Westwind und Stacheldraht: Kindheits und Jugenderinnerungen
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Über dieses E-Book
Norbert Burghardt
Norbert Burghardt wurde 1945 in Waldbröl/Rhld. geboren. Er besuchte dort das Gymnasium, das er 1963 1 Jahr vor dem Abitur verließ. Er arbeitete in der Metallbranche und in der Bustouristik als Werbe- und Kataloggestalter. In den 80er Jahren schuf er Cartoons, die unter dem Pseudonym "NOBUS" von BULLS-Pressedienst vermarktet wurden. Seit 1997 hat er sich der freien Malerei verschrieben.
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Buchvorschau
Westwind und Stacheldraht - Norbert Burghardt
INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort
Frühe Kindheit
Früheste Erinnerung
Ziegenhardt
Brölbähnchen
Einschulung
Unser Haus
Meine Eltern
Kinderspiele
Schule
Kirche
Solingen
Hennef
Familienfeiern und andere Festivitäten
Mobilität und Sport
Leo
Soziales Umfeld
Nach dem Krieg ist vor dem Krieg
Gymnasium
Schulalltag
Klassenfahrt
Die Entscheidung
Abgang
Probe aufs Exempel
Lebensunterhalt
Krankenhaus
„Selbständig"
Gesangverein
Wehrdienstverweigerung
Bundeswehr
Fliegerhorst
Koblenz
Stadt Allendorf
„Reservist"
Neustart
Gebr. Willach
68 er-Bewegung
Fussball
SSV Nümbrecht
„Käfer"
Dorffest
Politik
Das weibliche Geschlecht
Nachwort
Gedichte
Anhang
VORWORT
Wort und Schrift sind die wichtigsten uns zur Verfügung stehenden Mittel, um uns zu verständigen und mitzuteilen. Dabei sind die Möglichkeiten von Misverständnissen und Irritationen zahlreich und allgegenwärtig. Worte sind im besten Falle Annäherungen an die Realität, im schlechtesten Falle Lügen, Verschleierungen und Täuschungen. Eingedenk dieser grundsätzlichen Problematik möchte ich trotzdem versuchen, auf diesem Wege einige prägende Ereignisse und Erlebnisse meiner Kindheit und Jugend darzustellen und dem „geneigten Leser" näher zu bringen.
„Zwischen der Absicht des Gesagten und der Wirkung des Gehörten befindet sich ein dichter Dschungel, aus dem die Botschaft selten ohne Blessuren hervortritt!"
Dieter Uecker
FRÜHE KINDHEIT
Am 17. Februar 1945 stieß ich im Kreiskrankenhaus Waldbröl im Bergischen Land meine ersten Laute aus. War es Ausdruck von Freude, Schmerz, Angst, Lebenswille? Das bleibt ebenso unklar wie die Gemütslage der anwesenden Personen. Neben berechtigter Freude war sicherlich manch sorgenvoller Gedanke im Spiel. Schließlich war Krieg und die Amerikaner standen am Rhein. Wie meine Mutter mir erzählte, mussten wir die zweite Nacht schon im Luftschutzkeller verbringen. Auch nach der Einnahme des Bröltals wurde die Lage nicht unbedingt besser. Nach den Bedrohungen des Krieges folgte eine Zeit des Mangels an Nahrung, Kleidung und den Dingen des täglichen Bedarfs. Die schlimmste Phase bis 1948 ist zwar der kindlichen Amnesie verfallen, aber ich mutmaße, aus dieser Grunderfahrung des Mangels rührt z.B. die Gewohnheit, den Teller bis auf den letzten Krümel zu leeren. Es blieb auch keine andere Wahl, wollte man „groß und stark" werden, wie sich die Älteren auszudrücken pflegten. Glücklicherweise lebten wir auf dem Land und konnten so einen Teil der Grundversorgung selbst decken. Meine Eltern hielten einen kleinen Nutzgarten und Kleinvieh wie Kaninchen und Hühner, die mein Vater selbst schlachtete. Dabei konnte es passieren, dass ein Huhn ohne Kopf noch quer durch den Garten flog. Zeitweise hatten wir sogar ein Schaf im Keller, das uns mit frischer Milch versorgte. Bei Hausschlachtungen im Ort erlebte ich, wie in Fleischbergen gewühlt, gemetzelt und gemengt wurde, in Wannen und Töpfen blutige Brühen brodelten und üble Gerüche verbreiteten. Aber ich lernte früh, dass hier etwas entstand, das gut schmeckte und in der Lage war, Leib und Seele für eine Weile beieinander zu halten. Eine gewisse Mangelernährung scheint jedoch vorgelegen zu haben, weil bei meiner Einschulung Hängeschultern festgestellt wurden und ich dauernd aufgefordert wurde, gerade zu gehen und die Brust heraus zu strecken.
Ein unvergessliches Erlebnis war für mich Anfang der Fünfziger ein Besuch im „Café Brandenburg" in Waldbröl , wo meine Mutter und ich je ein Stück Erdbeertorte mit Schlagsahne genossen. Ein mir bislang unbekanntes, exotisches Ereignis!
Das änderte sich bei verbesserter Versorgungslage in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre, wo bei Familienfeiern regelrechte Kuchenorgien zelebriert wurden. Favoriten waren Buttercremetorte mit Marzipanröschen, Schwarzwälder Kirschtorte und „Kalter Hund, eine „Kalorienbombe
aus Keksen und verflüssigter Schokolade. Wir Kinder veranstalteten Wettessen, wobei man sich an die 15 Stück Kuchen heranarbeiten musste, um sich Hoffnungen auf den 1. Platz machen zu können. Ob diese astronomischen Zahlen tatsächlichem Heißhunger, Schummelei oder späterer Legendenbildung geschuldet sind, ist heute nicht mehr zu ergründen. Die meisten „Kuchenschlachten" fanden in Solingen im mütterlichen Elternhaus statt und … meistens gewann mein Vetter Rainer. In diesem Haus lebten zeitweise 6 Parteien mit ca. 20 Personen, alle mehr oder weniger eng verwandtschaftlich verbunden. Man musste damals eben zusammenrücken.
FRÜHESTE ERINNERUNG
Doch kehren wir zurück in die Zeit des Mangels und der allgemeinen Knappheit. Es muss kurz nach der Währungsreform gewesen sein. An einem schönen Sommertag ergab es sich, dass Onkel Adolf, ein Vetter meiner Mutter, mich und Joachim Duhme beauftragte, im Wirtshaus „Zur Fischerin" Zigarillos zu besorgen. Nach prompter