Hinters Licht geführt: Slam Poetry und Bühnentexte
Von Armin Sengbusch
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Über dieses E-Book
Aber der Poetry Slammer zeigt in diesem Buch auch seine humorvolle Seite, wenngleich er dabei immer unbequem bleibt. Sengbusch verlässt die streitbare Linie nicht, er umschmeichelt niemanden und nimmt sich selbst nicht aus, wenn es um ernste Themen geht. Ihm reicht es nicht, einen Finger in die Wunde zu legen, er muss darin herumbohren.
Armin Sengbusch
Der Wortakrobat begeistert das Publikum bei seinen Auftritten mit einem Spektrum von emotionalen Rundflügen, für die andere eine Ausbildung bei der NASA machen müssten. Schwerpunkt seines kabarettistischen Bühnen-Programms sind die Abgründe der menschlichen Seele - weil er sich dafür gut genug kennt. Mit Humor gespickt mischt er seine Erzählungen und Lieder unter das Publikum. Dabei bleibt kein Auge trocken, denn es ist einfach mit Armin Sengbusch über Armin Sengbusch zu lachen - und dann auch immer über sich selbst. Tiefsinn und Leichtsinn geben sich hier die Klinke in die Hand, jeder kann etwas von diesem Abend mitnehmen - und sei es nur ein Funken gute Laune. Er selbst behauptet, einer der brillantesten Köpfe auf diesem Planeten zu sein - wenn es keine anderen Menschen gäbe. Sein Humor ist schwieriger zugänglich als die Regierungserklärungen von Angela Merkel, aber nicht weniger komisch. Er ist Autor, Musiker, Fotograf und Schauspieler, hochbegabt, weil er sich einen dreistelligen IQ ausgedacht hat, psychisch vollkommen am Ende und Familienvater. Als wäre das alles nicht tragisch genug, sieht er auch noch unverschämt gut aus und hat chronische Depressionen - das Leben ist eben immer gerecht. Armin Sengbusch hat acht Bücher veröffentlicht, die er alle selbst geschrieben hat - vom Roman bis zum Lyrik-Quickie ist alles dabei. Der Lyrik-Band "Regentränen" (2005) hat sich bereits 5000 Mal verkauft, gilt als Geheimtipp in der Sparte. Beachtenswert ist auch sein Romandebüt "Das Chamäleon" (2011 bei Kleine Schritte). Als einziges Hobby betreibt er den Auftragsmord - ohne finanzielle Interessen. Außerdem hat er zwei Musik-CDs veröffentlicht und einen Sohn. Das klingt natürlich alles zu schön, um wahr zu sein. Wäre der Mann nicht außerordentlich sympathisch, so hätte man ihn längst ermordet. Aber das kann ja noch kommen. Wenn er irgendwo auf der Bühne steht oder sitzt oder liegt, sollte man das auf keinen Fall verpassen. Schon allein deswegen, weil es das letzte Mal sein könnte, denn Armin Sengbusch kommt gern zu spät, und bestraft das Leben. Aber das muss man nicht verstehen, man muss es erleben. Erzählen Sie das mal Ihrem Kundenberater.
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Buchvorschau
Hinters Licht geführt - Armin Sengbusch
Interview
Bestandsaufnahme
Über den Dächern sitzen die Tauben und hören nicht zu. Auf den stadtfeinen glatt steinernen, grauen Betonfliesen wanken Männer siegessicher in die Spielhallen und Wettbüros, als hätten sie nichts zu tun und nichts zu verlieren. In einem Hinterhof weht die Flagge Dänemarks und ich sehe den bewaffneten Frontspoilern zu, wie sie die Gehsteigkanten küssen. Hier gibt es alles im Überfluss, vor allen Dingen den Überfluss. Wir brauchen mehr Arme. Nicht nur einen oder zwei, wir brauchen viele. Aber einiges ist eben zu viel und vieles ist eben zu einfach. Es geht uns zu gut, wir brauchen mehr Arme, damit sich die Welt bewegt. Einen Globus in den Arm nehmen und der kalten Kugel ins Eismeer flüstern, dass wir sie warmhalten.
Uns es aber reicht die Wärme der von Pads beseelten Kaffeemaschinen und die des 39-Zoll-Flachbildschirmfernsehers, dessen Programm sich auch nicht vom Rest Scheinwelten erhebt. Niemand erhebt sich, alles ist flach, alles ist schnell, auch die Frauen ziehen wie Ferraris vorbei und klappen ihre Augenscheinwerfer nur einmal auf, um zu blenden. Die meisten Menschen sehen nicht aus wie ein Totalschaden, aber unter dem matten Lack ist vom Hochglanz aus den Kindertagen nicht mehr viel übrig. Unfallschäden kaschiert man mit Gel und Schminke oder mit einem Lebenslauf, dem man meilenweit hinterherhinkt, da nimmt man es nicht zu genau. Es bleibt die Hoffnung, an einen guten Besitzer in zweiter Hand zu geraten. Das Altöl wird entsorgt, die Kratzer der Seele poliert und die Beulen am Herzen mit dem Gummihammer des Therapeuten beseitigt.
Da draußen wanken die dickbäuchigen Damen durch das Leben und lassen beim Betreten des warmen Cafés von freundlichen Männern öffnen, während das Leben weiter wächst. Überall im Latte-Macchiato-Land schwirren die freundlichen Servicekräfte herum, die zuvorkommend schnell gehen. Es riecht nach Karamell und Schweiß, dazwischen immer der Hauch eins teuren Parfüms mit der persönlichen Note, die niemand riecht. An den Ecktischen sitzen Männer, die ihren Schal nie abnehmen und deren Bärte gepflegter aussehen als ihre Zähne, aber wer sieht schon nach drinnen. Sie benutzen ihre angebissenen Rechner einhändig, wissen, dass sie beobachtet werden und genießen es. Irgendjemand ist wichtig und telefoniert halblaut, spricht von Deadlines und vom Pitchen, nichts, was wirklich Sinn ergibt, aber der Gesichtsausdruck hat Charisma. Vor der Tür steht ein Bärtiger, der einen Coffee-To-Go-Becher in der Hand hält, und jemand lässt eine Münze hineinfallen. Die Grenzen verschwimmen.
Die freien Bürger bestimmen, wo es lang geht, sie haben die Macht, andere und sich gehen zu lassen. Aber niemand kehrt zurück, jeder kehrt den anderen den Rücken zu und blickt dahin, wo das Unheil nicht hinkommt, wo das Licht ist, weil es dort sicher ist. Weil einigen Menschen angeblich die Sonne aus dem Arsch scheint, kriechen andere dort hinein. Aber wer ständig fremde Ärsche küsst, der kann irgendwann keine Gesichter mehr erkennen. Die Welt steckt unter einer Decke, aber jeder hat seinen eigenen Zipfel, an dem er zieht und zupft und alles kommt immer zu kurz. Dann packen wir die Koffer, vergessen, was dort hinein gehört und machen uns auf Weg. Es geht darum, im eigenen Tempo alles zu erreichen und als Erster dort zu sein, wo andere schon sind. Insbesondere an roten Ampeln.
Das Zauberwort der noch jungen Generation ist »gelangweilt«. So sieht sie aus, so verhält sie sich. Enthusiasmus gibt es nur unter Drogen; Zigaretten und Alkohol gehören nicht dazu, daran stirbt man nicht. Man stirbt an Einsamkeit, an Langeweile und am Abwinken. Und auf den Plakaten werben die Modelle der Menschheit mit offenen Mündern für Frisuren und Produkte, die Individualismus versprechen. Deshalb laufen sie nun alle mit offenen Mündern herum, weil das sexy sein könnte und sie kaufen alle die individuellen Produkte für ihre individuellen Uniformen und wissen alles besser, was nichts Neues ist, denn das machen alle heranwachsenden Generationen.
Der Zauberwort der älteren Generation ist »erhoben«, so wie der Zeigefinger und der Stand der Dinge und das Podest, auf dem sie stehen. Wobei sie wissen, dass sie genauso waren, wie die jungen Leute. Nur anders. Aber das will niemand wissen. Damals war alles anders, es war nicht besser, es war immer schwieriger und schlimmer. »Wir hatten ja nüscht anderes!« Die ältere Generation lebt in einer Vergangenheit, vor die sie andere bewahren will, vergisst aber, in die Gegenwart zu reisen. Und natürlich wissen die Älteren alles besser, denn sie haben ja die Erfahrungen des Lebens gesammelt und sie haben keine Zukunft mehr zu verlieren. Deswegen können sie alles ganz anders betrachten und besser wissen. Das ist nichts Neues, denn jeder weiß etwas besser, aber nichts ändert sich.
Über den Dächern sitzen wir und zählen die Tauben, die Blinden und die Stummen, zu denen wir selbst nicht gehören wollen. Wir brauchen mehr Arme, mehr, denen es schlecht geht und die ihre Arme heben gegen die Ungerechtigkeit. Wir gehören nicht dazu, wir haben unsere Armut verkauft an irgendetwas, dass uns satt und dick macht und im Alter weiterhelfen soll. Wir sind die Tauben und hören nicht zu und wir gehören nicht dazu. Wir schütteln gern den Kopf und sagen, dass wir ganz anders sind und mit »Wir« ist immer jemand anderes gemeint. Denn Pauschalisieren, das kann man nicht, wir sind Individuen, wir machen alles selbst und allein und einzigartig. Wir sind siegessicher.
Dunkles Geständnis
Ich bin entsetzlich zerbrechlich, verlässlich verletzlich, weil meine Emotionen wie Obdachlose im Freien wohnen und ebenso schutzlos wie schmucklos sind. Ich bin kein offenes Buch, ich bin eher der letzte Versuch, der permanent scheitert: an sich selbst und am Leben. Kein Jammern, kein Klagen, nur eine Bestandsaufnahme, die mit ICD-Codes gesichert ist, wobei ich keine Ahnung habe, ob jemand weiß, was das ist oder was sich hinter dem Wort »Dysthymie« verbirgt. Ich lebe unterm Strich, weil meine Stimmung permanent depressiv ist und meine Gedanken sich in der Dunkelheit verstecken, wo