Das Apophenion: Ein Chaosmagisches Paradigma
Von Peter J Carroll
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Das Apophenion - Wolf Kaminski
Autors.
1. Kapitel
Apophenia – Einführung
Der Begriff „Physik" bezeichnet zunächst nicht mehr als eine Ideensammlung darüber, wie die Welt funktioniert. Jeder Mensch besitzt irgendeine Theorie über die Physik, ob sie nun auf einfacher Erfahrung und Intuition beruht oder auf hochkomplexen Experimenten und Hypothesen.
Da Magie – zumindest gelegentlich – funktioniert, muss sie fester Bestandteil jeder Theorie sein, die vollständig erklären will, wie die Welt funktioniert.
Ich betrachte Physik als jene Teilmenge der Magie, die mit ziemlicher Zuverlässigkeit funktioniert. Die Magie im klassischen Sinn betrachte ich als eine Art Physik, die wir immer genauer zu verstehen und in immer verlässlicherer Form zu betreiben versuchen. So läuft alles auf denselben Versuch hinaus, die Welt mithilfe einer schlüssigen und widerspruchsfreien Theorie zu verstehen und zu beherrschen.
Magie impliziert eine Erweiterung der „gewöhnlichen" Physik, wodurch sie uns mehr darüber berichten sollte, wie das Universum funktioniert und vielleicht auch Vorschläge machen kann, wie wir die Theorie und die Praxis von Magie verfeinern können.
Zu Beginn des dritten Jahrtausends beginnen die meisten Sicherheiten, die das Denken der beiden vorangegangenen Jahrtausende mitbestimmt haben, zunehmend zweifelhaft zu erscheinen. Im 20. Jahrhundert hat durch das Aufkommen der Relativitätstheorie und der Quantenphysik sowie durch die Geburt einer völlig neuen esoterischen Theorie, dem Chaoismus, eine Revolution zu keimen begonnen.
Dieses Buch vertritt die These, dass diese drei Arbeitsfelder derzeit miteinander verschmelzen und dabei mit dem Großteil der Vorstellungen aufräumen, die Jahrhunderte lang die Menschheit geleitet haben.
Willkommen zum Aufeinanderprall der Paradigmen des dritten Jahrtausends!
Magie und Wissenschaft sind im Begriff, praktisch alles über den Haufen zu werfen, was wir über das Leben, die Realität, den Verstand, das Bewusstsein, die Religion, die Kausalität und das Universum sicher zu wissen glaubten. Wem das Wort „Magie zu verrückt klingt, ersetze es durch die Bezeichnung „psychologische und parapsychologische Technologie
.
Natürlich wird der Paradigmenwechsel für jene 93% der Menschheit, die vor abstraktem Denken zurückscheuen, erst dann langsam deutlich werden, wenn die neuen Erkenntnisse via der Illuminaten, die sie für praktische Zwecke einsetzen, zu ihnen durchsickern.
Jedes der folgenden Kapitel in diesem Buch beginnt mit dem Attentat auf eine Idee, die seit Jahrzehnten, Jahrhunderten oder sogar schon Jahrtausenden Bestand hatte. Und jedes Kapitel trachtet anschließend nach einer Apophenia, hin zu einer Alternative für die zerstörte Idee.
Apophenia bedeutet das Auffinden von Mustern oder Bedeutungen an Stellen, an denen andere nichts sehen. Sie wird meist von Offenbarungs- oder Ekstaseerlebnissen begleitet. In der psychologischen Terminologie gibt es einige negative Konnotationen, dann nämlich, wenn das Auffinden von Bedeutungen oder Mustern auch dort stattfindet, wo keine existieren. Sie ist jedoch dort positiv konnotiert, wo sie das Aufspüren von etwas Wichtigem, Nützlichem oder Schönen hervorbringt. So verbindet sie Kreativität und Psychose, Genie und Wahnsinn.
Das Talent für Apophenia ist ein häufiges Merkmal von Magiern, Mystikern und Okkultisten. Im besten Fall kann sie der Menschheit völlig neue Betätigungsfelder eröffnen. Sie ist eng verwandt mit Pareidolia, die sich im Verwechseln von Seilen mit Schlangen, im Erkennen von Steinböcken, Stieren und Jungfrauen in den Gestirnkonstellationen sowie in der Persönlichkeit von Menschen zeigt, die hanebüchene Verschwörungstheorien und Theologien über himmlische Fabelwesen konstruieren. Dennoch spielt Pareidolia durchaus eine Rolle in der Entwicklung von Kunst und Religion.
Aufgrund von Konventionen stellen wir uns Inspiration als weiblich vor, weil sie eher mit der rechten, holistischen Gehirnhälfte in Zusammenhang gebracht wird als mit dem linearen Denken der linken Gehirnhälfte. Apophenia ist nicht auf Abruf zur Stelle; sie weist unser Werben und Verführen hin und wieder ab. Manchmal meldet sie sich, wenn wir geistig abwesend (oder weggetreten) sind, manchmal auch nicht. Manchmal erscheint an ihrer Stelle ihre verrückte Schwester Pareidolia.
Der Chaoismus erforscht den inneren Reichtum und kultiviert den inneren Mythos, das Pantheon innerer Kräfte. Jahrzehntelang bin ich dem Mythos von Ouranos gefolgt, dem Mythos der Magier-Identität, die jenseits der Seifenopern der sieben klassischen Motivationen von Sex und Tod, Angst und Begierde, Liebe und Krieg sowie dem Ego liegt. In letzter Zeit ist mir bewusst geworden, dass ich Apophenia, den weiblichen Aspekt des ouranischen Kraftstroms, über alles liebe.
(Uranus-Ouranos liegt jenseits der klassischen sieben Planeten und jenseits der ihnen fantasievoll zugeordneten Motivationskräfte. Er bietet damit einen nützlichen Gegenpol zur „gewöhnlichen" solaren Identität oder dem Ego.)
Was Gottheiten angeht, bin ich genügsam. Das übertrieben aufgeblasene Selbstbild aller monotheistischen Gottheiten lehne ich strikt ab.
Manche Menschen glauben, irgendjemand hätte ein Universum erschaffen, mit einem Umfang von wenigstens einer Billion Billionen Kubik-Lichtjahren, in dem es für jedes menschliche Leben mindestens eine Billion Sterne gibt und das in ein von Strahlungen durchzogenes Vakuum gesetzt wurde. Sie glauben außerdem, dass diese „Person" mit ihnen persönlich zufrieden ist oder ärgerlich wird, je nachdem, ob sie freitags Schweinefleisch essen, sonntags masturbieren, mittwochs die Glaubensfeinde massakrieren oder was ihre jeweils gerade aktuelle, unfehlbare Theologie sonst noch diktieren mag. Das klingt nach einer ernsthaften Geisteskrankheit, einer Art Größenwahn in Stellvertretung.
Ich ziehe Hausgottheiten vor, wie ich sie in meinem eigenen Kopf und manchmal auch in den Köpfen anderer finden kann.
Und mehr als alles andere habe ich Apophenia zu lieben gelernt, jene Göttin, die mir gezeigt hat, wie man Bedeutung an Orten finden kann, an denen ich sie am allerwenigsten erwartet hätte: in einem Universum, das auf dem einzigen wirklich fairen und unparteiischen System basiert, nämlich Chancengleichheit, Zufälligkeit und Chaos.
Ich würde für sie töten und tatsächlich habe ich ihr zu Ehren schon viele Male zu morden versucht – die nachfolgenden Kapitel zeigen das. Sein, Selbst, Gott, Kausalität und Singularität; ihnen allen wird auf ihrem Altar das Fell abgezogen, um zu erkennen, welche Illuminationen und welche magischen Möglichkeiten jenseits davon liegen.
Stokastikos,
Peter J. Carroll. Südwestliches Albion. 2008.
2. Kapitel
Philosophie des Panpsychismus
Dieses Kapitel beginnt mit einer Dekonstruktion und Zerstörung des Konzeptes vom „Sein". Es schließt sich eine Betrachtung des Pantheismus an, um eine Apophenia im Paradigma des Quanten-Panpsychismus zu finden sowie für dessen Verwendung in der Magie.
Teil 1: Die Metaphysik des Nichtseins
Metaphysik bezeichnet ein Set von Annahmen, die der Art und Weise zu Grunde liegen, wie wir die Phänomene interpretieren, die wir wahrnehmen. Grundsätzliche Annahmen – wie etwa die von der Existenz des Geistes, der Materie, der Götter, der Kausalität und des Zufalls – fallen allesamt in diese Kategorie.
Das Wort „Phänomene bezeichnet schlicht Ereignisse, die wir wahrnehmen. Wenn wir davon Abstand nehmen, über die „Dinge
zu reden, die wir wahrnehmen, vermeiden wir es, zu viele Annahmen im Vorhinein zu treffen, und wir vermeiden insbesondere das fragwürdige Konzept von „Dinghaftigkeit".
Lässt sich das Universum in einem Sandkorn wiederfinden?
Möglicherweise, aber ein Stein lässt sich leichter vorstellen.
Bei oberflächlicher Betrachtung scheinen einfache Phänomene wie etwa Steine nicht besonders viel aus eigenem Antrieb zu tun.
Aufgrund von solch einfachen Beobachtungen haben wir Realitätsmodelle aufgebaut, die schon vom Grundsatz her falsch sind, sowie Sprachen und Philosophien, die dazu passen.
Die genauere Untersuchung eines Steines verlangt von uns, dass wir aufgrund unserer eher bescheidenen Wahrnehmungsfähigkeiten künstliche Erweiterungen konstruieren. Seit ein paar 100.000 Jahren haben wir uns an die Idee gewöhnt, dass Steine nicht besonders viel selbständig tun; doch im letzten Jahrhundert haben wir zu erkennen begonnen, dass selbst der einfachste Stein noch eine ganze Menge leistet.
Unter der harten und offensichtlich starren Oberfläche jedes Steines liegt eine tosende Welt, in der hochenergetische Prozesse mit erstaunlicher Geschwindigkeit ablaufen.
Zunächst einmal interagiert ein Stein aktiv mit dem Licht. Selektiv absorbiert er manche Frequenzen und strahlt andere ab, wodurch er eine bestimmte Farbe zeigt. Die Moleküle im Stein schwingen mit einer Geschwindigkeitsrate, die von seiner Temperatur abhängig ist. Wenn sie aufhören würden zu schwingen, würde seine Temperatur auf den absoluten Nullpunkt fallen und er würde auf Nullgröße zusammenschrumpfen. Die Elektronen in den Atomen, aus denen die Moleküle des Steines bestehen, haben eine sehr hohe Orbitalgeschwindigkeit in der Größenordnung Hunderter von Kilometern pro Stunde und sie vollziehen auch eine komplizierte Art von Drehbewegung, während sie sich auf ihren Kreisbahnen bewegen. In den Atomkernen laufen pausenlos hochkomplexe Prozesse zwischen noch größeren Energien ab. Der Stein interagiert außerdem über die Gravitation mit dem gesamten Universum, krümmt minimal Zeit und Raum und reagiert auch auf die Raumzeit-Krümmung größerer Objekte um sich herum, wie etwa die von Planeten und Sternen.
Alles in allem besteht ein Stein also aus vielen Prozessen. Wenn du gegen ihn drückst, setzt er seine Trägheit dagegen. Willst du ihn anstoßen, kommen dir seine Elektronen entgegen, um diejenigen in deinem Finger abzustoßen.
Wir können nicht wirklich fragen, was ein Stein „ist"; wir können nur fragen, was er tut, wem er ähnelt oder welche Empfindungen wir ihm gegenüber erleben.
Wir haben keinen Grund zu der Annahme, dass er aus etwas anderem besteht als der Gesamtheit dessen, was er tut.
Dennoch werden wir von unseren einfacheren Hirnfunktionen aufgrund unserer ohne technische Erweiterungen nur kümmerlichen Wahrnehmung dazu verleitet, sich einen Stein als etwas vorzustellen, das eine Art statischen Zustand des „Seins besäße; weil wir den Großteil dessen, was er tut, weder direkt wahrnehmen noch uns mühelos vorstellen können. Diese falsche Vorstellung vom „Sein
führt zur Entstehung grundfalscher Philosophien und Ideengebäude. Diese haben ernsthafte praktische Konsequenzen und haben Millionen Menschen getötet. (Warte ein paar Seiten ab, dann wirst du herausfinden, auf welche Weise.)
Der Adler-Drache des ursprünglichen Chaos
Prometheus-Luzifer,
der den Himmel
mit dem Feuer der Titanen herausfordert.
- Messe des Chaos, Liber Null
Populärwissenschaftliche Autoren erzählen, anscheinend mit großem Vergnügen, dass die Atome, welche die Welt und uns und die Sterne bilden, fast vollständig aus leerem Raum bestehen. Oft benutzen sie die Analogie, dass ein Atom, auf das Ausmaß einer Konzerthalle vergrößert, nur über einen erbsengroßen Kern im Orchestergraben verfügen würde sowie über stecknadelkopfgroße Elektronen, die sich auf einer Umlaufbahn befinden, die sich bis irgendwo in den hintersten Reihen erstrecke.
Das hängt aber davon ab, was man mit „leerem Raum" meint. Es scheint unwahrscheinlich, dass so etwas wie leerer Raum überhaupt existiert. Obwohl sich Elektronen manchmal wie dimensionslose Punkte verhalten, verhalten sie sich – sobald sie sich auf ihren Umlaufbahnen um die Atomkerne befinden – wie diffuse, über ihre Umlaufbahn verteilte Wolken. Ein Stein übt außerdem ein gewisses Maß an Gravitationskraft aus, und Gravitation besteht aus einer Krümmung von Raum und Zeit. Für gewöhnlich bemerken wir die Raumzeit-Krümmung von Steinen nicht. Doch wirklich große Steine, von der Größe von Monden oder Planeten etwa, zeigen unmissverständlich eine solche Krümmung, die dazu führt, dass kleinere Objekte auf sie fallen oder auf ihrer Oberfläche haften bleiben. Diese Krümmung erstreckt sich über die gesamte Breite des Universums. In gewissem Sinne erstreckt sich also jedes Objekt über das gesamte Universum. Die augenscheinlich abgrenzende Oberfläche eines Objektes entsteht in unserer Wahrnehmung nur aufgrund von subatomaren, elektrostatischen Kräften zwischen Elektronen und aufgrund der Interaktion zwischen Elektronen und dem Licht. Lebewesen, die nur Gravitation wahrnehmen könnten, würden jedes Objekt als ein Phänomen wahrnehmen, das sich von seinem Zentrum nach außen hin mit abnehmender Intensität bis an die Grenzen des Universums ausdehnt.
Auch die im subatomaren Bereich wirksamen „Kräfte" bestehen vermutlich aus einer speziellen Form der Raumzeit-Krümmung. In gewisser Hinsicht füllen sie das Atom also vollständig aus. Mit anderen Worten: Die Raumzeit hat eine Struktur, die aus dem Vorhandensein von Materie in ihr folgt. Oder umgekehrt: Die Krümmung der Raumzeit erscheint uns als Gegenwart von Materie.
Ohnehin ergibt die Vorstellung, dass subatomare Teilchen irgendeine bestimmte Größe hätten, wenig Sinn. Sie haben messbare Wellenlängen, von denen abhängen kann, durch wie große Löcher sie passen. Aber die Wellenlänge wird kleiner, wenn die Masse von Quantenpartikeln steigt oder ihre Energie oder Geschwindigkeit zunimmt. Elektronen in Atomen können Photonen (Lichtquanten) absorbieren oder abgeben, die uns in mancherlei Hinsicht als sehr viel „größer" erscheinen als die Elektronen selbst.
Ohne Hilfsmittel verleiten unsere Sinne dazu, uns Raum und Zeit als negative Phänomene vorzustellen, die einfach aus der Abwesenheit von Ereignissen bestehen. So besitzt beispielsweise der Tod keine Existenz im positiven Sinn; er besteht schlichtweg aus der Abwesenheit von Lebensprozessen. Ähnlich besteht Dunkelheit lediglich aus der Abwesenheit von Lichtquanten-Aktivität.
Jedoch können wir den Raum nicht mehr nur als die bloße Abwesenheit von Materie betrachten