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Tod in der Sauna: Kommissar Bohlans zweiter Fall
Tod in der Sauna: Kommissar Bohlans zweiter Fall
Tod in der Sauna: Kommissar Bohlans zweiter Fall
eBook261 Seiten3 Stunden

Tod in der Sauna: Kommissar Bohlans zweiter Fall

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Über dieses E-Book

Als der Startrainer Klaus Momsen tot in der Sauna seines Fitness-Studios gefunden wird, herrscht allgemeine Fassungslosigkeit. Hauptkommissar Tom Bohlan und seine Kollegin Julia Will beginnen mit ihren Ermittlungen und stoßen schon bald auf einige Ungereimtheiten. Warum musste der erfolgreiche Trainer sterben? Warum war er mit Dopingmitteln voll gepumpt? Und was hat das alles mit Momsens DDR-Vergangenheit zu tun? Das Ermittlungsduo Bohlan/Will versinkt zunehmend in einem Morast aus Leistungsdruck, Doping und persönlichen Abhängigkeiten.
SpracheDeutsch
HerausgeberLasp-Verlag
Erscheinungsdatum27. März 2016
ISBN9783946247098
Tod in der Sauna: Kommissar Bohlans zweiter Fall
Autor

Lutz Ullrich

Lutz Ullrich, studierte Politik und Rechtswissenschaften, schrieb für verschiedene Zeitschriften, betätigte sich in der Frankfurter Lokalpolitik und arbeitet heute als Rechtsanwalt in Frankfurt. Von ihm sind elf Krimis und ein historischer Roman über Willy Brandt erschienen.

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    Buchvorschau

    Tod in der Sauna - Lutz Ullrich

    Kapitel

    Prolog

    Papiere, Bücher und Kisten stapelten sich in dem engen, kleinen Raum. Hinter dem Schreibtisch, auf dem selbst für den Laptop nur wenig Platz war, saß Klaus Momsen in seinem großen Schreibtischstuhl aus schwarzem Kunstleder und schaute gebannt auf das Video, das ihm ein Freund vor wenigen Minuten per Mail aus Amerika geschickt hatte. Es war ein Amateurfilm, aufgenommen aus den hinteren Reihen eines Versammlungssaals irgendwo in Arizona. Der Vorstandsvorsitzende des amerikanischen Leichtathletikverbandes sprach vor Vertretern der amerikanischen Nahrungsergänzungsmittelindustrie. Der sportliche, ältere Herr mit den weißen Haaren war für klare Worte bekannt. Die Veranstalter hätten sich also denken können, was sie sich einhandeln, wenn sie ihn reden lassen. Was er jedoch heute zu sagen hatte, musste allen Anwesenden in den Ohren schallen.

    „In welcher Kultur wissen schon Neunjährige über die Wirkung von Steroiden und fragen ihre Trainer danach? In einer Kultur, in der Nahrungsergänzungsmittel dazu genutzt werden, die Jugendlichkeit zurückzuholen, Gewicht zu verlieren, die Verdauung zu regulieren, Muskeln zu vergrößern, Falten verschwinden zu lassen, Geschlechtsorgane zu vergrößern und Fußpilz zu bekämpfen."

    Der Mann nahm einen Schluck aus dem vor ihm stehenden Wasserglas und blickte kurz auf sein Redemanuskript. Momsen tippelte nervös mit den Fingern auf der Armlehne des Stuhls. Obwohl der Mann englisch sprach, verstand Momsen jedes Wort. In seiner langen Trainertätigkeit hatte er sich viele Fähigkeiten angeeignet. Das Erlernen fremder Sprachen war eine davon. Angefangen hatte er – systembedingt – mit Russisch. Dann, in der Zeit nach dem großen Umbruch, war Englisch natürlich die wichtigste Sprache geworden. Momsen sprach aber auch französisch und spanisch und zudem noch ein paar Brocken chinesisch.

    „Doping war der einzige Weg, Olympiamedaillen zu gewinnen. Das glaubten alle. Auch die Trainer glaubten es und lernten um. Statt guter Techniktrainer wurden sie zu guten Apothekern – und guten Drogendealern."

    Der Mann beendete seine Rede. Das Videobild auf dem Bildschirm des Laptops blieb stehen. Klaus Momsen fixierte kurz die Gesichtszüge des Funktionärs und versuchte die stahlblauen Augen hinter den Brillengläsern zu durchdringen. Dann klickte er das Bild weg.

    Du hast leicht reden, dachte Momsen, griff nach seiner Wasserflasche und schaute einige Minuten gedankenlos aus dem Fenster, bevor er den Laptop ausschaltete und die Hälfte des Wassers in einem Zug austrank. Wenig später zog er den Reißverschluss seiner Trainingstasche zu, griff im Hinausgehen nach seinem Handy, schloss die Haustür ab und machte sich auf den Weg zu seinem VW Touareg.

    Klaus Momsen, der die Fünfzig bereits vor ein paar Jahren überschritten hatte, sah deutlich jünger aus und sein Trainingszustand war besser als der manch Dreißigjähriger. Seine Haut war durch Sonne und Solarium lederartig und braun gegerbt. Die dunkelblonden, vollen Haare waren kurz geschnitten und standen stoppelartig nach oben. An den Schläfen konnte man, trotz der aufgetragenen Haarfarbe, ein leichtes Grau erkennen. Momsen stieg in seinen schwarzen Wagen und fuhr die wenigen Kilometer von seinem Einfamilienhaus in der Rudolf-Hilferding-Straße nach Niederursel.

    Neben Momsens Fitness-Studio beherbergte der Gebäudekomplex eine Kneipe, ein Ballettstudio und verschiedene kleine Büros. Die Gäste der Kneipe mit dem Namen „Zum kleinen Ochsen schätzten die von asiatischem Personal hergerichtete deutsche Küche. Schnitzel, Leber, Grüne Soße und freitags Pangasiusfilet hatten auch in einer Welt aus Pizza, Kebab und Sushi ihren Platz, dachte Momsen. Das marktplatzähnliche Treiben vor der Kneipe hatte in den letzten Monaten für erhebliche Missstimmung zwischen Wirt und Besitzern der angrenzenden Häuser gesorgt. Schimpfworte wechselten täglich über die Grundstücksmauer. Polizei und Ordnungsamt gehörten zum Stammpublikum, die eine oder andere Unterschriftensammlung hatte bereits für Hetze und schlechte Stimmung gesorgt. Unlängst war sogar das Privatfernsehen aufgetaucht und hatte eine Reportage für die Reihe „Streit in der Nachbarschaft gedreht.

    Momsen, der sein Auto auf dem Parkplatz des ortsansässigen Autohauses abgestellt hatte, wühlte sich an Werbetafeln und Rauchern vorbei. Gerade als er das Gebäude betreten wollte, dudelte sein Handy. Da der Empfang im Gebäude schlecht war, musste er das Gespräch zu seinem Leidwesen vor dem Eingang führen.

    Danach ging er – ein wenig verärgert – in das Fitness-Studio. Als er an den Schließfächern für Wertsachen vorbeikam, blieb er stehen. Er blickte vor und zurück und vergewisserte sich, dass er unbeobachtet war. Dann öffnete er das Schließfach mit der Nummer zweiundfünfzig und entnahm einen sichtlich gefüllten Umschlag, der ein dickes Bündel grüner Euroscheine enthielt. Momsen ließ das Geld über die Daumenspitze blättern. Dann steckte er den Umschlag in seine Jackentasche, entnahm seiner Sporttasche eine kleine Schachtel und stellte sie in das Schließfach. Als er den Schlüssel abgezogen hatte, schaute er noch einmal vor und zurück, nahm das Geldbündel wieder aus der Jackentasche, zählte einige Scheine ab und legte sie in ein anderes Schließfach, das er ebenfalls schloss. Wieder schaute er um sich und ging, eine Melodie vor sich hin summend, in die Umkleide.

    Als er das Fitness-Studio betrat, trainierten dort zwei Personen. Der junge Mann, der gerade auf der Hantelbank lag, war seit einem halben Jahr sein Kunde. Er war fleißig und durchtrainiert, aber für Momsen wenig interessant. Die andere Athletin war neunzehn Jahre alt, hatte einen makellos durchtrainierten Körper, blonde Haare, grüne Augen und ein ebenmäßiges Gesicht. Sie gehörte seit ein paar Wochen zu seiner Läufergruppe. Momsen ging mit einer freundlichen, auf Distanz achtenden Begrüßung an ihr vorbei und atmete den Duft ihres Parfums voller Vorfreude ein. Dem jugendlichen Sportler an der Hantelbank schenkte er ein freundliches Gesicht. Er bestieg den Ellipsentrainer, steckte die Kopfhörer seines iPods in die Ohren und begann sein Training. Die beiden Athleten arbeiteten akribisch die vorgegebenen Trainingspläne ab. Nach einer halben Stunde beendete Momsen das Ausdauertraining und setzte sich an die Bauchmaschine. Der jugendliche Sportler packte seine Sachen und verabschiedete sich. Es war jetzt halb zehn. Um zehn war die offizielle Trainingszeit beendet. Als der Sportler draußen war, ging Momsen zu der Athletin, die an der Beinpresse arbeitete, nahm ihren Trainingsplan und kontrollierte die Eintragungen. Er nickte zufrieden. Die Athletin drückte zum letzten Mal die Gewichte hoch.

    „Alles in Ordnung?", fragte sie ihren Trainer.

    „Ja, sehr fleißig."

    Momsen schaute auf seinen Schützling herunter. Der Anblick ihres jungen Körpers ließ ein Verlangen in ihm aufsteigen.

    „Was kann ich noch tun, um besser zu werden?"

    „Du willst gut werden, richtig gut? Du willst an die Weltspitze?"

    „Ja, ich will alles aus mir herausholen und hart arbeiten."

    „Um ganz nach oben zu kommen, muss alles zusammenpassen: Talent, Fleiß, gute Technik, ein eiserner Wille und noch etwas."

    „Was noch?"

    „Du musst bereit sein, alles, wirklich alles diesem Ziel unterzuordnen. Du musst hart sein gegen dich selbst und du musst mir vertrauen. Ich kann dir etwas geben, was dich dabei unterstützt."

    Momsen beugte sich ein wenig tiefer. Die Nähe zu ihr erregte ihn. Sein Mund war ihrem Ohr sehr nahe.„Vertraue mir. Ich habe ein Pulver entwickeln lassen, das dir hilft, das harte Training besser zu überstehen und zu regenerieren."

    „Ist es ein Dopingmittel?"

    „Na, na, na. Wie kommt ein so böses Wort in einen so hübschen Mund? Du kannst beruhigt sein, das Pulver steht auf keiner Liste. Ich kann dir einen genauen Plan aufstellen. Wenn du dich an ihn hältst, kann nichts passieren."

    Momsens Hand griff nach ihrem Kinn und drehte ihren Kopf, sodass er tief in ihre Augen schauen konnte.

    „Denk immer dran, du willst nach oben. Du hast die Veranlagung, es zu schaffen. Früher stand in unserer Trainingshalle ein Satz, der hatte viel Wahrheit: „Talent hat nur, wer das Training übersteht. Und ich sage dir jetzt: Du wirst das Training, das dich zu einer Großen im Geschäft macht, nur überstehen, wenn du dir von mir helfen lässt.

    Momsen durchdrang ihre Augen und er konnte den unbedingten Siegeswillen erkennen. Er war sich sicher, dass sie einwilligen würde.

    „Geben Sie mir das Pulver."

    Momsen erkannte die Gier in ihrer Stimme.

    „Es ist nicht ganz billig."

    „Sie wissen, dass ich wenig Geld habe."

    Momsen schaute kurz zur Seite und tat so, als dachte er nach. Dann schaute er sie wieder an, legte die Hand auf ihren Oberschenkel.

    „Es gibt auch anderes als Geld."

    Sie hatte verstanden und nickte kurz.

    Weder die Athletin noch ihr Trainer bemerkten, wie jemand in das Studio schlich und sich an Momsens Tasche zu schaffen machte. Das Klacken, das durch das Schließen der Tür verursacht wurde, ging in Momsens Luststöhnen unter. Einige Zeit später lag Klaus Momsen zufrieden und alleine in der kleinen Sauna, die sich zwischen den beiden Umkleideräumen befand. Er hatte ein wenig Orangenextrakt in das Aufgusswasser tröpfeln lassen und atmete nun den fruchtigen Duft ein. Die ersten Schweißperlen bildeten sich auf seinen Schultern. Dann schlief er für immer ein.

    1. Kapitel

    Die Nachmittagssonne brannte unermüdlich auf das Hausboot nieder. Die auf dem Main auftreffenden Sonnenstrahlen wurden schimmernd und glitzernd in die Welt zurückgeworfen. Kleine Wellen kräuselten sich auf der ansonsten glatten Wasseroberfläche und Lichtstrahlen tanzten über das Wasser direkt auf die Terrasse, die sich auf dem Achterdeck des alten, in den letzten Jahren restaurierten Kahns befand. Dort saß Hauptkommissar Tom Bohlan in einem Liegestuhl. Er hatte die Augen geschlossen und genoss den Nachmittag. Auf seinem Schoß lagen Teile der aktuellen Tageszeitung, die er in ihre Einzelteile zerlegt hatte. Auf einem Tischchen neben ihm stand ein alkoholfreier Cocktail, halb ausgetrunken. Daneben schlummerte ein schnurloses Telefon. Aus der offenen Tür drangen Gitarrenklänge auf das Deck. Mark Knopfler versuchte so gut zu singen, wie er Gitarre spielte. Es gelang ihm nicht. Der vierzigjährige Hauptkommissar der Frankfurter Kriminalpolizei war bemüht, eine Leere in seinem Kopf entstehen zu lassen. Alle Ecken und Wickel seines Bootes waren aufgeräumt und durchgesehen. Jedes Staubkorn, das Almasa hinterlassen haben könnte, war entfernt. Die große Wohnküche, die genau in der Mitte des Bootes lag, sah aus wie geleckt. Die breite, in die Wand eingelassene Couch und der lange Esstisch aus Ahorn warteten auf neue Gäste und neue Abenteuer. Das Leben konnte mit Wucht wieder Fahrt aufnehmen.

    Bohlan war froh, dass das leidige Kapitel Almasa endgültig abgeschlossen war. Diese Affäre hatte nicht nur eine Freundschaft zerstört, sondern auch die Ermittlungen in seinem großen Fall im letzten Jahr fast zu einem Desaster werden lassen. Almasa war die langjährige Freundin seines Freundes Leonardo gewesen. Deren Beziehung war ein wenig in die Jahre gekommen und die schlanke Blondine war in einem unvorsichtigen Moment in Bohlans Bett gelandet. Die Schlafzimmeraffäre tobte mehrere Monate und fand ihren Höhepunkt in Almasas Flucht aus Leonardos Klauen. In der Folgezeit hatte sie einige Tage auf dem Hausboot zugebracht und wäre dabei fast von Leonardo erwischt worden, während Bohlan, in einer gesundheitlichen Krise steckend, mit dem damals aktuellen Mordfall zu kämpfen hatte.

    Nach Almasas Auszug hatte sich herausgestellt, dass sie nicht nur eine Affäre mit ihm, sondern noch mindestens zwei anderen Männern gehabt hatte. Bohlan hatte sich noch einige Male mit ihr getroffen, aber schließlich entschieden, einen Schlussstrich zu ziehen. In ihrem letzten großen Auftritt hatte sie ihm Unaufrichtigkeit und Verlogenheit vorgeworfen und ihm ins Gesicht gespuckt.

    Er blickte zufrieden über das Wasser. Der Tag näherte sich dem Feierabend und die Freunde des Rudersports würden sicher den frühen Abend für die eine oder andere Trainingseinheit nutzen. Der Kommissar dachte an seinen Schreibtisch im Präsidium, der ebenso leer wie aufgeräumt war. Seine derzeitige Situation glich fast einem Sechser im Lotto. Mit einem Schmunzeln auf den Lippen führte er das Cocktailglas zum Mund und genoss den süßen Geschmack des Fruchtsaftgemisches. Es könnte ein perfektes Wochenende werden: Sommer, Sonne, Zeit. Noch dazu hatte Julia Will, seine Kollegin, morgen Geburtstag und zu einer Grillparty eingeladen. Er stellte das Glas ab und tastete nach seinem Telefon.

    Am späteren Abend schlenderte Bohlan einige Hundert Meter am Ufer entlang zum Strandcafé. Dort, zwischen Main, Höchster Altstadt und der Großbaustelle des städtischen Energieversorgers, wurde seit einigen Jahren in den Sommermonaten eines jener Cafés aufgebaut, das den Gästen das Gefühl gab, irgendwo am Mittelmeer zu sitzen. Abgeschirmt von Bambuspflanzen, die in großen schwarzen Kübeln gepflanzt waren, chillten Radfahrer und Vergnügungssüchtige in gemütlichen Liegestühlen und Sitzgruppen aus Polyrattan. Bohlan ließ seinen Blick über das Areal wandern und entdeckte tatsächlich einen freien Tisch mit zwei Liegestühlen direkt am Wasser. Dort ließ er sich nieder und wartete, bis ein vertrautes Donnern über den anliegenden Parkplatz schallte. Bohlan brauchte nicht aufzuschauen. Obwohl er kein Experte in Sachen Motorrädern war, konnte er das Geräusch von Steinbrechers Harley immer erkennen. Tatsächlich schlenderte wenig später Walter Steinbrecher durch die Tischreihen. Trotz der Hitze trug er eine schwarze Lederhose, dazu ein schwarzes T-Shirt. Steinbrecher war von stämmiger Gestalt. Sein Haar war dicht gelockt und ergraut. Als er Bohlan erblickte, signalisierte er durch Mimik und Zeichensprache, dass er kurz vor dem Verdursten war. Bohlan grinste und gab seinem Kollegen zu verstehen, dass auch er noch auf dem Trockenen saß. Steinbrecher machte auf den Fersen kehrt und suchte sich einen Weg zur Theke. Nach wenigen Minuten kehrte er, bewaffnet mit zwei Caipirinhas, zurück. Er stellte die Cocktailgläser auf den Tisch, ließ sich in den freien Liegestuhl fallen und grinste Bohlan breit an.

    „Willst uns wohl besoffen machen?" Bohlan grinste zurück.

    „Ne, das stecken wir doch locker weg, ist grade Happy Hour!"

    „Na dann Prost!" Bohlan erhob sein Glas.

    Die beiden Kommissare nuckelten an den Strohhalmen, blickten auf das Wasser und lauschten der Chill-out-Musik, die aus den Boxen der Musikanlage dudelte.

    „Was für ein herrlicher Abend", murmelte Steinbrecher.

    „Manchmal ist die Welt einfach perfekt. Ich hoffe nur, dass an diesem Wochenende nicht wieder jemand austickt und uns mit einem Mord das Karibik-Feeling verhagelt."

    „Apropos Karibik, warst du schon mal im …"

    Der Rest von Bohlans Frage ging im Lärm unter, den eine Gruppe junger Radfahrer verursachte, die gerade eingetroffen war. Vielleicht sechs oder sieben. Leuchtende Farben und schrille Schriftzüge prangten auf ihren Trikots. Arme und Beine waren von der Sonne braun gefärbt. Bohlan erinnerte sich an das alljährliche Radrennen, das vor wenigen Wochen die nordwestlichen Vororte und den Taunus in ein mittleres Verkehrschaos gestürzt hatte. Die Rennfahrer stellten ihre Räder ab und ließen sich an einem der größeren Tische gegenüber nieder.

    „Urinprobe oder Spritze? Was meinst du?"

    Walter Steinbrecher hatte seinen Kopf gedreht und ebenfalls die Neuankömmlinge beäugt.

    „Wie meinst du das?"

    „Na ja, die sind doch alle gedopt, diese Radfahrer."

    „Ein bisschen Bewegung könnte auch dir nicht schaden."

    „Soll aber auch nicht immer nur gesund sein."

    „Nicht jeder, der mit einem Trikot durch die Straßen heizt oder irgendwo Gewichte stemmt, ist auf Droge."

    „Vielleicht nicht jeder, aber viele. Nimmst du nicht auch Nahrungsergänzungsmittel?"

    „Nein, vor Jahren habe ich mal Aminosäuren geschluckt."

    „Aminosäuren?" Steinbrecher verzog den Mund, als müsste er sich übergeben.

    „Die schmecken nicht, wie sie klingen, sind völlig unschädlich und helfen wirklich."

    „Ich hol lieber noch zwei Gläser Alkohol, da weiß man, was man hat."

    2. Kapitel

    Als Tom Bohlan am nächsten Morgen gegen zehn Uhr vor dem alten Haus in der Hohemarkstraße in Niederursel seinen Lupo parkte, war die leichte Abkühlung, die die Nacht gebracht hatte, schon wieder verschwunden. Der Himmel strahlte in Azurblau und die Sonne heizte bereits mit einer beträchtlichen Intensität. Bohlans Schädel dröhnte immer noch, obwohl es kein Vergleich mehr mit den hämmernden Kopfschmerzen war, die heute Morgen den Wecker ersetzt hatten. Er hatte sich elend gefühlt und seine Unvernunft zum Teufel gewünscht. Der Versuch, die Nachwirkungen des vorherigen Abends mit Aspirin zu bekämpfen, waren zum Scheitern verurteilt. Als der Kommissar sich dies schweren Herzens eingestanden hatte, brühte er einen starken Kaffee, verrührte diesen mit frisch gepresstem Zitronensaft und kippte das scheußlich schmeckende Gebräu mit zusammengekniffenen Augen in sich hinein. Obwohl er dieses Hausmittel in den letzten Monaten des Öfteren angewendet hatte, war er jedes Mal aufs Neue von dessen erstaunlicher Wirkung fasziniert. Er beschloss, Oma Will, die ihn mit diesem Gesöff vertraut gemacht hatte, einen Blumenstrauß zu schenken.

    „Oh, vielen Dank, das wäre wirklich nicht nötig gewesen", schnatterte Julia Will, als sie die Haustür öffnete und Bohlan erblickte, der mit zwei Blumensträußen an der Gartentür stand. Julia Will war Ende zwanzig, hatte dunkelbraunes, leicht gewelltes Haar, das ihr über die Schultern fiel, und zwei braune Rehaugen, die manchen Mann zur Verzweiflung treiben konnten. Sie trug ein leuchtendes Sommerkleid mit schmalen Trägern und aufgedruckten Blumen in allen möglichen Farben. Ihre Gesichtshaut strahlte glatt und fruchtig. Offensichtlich hatte sie den Freitagabend zum Ausruhen genutzt.

    „Nur

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