auf Tibetisch. Dies ist ein traumähnlicher Zustand, der zwischen Tod und Wiedergeburt auftritt. Nach wenigen Tagen oder Wochen endet der Zwischenzustand und wir werden wiedergeboren. Ebenso wie nach dem Aufwachen die Traumwelt verschwindet und wir die Welt des Wachzustandes erleben, so verschwinden die Erfahrungen des Zwischenzustandes, wenn wir wiedergeboren werden und die Welt unseres nächsten Lebens erscheint.
Der einzige bedeutende Unterschied zwischen dem Vorgang des Schlafens, Träumens und Aufwachens, und dem Vorgang des Todes, dem Zwischenzustand und der Wiedergeburt ist, dass die Verbindung zwischen unserem Geist und unserem gegenwärtigen Körper, nachdem das klare Licht des Schlafes vorbei ist, bestehen bleibt, während sie nach dem klaren Licht des Todes endet.
Während wir im Zwischenzustand sind, erfahren wir verschiedene Visionen, die aus den kurz vor dem Tod angeregten karmischen Samen entstehen. Werden negative Samen angeregt, sind diese Visionen alptraumhaft. Werden jedoch positive Samen angeregt, sind sie überwiegend angenehm. In beiden Fällen aber zwingen uns die karmischen Samen, sobald sie genügend gereift sind, eine Wiedergeburt entweder in den niederen oder höheren Bereichen Samsaras anzunehmen.
Denken wir an den Tod, dann neigen wir dazu ihn als etwas zu betrachten, dass anderen Menschen passiert. Doch in Wirklichkeit werden natürlich auch wir früher oder später sterben. Der Zeitpunkt unseres Todes ist völlig ungewiss, es gibt keine Sicherheit, dass wir heute nicht sterben. Denken wir sorgfältig über die oben erwähnte Erklärung nach, dann werden wir die Existenz unserer zukünftigen Leben klar verstehen und somit erkennen, dass zukünftige Leben endlos sind. Und dann werden wir begreifen, dass das Glück zukünftiger Leben weitaus wichtiger ist als das Glück dieses Lebens und dass das Leiden der zukünftigen Leben weitaus schlimmer ist. Ganz gleich, wie sehr wir in diesem Leben leiden, es ist immer nur das Leiden eines einzigen Lebens und es ist nicht von langer Dauer – so wie ein Traum, der schnell vorüber ist. Andererseits ist das potenzielle Leiden zukünftiger Leben endlos, weil diese Leben unzählig sind, und wenn wir jetzt nichts tun, um unser zukünftiges Leiden zu verhindern, wird es kein Ende finden. Denken wir gründlich darüber nach, dann werden wir erkennen, wie wichtig es ist dieses kostbare menschliche Leben nicht zu verschwenden und uns mit spirituellen Übungen auf unseren Tod vorzubereiten.
Alle Lebewesen haben zwei grundlegende Wünsche. Sie wollen allezeit glücklich sein und sie wollen gänzlich frei von Leiden und Problemen sein. Diese Wünsche können wir uns erfüllen, indem wir den in diesem Buch dargelegten Anleitungen folgen. Setzen wir diese Anleitungen aufrichtig um, können wir unser gewöhnliches Leben transzendieren und echten spirituellen Fortschritt