Galápagos: Theaterstück
Von Felix Mitterer
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Über dieses E-Book
Auf Floreana, einer unbewohnten Insel des Galápagos-Archipels, lassen sich 1929 der Arzt und Philosoph Dr. Friedrich Ritter und seine Gefährtin Dore Strauch nieder. Abseits jeglicher Zivilisation wollen sie ein spirituelles Leben nahe der Natur führen. Damit sind sie in einer Zeit der Wirtschafts- und Kulturkrise nicht allein. Angezogen durch mehrere Zeitungsberichte, kommen 1932 das Ehepaar Wittmer und eine Baronin mit ihren jungen Geliebten auf der Insel an. Erstere wollen sich ein Leben als Farmer aufbauen, zweitere schwingt sich mit Reitpeitsche und Pistole zur "Kaiserin von Floreana" auf.
MYTHOS FLOREANA ODER WARUM MAN SICH SELBST NICHT ENTKOMMEN KANN
Zwei Jahre später sind alle außer dem Ehepaar Wittmer und Dore Strauch tot oder spurlos verschwunden. Dore kehrt nach Deutschland zurück und stirbt unter ungeklärten Umständen. Was ist auf der Insel passiert? Felix Mitterer erzählt eine fesselnde Geschichte von der Sehnsucht, aus dem normalen Leben auszusteigen - und der Gewissheit, dass der Mensch sich selbst dennoch nie entkommen kann.
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Buchvorschau
Galápagos - Felix Mitterer
Verlag
Personen:
Dr. Friedrich Ritter, Arzt und Philosoph (45)
Dore Strauch, seine „Jüngerin" (30)
Heinz Wittmer, Farmer (41)
Margret Wittmer, seine Frau (28)
Baronin Eloise Wagner de Bousquet (Wienerin), die „Kaiserin von Floreana" (45)
Rudolf Lorenz, Liebhaber, schmächtig, blond (32)
Robert „Bubi" Philippson, Liebhaber, groß, stark, schwarzgelockt (30)
Felipe Pasmino, Polizist (aus Ecuador)
Bühne:
Schwarzer Sand. Offene Behausung von Friedrich und Dore, bestehend aus vier Pfosten, Segeltuchmarkisen, Wellblechdach, Veranda. Liegestühle und Klappsessel, bespannt mit Segeltuch.
1.
Strand der Insel Marchena. Schwarzer Sand. Meeresrauschen.
Felipe Pasmino (elegant im weißen Leinenanzug mit Gilet, Panamahut und teuren Schuhen) untersucht die zwei mumifizierten Leichen von Trygve Nuggerud und Rudolf Lorenz, die in der Nähe eines kleinen, umgedrehten Ruderbootes liegen. Felipe findet in der Kleidung von Rudolf eine Geldtasche, macht sie auf, holt ein dickes Bündel mit Dollarscheinen hervor, schaut es an, gibt es zurück, steckt die Geldtasche ein, durchsucht Rudolf weiter, findet einen deutschen Pass, klappt ihn auf, schaut auf das Foto, schaut Rudolfs Gesicht an, steckt den Pass ein.
2.
Grundstück von Friedrich und Dore. Schwarzer Sand. Offene Behausung, bestehend aus vier Pfosten, Segeltuchmarkisen, Wellblechdach, Veranda mit Tisch und Stühlen. Zwei Liegestühle, mehrere Segeltuchklappsessel, verteilt auf dem schwarzen Sand. Dore und Ritter tragen nur weiße Kleidung, niemals einen Hut, denn Ritter lehnt Kopfbedeckungen strikt ab. Beide tragen wegen der spitzen Lavasteine immer feste Schuhe. Gluthitze.
Dore kommt hinter den Markisen hervor, hat sich schnell ein weißes Kleid angezogen, knöpft es zu. Sie schaut schlecht aus, hat ein lahmes Bein. Nimmt einen Stock, mit dessen Hilfe sie geht. Friedrich (mit Stahlgebiss) kommt eilig mit nacktem Oberkörper, weißen Leinenshorts und festen Schuhen von der Arbeit, Machete in der Hand, blickt besorgt zurück, entreißt Dore den Stock, wirft ihn weg. Sie schaut ihn wütend an, dann blicken beide in die Richtung, aus der Friedrich gekommen ist.
Felipe Pasmino kommt in seiner eleganten Aufmachung daher. Er ist ein höflicher, freundlicher Mann, aber etwas lauert in ihm, macht ihn für die Inselbewohner gefährlich.
Felipe: (lüftet den Hut) Buen dia. Espero que no estoy molesto. Beschwerlicher Weg zu euch herauf. (Schaut auf seine Schuhe, winkelt ein Bein an, betrachtet eine Sohle.) Ich glaub, meine Schuhe sind ruiniert. (Wischt sich den Schweiß mit einem weißen Taschentuch von der Stirn) Unglaubliche Hitze! (Schaut sie an.) Sie sind bekleidet? Haben Sie mich kommen sehen?
Friedrich und Dore schauen besorgt in die Richtung, aus der er gekommen ist.
Felipe: Ich bin allein, keine Sorge. Die Soldaten erhielten den Befehl, auf dem Schiff zu bleiben. Wir brauchen keine Soldaten, nicht wahr? Verzeihung, ich hab mich noch gar nicht vorgestellt. Felipe Pasmino, Oberleutnant der Mordkommission Guayaquil.
Friedrich und Dore wissen, warum er kommt, sind etwas nervös, lassen sich aber nichts anmerken. Aber sie sind ohnehin in einem desparaten Zustand.
Friedrich: (wechselt die Machete in die andere Hand) Doktor Ritter. (Gibt ihm die Hand.) Meine Gefährtin, Dore Strauch.
Dore gibt ihm die Hand, er küsst die Hand.
Felipe: Unnötig, sich vorzustellen. Ihre Fotos sind in allen Zeitungen der Welt. Übrigens: Zwei Reporter, einer aus New York und einer aus Ecuador, haben sich als blinde Passagiere auf mein Schiff geschlichen. Sind unter Kabinenarrest gestellt.
Dore: Darf ich Ihnen eine Erfrischung anbieten?
Felipe: Wasser. Nur Wasser.
Dore holt eine Blechkanne mit Wasser, gibt sie Felipe, dieser trinkt gierig.
Dore: Bitte, nehmen Sie Platz.
Felipe stellt die Kanne ab, zieht seine Leinenjacke aus, hängt sie über eine Klappsessellehne. Er trägt eine Pistole in einem Schulterholster. Er setzt sich in den Klappsessel, holt eine Zigarettendose und Zünder aus seiner Jacke, bietet den beiden eine Zigarette an, sie schütteln den Kopf, er entflammt ein Streichholz an seiner Schuhsohle, zündet sich eine Zigarette an, raucht. Er schaut auf die Machete in Friedrichs Hand, dieser bemerkt das, legt sie irgendwohin.
Felipe: Aber setzen Sie sich doch.
Dore und Friedrich setzen sich.
Felipe: Was ist denn hier los? Die ganze Vegetation komplett verdorrt, überall Tierkadaver, bedeckt von Fliegenschwärmen; der Verwesungsgeruch ist nicht auszuhalten.
Friedrich: Seit Jänner kein Tropfen Regen. Im Frühjahr hätte das Wetter umschlagen müssen. Jetzt ist August und noch immer jagen Glutwinde über die Insel. Unsere Quelle ist nur noch ein dünnes Rinnsal.
Felipe: In der Presse liest man von einem Paradiesgarten. Tomaten, Gurken, Rettiche, alles angeblich zehnmal so groß wie bei euch zu Hause. Zuckerrohr, Dattel- und Kokospalmen. Stimmt das alles nicht?
Dore: Natürlich stimmt das. Limonen, Bananen, Weintrauben, Mangos, Ananas – alles wuchs hier. Friedrich hat gerodet, im Schweiße seine Angesichts, Steine ausgegraben, das Dornengestrüpp mit Dynamit weggesprengt, 50 000 Schubkarren Vulkanerde angeschleppt, weil die Humusschicht so dünn ist.
Friedrich: Alles umsonst, alles ist jetzt vertrocknet und verkommen! Wir leben von Konservendosen. Und die gehen bald zu Ende.
Felipe: Sie sollten nicht hierbleiben.
Friedrich: Der Regen muss kommen! Er ist immer gekommen! Bis dahin werde ich Meerwasser destillieren, ich hab schon eine Vorrichtung gebaut. Ich kapituliere nicht. Niemals.
Felipe: (schaut auf Friedrichs Zähne) Das mit dem Stahlgebiss stimmt also?
Friedrich schaut ihn erstaunt an.
Felipe: (tippt sich an die oberen Zähne) In den Zeitungen stand, Sie hätten sich beide alle Zähne ziehen lassen, bevor Sie ans Ende der Welt übersiedelten. Und würden sich ein Stahlgebiss teilen, für besondere Anlässe. Aber Sie haben Ihre Zähne ja noch, Frau Dore.
Dore: Meine sind auch nicht echt.
Felipe: Ah?
Dore: Ich war zu eitel, ich wollte mir die Zähne nicht ziehen lassen. Aber dann...
Friedrich: Zucker in den Tee! Zuviel Zuckerrohrsaft getrunken – ich hab’s dir immer gesagt! (Zu Felipe:) Drei Jahre waren wir hier, da musste ich ihr nach und nach alle Zähne reißen!
Dore: Ohne Betäubung, mit der Beißzange! Dieser Mann ist Zahnarzt, Señor Pasmino! Ich wollte Medikamente mitnehmen, Schmerzmittel, Morphium, für alle Fälle. Er hat sich geweigert, er hat es mir verboten!
Friedrich: Der Mensch braucht keine Medikamente, wie oft soll ich dir das noch sagen? Schmerzen sind da, um ertragen zu werden. Und die Heilung besorgt der Wille. (Greift nach Dores Stock, der neben ihm liegt, schlägt damit nach Dore.) Der Wille!
Felipe: (drohend) He! Herr Doktor Ritter!
Friedrich: Der Wille vermag alles!
Felipe: Na, jedenfalls hat Ihnen Ihr Gatte, Gefährte, nun ein sehr schönes Gebiss gemacht, muss man schon sagen, Frau Dore. Wie echt.
Dore: Das hab ich unserem Gönner zu verdanken, Captain Hancock. Er hat uns eine komplette Zahnarztausrüstung geschenkt.
Felipe: Ah, der Philanthrop! Wissen Sie eigentlich, womit er seinen Reichtum begründet hat?
Die Grundstücke, die man heute Hollywood nennt, gehörten ihm. Von Studio zu Studio stiegen die Grundpreise.
Friedrich: Was Sie nicht alles wissen.
Felipe: Ich bin ein großer Anhänger des Films. Greta Garbo. Jean Harlow, Judy Garland. Hedy Lamarr. Die Größte aber Marlene Dietrich. Die Federn und Pelze, die sie trägt, scheinen zu ihrem Körper zu gehören wie der Pelz zur Raubkatze und die Federn zum Vogel.
Friedrich: Das interessiert uns hier weniger, Herr Oberleutnant. Aus dieser Welt bin ich geflohen.
Felipe: „Island of Lost Souls! Mit Charles Laughton und Bela Lugosi. Spielt in Ihrer heutigen Welt, Herr Doktor Ritter. Die Hauptfigur, ein etwas überdrehter Wissenschaftler, erinnert mich tatsächlich ein kleinwenig an Sie. „White Zombie
übrigens auch.
Friedrich: Wollen Sie sich über mich lustig machen?
Felipe: Gott bewahre! Ich gebe nur meiner Leidenschaft für den Film Ausdruck. Mach ich ständig, auch wenn es Wichtigeres zu besprechen gäbe. Captain Hancock ist natürlich ebenfalls ein großer Anhänger des Films.
Dore: Da dürften Sie recht haben. Er wird auf seinen Reisen immer von professionellen Kameraleuten begleitet.
Felipe: Darum hat er wohl eure Geschichte in die Welt hinausgetragen. Weil sie ein Filmmelodram ist. Hat Hollywood sich noch nicht gemeldet?
Friedrich: Nein, aber dafür die Naturschwärmer, die Verrückten. Es kamen