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Eine Einführung in die Daltonplan-Pädagogik
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eBook401 Seiten4 Stunden

Eine Einführung in die Daltonplan-Pädagogik

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Über dieses E-Book

Der Daltonplan ist ein modernes Instrument der Schulentwicklung und Schulerneuerung.
Die wesentlichen Elemente des Daltonplans sind:

- das selbst verantwortete Lernen nach Pensenblättern,
- das Lernen in Freiheit,
- das ergebnisorientierte Lernen innerhalb einer bestimmten Periode.

Der Daltonplan ist eine Methode, von der wir noch viel lernen und die wir nach den regionalen Bedürfnissen immer wieder anpassen und aktualisieren können. Besonders für die Sekundarstufe und für die Hochschule bietet der Daltonplan Anleitungen zum individuellen Lernen und Studieren. Beim computerorientierten Lernen ist der Daltonplan ein wichtiges Hilfsmittel.
Der Daltonplan ist ein "way of life" (Helen Parkhurst) - dieses Buch eine gelungene Übersicht dazu!
SpracheDeutsch
HerausgeberStudienVerlag
Erscheinungsdatum26. Nov. 2015
ISBN9783706557917
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    Buchvorschau

    Eine Einführung in die Daltonplan-Pädagogik - StudienVerlag

    9.

    Harald Eichelberger

    Der Daltonplan

    Der Daltonplan nach Helen Parkhurst

    Helen Parkhursts Daltonplan wurde nach der Stadt Dalton in Massachusetts benannt. Englische Pädagogen waren es vor allem, die dieses Reformkonzept für die Sekundarstufe international bekannt gemacht haben. Heute ist der Daltonplan in den Niederlanden am weitesten verbreitet. Hier kommt er nicht nur in der Sekundar-, sondern ebenso in der Primarstufe zur Anwendung; in der Fachliteratur ist dann meist vom „Sub-Daltonplan" die Rede.

    Susanne Popp, die mit ihrem Buch „Der Daltonplan in Theorie und Praxis eine klare und übersichtliche Darstellung des pädagogischen Konzeptes Helen Parkhursts liefert, beschreibt das zentrale Element der Daltonplan-Pädagogik folgendermaßen: „Das Grundprinzip besteht also darin, die (traditionellen) Lehrstrategien in eine Didaktik der Aneignungsstrategien zu übersetzen.1

    Helen Parkhurst und die Entstehung des Daltonplanes

    Helen Parkhurst wurde am 8. März 1886 in der Kleinstadt Durand in Wisconsin geboren. Parkhursts Kindheit und Jugend blieben von den Wandlungs- und Modernisierungstendenzen der Zeit um die Jahrhundertwende scheinbar unberührt. Sie wuchs, wie auch John Dewey oder William H. Kilpatrick, in jener „face-to-face-community auf, in der die Mentalität der Pioniergemeinde zumindest ideologisch noch lebendig war. 1928 führte W. H. Kilpatrik in einem Vortrag die charakteristischen Merkmale der Progressive-Education-Bewegung auf eben diese Mentalität der so genannten „frontier zurück: „‚Stärkste persönliche Selbstbestimmung’ und ‚Unwilligkeit gegen Zwang’ verbanden sich mit einer demokratischen Grundeinstellung, mit weltanschaulicher und religiöser Toleranz und einer gewissen Skepsis gegen die ‚letzten Wahrheiten’. ‚Kein Prinzip ist absolut, (...) ein jedes kann nur angewandt werden im Lichte aller anderen Prinzipien, die durch die in Frage kommende Situation veranlasst werden’."2

    Mit der eigenen Schulzeit verband Helen Parkhurst nur wenige positive Erinnerungen. Der Unterricht war gekennzeichnet durch Stillbeschäftigung, Kontrolle der Lernergebnisse und eine rigide Disziplinierung der Schüler. Selbst die damals moderne herbartianische Formalstufenlehre mündete meist in der gleichförmigen Abfolge eines Frontalunterrichtes, der sich in Lehrerfragen und moralisierenden Schlussbemerkungen erschöpfte. In ihrem Hauptwerk „Education on the Dalton Plan beschrieb sie später ihre eigene Schulsituation recht kritisch: „(...) der durchschnittliche Lehrer setzte wohl die strenge Disziplinierung der Schüler mit der erfolgreichen Wissensvermittlung gleich. Die motorische, affektive und geistige Aktivität des Kindes wurde vor allem als Faktor der Erziehungsbedürftigkeit, nicht aber als Grundlage der Erziehungsmöglichkeit betrachtet.3 In Anbetracht der negativen Schulerfahrungen fällt es nicht schwer, im späteren pädagogischen Konzept Helen Parkhursts ein Gegenkonzept zu sehen, das sie ähnlich wie Maria Montessori in enger Verbindung mit der Schulpraxis entwickelt hat.

    Am Beginn der Entwicklung des späteren „Daltonplanes stand das Schulexperiment in Waterville/Wisc. (1904/05), der „Laboratory-Plan: „Gleich zu Beginn des Schuljahres wurde offenbar das traditionelle Klassenzimmer in ‚daltonspezifischer’ Weise verändert. Die auf Tafel und Pult ausgerichteten und im Fußboden verschraubten Bänke wurden gegen bewegliche Tischgruppen ausgetauscht, die nun ‚Fachwinkel’ (‚subject corners’) bildeten, in denen die Schüler selbsttätig arbeiteten. Sie folgten dabei schriftlichen ‚Arbeitsanleitungen’ (assignments), wobei die jüngeren Schüler Wochen-, die älteren Monatspläne mit 20 ‚Arbeitseinheiten’ (units) pro Fach und Monat erhielten; diese hatten jene bei der Gestaltung und Ausführung ihrer Wochenarbeit zu unterstützen. Außerdem waren sie als ‚Monitoren’ in den ‚subject corners’ eingesetzt, wo sie darauf achten sollten, dass Aufgaben aus dem entsprechenden Fachassignments ausgewählt und ausgeführt würden. Wenngleich es in Waterville wohl noch einen Stundenplan gab, der die Schüler teilweise band, so durften sie sich anscheinend doch im Klassenzimmer frei bewegen und nach Belieben mit Partnern oder Gruppen kooperieren."4 Während Helen Parkhurst in einem eigenen Büro nahe dem Schülerarbeitsraum die assignments vorbereitete, Lerngruppen unterrichtete und Einzelgespräche führte, waren die Schüler für Ordnung und Disziplin im Klassenraum ebenso selbst verantwortlich wie auch für die Ausführung ihres individuellen Arbeitspensums. Diese Freiheit der Schüler gepaart mit Verantwortung ist im Daltonplan als pädagogisches Kernstück wiederzufinden. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang außerdem, dass die Schüler auch in die Planung und Gestaltung der Lehr- und Lernorganisation immer wieder mit einbezogen wurden. Die Möglichkeit, an der Gestaltung ihrer Schule mitzuwirken, ist schließlich der Lernhaltung der Schüler zugute gekommen: „They could hardly believe what they are hearing: a teacher who asked them what they thought and listened to them with respect."5

    1905 – nach bzw. noch während des ersten Erfolges des Laboratory-Plans – entschied sich Helen Parkhurst, am „Teachers’ College in River Falls zu studieren. Sie absolvierte das vierjährige Studium in der Hälfte der Zeit und schloss es 1907 ab. Nach dieser College-Ausbildung unterrichtete Helen Parkhurst zwei Jahre lang in einem sozial deprivierten Viertel unter schwierigen Bedingungen in Hudson/Wisc. Bis 1911 war sie als Grundschullehrerin an der „Edison school in Tacoma tätig, wo sie den Laboratory-Plan weiterführen konnte. Hier arbeiteten die Schüler nicht mehr nur in „subject corners, sondern bereits in Fachlehrräumen („laboratories), wo sie von Fachlehrern betreut wurden. Durch den offensichtlichen Erfolg des Laboratory-Plans wird Helen Parkhurst im Jahre 1913 als Direktorin der grundschuldidaktischen Abteilung an das „Central Teachers’ College" in Stevens Point/Wisc. berufen.

    Bereits 1913 ließ sich Helen Parkhurst für die Teilnahme an Montessoris zweitem Internationalen Trainingskurs in Rom beurlauben. Damit begann die Zusammenarbeit der beiden großen Reformpädagoginnen, die in Helen Parkhursts Stellung als „Supervisor of Montessori Teachers in the United States ab 1915 gipfelte. Drei Jahre arbeitete Helen Parkhurst mit Maria Montessori zusammen. 1918 löste sie sich aus allen Verpflichtungen gegenüber der „Dottoressa, „führte aber die vormalige Montessori-Demonstrationsschule unter eigenem Namen weiter und richtete darin im Herbst 1919 die ‚Children’s University School’ (...) ein, wo sie ungehindert den ‚Laboratory-Plan’ praktizieren konnte"6 In der Folgezeit entwickelte Helen Parkhurst das Konzept der auf dem Laboratory-Plan basierenden „Children’s University School" auch an anderen Schulstandorten erfolgreich.

    1919/20 begann Helen Parkhurst mit der „Daltonisierung der „Dalton Public High School, einer öffentlichen Sekundarschule. Das Interesse des Schulleiters galt vor allem der inneren Differenzierung. Der Daltonplan wurde an dieser Schule bis 1928 durchgeführt, wobei folgende Vorteile des Verfahrens erkannt bzw. folgende Gewinne verbucht werden konnten: individuelles Lerntempo, erhöhte Leistungen der schwächeren Schüler, größere Verantwortung hinsichtlich der Lernzeit, wachsendes Selbstvertrauen, Eigeninitiative, ein verbessertes Lehrer-Schüler-Verhältnis und ein gesteigertes Interesse an weiterführender Schulbildung. Die ersten Berichte über das fortan „Dalton (Laboratory) Plan"7 genannte Konzept erschienen bereits 1920 und erregten großes Aufsehen. Noch im selben Jahr publizierte Helen Parkhurst eine sechsteilige Artikelserie im „Times Educational Supplement, eine Kurzfassung von „Education on the Dalton Plan. Dieses Werk Helen Parkhursts erschien 1922 zuerst in einem Londoner und wenige Monate später in einem New Yorker Verlag. Um 1922/23 setzte die internationale Verbreitung des Daltonplans ein. In Europa konnte er sich vor allem in den Niederlanden behaupten, wo er heute als modernes und immer noch aufstrebendes und entwicklungsfähiges Schulkonzept praktiziert wird. Eine interessante Entwicklung nahm die „Children’s University School, ab 1924 „Dalton School(s) New York, an der Helen Parkhurst dann bis zum Jahre 1942 tätig war: „In der ‚Primary School‘ wurde eine modifizierte Form der Montessori-Methode angewandt und der Daltonplan erst mit dem Beginn der ‚Elementary School‘ (dem vierten Grundschuljahr vergleichbar) eingeführt. Für die so genannten ‚akademischen‘ Fächer waren auf allen drei Schulstufen eigene Laboratorien eingerichtet, in denen die Schüler mit dreifach niveauabgestuften Monatsassignments arbeiteten. Daneben verfügte jede Schule über eigene Fachräume für Kunst-, Werk-, Musik- und Körpererziehung. Lehrerteams arbeiteten stufenbezogen in enger Kooperation."8 Nach ihrem Abschied von der New Yorker Daltonplan-Schule wandte sich Helen Parkhurst verschiedenen Studien und Forschungsprojekten zu, aus denen vor allem Rundfunk- und Fernsehsendungen über Themen der Schule und Erziehung hervorgegangen sind.

    Im Jahre 1957 unternahm Helen Parkhurst mit Dorothy Luke ihre vermutlich letzte Überseereise. Sie besuchte London, Schweden – wo ihr Buch „Exploring the Child’s World ein großer Erfolg geworden war –, Italien und die Niederlande. Vor allem in den Niederlanden war der Daltonplan zu dieser Zeit schon fest etabliert und Königin Juliane zeichnete Helen Parkhurst für ihre Verdienste um das niederländische Schulwesen mit einem hohen Orden aus, „The Officer’s Cross of the Order of Orange-Nassau.

    In ihren letzten Lebensjahren arbeitete Helen Parkhurst an einem Buch über Maria Montessori und an einer Autobiographie. Beide Buchprojekte waren nicht weit entwickelt, als sie sich im Jahre 1973 bei einem Sturz eine Hüftfraktur zuzog. Einige Wochen später verstarb Helen Parkhurst; sie wurde in der Nähe ihres Alterswohnsitzes Starbridge/Conn. beerdigt. Ihr Lebenswerk, der Daltonplan, ist heute in Europa weiter verbreitet als in seinem Herkunftsland. Es bleibt zu hoffen, dass er auch in Österreich – wie in den Niederlanden – eine Grundlage zu einer Schulerneuerung des Sekundarbereiches wird.

    Charakteristik des Daltonplanes

    Die Einführung eines „neuen" pädagogischen Konzeptes setzt in den meisten Fällen das Erkennen der Defizite des bestehenden Schulsystems voraus. Der erzieherische Schwerpunkt des Daltonplanes9 verweist auf ein auch in unserem System noch bestehendes Defizit, nämlich sollen sich die Heranwachsenden in konstruktiven Problemlösungen als lernfähig erfahren können. Weiter gefasst ist diese Lernfähigkeit bei Helen Parkhurst in den Begriffen „Daseinsbewältigung und „Lebenstüchtigkeit.

    Die Dalton-Prinzipien

    In „Education on the Dalton Plan" (1922) werden zwei Grundprinzipien der Pädagogik Helen Parkhursts genannt: „Freedom is (...) the first principle (...). The second principle (...) is cooporation or (...) the interaction of group life."10

    1925 fügt Helen Parkhurst den dritten pädagogischen Grundsatz hinzu: „The Proportion of Effort to Attainment, or Budgeting Time"11. Der niederländische Dalton-Verein nennt hingegen Selbsttätigkeit als drittes Prinzip.

    Freiheit

    Helen Parkhurst definiert die „pädagogische Freiheit" nicht als absolute Selbstbestimmung des Schülers, sondern vielmehr als selbst gesetzte Bestimmtheit des Schülers im Verhältnis zu einer Aufgabe. Bedenkt man den Unterschied zwischen den zwei Bedeutungen von „Freiheit" – „Freiheit für" und „Freiheit von" –, so ist im Dalton-Unterricht in der Regel die Rede von Ersterer: „Freiheit für"12 Dabei kann nicht ganz außer Acht gelassen werden, dass sich die beiden Bedeutungen des Freiheitsbegriffes teilweise überschneiden: Freiheit zur Äußerung der eigenen Meinung bedeutet ebenso Freiheit von Unterdrückung. Freiheit bedeutet aber auch die Freiheit anderer Menschen zu respektieren, wodurch der eigenen Freiheit wieder Grenzen gesetzt werden und sie somit eine Einschränkung erfährt. Eine uneingeschränkte Freiheit gibt es nicht, auch nicht in der Dalton-Methode. Helen Parkhurst meint mit dem Begriff Freedom jene Freiheit, die die persönliche Wahl, die persönliche Entscheidung erlaubt und sogar fordert. Diese Art von Freiheit schließt auch die Verantwortung des Menschen für andere ein, wenn er sich für etwas entschieden hat. Das Kind muss allmählich lernen mit dieser Art von Freiheit umzugehen.

    Im Daltonplan ist Freiheit als Wahlfreiheit definiert, unlöslich verbunden mit der Verantwortung für die Entscheidungen, die man trifft.

    Die von Helen Parkhurst in den Mittelpunkt ihrer Pädagogik gestellte Freiheit ist historisch gesehen auch eine Reaktion auf die so genannte Zwangsschule. Es ist nicht die Aufgabe des Lehrers, dem Kind immer zu sagen, was es tun soll. Es ist aber seine Aufgabe, dem Kind in seiner Entwicklung zu helfen.13

    Wie wird nun die Freiheit im Unterricht in der Dalton-Schule umgesetzt?

    Wahlfreiheit der Schüler

    Die Wahlfreiheit der Schüler soll deren Selbstständigwerden ermöglichen: Sobald ein Kind ein Pensum14 erhält, kann es entscheiden:

    • Mit welchem Teil meines Pensums möchte ich beginnen?

    • Arbeite ich alleine oder suche ich mir Partner?

    • Wo werde und möchte ich arbeiten?

    • Welche Hilfsmittel, die mir zur Verfügung stehen, möchte ich benutzen?

    • Wie viel Zeit möchte ich für die einzelnen Teile des Pensums verwenden?

    • Wann werde (muss) ich beginnen um sicher fertig zu werden?

    Wahlfreiheit der Lehrer

    Die Wahlfreiheit der Lehrer ist zugegebenermaßen eingeschränkt. Bei den beschriebenen Freiheiten handelt es sich aus pädagogischer Sicht ebenso um Verpflichtungen.

    • Wie viele und welche Niveaugruppen werde ich in meine Lerngemeinschaft nehmen?

    • Welche Studienmittel stelle ich meinen Schülern für die Arbeit an den Pensen zur Verfügung?

    • Wie viele Stunden sollen in meinem Unterricht für die Freiarbeit zur Verfügung stehen?

    • Wie viele Stunden werde ich gemeinsamen Unterricht machen (müssen)?

    • Werde ich meine Schülergruppen altershomogen oder altersheterogen zusammenstellen?

    • Wie konstruiere ich die Pensen?

    • Wie kontrolliere ich sie?

    • Welche Tagesfarben werden wir wählen?15

    Verantwortung

    Helen Parkhurst versucht mit dem Daltonplan den schulischen Schwerpunkt vom Lehren auf das Lernen zu verlegen. Im herkömmlichen Unterricht ist es die Aufgabe des Lehrers, darauf zu achten, dass der Schüler lernt. Ein wesentliches Prinzip des Dalton-Unterrichtes hingegen besteht darin, dass der Schüler selbst verantwortlich für seine Arbeit und seinen Fortschritt ist. Die Gestaltung des Unterrichts (Pensen, Wahlmöglichkeiten, assignments usw.) soll im Schüler das Bewusstsein erwecken, dass das Lernen seine Sache ist und nicht die des Lehrers; dass er Verantwortung für sein Tun und sein Leben in der Schule übernehmen muss, stärkt sein Selbstvertrauen und ermöglicht ihm, initiativ für sich selber zu werden.

    „Dadurch, dass wir seine Aufgabe in der Form eines Pensums geben, für dessen Erfüllung sich der Schüler verantwortlich weiß, geben wir der Arbeit Würde und ihm (dem Schüler, Anm. d. Verf.) das Bewusstsein eines bestimmten Zieles. Dieses Bewusstsein wächst, wenn wir ihm bewusst machen, dass wir ihm trauen und auch seinem Vermögen, es (das Pensum, Anm. d. Verf.) zu leisten."16

    Hier appelliert Helen Parkhurst an die Sensibilität des Lehrers, der eine enorme Wichtigkeit zukommt: Inwieweit traue ich meinen Schülern und was traue ich ihnen zu? Nach Helen Parkhurst steigert die Verantwortung für das Ergebnis nicht nur die latenten Intelligenzfähigkeiten, sondern auch das Urteilsvermögen und stärkt den Charakter des Schülers.17

    Freiheit und Verantwortung werden in diesem Konzept in engen Zusammenhang mit den beiden anderen Prinzipien gestellt: Zusammenarbeit und Selbstständigkeit (bzw. Selbsttätigkeit).

    Zusammenarbeit (Kooperation)

    Das zweite Grundprinzip Zusammenarbeit bezieht sich nicht nur auf die Sozialformen schulischer Arbeit im Allgemeinen, sondern vielmehr konkret auf die Beseitigung kooperationshemmender Strukturen im Schulleben. Nach Parkhursts Auffassung entfaltet sich die soziale Dimension schulischen Arbeitens von selbst, wenn man nur die das Konkurrenzdenken fördernde Situation des Frontalunterrichtes aufhebt und den Lernenden die Möglichkeit einräumt, nach Bedarf und Belieben zusammenzuarbeiten, auch über die Grenzen der „Klassen"18-Gemeinschaft19 hinweg. Der Daltonplan zielt darauf hin, eine Schule als Einheit zu sozialisieren, aus ihr eine kooperative Gemeinschaft zu machen. Diese Einheit zu schaffen ist vor allem auch Aufgabe der Lehrer. An ihnen liegt es, über die entsprechenden Methoden, die Hilfsmittel, die Art der Pensen, die Tagesfarben sowie über Verhaltensregeln und vieles mehr zu diskutieren und für ihre Kinder eine Schule nach den Dalton-Prinzipien zu schaffen.

    Im Prinzip Zusammenarbeit manifestiert sich die Daltonplan-Pädagogik als Pädagogik, weit über eine Methode hinausgehend. In der Zusammenarbeit werden drei Elemente verwirklicht, die die erzieherische Bedeutung der Pädagogik Helen Parkhursts verdeutlichen:

    • Der junge Mensch erlernt den Umgang mit Freiheit,

    • er erlernt Kreativität und

    • lernt sich als Mitglied einer Gemeinschaft zu fühlen.

    Wendet sich das Kind dem Stoff (Pensum) zu, ist es insofern gefordert, als dass es sich auf den Gegenstand konzentrieren, eine Problemstellung erfassen und durch Kreativität eine oder mehrere Lösungen finden muss. Wenn es sich der Gruppe zuwendet, lernt das Kind den anderen zu respektieren und zu verstehen, seine eigene Meinung zu formulieren und in der Diskussion zu vertreten; es entwickelt eine gewisse „Kultur des Gesprächs" und die Fähigkeit zu demokratischem Zusammenleben.

    Selbsttätigkeit

    Das dritte Lernprinzip des Daltonplanes beinhaltet die Erziehung zu Selbstständigkeit durch die Forderung nach kontrollierter Arbeitsplanung und -durchführung, durch die Forderung nach Selbsttätigkeit des Schülers.

    Ich möchte darauf hinweisen, dass dieses Prinzip von Helen Parkhurst nicht angeführt wird. Es ist vielmehr ein Prinzip aus der europäischen Schulwirklichkeit, ein Prinzip, das die Dalton-Lehrer in den Niederlanden als solches erwähnen.20 Gemeint ist, dass der Schüler alleine oder mit anderen in Kooperation, im Dialog Lösungsstrategien zu den gestellten Problemen suchen soll.

    Lernaufgaben

    Diese Forderung nach Selbsttätigkeit muss in der Art der Lernaufgaben ihren Niederschlag finden. Wir werden auf diesen Punkt noch zurückkommen, in der Diskussion über den Aufbau und die Beschaffenheit der Pensen und assignments.

    Die Wahlfreiheit und das Prinzip der Selbsttätigkeit bringen es mit sich, dass sich die Dalton-Schulen beträchtlich voneinander unterscheiden können. Und gerade diese Verschiedenheit kann als ein Charakteristikum der Daltonplan-Pädagogik betrachtet werden. Denn nach den Worten Helen Parkhursts ist der Daltonplan keine Methode, kein System, sondern ein Einfluss, „a Way of Life".

    Anthropologische Auffassung

    Große reformpädagogische Vorhaben basieren meist auf der Unzufriedenheit mit dem bestehenden Schul- oder Erziehungssystem, was beispielsweise auch auf die Arbeit Peter Petersens, Célestin Freinets und Maria Montessoris zutrifft. Helen Parkhursts Kritik an der traditionellen Schulpädagogik kann anhand von zwei Statements veranschaulicht werden:

    • Die traditionelle Pädagogik betrachtet den Lernprozess des Schülers ausschließlich aus der Perspektive des Lehrenden, „durch das falsche Ende des Fernrohrs („through the wrong end of the telescope)21, was eine Sichtweise wie jene Helen Parkhursts unmöglich macht, nämlich dass jeglicher Lernfortschritt aus der Eigenaktivität des Lernenden entspringen muss. Dieser Ansatzpunkt mag manchen Pädagogen Schwierigkeiten bereiten, ist es doch nicht leicht, einerseits die Eigenaktivität des Lernenden zum Prinzip zu erheben und andererseits an der pädagogischen Steuerung des Unterrichts festzuhalten. Hieraus kann sich vor allem für die Lehrer ein überaus spannender Lernprozess ergeben.

    • Die Daltonplan-Pädagogik hat die Entfaltung von Eigenschaften wie industrious, sincere, open-minded und independent22 zum Ziel. Helen Parkhurst bezieht die schulische Bewältigung der Lebensaufgaben stets auf die gegenwärtigen Erfahrungen der Schüler. Ähnlich wie bei Maria Montessori wird die Meisterung der aktuellen Aufgaben als die beste Vorbereitung auf das künftige Leben betrachtet. Damit ergibt sich eine gänzlich neue Sicht der Frage, ob die Schule überhaupt – und wenn ja, wie – die Aufgabe habe, auf das künftige Leben vorzubereiten. Hat sie nicht vielleicht vielmehr die Aufgabe, sich der optimalen Entwicklung der personellen und sozialen Fähigkeiten des Individuums im Hier und Jetzt zu widmen, was die beste Vorbereitung eines Menschen auf die Zukunft sein kann? „To become masters not only of our time and work, but of ourselves, is a real preparation for life.23 Und bei Maria Montessori heißt es ganz ähnlich: „(...) Meister seiner selbst zu sein24, einen Menschen da hinzubringen sei ein wesentliches Erziehungsziel einer Pädagogik der Selbstbestimmung.

    Der Daltonplan sieht den Menschen als freies, kreatives Wesen, das verantwortlich für seine Entscheidungen ist. Die anthropologischen Voraussetzungen für ein Erziehungskonzept sehen die meisten Dalton-Lehrer in den Elementen der Freiheit, der Verantwortung und der Sozialität. Immer wieder wird betont, wie wichtig es sei, den Lernenden zum Leben in der Gesellschaft zu befähigen.

    So ist nach den Worten Helen Parkhursts der Daltonplan auch nicht als ein System im Sinne eines zweckmäßig geordneten Ganzen aufzufassen. Ein System ist nach ihrem Verständnis konsistent, eine imponierend gebaute Gedankenkonstruktion. Wenn ein derartiges Unterrichts- und Erziehungsgebäude fertig gestellt ist, droht es zu erstarren. Helen Parkhurst nennt den Daltonplan vielmehr „an influence, übersetzbar vielleicht auch mit „Arbeitsidee – was wiederum so viel bedeuten würde wie eine mittels der Prinzipien und des Pensums selbst gestaltete Schule. Ein System ist vollendet, eine Dalton-Schule niemals25. Dazu schreibt Helen Parkhurst:

    „Dadurch dass Freiheit ein integrales Teil jenes Ideals ist, habe ich sorgfältig dafür Sorge getragen, aus meinem Plan keine stereotype, gusseiserne Sache zu machen, die in allen Schulen angewandt werden könnte. Solange das Prinzip, das ihn (den Daltonplan, Anm. d. Verf.) beseelt, aufrechterhalten bleibt, kann er modifiziert werden in Übereinstimmung mit den Schulumständen und dem Lehrerschaftsurteil."26 In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass der Dalton-Unterricht auch als „Zweckmäßigkeitsmaßnahme für Kinder" bezeichnet wird – vielleicht ein allen anderen Prinzipien voranstehendes Prinzip?

    Was die Umsetzung des Daltonplanes betrifft, gibt Helen Parkhurst zwei entscheidende Hinweise:

    • Nach Helen Parkhurst sollen Kinder im Alter von 8–9 Jahren in die „neue" Arbeitsweise eingeführt werden. Im Gegensatz zu den Begründern anderer reformpädagogischer Modelle (vgl. Jenaplan, Freinet-Pädagogik oder Montessori-Pädagogik) ist Helen Parkhurst der Auffassung, dass die Schüler erst da reif genug sind ihre Arbeit zunehmend selbstständiger zu organisieren sowie ihre Erfahrungen bewusst zu reflektieren.

    • Mit Nachdruck betont Helen Parkhurst die „offene Struktur" ihres pädagogischen Entwurfs. Sie habe kein offenes Reformmodell entwickelt, sondern ein Konzept27, das den Weg zu umfassenderen Schulreformen bahnen sollte. „I offer it as a first step towards the evolution of a scheme of education which will develop the creative faculty in both teachers and pupils."28

    Die Unterrichtsorganisation nach dem Daltonplan

    Der Lernort

    Beim Unterricht nach dem Daltonplan werden die traditionellen Klassenzimmer in so genannte Fachräume oder Laboratorien umgestaltet, die von Schülern aus verschiedenen Lerngruppen (bzw. „Klassen") und Jahrgangsstufen gemeinsam benutzt werden. Diese Räume sind mit verschiedensten Materialien ausgestattet, die den Lernenden frei zugänglich sind (Nachschlagewerke, Zeitschriften, didaktische Materialien, Karten, Modelle, Apparate usw.).

    Die Fachräume bilden die schulische Kulisse während der Freiarbeitsphasen, hier: „Dalton-Phasen. Dann besteht eine zentrale Funktion des Lernortes darin, jene selbstständige Arbeitsweise zu fördern, die dem Schüler im traditionellen Klassenzimmer weitgehend verwehrt ist. Jeder Lernende soll angeregt werden die fachspezifische Arbeit als „seine Sache anzugehen. Dies führt auch zu einem Wechsel der Lehrerrolle: Lehrer sind nun „anregende Helfer". Bei dieser Art des Lernens ist auch die permanente Reflexion des Lernweges des Schülers von immenser Bedeutung.

    Wie aus dem zweiten Prinzip der Daltonplan-Pädagogik hervorgeht, zielt das pädagogische Konzept Helen Parkhursts nicht nur auf die Individualisierung und Differenzierung des Unterrichtes ab, sondern in gleicher Weise auf die Gemeinschaftserziehung durch die „community. In den Laboratorien können Schüler aus verschiedenen Jahrgängen und verschiedenen „Klassen einander begegnen. Entscheidend für die Entfaltung sozialer Kompetenzen ist nach Helen Parkhurst der Umstand, dass die zwischenmenschlichen Beziehungen wesentlich durch das Interesse an der Sache bzw. der Arbeit strukturiert werden und der einzelne Schüler im Fachraum in verschiedenen Rollen agiert, meist notwendigerweise in einem „Handeln zu zweien"29.

    Die Lernzeit

    Von entscheidender Bedeutung ist im Daltonplan das Recht des Lernenden, frei über seine Lernzeit zu verfügen, wenn es um die Bewältigung der Monats- oder Wochenpensen (Tagespensen sind nach Helen Parkhurst zu kurz) geht, und während der Dalton-Phasen ungestört arbeiten zu können. Schreibt man den Lernenden die Kompetenz zu, planvoll und verantwortungsbewusst mit der vorhandenen Zeit umzugehen, so unterstreicht man ihre Selbstständigkeit. „Freedom is taking one’s own time. To take someone else’s time is slavery."30

    Die Verpflichtung der Schüler zur Erfüllung eines bestimmten Wochen- oder Monatspensums soll keinesfalls eine Gleichschaltung der Lernzeiten bedeuten, viel eher eine Orientierungshilfe bei der Arbeitsplanung der Lernenden. Jene, die das „Fundamentum" in der vorgegebenen Zeit nicht abschließen können, arbeiten so lange daran weiter, bis sie zu einem für beide Seiten befriedigenden Ergebnis kommen. Schülern, die aus irgendeinem Grund später einsteigen, wird für jede Aufgabe die volle Anzahl

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