Sinn gesucht - Gott erfahren: Erlebnispädagogik im christlichen Kontext
Von buchmusik
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Über dieses E-Book
Dieses Buch zeigt eine neue Dimension der Erlebnispädagogik und der Verkündigung. Erfahrungen aus erlebnispädagogischen Übungen werden verwurzelt in biblischen Aussagen. Deutungen aus der Bibel werden den Teilnehmenden angeboten. Der Schatz an biblischen Inhalten, Geschichten und Metaphern bietet viele Chancen, die Sehnsucht nach Spiritualität und Gotteserfahrung zu stillen. Glaube wird erfahren und vertieft. Das Wort Gottes, das bisher oft nur in der Rede weitergegeben wird, wird hier zur erfahrbaren Tat. Für die Arbeit mit Jugendlichen und Erwachsenen öffnet dieser Ansatz einen neuen Zugang zu Glaubenserfahrungen.
Neben einem ausführlichen Theorie- und Methodenteil gibt es einen großen Praxisteil mit vielen Übungen. Alles ist leicht umzusetzen, genaue Angaben zu Material, Risiken und Ablauf helfen dabei. Lernen Sie neue Räume kennen, in denen sich Gott offenbaren kann.
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Sinn gesucht - Gott erfahren - buchmusik
Grundsätzliche Überlegungen
THEORIE
Die Erlebnispädagogik – ein ganzheitlicher Bildungsansatz
„Es gibt tausend Methoden um zu lernen – warum benutzt du immer nur die eine?"
Sie kennen das:
Die Schülerinnen und Schüler sitzen im miefigen Klassenzimmer und versuchen sich auf die Ausführungen des Lehrers zu konzentrieren. Wort- und gestenreich versucht dieser seinen Stoff an die Frau oder den Mann zu bringen. Mit Glück findet mal ein Beispiel Eingang in die ausschweifenden theoretischen Erklärungen, mit viel Glück macht man mal ein Experiment oder eine Gruppenarbeit zur Veranschaulichung oder Diskussion des Erklärten. Im Grunde wartet aber jeder auf die Pause, vielleicht sogar der Lehrer; und was wirklich hängen bleibt von der Unterrichtsstunde ist zumindest offen.
Sie sitzen im Freizeitheim im Schulungsraum. Einer der verantwortlichen Jugendreferenten erklärt mit Schaubildern und per Power-Point-Präsentation wichtige Prinzipien für die Leitung von Gruppen. Natürlich ist man konzentriert, schließlich hat man sich ja freiwillig dafür entschieden mitzuarbeiten und Schulung muss eben sein. Schließlich ist das Engagement in der Jugendgruppe, im Offenen Treff oder in der Gottesdienstprojektgruppe eine verantwortungsvolle Tätigkeit, auf die man sich auch gut vorbereiten sollte – aber muss es denn immer und unbedingt auf diese Art und Weise sein?
...
Dass gelernt werden muss, ist sicher einleuchtend, in der Schule sowieso und für ein verantwortliches ehrenamtliches Engagement gilt dies natürlich auch.
Strittig ist also weniger das „Dass", aber diskussionswürdig ist auf jeden Fall das „Wie"! Und zu fragen ist hier, ob denn alles immer zuerst über den Kopf gelernt, manchmal eingebläut, selten verstanden, reflektiert ... sein muss, bis dann endlich auch gehandelt werden darf/kann. Oder geht es auch anders?!
Mit diesem Buch stellen wir einen Lernansatz vor, der sich in den letzten Jahren immer größerer Beliebtheit und Nachfrage erfreut. Er geht einen anderen Lernweg als den üblichen, über den Kopf und Verstand und von dort (vielleicht) in die Hände und Füße. Dieser Lernansatz versucht umgekehrt, von den Händen und Füßen, genauer, über den ganzen Körper, in den Kopf und von dort (hoffentlich) auch ins Herz. Die Rede ist von der „Erlebnispädagogik. Und weil die Erlebnispädagogik heute ein schillerndes Phänomen geworden ist, unter dem jeder etwas anderes versteht und anderes assoziiert, wollen wir in diesen Eingangskapiteln erläutern, was Erlebnispädagogik ist und will, also, „wie sie sich versteht
, woher sie eigentlich kommt und mit welchen Methoden sie arbeitet.
Was ist Erlebnispädagogik und was will sie?
Hier muss natürlich zunächst einmal gesagt werden, dass es die von allen mitgetragene Definition von Erlebnispädagogik nicht gibt, dazu sind die Richtungen, in die sich die Erlebnispädagogik ausdifferenziert hat, zu vielfältig. Aber über allen Richtungsstreit hinweg, findet man doch einen gewissen Grundkonsens. Man könnte sagen:
Die Erlebnispädagogik versteht sich heute als ganzheitlicher Bildungsansatz für vielfältige Zielgruppen, in dem das Erfahrungslernen (also lernen mit Händen und Füßen, allen Sinnen, Herz und Kopf) eine wichtige Rolle spielt.
Ein Prinzip dabei ist, dass das Lernen durch die gemachten Erfahrungen in der Regel der kognitiven, also gedanklich-intellektuellen Zugangsweise und Verarbeitung vorausgeht. Also, wenn man so will: „learning by doing, oder besser „learning through doing
! Ich mache mit mir oder mit Anderen körperliche, geistige oder geistliche Erfahrungen in unterschiedlichen Bereichen und versuche mir darüber klar zu werden, was ich dabei erlebt und gelernt habe.
Diese Erfahrungen sollen vor allem in drei Bereichen gemacht werden können:
Auf der Ebene individuellen Lernens und der Selbsterfahrung
Erlebnispädagogische Settings sollen so gewählt und geplant werden, dass der Einzelne sich selbst, seinen Körper, seine Emotionen, seine Bedürfnisse ... intensiv wahrnehmen kann. Dabei darf/kann es vorkommen, dass auch die persönlichen-Grenzen offengelegt werden und solche Grenzerfahrungen dann auch zu Schlüsselerfahrungen werden können. Erlebnispädagogik muss sich dabei heute aber abgrenzen von Erlebniskonsumangeboten, die nur den schnellen „Kick, den Nervenkitzel und den abrupten Adrenalinausstoß zum Ziel haben. Erlebnispädagogik ist auch keine „Abenteuer- und Survivalpädagogik
bei der es permanent um das „an und über die Grenze gehen" geht. Es geht der Erlebnispädagogik nicht um die Fortsetzung des leistungs-orientierten Alltags mit andern Mitteln, sondern vielmehr um eine vertiefte ganzheitliche Erfahrung des eigenen Körpers, der eigenen Person, des ganzen Menschen.
Auf der Ebene des sozialen Lernens
Erlebnispädagogische Settings wollen Erfahrungen in Gemeinschaft, also in Gruppen vermitteln. Die Fähigkeit zur Empathie und Rücksichtnahme, zu offenen und effektiven Kommunikationsprozessen, zu kooperativen Beziehungen und kooperativem Verhalten, zu Verantwortungsfähigkeit und Verantwortungsübernahme soll gestärkt und gefördert werden.
Auf der Ebene des ökologischen Lernens und des Umweltbewusstseins
Erlebnispädagogische Settings wollen eine bewusste Umwelt- und Schöpfungserfahrung vermitteln und verstärken. Bei Outdooraktivitäten kann z. B. das Verständnis für zerbrechliche Natur -, die Schöpfungszusammenhänge geweckt und gesteigert werden. Das Staunen über unberührte Natur, über besondere Momente, wie z. B. einen Sonnenaufgang kann geweckt oder gesteigert werden. Es kann ein neues Verantwortungsgefühl für die Bewahrung der Schöpfung gewonnen und gefördert werden.
Und dies alles nicht im stickigen Klassenzimmer oder im überfüllten Schulungsraum, sondern in freier Natur und frischer Luft, mit Händen, Füßen ... allen Sinnen, in Aktion mit Anderen und mit (in der Regel) großem Spaßfaktor. Macht „Lernen" da nicht gleich doppelt so viel Spaß?
Erlebnispädagogik – ein alter Hut?
Nun werden vielleicht belesene Mitarbeitende einwenden: Aber das ist doch gar nichts Neues! Das macht doch die Verbandliche Jugendarbeit schon seit den Zeiten des „Wandervogels und der „Pfadfinderbewegung
. Camps in freier Natur, Wanderungen, Geländespiele und -erkundungen, Lagerfeuer, sportliche Aktivitäten aller Art gibt es doch schon lange in der Jugendarbeit. Und auch heutige Freizeitmaßnahmen sind häufig erlebnispädagogische Maßnahmen – oder beinhalten zumindest viele erlebnispädagogische Elemente!
SETTING :
Begrifflichkeit für einen bewusst gestalteten Rahmen, ein Arrangement, in dem eine Aktion stattfindet.
Ich würde darauf mit einem klaren „Jein antworten. „Ja
insofern, als Verbandliche und spezifisch christliche Jugendarbeit tatsächlich spätestens seit den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts mit vielfältigen erlebnispädagogischen Elementen und Formen arbeitet. Deshalb ist die Erlebnispädagogik natürlich keine neue Erfindung.
Aber: Die Jugendarbeit wusste lange Zeit nicht, welch wichtiges Instrument sie für ein ganzheitliches Lernen in Händen hält, und teilweise weiß sie es bis heute nicht. In vielen Jugendwerken wird Erlebnispädagogik verstanden und eingesetzt als Lockvogel-Angebot: Man macht spektakuläre Aktionen um junge Menschen anzulocken, weil Erlebnisse und Erlebnisorientierung heute halt im Trend liegen. Dass man aber noch ganz anders mit Erlebnispädagogik arbeiten könnte, dass sie große pädagogische Chancen hat, dass sie persönlichkeitsbildend wirkt, ja möglicherweise glaubensinspirierend, wird bislang bei weitem nicht erkannt und ausgeschöpft. Gerade der letzte Punkt kommt in diesem Buch besonders ins Blickfeld und wir betreten damit auch ein gewisses Neuland. Wie unterstützen/initiieren erlebnispädagogische Erfahrungen Glaubensprozesse? Eine spannende und nachdenkenswerte Frage!
In der Tat, wir praktizieren vielfach bereits erlebnispädagogische Elemente, aber wir sollten es noch bewusster, noch gezielter und vor allem noch reflektierter tun, denn es gilt:
Erkläre mir – und ich vergesse
Zeige mir – und ich erinnere mich
Lass mich tun – und ich verstehe
Definition und Grundlagen der Erlebnispädagogik
Wo kommt die Erlebnispädagogik her?
Wenn wir nach dem Ursprung der Erlebnispädagogik fragen, dann begegnet uns immer wieder die Reformpädagogik als einer der Auslöser der modernen Erlebnispädagogik. Michl und Heckmair sehen in ihrem Grundlagenbuch „Erleben und Lernen Jean-Jacques Rousseau und David Henry Thoreau als zwei Figuren, die in ihrem Denken und Handeln erlebnispädagogische Inhalte und Ideen beheimateten. Jean-Jacques Rousseau, französischer Erzieher und Philosoph aus dem 18. Jahrhundert liebte die Natur und die Einfachheit. Ein Schwerpunkt seines Seins ist das Erleben. So wandelt er den bekannten Satz von Descartes „ich denke, also bin ich
um in „ich erlebe, also bin ich (Erleben und Lernen S. 3). Rousseau argumentiert, dass drei Dinge den Menschen erziehen und beeinflussen: „Die Natur, die Dinge und die Menschen
. Auch wir können das nachvollziehen, wie uns die Natur mit ihren Gesetzmäßigkeiten und Dingen (Erfahrungen und Erlebnisse) erziehen und unser Handeln und Leben beeinflussen. Diesen Ansatz finden wir in der Erlebnispädagogik wieder, dass nämlich die Natur und die Situationen den Menschen lehren und verändern. Mit dem Amerikaner David Henry Thoreau lernen wir einen weiteren Vordenker der erlebnispädagogischen Idee kennen. Er galt als Praktiker, dem Michl und Heckmair folgende Überschrift widmen:
„Nicht reden über handeln, sondern reden und handeln" (Erleben und Lernen). Auch er sieht in der Natur einen wichtigen Erzieher. Als Praktiker, der nicht nur darüber reden will, sondern selbst erleben möchte, zieht er 1845 in eine selbstgebaute Hütte am Waldensee. Der Weg in die Einsamkeit ist ein Experiment, das über zwei Jahre dauerte und worin drei Grundmotive zu finden sind:
„Wie erlangt man wirkliche Freiheit? Ist der Sieg des Menschen über die Natur nicht ein Pyrrhussieg, nur ein scheinbarer Sieg? Was sind die eigentlichen Lebensbedürfnisse? (Ebd. S. 9) „Thoreau will den neuen Menschen schaffen: aufrichtig soll er sein, einfach, wahrheitsliebend, vertrauenswürdig und weise.
(Ebd. S.15). Diese will er mit der Unmittelbarkeit als Prinzip erreichen. Das unmittelbare Erleben der Natur die zum Erzieher wird, erfährt er in seinem Experiment hautnah. Die Natur als Erzieherin finden wir später in einem der Lernmodelle aus dem zwanzigsten Jahrhundert wieder.
Als weiteren Vordenker möchte ich Kurt Hahn nennen. Der in Deutschland 1886 geborene Jude studierte in Deutschland und England Philosophie und Philologie. Sein erstes Arbeitsfeld war die Politik bis er 1920 durch Max von Baden zum Leiter des Landerziehungsheimes Schloss Salem berufen wurde. Hahn entwickelte sich zum charismatischen Pädagogen. Er versuchte neue Wege in der Pädagogik zu gehen und gestaltete auch das Lernen im Schloss Salem um. 1932 wurde diese Arbeit jäh durch den Nationalsozialismus unterbrochen. Er emigrierte nach England, wo er dann später Outward Bound gründete.
OUTWARD BOUND :
Der Begriff stammt ursprünglich aus der Schifffahrt und bezeichnet das zum Auslaufen bereite Schiff. Kurt Hahn, einer der Väter der Erlebnispädagogik hat seine von ihm geprägten Einrichtungen so benannt.
Sein pädagogischer Ansatz „Erlebnistherapie" ist begründet durch die Erkenntnis der Mangelerscheinungen bei den Jugendlichen seiner Zeit. Er nannte dies die vier Verfallserscheinungen.
Mangel an menschlicher Anteilnahme
Mangel an Sorgsamkeit
Mangel an körperlicher Tauglichkeit
Mangel an Initiative
Diesen vier Mangelerscheinungen setzte er in seiner Erlebnistherapie vier Erfahrungselemente dagegen.
Dienst an dem Nächsten
Expedition
Körperliches Training
Projekte
Diese vier Elemente der Erlebnistherapie gehörten zum festen Bestand seiner Arbeit auf Schloss Salem. Sein pädagogisches Arbeiten begnügte sich nicht mit der Vermittlung von Wissen, sondern sein Anliegen war es, die Jugendlichen zu verantwortungsbewussten Personen zu erziehen. Er wollte die Jugend für die Zukunft fit machen, in dem sie für das Leben lernen. Hahn erkannte, dass ein Lernen nur für den späteren Beruf zu kurzsichtig und einseitig ist. Den Kindern und Jugendlichen musste eine „Pädagogik des Erlebens" ermöglicht werden. Diese Grundlage schaffte Hahn in seiner Erlebnistherapie. Nach dem zweiten Weltkrieg gründete Hahn die Kurzschulen, in denen die Pädagogik des Erlebens außerhalb des Schulalltags einen neuen Rahmen gefunden hat. In diesen Kurzschulen wurde der Grundgedanke der Erlebnistherapie mit seinen vier Elementen Dienst am Nächsten, Expedition, Körperliches Training und Projekt gelebt und ausgebaut.
Basierend auf diesen Grundlagen wurde die Erlebnispädagogik in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich weiterentwickelt und diese Entwicklung schlägt sich in den methodischen Prinzipien und in den Lernmodellen nieder.
Sechs methodische Prinzipien der Erlebnispädagogik
Herausforderung und Grenzerfahrung
Herausforderungen in der Erlebnispädagogik können physischer, psychischer und sozialer Natur