CHOCO
Von Julia Vozenilek
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Über dieses E-Book
Der Roman CHOCO handelt von einer jungen Frau, die alles daran setzt, ihre Lebensverhältnisse zu ändern. Ruhm, Geld und Unabhängigkeit sind ihre Wegweiser. Ihre Mitmenschen behandelt sie wie Marionetten. Doch eines Tages lernt sie jemanden kennen, der ihr klar macht, dass sie selbst nur noch an einem dünnen Faden hängt.
CHOCO ist eine Charakterstudie, die untersucht, wie abgründig Menschen werden können und wie leicht es ist, in den Sog der Zerstörung und des Bösen zu kommen.
Julia Vozenilek
Julia Vozenilek ist eine Jung-Autorin - und Schauspielerin. Sie ist in einer Künstlerfamilie in Wien aufgewachsen und hat schon sehr früh mit dem Schreiben begonnen. CHOCO ist ihr Erstlingswerk, in welches sie sehr viel Herzblut und Leidenschaft gesteckt hat.
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Buchvorschau
CHOCO - Julia Vozenilek
Inhaltsverzeichnis
CHOCO
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
Impressum
CHOCO
von Julia Vozenilek
1. Kapitel
Choco parkte ihr rotes Cabrio direkt vor der Ortskirche und stieg langsam aus. Es war noch niemand hier.
Sie richtete schnell ihren dünnen Mantel und nahm ihre Sonnenbrillen hinunter.
War sie zu früh hier?
Ein kurzer Blick auf die Armbanduhr. Noch zehn Minuten.
Choco hatte Angst zu weinen, sie wollte das den anderen einfach nicht zeigen, wollte ihnen nicht klar machen, wie wichtig ihre Mutter für sie war.
War.
Ob ihr Bruder mit seiner neuen Tusse kommen würde?
Choco betrachtete die alte Kirche, sie sah nicht besonders aus, ja, sie sah wie jede normale Kirche aus. Aber trotzdem war es irgendwie ihre Kirche. Taufe. Erstkommunion. Firmung.
Immer ein hübsches Kleid und tausend gestellte Fotos.
Wie lange war sie schon nicht hier?
Sechs Jahre? Sieben Jahre?
Sie weiß es nicht mehr.
Würden sie die anderen erkennen? Die aus der Schule?
Choco hatte sich vorgenommen höflich zu sein, immer nett zu lächeln und niemanden zu zeigen, wie scheiß egal ihr all das hier war. Sie wollte einfach nur Lebewohl sagen und wieder heim.
Zuhause war schon alles geplant, in ihrer ganzen Wohnung lagen tausende Skizzen, Notizen und Pläne.
Vor drei Jahre hatte ihre Mutter ihr die Bäckerei, das Café und das große Haus versprochen, sie wollte extra ein Testament schreiben. Und seitdem ist Choco am planen, sie wollte so etwas wie einen kleinen Künstlerpalast schaffen. Ein Haus das nur der freien Kunst und ihrem Leben gehörte.
Bald war es so weit.
Choco sah den Opel Corsa ihres Bruders, blau, einfach, langweilig. Nie würde sie sich in so ein Auto setzen.
Stil war das Wichtigste für sie, egal ob alt oder neu, Stil musste es immer haben. Deshalb fuhr sie auch dieses elegante, alte, rote Cabrio, das ihr einer ihrer Regisseure geschenkt hatte. Er brauchte es einfach nicht mehr, wollte es Schrotten.
Ihr Bruder Benjamin stieg aus dem Auto und kam sofort auf Choco zu, drückte sie kurz an sich und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
„Schon lange nicht gesehen. Schwesterchen", er lachte und betrachtete sie ein wenig spöttisch.
Benjamin war ihr Zwillingsbruder, aber gesehen hatten sie sich trotzdem nie, denn er wurde schon mit sechs auf ein Internat geschickt und blieb dort bis zum Abschluss. Das bedeutete keine innige Beziehung zwischen den Zwillingen.
„Warst du im Krankenhaus?", fragte Choco ihn.
„Nö."
„Wieso?"
„Keine Zeit. Studium und so", antwortete er und schlenderte zum Kirchentor.
„Willst du schon rein?"
„Ja!"
Choco folgte ihm und bemerkte erst jetzt wie viele schon da waren. Anscheinend waren alle sofort in die Kirche gegangen.
In der ersten Reihe saßen ihre Schwestern Anna und Mirabell stolz mit ihren Partnern und zeigten der ganzen Welt ihr „ach so einfaches" Glück.
Choco begrüßte sie kurz, setzte sich schnell zu ihnen und starrte auf ihre schwarzen Plateauschuhe.
Nur kein Gespräch beginnen.
So wie immer.
Choco versuchte schon seit sie klein war so wenig wie möglich mit ihren Geschwistern zu tun, sie redete nicht mit ihnen, spielte nicht mit ihnen und tat auch nichts anderes mit ihnen.
Nur mit ihrer Mutter hatte sie sich verstanden.
Nach der Beerdigung fand sich die ganze Familie im Uferhaus zusammen, eines der besten Restaurants der Gegend.
Choco starrte aus den großen Fenstern und beobachtete die treibende Donau.
Wir alle treiben dahin.
Benjamin tupfte sie an und zeigte auf den Karpfen, der gerade frisch serviert wurde.
Wie das riecht. Köstlich.
Und trotzdem stocherte Choco nur im Fisch herum. Sie konnte nicht essen. Wollte nicht essen.
Ihre Gedanken waren nur mehr bei ihrem Projekt, ihrem Traum. Sie konnte es einfach nicht mehr erwarten anzufangen und es in die Hand zu nehmen, endlich etwas schaffen, etwas erreichen.
Anna stand plötzlich auf und hob ihr Weinglas in die Höhe.
Wollte sie eine Ansprache machen?
Was wollte sie schon erzählen?
Ihre innige Beziehung zu ihrer Mutter? Das falsche Lächeln? Das Geschrei? Das Geweinte?
Choco schüttelte ihren Kopf, sie wusste sofort würde nur eine nach der anderen Lüge aus Annas Mund quollen.
Wie Wortkotze.
Anna richtete noch schnell ihren schwarzen Kaschmirpullover und lächelte in die Menge, als sie zu sprechen begann: „Mit Bedauern stehe ich jetzt hier und rede zu euch. Ich weiß nicht was ich sagen soll, aber ihr alle wisst, wie sehr ich meine Mutter vermissen werde. In den letzten Jahren haben wir eine Beziehung aufgebaut, die nicht ersetzbar ist. Und jetzt ist sie weg. Ich möchte hier jetzt ein offenes Gespräch eröffnen, in dem wir unsere persönlich schönsten Momente mit meiner Mutter Annabell teilen. Vielen Dank."
Alle klatschten und Anna setzte sich wieder. Choco sah sie nur an, klatschte nicht und sagte nichts.
Erinnerungen. Erlebnisse. Ja, die anderen sprachen über die Verstorbene, sie lachten, waren traurig, aber sie redeten ununterbrochen. Benjamin stupste Choco immer wieder an, forderte sie auf, auch etwas zu sagen, aber sie wendete sich wieder ab und wartete darauf, endlich ihr Erbe entgegenzunehmen.
Wie lange es noch dauern würde?
Zwei Wochen? Ein Monat?
Die eingeladenen Gäste gehen, einer nach dem anderen, bis nur mehr die Kinder der Toten überblieben. Sie starrten sich an, warteten bis der erste etwas sagen würde, aber es blieb still.
„Schön dich zu sehen, Janett!", Anna lächelte falsch und streifte die Ärmel ihres Kaschmirpullovers etwas weiter hinauf.
Choco konnte es nicht leiden, wenn man sie Janett nannte. Sie hatte etwas gegen diesen Namen, fand ihn abscheulich und masochistisch. Keine Ahnung warum.
„Schön euch alle zu sehen", Choco sah ihre Geschwister an und grinste, versuchte ihre Wut hinter einem einfachen Grinsen zu verstecken.
„Wie lange bleibst du?", fragte sie sofort Mirabell.
„Ich fahre heute wieder nach Hause."
„Wo wohnst du eigentlich? Wir können uns doch das nächste Mal bei dir treffen. Oder?"
„Wieso treffen?"
„Wegen dem Erbe."
„Es gibt ein Testament."
„Was für ein Testament?", fragend sah Anna in die Runde und riss ihre Augen auf, wie so ein Dackel.
„Mama hat eines geschrieben", Choco blieb ruhig, blieb auch noch freundlich.
Benjamin schüttelte den Kopf und sagte leise: „Nein hat sie nicht. Warum glaubst du das?"
„Weil sie es mir gesagt hat."
„Sorry. Wir müssen uns das selbst ausmachen."
War das ein Witz? Ein witziger Traum? Eine Komödie? Ein Scherz?
Choco ballte unter dem Tisch eine Faust, versuchte ihre ganze Energie dorthin zu verlagern um noch immer ein Lächeln zu halten und nicht auszuflippen und das ganze Lokal zu zerstören.
Der ganze Traum, das ganze Vorhaben, diese Seifenblase, die stetig größer wurde, paff, zerplatzt, einfach zerplatzt.
Scheiße. Das konnte es doch nicht sein.
„Okay, treffen wir uns bei mir", presste sie hervor.
2. Kapitel
Choco lehnte sich elegant gegen die Bar und bestellte einen Hugo.
„Wie war´s in der Heimat?", fragte der Barkeeper Josh, während er ihr das Getränk hinstellte.
„Okay."
„Alles klar?"
„Ja, denk schon. Gibt nur ein paar Kleinigkeiten noch."
„Na, dann gut", er lächelte sie kurz an und wendete sich wieder den andern Gästen zu.
Choco trank ein wenig von dem Cocktail und stellte ihn wieder zur Seite. Langsam drehte sie sich um und betrachtete die Menschen. Sie tranken, lachten, machten einander an und genossen die Zeit.
Genossen sie die Zeit wirklich?
Fragwürdig.
Jedoch war Choco so davon überzeugt und hoffte, dass auch sie einmal so sein würde. In einer Clique, lachend und immer unterwegs.
„Wie lang musst du noch arbeiten?", fragte sie Josh.
„3 Stunden. Aber wir können eh nachher quatschen, wenn du willst!"
„Nö, passt schon. Ich werde dann einfach mal gehen."
Choco gab ihm das leere Cocktailglas und verließ die Bar mit einem sexy Hüftschwung. Josh sah ihr hinterher und schüttelte lächelnd seinen Kopf.
Er mochte sie. Und das wusste Choco.
Stolz spazierte sie durch die Straßen der Innenstadt, es war dunkel und überall leuchteten die Lichter. Choco liebte die Nacht. Das Geheimnisvolle. Das Dunkle. Das Schöne.
Sie trug ein eng anliegendes rotes Kleid, in dem sie sich wunderschön fühlte. Wie eine Königin. Choco wollte das. Sie wollte unerreichbar aussehen, sie wollte ein Ziel sein, das man nie erreichen würde. Speziell einfach.
Zumindest redete sie sich das ein,
„Suchen Sie etwas?", ein kleiner Mann kam auf Choco zu, wirkte nervös, brachte aber trotzdem noch ein Lächeln heraus.
„Nein!", antwortete sie schroff und ging ohne ihn zu beachten weiter.
„Weil sie die ganze Zeit, die Kärntner Straße auf und ab gehen", der Mann lief ihr nach, lachte, versuchte witzig zu sein und zwinkerte ihr zu.
Choco ignorierte ihn und lief die Treppen zur U-Bahn Station Stephansplatz hinunter. Vielleicht sollte sie nach Hause fahren.
Fünf Minuten.
Rasch fuhr sie über ihr Kleid, um es ein wenig zu richten und lehnte sich gegen die Wand. Sie las sich die Werbeplakate gegenüber von ihr durch, immer und immer wieder, auch wenn sie jeden Spruch schon auswendig konnte. Die Zeit verging schneller und das war ihr wichtig.
Keine Langeweile.
Ja, vielleicht war das sogar ihre Lebensüberschrift, keine Langeweile, oder sie versuchte genau diese Überschrift ihrem Leben aufzuzwingen.
„Finden Sie es fair, so herumzulaufen?", ein junger Mann kam auf Choco zu, setzte sich gegenüber von ihr und lächelte.
Er trug eine schicke Jeans, ein rotes Hemd und ein schwarzes Sakko, seine Augen waren fast schwarz und funkelten im U-Bahn Licht, seine dunkelbraunen Haare waren perfekt gestylt, sodass nicht einmal ein einziges Haar aus der Reihe tanzte und seine sportliche Statur und der Drei-Tage Bart ließen ihn wahnsinnig gut aussehend wirken. Und er wirkte arrogant. Sehr arrogant.
„Was soll daran nicht fair sein?", Choco richtete sich auf und sah ihn genau an, musterte ihn kurz, wendete dann wieder ihren Blick zur Seite und sah aus dem U-Bahn Fenster.
Was bildete sich der überhaupt ein?
„Rot, die Farbe des Sexappeals", er zwinkerte und schon sah Choco ihn wieder an.
„Sie tragen auch rot", sagte sie und zeigte auf sein Hemd.
„Das ist mir bewusst."
„Also wollen Sie sexy wirken?", fragte sie und lachte kurz auf.
„Ich bin sexy."
„Sie sind arrogant."
„Nennen Sie es wie sie wollen."
„Ja, arrogant."
„Und Sie?"
„Ich?"
„Ja."
„Ich bin nicht arrogant."
„Aber sexy."
„Was tun Sie eigentlich? Gehen Sie nie auf die Straße, oder warum ist ihre Anmache so schlecht?", fragte sie ihn ein wenig spöttisch, während sie auf die Anzeige blickte.
Noch drei Stationen.
„Wer sagt, dass ich etwas von Ihnen will?"
„Ich habe keine Zeit für Spielchen."
„Wo fahren Sie eigentlich hin? Gehen Sie aus?"
„Ich fahre nach Hause."
„Jetzt schon? Interessant", er lehnte sich zurück und beobachtete sie.
Choco fühlte sich ein wenig unwohl, genoss jedoch gleichzeitig die Situation, denn sie merkte, dass er etwas an ihr fand, sie hingegen interessierte sich kaum