Reise mit Kapitän Bering von Kamtschatka nach Amerika
Von Steller und Georg Wilhelm Steller
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Über dieses E-Book
Mit an Bord der St. Peter befindet sich der zu diesem Zeitpunkt 32-jährige deutsche Arzt und Naturforscher Georg Wilhelm Steller, der die gesamte Expedition in seinem Reisetagebuch beschreibt: Angefangen von der gefährlichen und strapaziösen Seereise, über die Begegnung mit den amerikanischen Ureinwohnern, bis hin zu der Überwinterung auf einer Insel notiert der Forscher die Ereignisse in seinem Tagebuch. Kritisch beurteilt Steller fragwürdige Entscheidungen der an Bord befindlichen Offiziere – wird sein Wissen doch schließlich dringend benötigt, um die an Skorbut erkrankten Expeditionsteilnehmer zu kurieren …
Georg Wilhelm Steller (1709–1746) war ein deutscher Arzt und Naturforscher. Er stammte aus Nürnberg und war der erste europäische Wissenschaftler, der Alaska sah und dort an Land ging. Obwohl man für die Vorbereitung und Planung dieser Expedition insgesamt zehn Jahre benötigte, blieben Steller nur zehn Stunden, um das unbekannte Land zu untersuchen. Dennoch gelang es ihm in dieser kurzen Zeit etwa 160 Pflanzenarten zu untersuchen und zu dokumentieren.
Der Bericht wurde modernisiert und in die neue deutsche Rechtschreibung übertragen.
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Buchvorschau
Reise mit Kapitän Bering von Kamtschatka nach Amerika - Steller
– A.
Aufbruch
Mai bis Juli 1741
Gegen Ende des Maimonats des 1741. Jahres war endlich alles Nötige zur amerikanischen Reise veranstaltet, und also legten sich den 29. Mai die beiden Paketboote St. Peter und St. Paul aus dem Hafen auf die Rhede des awatschischen Meerbusens zum völligen Auslauf dienlichen Wind erwartend vor Anker. Auf dem St. Peter, welchen ich mitbestieg, befanden sich der Herr Kapitän-Kommandeur Behring, als Chef der Lieutnant Warel, der Meister Chetrew, Steuermann Hesselberg, Untersteuermann Juschin, der Unter-Chirurgus Berge, der Unter-Constabel Rosenius, ein Guardemarin Sind, der Bootsmann Nils Jansen, der Unterschiffer Chatainzow, Kommissar Lagunof, der Konduktor Plenisner. Die übrige Mannschaft, nämlich Matrosen, Soldaten, fünf Mann kamtschatkische Kosakensöhne als neu angehende Matrosen, Dolmetscher und Leute, denen alle Stellen des kamtschatkischen Ufers bekannt sein sollten, und worunter einer als Schütze in meinen Diensten war, machten in allem, nebst des Leutnants Sohn 76 Köpfe aus. — Auf dem anderen Paketboot St. Paul befanden sich der Kapitän Tschirikow, die Leutnants Tschegatschef und Plautin, der Professor der Sternkunde La Croyere Deliele, der Meister Dementiew, Steuermann Jelagin, ein Guardemarin, ein Kommissionär, der Unter-Chirurgus Lau und an Matrosen, Soldaten, wie auch kamtschatkischen Kasachensöhnen ebenfalls 76 Mann.
Den 4. Juni liefen wir endlich gegen neun Uhr aus dem awatschischen Meerbusen in die See und traten die wirkliche Reise bei günstigem Wind und Wetter an. Wir segelten bei Südwest und Südwestwinden auf dem angefangenen OSO. und SO g. O. Kurs dergestalt fort, dass wie den achten Tag unserer Reise, als den elften Juni, uns hundert und fünfundfünfzig holländische Meilen, von Awatscha, auf der Breite von 46 Graden 47 Minuten befanden.
Den 12. Juni hatte man zum ersten Mal nicht geringe Spuren von einem von uns in Süden oder Südosten liegenden Land. Man sah bei ganz abgestillter See verschiedene Seegewächse, sonderlich die Meereiche, auf einmal in Menge um unser Fahrzeug treiben, die sich nie sehr weit von den Küsten zu entfernen pflegen, indem die Ebbe solche immer wieder gegen das Land treibt. So sah man auch Seemöwen, die großen Möwen (Diomedexexulaus) und auf Kamtschatka sogenannte Klippenten (Anas histrionica); alles Vögel, welche nie auf unserer See oder gar zu weit vom Land gesehen werden. Aus diesem allen war zu vermuten, dass, wo man den angefangenen Kurs noch weiter fortsetzen sollte, man in Kürze auf Land anlaufen müsste. Allein eben zu der Zeit, da man sich vernünftiger Vorstellungen zu Erhaltung des erwünschten Endzwecks am meisten hätte bedienen sollen, nahm das unordentliche Verfahren der Seeoffiziere seinen Anfang. Man fing an, alles höhnisch auszulachen und in den Wind zu schlagen, was von keinem Seemann ausgesprochen wurde, gleich als ob mit den Regeln zur Navigation alle anderen Wissenschaften und Vernunftschlüsse zugleich erlernt würden. Und da der ganzen Sache ein einziger Tag hätte den Ausschlag geben können, deren man doch nachmals so viele vergeblich zugebracht hat, so wendete man sich mit einem Mal gegen Norden, auf welchem Kurs man zum ersten Mal einen kleinen Sturm auszustehen hatte, und die erste Fatalität sich zutrug, da nämlich, wegen des nebeligen und trüben Wetters, das andere Paketboot St. Paul unter den Befehlen des Kapitäns Tschirikof sich von uns verlor und nachmals auf der ganzen Reise nicht wieder gesehen wurde. –
Weil auch eben damals der Anfang zu Ausführung eines anderen Vornehmens gemacht worden, nämlich den beständig in der Kajüte sich aufhaltenden Kapitän-Kommandeurs nicht mehr wissen zu lassen, als man für ratsam erachtete, so ereignete sich der andere Unfall, dass man verschiedener Leute Vorgehen, welche in Norden Land zu sehen haben vermeinten, ungeachtet es wo nicht unfehlbar, doch gewiss sehr wahrscheinlich schien, weder annahm, noch einiger Überlegung würdig achtete, bis man auf der Rückreise den 24. August Land auf dem 51. Grad unverhofft und zu aller Schrecken ansichtig wurde, und sich da die Stimmen der Reuenden allzu spät hören ließen. Dieses wäre, vermöge der geführten Rechnung, das Land, wo man den Kapitän Tschirikof verloren hatte; und es war schon dazumal einigen vorgekommen, als ob sie Land gesehen hätten, welches doch dazumal nur für Kleinigkeiten geachtet wurde, weil es keiner von denen Seeoffizieren selbst bemerkt hatte, diese es auch damals für eine größere Ehre hielten, das Land weiter anzulaufen, um sich alsdann rühmen zu können, sehr weit fort gewesen zu sein und vieles Unnötige ausgestanden zu haben.
Nachdem man einige Tage vergeblich das verlorene Paketboot gesucht hatte, aber die weitere Hoffnung, solches anzutreffen, verlorenging, ging man wieder vom 50. bis zum 46. Grad nach Süden, in der Hoffnung den St. Paul oder das Kompagnieland auf diesem Kurs wahrzunehmen; allein da beides fehlschlug, und man die Ankunft des Kompagnielandes nun zum zweiten Mal vergeblich erwartet, solches aber niemals sich auf der verlangten Stelle eingefunden hatte, so wurde selbiges durch einen unvermeidlichen Schluss für ein erdichtetes Land, – und Erfindung des nürnbergischen Kartenmachers gehalten, über welches entweder unser Boot oder der Kapitän Spangberg notwendig gesegelt sein müssten, wenn es vorhanden wäre. Gleich als ob diese Herren einen ebenmäßigen geografischen Fehler begehen zu können sich schon dadurch verdächtig gemacht hätten, dass einer auf der Karte des Globus unseren Kurs in der See vor Kanada bemerkte, ein anderer Kanton auf 45 Graden und die maledivischen Inseln in der mittelständischen See zu liegen, gegen mich mit aller Gewalt behauptete. – Man fing also nun an, das gedachte Kompagnieland gänzlich in den Wind zu schlagen, obgleich man keine andere Ursache, so weit südlich zu gehen, gehabt haben konnte, als solches ernstlich zu suchen; und den 18. Juni wurde im Ernst der Anfang gemacht, gegen Osten und allmählich aufwärts gen Norden zu gehen, dergestalt dass man auf zwei bis drei Grade der Länge allezeit einen Grad nach der Breite veränderte.
Sobald man nun auf diesem Kurs binnen etlichen Tagen abermals auf die Breite von 52 Graden gekommen war, fanden sich abermals sehr viele Anzeichen eines in der Nähe von uns in Norden gelegenen Landes ein, unter welchem wir gerade vier Wochen, bis auf den 18. Juli, dergestalt fortliefen, dass wir an dem vermeldete Tag, da wir zum ersten Mal das Land wirklich erblickten, auf 59 Graden und einige Minuten nördlicher Breite und 49 Grad in der Länge von Awatscha sogleich beinahe 500 holländische Meilen entfernt