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Schrei(b)k(r)ampf
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eBook387 Seiten5 Stunden

Schrei(b)k(r)ampf

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Über dieses E-Book

Welchen beruflichen Weg schlägt ein Sprachtalent mit mittelmäßigem Schulabschluß Mitte der siebziger Jahre ein? Wenn dieses Sprachtalent unter keinen Umständen in einem Büro versauern will? Erst einmal macht Marion Petersen einen Termin mit der Berufsberaterin. Kreativität, Wortwitz und große Klappe sind jedoch nicht gefragt bei Lehrlingen; andererseits will sie jezt endlich mal Geld verdienen. Widerwillig sucht sie sich also einen Bürojob und stenografiert geschraubt formulierte Texte, die blitzschnell und fehlerfrei abzutippen sind. Die Jahre vergehen, aus der Übergangslösung zum Geldverdienen wird die Festanstellung mit Rentenanspruch. Aus der Göre in Flickenjeans die Bürozicke mit Betonfrisur und Schluppenbluse. Gegen den immer mal wieder auftretenden Frust wird geshoppt – oder gekippt. Hochprozentiges. Nach jähem Absturz und tiefer Talsohle findet sie schließlich doch noch den Job, der richtig Spaß macht. Doch als ihre Abteilung outgesourct wird, muss sie sich entscheiden: Mut zusammen nehmen, Komfortzone verlassen und ganz neu durchstarten. Oder festhalten und ausharren. Erdulden, wer oder was da auch kommen wird. Ängstlich bleibt Marion, wo sie ist. Nach Meinung ihres neuen Vorgesetzten sind Sekretärinnen lediglich Bedienstete, die abgeschirmt von jeglicher Information am produktivsten arbeiten. Niedere Hilfskräfte, die in jeder Beziehung kurz zu halten sind. Eine Schreibtante muss nicht alles wissen. Schon gar nichts über anstehende Termine, laufende Projekte oder das Tagesgeschäft. Kommunikation wird doch vollkommen überbewertet! Anstatt sich zu wehren, zieht Marion den Kopf ein, schiebt Frust und flüchtet in Krankheit. Bis sie endgültig zusammenklappt und Bilanz ziehen muss.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum22. Apr. 2014
ISBN9783955778408
Schrei(b)k(r)ampf

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    Buchvorschau

    Schrei(b)k(r)ampf - Mari Ann Simon

    Kapitelübersicht

    PROLOG

    1. Zögerliches Fortkommen

    2. Dröger Kram

    3. Fuchsende Pfennige

    4. Kategorische Fürsten

    5. Hellblaue Viertürer

    6. Peinliches Schweigen

    7. Unterschiedliche Richtungen

    8. Hochprozentiger Frust

    9. Dehnbare Begriffe

    10. Blankliegende Nerven

    11. Vergoldete Henkel

    12. Engmaschige Netzwerke

    13. Regulierte Kanäle

    14. Technische Unzulänglichkeiten

    15. Moderne Sklavenhaltung

    16. Räumliche Fehlbuchungen

    17. Barolohaltige Nebel

    18. Rapide Wechsel

    19. Durchlöcherte Hirne

    20. Riesige Anhänge

    21. Vernetztes Drucken

    22. Lautlose Schreie

    23. Distanziertes Gelächter

    24. Telefonische Kontakte

    25. Ererbte Streitigkeiten

    26. Geklärte Einsichten

    27. Innere Abstände

    28. Verfiebertes Fest

    29. Pausierende Zellen

    30. Sportive Bewegung

    31. Laufende Projekte

    32. Nostalgische Rückblicke

    33. Gigantische Schatten

    34. Wohlig Erwärmtes

    35. Gewechselte Perspektiven

    36. Ausgebreitete Flügel

    EPILOG

    Hamburg, Oktober 1974 – Spätherbst

    PROLOG

    Was machen Eltern mit einer Sechzehnjährigen, die weder konkrete Berufswünsche noch eindeutige Talente, sondern nur einen ausgeprägten Hang zu Büchern, Buchstaben, Wörtern und Sätzen hat?

    Genau.

    Sie machen einen Termin bei der Berufsberatung.

    Vorher schleppen sie das Kind noch schnell zu C&A, um es für „den Ernst des Lebens" anständig einzukleiden.

    Meine Mutter verstand darunter kniebedeckenden Rock, ergänzt durch Karobluse mit Rüschenpasse. Zufrieden nickte sie der Verkäuferin zu, die sich vor Begeisterung geradezu die Hände rieb, mein mürrisches Gesicht ignorierte meine Mutter dabei lieber. Auf dem Heimweg starrte ich verstockt aus dem U-Bahnwaggon. Wieviele Langspielplatten hätte man für das ganze Geld kaufen können! Muffelig schleppte ich die Tüte mit den verordneten Spießerklamotten nach Hause.

    Obwohl das Büro im Arbeitsamt überheizt war, fröstelte mich mit meinen nassen Füssen. Hochhackige Pumps sind für Hamburger Herbsttage nun einmal völlig ungeeignet, die hauchdünne Strumpfhose war über und über mit Matschklecksen bespritzt. Fette Regentropfen schlugen gegen das Glas und liefen in langen Bahnen an den Fensterscheiben herunter.

    I. Gerresheimer stand draußen auf dem Schildchen. Berufsberatung.

    Frau I. Gerresheimer blätterte flüchtig durch meine dürftigen Unterlagen, während ich überlegte, wofür das „I" wohl stand? Inge? Isolde? Ilona? Die Papiere raschelten leise. Das Versetzungszeugnis aus der Realschule und der Lebenslauf, der mich fast in den Wahnsinn getrieben hatte. Handgeschrieben musste er sein und nach zahlreichen Versuchen war er irgendwann auch endlich fehlerlos gewesen. Zwischen Zeugnis und Lebenslauf lag auch noch die Bestätigung über mein Berufspraktikum im letzten Jahr.

    Hmmm, die naturwissenschaftlichen Fächer ... hmm, darin bist du ja eher schwach... hmmm.

    Sie schaute mich nicht ein einziges Mal an, während sie vor sich hinmurmelnd flüchtig weiterblätterte und dabei ab und zu den Kopf schüttelte und hmm-te.

    So ganz unrecht hatte sie leider nicht. Meinem nicht zu leugnenden Sprachtalent stand absolute Verständnislosigkeit in Naturwissenschaften und Mathematik gegenüber.

    Verlegen schob ich die schweißfeuchten Hände unter meine Oberschenkel und dachte an die Ermahnungen meiner Mutter, ja ordentlich und gerade zu sitzen. Hinter meinen langen aschblonden Haaren, die mir vorhangartig ins Gesicht fielen, ließen sich Unsicherheit und Unwohlfühlen hervorragend verbergen. Denn gegen den von meiner Mutter bevorzugten ordentlich geschnittenen Pagenkopf hatte ich mich erfolgreicher als gegen die damenhaften Klamotten zur Wehr gesetzt. Hieß ich Mireille Mathieu?

    Frau Gerresheimer fragte aufgesetzt fröhlich: Wozu hättest Du denn Lust, Marion? Ich darf doch noch Du sagen?

    Ich nickte und überlegte.

    Lust hätte ich, Bücher zu schreiben. Oder Journalistin zu werden. Soziologie oder Psychologie zu studieren. Laut äußerte ich nichts dergleichen. Meine Zensuren ließen nicht viel Spielraum, an einen Wechsel auf das Gymnasium war überhaupt nicht zu denken. Im Gegenteil, ich musste froh sein, wenn ich wenigstens eine Lehrstelle bekäme. Als was? Keine Ahnung. Darum saß ich ja auf einer vordersten hölzernen Stuhlkante in diesem miefigen Büro.

    „Ja, äh, also ... Mist, irgendwie war ich aber gar nicht gut vorbereitet. „Ich möchte nicht in einem Büro sitzen schob ich schnell hinterher.

    Das war blöd, das merkte ich sofort an ihrem Gesichtsausdruck. Schließlich hatte sie mich gefragt, wozu ich Lust hätte. Nicht, wozu ich keine Lust hatte! Genau daran haperte es bei mir ja. Was ich nicht wollte, wusste ich nämlich ziemlich genau. Zum Beispiel tagein tagaus ordentlich gekleidet mit Rock und Bluse in einem Büro sitzen.

    Stattdessen fiel mir unser Schulprojekt zum Thema Umwelt ein. Mit selbst ausgearbeiteten Fragebögen waren wir losgezogen und hatten Passanten auf der Straße zum Thema Gewässer- und Luftverschmutzung interviewt. Während meine Mitstreiter später das Modell bauten, um unser Projekt auch optisch darzustellen, übernahm ich Auswertung und Zusammenfassung der Fragebögen. Mit einem idyllischen Flussufer (die Schwarzwaldhäuschen, Büsche und Bäume hatte ich meinem Bruder abgeschwatzt, der mit seinen neunzehn Jahren kaum noch mit seiner Eisenbahn spielte) und einer aus Holz, Pappe und leeren Schachteln gebauten Fabrik, die ungeklärte Abwässer in den tuscheblauen Fluss leitete und mit dicken Rauchwolken die Luft verpestete, stellten wir dar, was den Befragten zum Thema eingefallen war. Die Wasserverschmutzung wurde mit Rasierschaum und Schlieren schwarzer Wimperntusche verdeutlicht, während aus dem aus einer ausgedienten Klopapierrolle gebastelten Schornstein schmutziggraue Wattebäusche quollen. Das Modell steht heute noch in einer Vitrine unserer Pausenhalle und war insgesamt mit einer zwei plus bewertet worden. Am stolzesten war ich jedoch auf den Artikel, den ich hinterher über das Projekt in unserer Schülerzeitung veröffentlicht hatte und um den ich in den Redaktionssitzungen ziemlich kämpfen musste. Das Flugblatt für die anschließende Protestaktion hatte ich auch mitentworfen, dafür gab es natürlich keine guten Zensuren mehr. Laut antwortete ich also: „Ich habe gern mit Menschen zu tun." Als dieser Satz laut ausgesprochen durch den Raum schwebte, hörte er sich aber irgendwie auch schon wieder falsch an. Bevor ich jedoch genauer erklären konnte, dass ich dabei an Umfragen und mündliche Interviews gedacht hatte, fragte Frau Gerresheimer auch schon nach, ob ich denn schon mal an eine Lehre als Kindergärtnerin oder Altenpflegerin gedacht habe.

    Wie bitte? Bei den Menschen, mit denen ich gern zu tun haben wollte, hatte ich an Wesen gedacht, die deutlich höher als einen Meter und weder immer noch oder schon wieder im Wickelalter waren !

    Ich verdiente mein Taschengeld auf jeden Fall lieber beim Zeitungsaustragen als beim Babysitten.

    Ich musste irgendetwas halblaut vor mich hingemurmelt haben, denn die Stimme von Frau Gerresheimer unterbrach ungeduldig: „Bist Du denn gern draußen? Landschaftsgärtner arbeiten den lieben langen Tag an der frischen Luft."

    Landschaftsgärtner?

    Ich sah mich Begonien und Krokusse auf einer Verkehrsinsel pflanzen. Wieder schüttelte ich meinen Kopf. Landschaftsgärtner war sicherlich auch nichts für mich. Irgendwie lief das hier nicht ganz so wie erwartet.

    „Bist Du denn handwerklich geschickt?"

    Weder die Schürze, die wir im Handarbeitsunterricht nähen mussten und mit Motiven wie Karotten, Äpfeln oder Birnen besticken sollten, noch den emaillierten Aschenbecher aus dem Kunstunterricht könnte man auch nur annähernd als gelungen bezeichnen. Bevor die Schürzennähte nach mehrmaligem Auftrennen und Neunähen einigermassen gerade waren, war das Schulhalbjahr auch schon um. Im Aschenbecher sammelt meine Oma immerhin heute noch ihre Rabattmarken. Wahrscheinlich, weil sie ihre Enkelin sehr lieb hat. Das Aufkleben der Bäume und Ausschneiden und Anmalen der Pappschachteln beim Umweltmodell würde ich auch nicht gerade als große Handwerkskunst bezeichnen. Nein, das schied wohl auch aus.

    Frau Gerresheimer studierte mit leicht verdrießlicher Miene die Bestätigung über das Berufspraktikum. Schon im vorigen Schuljahr hatte ich mich überhaupt nicht entscheiden können, was aus mir einmal werden sollte. Die meisten Klassenkameradinnen machten Praktika bei Ärzten oder Zahnärzten oder schnupperten in Banken oder Versicherungen rein.

    Alles nichts für mich.

    Mein Patenonkel hatte mir schließlich die Praktikumsstelle in einer kleinen Pension besorgt. Vermutlich war er meinem Vater einen Gefallen schuldig. Frau Gerresheimer riss mich aus meinen Gedanken an diese auch nicht gerade rühmlichen vierzehn Tage und fragte: „Ich meine, hast Du denn überhaupt schon mal in einem Büro gearbeitet? Während deines Schulpraktikums?"

    Wieder konnte ich als Antwort nur meinen Kopf schütteln. Einen Dialog konnte man das nicht wirklich nennen, also gab ich mir einen Ruck und antwortete: „Ich habe... in der Küche geholfen." Was auch nicht so ganz der Wahrheit entsprach. Denn an meinem allerersten Tag hatte ich bei der Zubereitung eines Puddings zugeschaut, der am nächsten Tag als Dessert auf der Speisekarte stand. Großzügig wurde erlaubt, dass ich die Schüssel mit den Resten auskratzte. Dass die Puddingsmasse mit Salmonellen verdorben war, konnte wohl keiner ahnen. Insofern hatte ich meine ersten Berufserfahrungen erst auf der Toilette und dann in Quarantäne zu Hause verbracht. Wohlwollend und haarscharf an der Wahrheit vorbei (außer der Gefälligkeit war dann wahrscheinlich auch noch schlechtes Gewissen im Spiel) wurde ich in der Praktikumsbeurteilung als höfliches junges Mädchen beschrieben, das sich zwei Wochen lang gut in das Küchenteam eingefügt hatte.

    Meine Wangen färbten sich rötlich, als die Berufsberaterin diese Bewertung nun auch noch laut vorlas. Notfalls musste ich meinen roten Kopf auf die Raumtemperatur schieben. Frau Gerresheimer sah Rotbäckchen aber überhaupt nicht an, stattdessen zog sie aus diversen Stapeln auf dem Schreibtisch einen dünnen grauen Papphefter hervor.

    „Du bringst ja schon „Erfahrungen mit - sie schaute hoch, ob ich die ironischen Gänsefüßchen auch verstanden hatte – „nun, jedenfalls hast Du schon mit Lebensmitteln gearbeitet...

    Auch jetzt machte ich keine Andeutung, dass mein Körper eher Mühe gehabt hatte, die verspeisten Lebensmittel zu verarbeiten. Gespannt wartete ich, womit sie jetzt rausrücken würde. Sie bog den Ordner ganz auf, suchte eifrig die entsprechende Zeile.

    „Ja, dieser Betrieb sucht schon ein bißchen länger einen Lehrling. Die Inhaberin... wirklich eine sehr nette Frau. Es gibt dort noch einen Lehrling im dritten Jahr. Und die Gesellen werden hinterher meistens übernommen...".

    Jetzt hätte ich doch ganz gern gewusst, in welchem Beruf dieser sagenhafte Lehrbetrieb denn ausbildete, da kam es auch schon: „Konditor ist ein zukunftsträchtiger Beruf. Gebäck und Torte werden ja immer gegessen. Also auf Hochzeiten, Taufen, Beerdigungen..."

    Sie unterbrach ihren Werbetext. Hatte wohl selbst gemerkt, dass besonders Letzteres einem jungen Mädchen den Job nicht unbedingt erstrebenswert erscheinen ließ. Na klar, ich mag Süßes und ich esse sehr gern Kuchen und Kekse. Aber den ganzen Tag hinter einer Glastheke stehen und Kunden fragen, wieviele Stücke es denn insgesamt werden? Mit einem Häubchen auf dem Kopf ovale braune Tabletts durch ein plüschiges Cafè tragen?

    Ein abgrundtiefer Seufzer von mir, Frau Gerresheimer schaute mich leicht irritiert an. Jetzt wurde es wohl langsam Zeit, mal irgendetwas Vernünftigeres vom Stapel zu lassen! „Ich bin gern kreativ..." in meinen Ohren klang das zwar ziemlich hochtrabend, aber meine kläglichen Versuche mit Aschenbecher und Schürze musste ich ihr ja nicht auf die Nase binden. Eher meinte ich auch den kreativen Umgang mit Worten und Sätzen. So wie beim Umweltprojekt. Für die Ausarbeitung des Fragebogens hatte ich immerhin eine Eins bekommen.

    Gerade als ich etwas weiter ausholen wollte, erhob Frau Gerresheimer sich erfreut nickend. Aus einem Kasten, der hinter ihr auf einem niedrigen Aktenschrank stand, zog sie gelbliche Karteikarten heraus. Murmelte vor sich hin und musterte mich dabei immer wieder. „Hier hab ich’s ihr freudiger Ausruf ließ mich zusammenfahren. „Der Beruf der Floristin verbindet beides – man hat mit Menschen, also mit Kunden zu tun und kann kreativ sein...

    Floristin?

    In einem feuchten Laden mit dicken Socken an den Füßen und einer grünen Gummischürze um den Bauch Trauerkränze flechten und Nelkenstiele auf die richtige Länge knipsen?

    „Ist das auch nichts für Dich?"

    Sie hatte nicht etwa auch nichts für Dich gesagt, aber ihre Frage klang durchaus drohend. Ich will doch nur eine Beratung!

    Ruckartig zog ich beide Hände unter den Schenkeln hervor, der schmale Silberring riß rechts einen langen Faden aus der neuen Strumpfhose. War jetzt auch schon egal.

    „Ich glaube nicht, dass Floristin für mich das Richtige ist stieß ich hervor. Prima! Mein erster vollständiger Satz und gleich wieder was Ablehnendes. Gut, dass meine Mutter mich nicht hören konnte, sie hätte die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Schnell wollte ich das Gesagte etwas abmildern und sagte hastig: „Aber ich mag Blumen ... Frau Gerresheimer kniff die Augen zusammen, ich glaube, jetzt fühlte sie sich auf den Arm genommen. Wollte ich doch gar nicht.

    Knapp sagte sie: „Wir melden Dich zum Eignungstest an. Vielleicht bringt das Klarheit. Du hörst von uns."

    Schneller als gedacht stand ich also wieder auf dem grauen Flur.

    Meine Mutter meinte zu Hause ärgerlich, dass ich mal wieder alles verkehrt angepackt hätte: „Eignungstest? Was íst das denn für ein Blödsinn? Was hast Du denen denn bloß erzählt?... Allerdings rümpfte sie dann doch die Nase, als ich von den Berufsvorschlägen berichtete: „Floristin? Konditor? Landschaftsgärtner? Die spinnen doch! Du bist so gut in Sprachen, hatten sie in dem Bereich denn nichts?!?

    Dass wir überhaupt nicht soweit gekommen waren, meine Sprachbegabung zu erörtern, behielt ich lieber für mich. Mamas Nase war schon gerümpft genug, weil ich so überhaupt keine vernünftigen Berufswünsche hatte. Dreiviertel der Mädchen in meiner Klasse wurden irgendwelche Kaufmänner oder Arzthelferin. So eine Tochter hätte meine Mutter wahrscheinlich auch gern gehabt.

    „Wäre das denn nichts für dich?!?"

    Menschen mit feinen Nadeln ins Ohr stechen, um Blut abzunehmen? Nee danke. Dabei kippte ich immer um.

    In einer Bank sahen aber sogar meine Eltern ihre Tochter nicht. Die Grundrechenarten wären da bestimmt unbedingt Voraussetzung. Sie wunderten sich vermutlich nicht zum ersten Mal, wie sie zu zwei so völlig unterschiedlichen Kindern kommen konnten. Mein Bruder hatte gerade sein Abitur bestanden, mit sehr guten Zensuren. Ohne eine einzige Nachhilfestunde. Im Gegenteil, er gab seit der neunten Klasse selbst welche, in Physik und Mathe. Nicht seiner kleinen Schwester. Das hätte mit Mord und Totschlag geendet. Jetzt studierte Zahlenjongleur Markus im ersten Semester BWL.

    Hoffentlich gab der Eignungstest für seine kleine Schwester was her!

    Der graue Umschlag mit dem Behördenstempel, der ein paar Wochen später im Briefkasten lag, zitierte Fräulein Marion Petersen eines Dienstagmorgens um achtuhrdreißig ins Arbeitsamt am Berliner Tor. Mit mir hockten zwanzig weitere Leute der verschiedensten Altersstufen in dem Raum. Waren das auch solche hoffnungslosen Fälle wie ich? Alles Klienten von I. Gerresheimer?

    Diktat, Aufsatz und Fragen zur Allgemeinbildung fand ich beim Test dann zunächst sogar relativ einfach zu bewältigen. Mit leichtem Magengrimmen kam ich zum Prüfungsteil, der meine logischen und mathematischen Fähigkeiten testen sollte. Je komplizierter die Aufgaben wurden, umso lauter tickte die verdammte Uhr auf dem Pult. Beim Übungsteil mit den Zahlenreihen hatte ich schon ganz glitschige Hände. Immer, wenn ich dachte, jetzt bin ich endlich hinter die Logik gekommen, passte die nächste Zahl wieder nicht mehr dazu ...

    Verzweifelt schielte ich zu meinem Sitznachbarn, einem jungen Mann mit ziemlich abstehenden Ohren, der extrem nach Hasch roch, seitdem er in der Pause aus dem Herrenklo gekommen war. Ohne auch nur einmal hochzuschauen, schrieb er emsig. Vielleicht sollte ich auch mit dem Grasrauchen anfangen? Dann würde ich die grauen Zahlenkolonnen vielleicht auch schön farbig vor mir sehen! Mein Testbogen war weit davon entfernt, vollständig zu sein, als das Klingeln des Weckers mich endlich erlöste. Nachdem wir noch einen ellenlangen Fragebogen zu Gewohnheiten, Vorlieben, Freizeit und Hobbies ausgefüllt hatten, durften wir endlich gehen.

    Viel erzählte ich zu Hause von diesem sagenhaften Test nicht. Meine Mutter fand mich mal wieder „extrem launisch". Wütend knallte ich meine Zimmertür hinter mir zu und widmete mich liebevoll dem Starschnitt aus der BRAVO. Noch zwei Ausgaben und Marc Bolan von T. Rex wäre endlich vollständig.

    Nach einiger Zeit kam auf graublauem Behördenpapier die Aufforderung, mit der Berufsberaterin meine Testergebnisse zu besprechen. Wieder verzichtete ich auf die moralische Unterstützung meiner Mutter und dieses Mal auch auf die Büromäuschenverkleidung. Ganz bequem saß ich Frau Gerresheimer in Jeans und Parka gegenüber. Meine Mutter hatte wegen der Kleidungsfrage ein Heidentheater gemacht, aber bockig hatte ich mich diesmal durchgesetzt.

    Seufzend blätterte Frau Gerresheimer durch die Auswertung und zog überrascht die dünn gezupften Augenbrauen hoch: Tatsächlich! Sogar etwas überdurschnittliche Intelligenz, einhundertachtundzwanzig...

    Einhundertachtundzwanzig was? Grad? Uhr? Meter? Sollte das gar mein IQ sein?

    Bevor ich jedoch nachfragen konnte, fuhr sie fort, wobei sie wieder verständnislos den wohlfrisierten Kopf schüttelte: „Große Defizite im mathematischen Bereich. Gute Allgemeinbildung, durchschnittliches soziales Verhalten. Aaaaber ausgesprochen sprachlastig."

    Durschnittliches soziales Verhalten? Verdammter Fragebogen! Hätte ich bei Interessen bloß klassische statt Popmusik und Museumsbesuche statt Kino angegeben. Andererseits käme sie mir nach der Einstufung bestimmt nicht noch mal mit Altenpflege oder Kindergärtnerin.

    Sprachlastig klang allerdings auch nicht besonders gut. Mit sprachbegabt hätte ich mich eher anfreunden können. Und hierfür hatte ich mich einen ganzen Vormittag lang ausquetschen lassen? Für dieses Ergebnis hätte wohl ein ausführlicher Blick in mein Zeugnis genügt. Frau Gerresheimer nahm gerade zum Vergleich nochmal die Zeugniskopie zur Hand und fuhr fort: „Wirklich recht gute Zensuren in den Sprachen. Endlich mal ein wohlwollender Blick. „Hmm, tjaaa... Warum gehst Du eigentlich nicht weiter zur Schule?

    Vor Schreck saß ich stocksteif und kerzengrade.

    Wie bitte?

    Schule?

    Nein!

    Das Kapitel hatte ich innerlich doch längst abgeschlossen.

    Leider nahm sie mein entsetztes Schweigen als Zustimmung und ratterte ihren offensichtlich schon länger vorbereiteten Text runter. Fremdsprachenschule, zwei Jahre Unterricht, um praxisnah den schönen Beruf der Fremdsprachenkorrespondentin zu erlernen. Hinterher würden mir, so sprachbegabt wie ich bin, Tür und Tor offenstehen.

    Ach nee.

    Jetzt hieß es auf einmal sprachbegabt.

    Hochinteressant.

    Einzuhaken und nachzufragen, ob Tür und Tor mich denn nicht geradewegs in ein Büro führen würden, traute ich mich allerdings nicht.

    Frau Gerresheimer musste kurz Luft holen, sie war ordentlich in Fahrt gekommen. „Du kannst dort drei Sprachen lernen. Englisch, Französisch, Spanisch oder Russisch!" trumpfte sie auf.

    Russisch. Das klang allerdings interessant. Niemand, den ich kannte, sprach Russisch. Und eine komplett neue Sprache lernen – warum eigentlich nicht? Aber ansonsten... Fremdsprachenkorrespondentin? Dann konnte ich doch lieber Bürogehilfin lernen, das dauerte auch nur zwei Jahre und würde wenigstens bezahlt.

    Unruhig rutschte ich auf dem Stuhl hin und her und überlegte, was ich sagen sollte, als Frau Gerresheimer ihre letzte Trumpfkarte ausspielte: „Nach den zwei Jahren auf der Fremdsprachenschule hast Du die Fachhochschulreife."

    Elektrisiert saß ich da. Fachabitur? Mit einem winzigen Umweg von zwei Jahren doch noch ans begehrte Abitur kommen und Journalistin werden? .

    Wesentlich interessierter griff ich nach der Informationsbroschüre, stopfte den Prospekt in meinen Beutel und fuhr nach Hause. Warum eigentlich nicht? Erstmal weiter zur Schule gehen? Dann passte auch die Hippieverkleidung wieder!

    Zwei Jahre waren eine lange Zeit, in denen viel passieren konnte. Auf keinen Fall würde ich mein Leben damit verbringen, an einer Schreibmaschine zu sitzen, um irgendwelche Texte abzutippen, die mir jemand diktiert hatte!

    Meine Eltern waren vom Vorschlag Fremdsprachenschule mehr als angetan. Endlich hatte das Kind eine Perspektive! Dass ich Russisch lernen könnte, fanden sie interessanter als die Möglichkeit des Fachabiturs. „Das ist doch mal was ganz anderes! Mit der Sprache lässt sich bestimmt was anfangen und gutes Geld verdienen. Lernt doch nicht jeder. So sprachbegabt wie du bist, wird es dir ganz leichtfallen. Sollst mal sehen – eines Tages arbeitest du noch als Übersetzerin für die UNO."

    Das war natürlich Musik in meinen Ohren, langsam glaubte auch ich, dass diese Schule das Richtige wäre.

    Erstmal.

    Ich lenkte also ein: „Na gut. Ich gehe noch mal zwei Jahre zur Schule. Und danach sehen wir weiter..." Mit meiner Sprachbegabung würde ich da mit Bravour durchrauschen und glänzend abschneiden. Überhaupt keine Frage.

    Zwei läppische Jahre und mir standen Tür und Tor weit offen.

    Mit der Arroganz meiner Jugend sah ich mich als Simultandolmetscherin für Russisch und Spanisch im Europaparlament in Brüssel arbeiten. Mühelos anspruchsvolle fremdsprachige Literatur übersetzen. Als persönliche Assistentin durch die große weite Welt jetten. Stolz durch die Pforten eines Unversitätscampus schreiten.

    Mit zuviel Phantasie kann man sich alles schönmalen.

    Der Zwischenbescheid der Fremdsprachenschule informierte ersteinmal nur lapidar, dass es zuviele Anmeldungen gäbe. Marion Petersen stünde aber auf einer Warteliste.

    Das Tom Sawyer-Gartenzaun-Anmal-Prinzip.

    Was so begehrt war, musste wohl etwas ganz Besonderes sein. Jetzt wollte ich auf jeden Fall Fremdsprachenschülerin werden!

    Wegen des enormen Zulaufs richtete die Fremdsprachenschule zwei externe Klassen in einer anderen Handelsschule ein. Zusammen mit weiteren siebenundfünfzig Auserwählten lauschte ich der Begrüßung des Rektors. Ein Französischtest sollte die Spreu vom Weizen trennen und uns in eine schwache und eine starke Klasse teilen.

    Lächelnd verteilte eine attraktive dunkelhaarige Frau Schreibpapier: „Mäine Name iiist Giselle Lebranc. Wiir wärdän jätzt aine kleinäää frongsöhsische Dicktatt schraibän..."

    Restlos überzeugt, dass ich Weizen war, griff ich frohgemut zu meinem Füller.

    Überschrift und Einleitungssatz bekam ich noch mit, danach floss alles in einem melodiösen Singsang zusammen. Sechsundfünfzig Köpfe beugten sich über Testbögen und schrieben eifrig mit. Nach ungefähr drei Minuten legte ich meinen Schreiber hin und lauschte nur noch. Bewunderungswürdig! Wer konnte bei der Geschwindigkeit erahnen, wo ein Satz aufhörte und der nächste begann?

    Leicht verzweifelt starrte ich auf den einzigen Satz, den ich noch halbwegs mitbekommen hatte: „Ma chère Maman, nous sommes heureux ..." Oder heureuse? Heureuses?

    Nicht mal den Einstufungstest schaffst du!, schoß es mir durch den Kopf. So abwegig erschienen mir die Optionen Konditor oder Gärtner auf einmal nicht mehr zu sein.

    Nach dem total vergeigten Eingangstest fand ich mich also in der Klasse derjenigen mit den schwachen Französischkenntnissen wieder und saß neben einem etwas älteren dünnen Mädchen, das seine langen roten Locken achtlos unter schwarze, blaue oder graue Baskenmützen stopfte. Nele war schon achtzehn, rauchte filterlose, selbstgedrehte Zigaretten, trug immer viel schwarzen Kajal um die braunen Augen und rollte das „R" ganz auffällig. Nele wollte auch Spanisch und Russisch lernen und war genau wie ich schon in der ersten Woche stinksauer, denn Russisch wurde für uns Ausgelagerte leider überhaupt nicht angeboten. „Das ist doch ein Witz, schimpfte sie, als wir aufgebracht vor unserem Klassenlehrer standen, „nur deshalb haben wir uns hier überhaupt angemeldet! Wir wollen Russisch lernen...

    Halbherzig bot die Schule an, dass wir die vier Russischstunden im Haupthaus im Mittelweg besuchen könnten. Obwohl Nele jeden Tag in einem himmelblauen R4 vorfuhr und großzügig anbot, mich mitzunehmen, war die Strecke zeitlich einfach nicht zu schaffen. Mindestens die Hälfte der angrenzenden Stunden hätten wir versäumt, was wir uns bei unseren insgesamt eher mittelmässigen Leistungen einfach nicht erlauben konnten. Murrend mussten wir also mit Französisch vorliebnehmen.

    Auch Nele betrachtete die Fremdsprachenschule höchstens als Übergangslösung „bis uns was Gescheiteres einfällt"...

    Das parallele Erlernen zweier romanischer Sprachen fiel uns beiden schwerer als zunächst gedacht. Wenn ich aber nicht mal sprachbegabt war, was blieb dann noch?

    Simultandolmetscherin?

    Ha!

    Obwohl Klassenlehrer Althoff sich in BWL, VWL und ReWe auch mit Zahlenallergikern wie mir redlich Mühe gab, stand für mich schon nach wenigen Wochen unverrückbar fest: Alles, was auch nur im weitesten Sinne nach Buchhaltung, Zahlen oder Rechnungswesen aussah, würde ich auch den Rest meines Lebens weiträumig meiden. Dann doch lieber übersetzen oder sogar Briefe abtippen. Natürlich nur übergangsweise. Dachte ich in meinem jugendlichen Überschwang.

    Neben kaufmännischem Englisch, Französisch und Spanisch wurden den angehenden Fremdsprachenkorrespondentinnen natürlich auch die modernen Bürokommunikationswerkzeuge wie Steno und Maschineschreiben vermittelt. Wir sollten unseren zukünftigen Vorgesetzten schließlich ihre Arbeit erleichtern und dazu gehörten nun einmal flinke Finger in beiden Fächern. Die hierfür angesetzten drei Wochenstunden dauerten für mich gefühlte dreißig Stunden. Jeder Regisseur hätte unsere Stenografie- und Schreibmaschinenlehrerin als Prototyp der alten Jungfer besetzt: Weiße Rüschenbluse, brauner Wollrock, Schuhe mit klobigen Absätzen. Akkurat geschnittener brauner Pagenkopf. Klein und pummelig stand Fräulein Rusch vor der Klasse und versuchte, dreißig mehr oder weniger interessierten jungen Mädchen die Vorzüge der deutschen Einheitskurzschrift zu vermitteln.

    Derweil flüsterte Nele mir zu, dass sie gestern einen ganz süssen Typen im Grünspan kennengelernt hätte und ob wir uns zusammen eine Flasche „CHARLIE" leisten sollten. Unsere ganze Schule roch flächendeckend nach diesem Parfüm, das in einer dreieckigen Glasflasche verkauft und für uns Taschengeldempfängerinnen leider unerschwinglich war.

    Fräulein Rusch, die morgens offensichtlich ziemlich üppig TOSCA auftupfte und mich mit diesem altmodischen Duft stark an meine Oma erinnerte, versuchte uns Kürzelzeichen einzubläuen, die unsere Diktatgeschwindigkeit immens steigern sollten. Mit Feuereifer malte das Fräulein etwas an die Tafel, das wie ein zu rund geratenes kleines VAU aussah. Triumphierender Blick in die Klasse:

    „Meine Damen – dieses ist ein Eilschriftkürzel. Eilschrift lernen Sie zwar erst im zweiten Schuljahr, aber dieses p-r-a-k-t-i-s-c-h-e Kürzel will ich Ihnen heute schon einmal verraten."

    Weder Nele noch ich konnten so recht nachvollziehen, was dieser trockene Keks so spannend an dem Krickelkrackel fand.

    „Nun, meine Damen – was könnte dieses Kürzel wohl bedeutetn?

    Äh. Tja.

    Das Schweigen im Walde hätte nicht tiefer sein können.

    Ein triumphierender Ausruf vom Fräulein: „Das ist ein „ver – „VER auf der Oberlinie ist das Eilschriftkürzel für Versicherung!"

    Donnerwetter!

    Gelangweilt starrte ich aus dem Fenster und konnte ihre Begeisterung immer noch nicht teilen. Wie oft konnte das Wort Versicherung wohl in einem Brief vorkommen?

    Warum standen vor deutschen Schulen eigentlich immer üppige Kastanienbäume? Ein sonniger Frühlingstag, die Vögel lärmten aufdringlich in den Kronen. Statt hier drinnen über Kreidemalerei zu sinnieren, wäre ich lieber mit Nele in den Park hinausgelaufen. Den raschelnden Blättern lauschen und den Rauchkringeln unserer Zigaretten hinterherschauen.

    Stattdessen quietschte die Kreide auf der Tafel. Erschreckt zuckte ich zusammen, als vom Pult der Befehl kam, das Lehrheft zur deutschen Einheitskurzschrift auf Seite fünf aufzuschlagen:

    „MARION, seien Sie so gut und lesen Sie uns den ersten Abschnitt vor!"

    Hatte Fräulein Rusch eben etwas von „ver auf der Oberlinie gesagt? Das nochmal wofür stand? Meine Augen rasten über die Zeichen und Linien, ohne ein „ver zu entdecken.

    Mühsam entzifferte ich: Sehr geehrte Herren ... und blablabla ...

    Fanden wir Steno nur stinklangweilig und für unsere späteren Karriereziele auch völlig unnötig, herrschte bei mir in fünfundvierzig Minuten Maschineschreiben das nackte Grauen.

    Niemals hätte ich mir vorstellen können, dass ein an sich harmloses Gerät wie eine elektrische Schreibmaschine drückende Alpträume bescheren kann. Im Arbeitszimmer meines Vaters stand eine mechanische alte Triumph GABRIELE. Mit hartem Anschlag hatte ich auf ihr schon einige meiner Referate für die Schule getippt. Gefiel mir sogar besser als handschriftlich. Meine Mutter hatte behauptet, dass es mit einer Elektrischen erst richtig Spaß machen würde.

    Hier irrte Mami!

    Frohgemut setzte ich mich in der allerersten Schreibmaschinenstunde an die elektrische Olympia SE im Schreibmaschinensaal hoch oben unter dem Dach. Die Frühlingssonne sorgte für wohltemperierte Saunawärme, meine Haare kräuselten sich feucht im Nacken. Sorgfältig achtete ich darauf, das Papier trotz schwitziger Finger ordentlich und gerade einzuziehen. Ein Blick auf die Tastatur ließ mich allerdings innehalten.

    Was war

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