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Pirat im Dienst der Queen: Berichte, Dokumente und Zeugnisse des Seehelden und seiner Zeitgenossen 1567-1596
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Pirat im Dienst der Queen: Berichte, Dokumente und Zeugnisse des Seehelden und seiner Zeitgenossen 1567-1596
eBook428 Seiten6 Stunden

Pirat im Dienst der Queen: Berichte, Dokumente und Zeugnisse des Seehelden und seiner Zeitgenossen 1567-1596

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Über dieses E-Book

"Auf allen Gebieten der Seefahrt war er bei weitem geschickter als je einer vor ihm.(…). Sein Name versetzte Franzosen, Spanier, Portugiesen und Indianer in Schrecken." Er war der wohl berühmteste Seefahrer des elisabethanischen Zeitalters und wurde zu einem der gefährlichsten und erbittertsten Gegner Spaniens. Was aber ist wahr und was ist Legende an seiner kometenhaften Karriere, an seinen wüsten Raubzügen und seinen draufgängerischen Kämpfen gegen die Spanier? Die in diesem Band abgedruckten Augenzeugenberichte lassen den vielbewunderten Zeitgenossen Shakespeares und seine waghalsigen Abenteuer lebendig werden.Wenige Gestalten in der Geschichte der Seefahrt sind so faszinierend und schillernd wie die Sir Francis Drakes. Der englische Pirat und Erdumsegler wurde schon zu Lebzeiten als Volksheld verehrt. In der vorliegenden Ausgabe werden seine Abenteuer nochmals lebendig: Sei es die Schlacht von San Juan, die Sklavenjagd mit John Hawkins, der Überfall auf Panama oder die Reise um die Welt von 1577-1580 mit der "Golden Hind" - die erste britische, und nach Magellan die zweite Weltumsegelung überhaupt. Die Berichte stellen aber auch durchaus kritische Fragen. Es ist die Chronik eines abenteuerlichen Lebens in einemgroßen Jahrhundert. In allen Beiträgen wird jedoch deutlich: Drake war nicht nur ein genialer Seefahrer und kühner Freibeuter, sondern er hatte auch wesentlichen Anteil an den großen Entdeckungen seiner Zeit. Für seine Verdienste wurde er am 04. April 1581 von Elisabeth I. zum Ritter geschlagen und durfte sich fortan Sir Francis Drake nennen.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum10. Feb. 2016
ISBN9783843800754
Pirat im Dienst der Queen: Berichte, Dokumente und Zeugnisse des Seehelden und seiner Zeitgenossen 1567-1596

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    Buchvorschau

    Pirat im Dienst der Queen - Sir Frances Drake

    VORWORT

    Durch den nicht enden wollenden Strom von Schiffskaperungen in der Straße von Aden und vor der ostafrikanischen Küste ist die Seepiraterie mittlerweile wieder in aller Munde. Doch während heute die soziale Not diese Menschen in die Illegalität treibt, war es zu Lebzeiten von Sir Francis Drake, einem der berühmtesten Freibeuter und Seehelden, der Kampf um die politische Vorherrschaft in den Weltmeeren, der ihn zu jener berühmten, zugleich aber auch umstrittenen Figur werden ließ, als die er heute gilt. Im 15. Jahrhundert war es den Spaniern gelungen, diese Vorherrschaft an sich zu ziehen, nachdem unter König Philipp I. von Kastilien (1478–1506) sowie unter Kaiser Karl V. (1519–1556) die reichen Edelmetallvorkommen aus Mittel- und Südamerika nach Europa gelangt waren und dem Land zu einer unerwarteten Blüte, aber auch zu einer nicht vorhersehbaren Geldentwertung verhalfen. Unter Letzterer hatte besonders König Philipp II. (1556–1598) zu leiden, der von seinem Vorgänger Schulden in Höhe von 36 Millionen Golddukaten übernommen hatte und unter dessen Herrschaft es in Spanien wiederholt zum Staatsbankrott kam. Zur Stabilisierung der wirtschaftlichen, aber auch der politischen Situation bemühte sich Philipp um ein Bündnis mit England, das durch einen Eheschluss mit Königin Elisabeth I. von England (1558–1603) besiegelt werden sollte. Elisabeth hatte jedoch andere Pläne, bei deren Verwirklichung Francis Drake eine nicht unerhebliche Rolle spielte. Denn Elisabeth wollte nicht passiver Teil im europäischen Machtgefüge ihrer Zeit bleiben, sondern selbst die Zügel in die Hand nehmen und ihrem Land zu einer bis dahin nicht gekannten Größe verhelfen. Ohnehin befand sich ganz Europa zu jener Zeit in einem größeren politischen Umbruch, sodass die ambitionierten Pläne der Königin nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt sein mussten.

    Francis Drake, der Sohn eines Pfarrers, sammelte ab einem Alter von 13 Jahren erste seemännische Erfahrungen, die er sich im Rahmen der Küstenschifffahrt nach Frankreich und in die spanischen Niederlande erarbeitete. Sein nautischer Lehrer vermachte ihm sein Schiff, doch war es allem Anschein nach das Verbot Spaniens, das im Jahr 1564 englischen Händlern den Warenumschlag in den Niederlanden untersagte, das Drake zur Aufgabe seines Gewerbes zwang. In der Folgezeit stellte Elisabeth englischen Schiffsverbänden Kaperbriefe aus, die es erlaubten, spanische Schiffe zu entern und deren Warenbestand partiell auch zugunsten der englischen Staatskasse zu übernehmen. So machte es nunmehr auch Drake, der auf dem Schiff von Kapitän James Lovell angeheuert hatte. Unweit der Kapverdischen Inseln, einer der wichtigsten Stationen für den Sklavenhandel von Afrika nach Südamerika, ging James Lovell nun daran, das spanische Monopol in diesem Gewerbe zu untergraben. Das Seegefecht konnten die Engländer zu ihren Gunsten entscheiden, um die auf den spanischen Schiffen geladenen Sklaven selbst zu übernehmen und in ihrem ursprünglichen karibischen Bestimmungsort auf eigene Rechnung an die spanischen Großgrundbesitzer zu verkaufen. Gleichwohl scheiterte die Unternehmung letzten Endes, da man Lovell den Import untersagte, doch sollte Drake auch später noch auf die bei dieser Gelegenheit gewonnenen nautischen und militärischen Erfahrungen zurückgreifen können.

    Ein vergleichbares Unternehmen, das sein Cousin John Hawkins zwischen 1567 und 1569 mit einer Flotte aus sechs Schiffen leitete, führte zu Drakes erstem eigenen Seekommando. In Venezuela und Kolumbien konnte man die spanischen Gouverneure durch geschickte Manöver dazu zwingen, einen großen Teil der 1568 im Gebiet des heutigen Sierra Leone versklavten Schwarzafrikaner zu kaufen, doch führten heftige Stürme und ein dadurch unvermeidliches Zusammentreffen mit der spanischen Kriegs- und Silberflotte zur Zerstörung der meisten englischen Schiffe. Zwar gelang es Drake und seinem Cousin auf ihren eigenen Schiffen zu entkommen, doch konnte man die gesamte Unternehmung nicht als Erfolg ansehen: Der Flottenverband hatte bezahlt und ausgerüstet werden müssen, und um die entstandenen Kosten aufzufangen oder gar einen Gewinn einzufahren, war man unbedingt auf den wirtschaftlichen Erfolg solcher Kaperfahrten angewiesen.

    Erste eigene Fahrten als Freibeuter unternahm Drake, dem der Konflikt mit Spanien allem Anschein nach zu einer persönlichen Angelegenheit geworden war, in den Jahren 1571–1572 sowie 1572–1573. Während die erste Fahrt ohne wirtschaftlichen Erfolg blieb, was Drake geschickt zu kaschieren versuchte, konnte er im Verlauf der zweiten Unternehmung wiederholt spanische Schiffe in der Karibik aufbringen oder Stützpunkte seiner Feinde einnehmen und plündern. Beinahe zu einem Desaster geriet jedoch sein Versuch, einen der spanischen Silbertransporte zu Lande im Bereich des heutigen Panama-Kanals zu überfallen. Es ist unklar, ob Drake hier auf eigenen Antrieb hin handelte oder ob er von der wohlwollenden Zustimmung der englischen Krone ausgehen konnte, da eine solche Unternehmung, wurde sie entdeckt, zu ernsthaften politischen und diplomatischen Verwicklungen hätte führen können. Wie viel Beute Drake im August 1573 mit nach England brachte, ist unklar, doch allem Anschein nach bemühte man sich in den folgenden drei bis vier Jahren darum, Drake aus der offiziellen politischen Schusslinie zu nehmen. Zwar hatte England das spanische Seehandelsmonopol des 16. Jahrhunderts durch solch überraschende Aktionen, wie sie Francis Drake ausführte, nicht ernsthaft gefährden können, insbesondere nicht im Bereich der Karibik und von Lateinamerika, doch fanden diese Kaperfahrten, die die Verwundbarkeit des spanischen Handelsnetzes aufgezeigt hatten, in der Folgezeit zahlreiche Nachahmer.

    Mit dem Namen Francis Drake ist eine weitere Unternehmung verbunden, die seinen Ruf als den eines exzellenten Seefahrers begründen sollte: seine Famous Voyage, zu der er im Dezember 1577 aufbrach. Wiederum bleibt unklar, ob er in offiziellem Auftrag der Königin agierte und die Erlaubnis zum Kapern fremder Schiffe besaß, oder ob es in erster Linie wirtschaftliche Interessen waren, die ihn zu diesem Abenteuer veranlassten. Einiges spricht für das Letztere, da er für die Ausstattung seiner fünf Schiffe Geldgeber benötigte – denen er nach seiner Rückkehr im Jahr 1580 zu einem satten Gewinn verhelfen konnte. Unklar ist auch, ob Drake von vornherein an eine Weltumsegelung gedacht hatte oder ob nicht etwa bislang unbekannte Ziele im pazifischen Raum England zu einem eigenen, weltumspannenden Handelsnetz verhelfen sollten. Von England aus segelte der Schiffsverband zur Magellanstraße, wobei bereits zwei Schiffe vor der Küste Südamerikas verloren gingen. Ein weiteres kenterte nach der erfolgreichen Passage der Magellanstraße, und das letzte Begleitschiff wurde durch die raue See von Drakes Schiff, der Golden Hind, unmittelbar danach getrennt und segelte nach England zurück, nachdem man sich vor dem nunmehr entdeckten Kap Hoorn nicht mehr wiederfand.

    Die Fahrt entlang der südamerikanischen Westküste nutzte Drake für zahlreiche Überfälle auf spanische Niederlassungen und Schiffe, wobei er sich des Überraschungseffektes bediente und ankernde spanische Kriegsschiffe versenkte, ohne dass es tatsächlich zu jenen zahllosen Heldentaten gekommen wäre, von denen in den Aufzeichnungen die Rede ist. Durch seine ungezügelte Piraterie und mit reicher spanischer Beute versehen war Drake jedoch der Rückweg entlang der südamerikanischen West- und Ostküste abgeschnitten, sodass er nach Alternativen suchen musste, wieder nach England zu gelangen. Dazu blieben ihm nur zwei Möglichkeiten offen: entweder den langen Weg nach Osten über den Pazifik zu nehmen oder die sagenumwobene Nordwestpassage oberhalb von Neufundland und Sibirien zu finden, um auf diese Weise in den vertrauten Atlantik vorzustoßen.

    Drake versuchte zunächst über den Weg nach Norden in seine Heimat zu gelangen, musste dieses Vorhaben jedoch aufgrund schweren Eisgangs, der sein Schiff gefährdete, rasch aufgeben, obwohl es noch Frühjahr war. So landete er im Sommer 1579 unweit des heutigen San Francisco in Nordamerika, um von dort aus die Weltumsegelung anzugehen, die ihn über die Molukken und Java, teils mit mehr Glück als Verstand, nach Südafrika führte, das er im Juni 1580 erreichte. Nach einer Fahrt entlang der westafrikanischen Küste traf Francis Drake am 26. September 1580 in Plymouth ein. Aufgrund seiner Verdienste für die englische Krone wurde Drake im April 1581 zum Ritter geschlagen, wobei es Elisabeth I. geschickt vermied, Drakes Erhebung in den Adelsstand selbst durchzuführen. Dieser legte sich daraufhin einen neuen Adelssitz in der Nähe von Plymouth zu, um bis zum Jahr 1585 in England zu bleiben und dort erstmals auch politische Funktionen wahrzunehmen.

    Neuerliche Kaperfahrten führte Drake zwischen 1585 und 1586 durch. Womöglich waren auch seine finanziellen Ressourcen aufgebraucht, sodass er sich um neues Geld bemühen musste. Aufgrund seiner früheren Erfolge war es für Drake jedoch keine größere Schwierigkeit, Investoren für die Ausstattung seines Flottenverbands aus 33 Schiffen zu finden. Zudem besaß Drake Kaperbriefe seiner Königin, da Philipp II. gegenüber Elisabeth kurz zuvor wortbrüchig geworden war und die Beschlagnahmung englischer Schiffe angeordnet hatte, die Elisabeth auf Ansuchen Philipps nach einer katastrophalen Missernte im Jahr 1585 mit Hilfslieferungen nach Spanien geschickt hatte. In der Karibik erstürmte und zerstörte Francis Drake Santo Domingo, danach nahm er, wenn auch unter großen Verlusten, Cartagena in Kolumbien ein, das er jedoch nicht auf Dauer halten konnte. Der Verlust zahlreicher Schiffe sowie größerer Teile seiner Mannschaft zwang Drake zuletzt zur Rückkehr nach England. Für ihn selbst und seine Geldgeber geriet die Unternehmung, die nur einen Teil der Investitionen einbrachte, zu einem herben Verlustgeschäft, für das man aber nicht nur die zu geringe Beutenahme Drakes verantwortlich machen sollte. Vielmehr waren die spanischen Überseekolonien schon so weit ausgebeutet und der finanzielle Bedarf für die spanische Kriegskasse so immens hoch geworden, dass die Einnahmen aus Süd- und Mittelamerika nicht mehr ausreichten und in zahlreichen Festungen nicht mehr mit großen Schätzen zu rechnen war. Zudem war Drake bei Weitem nicht der einzige Pirat, der den Spaniern in der Karibik das Leben schwer machte. Auf diese Weise kam das spanische Nachschubsystem mehr und mehr zum Erliegen, Philipp musste zum wiederholten Male den Staatsbankrott erklären, der übrigens auch Venedig in den wirtschaftlichen Ruin treiben sollte, sodass er nunmehr beinahe als politisch handlungsunfähig bezeichnet werden konnte. Wenn die Kaperfahrten der Jahre 1585 und 1586 für Drake auch wirtschaftliche Verluste gebracht hatten, so lag der Gewinn für Elisabeth doch darin, dass Spanien entscheidend geschwächt war und über keine stabilen finanziellen Ressourcen mehr verfügte.

    Die Entwicklung der folgenden Jahre, die zum Versuch Spaniens führte, in England einzufallen, kann man nur als konsequent bezeichnen. Denn England hatte sich zum Hauptgegner Philipps entwickelt, und auch die taktischen Manöver Elisabeths, die Francis Drake so darstellte, als handele er nur aus eigenem Antrieb, ließen sich nicht mehr länger nach außen hin vertreten. Philipp beauftragte nun seine Kriegsflotte, die gefürchtete Armada, damit, das Problem ein für alle Mal zu lösen und den Gegner zu beseitigen, der Spaniens Rolle als überragende Seemacht bedrohte. Die Ereignisse, die im Jahr 1588 zur Vernichtung der Armada führten, sind hinlänglich bekannt, und auch hier war Drake in der Funktion als Admiral, dem ein Teil der englischen Flotte unterstand, aktiv beteiligt. In seiner grenzenlosen Wut auf Spanien überredete Drake Elisabeth ihrerseits zu einer englischen Invasion Spaniens. Erwartungsgemäß scheiterte diese Unternehmung kläglich, die 1589 in der völlig sinnlosen Zerstörung der Stadt Vigo endete und die Tausende von englischen Marinesoldaten in den Tod führte. Elisabeth I. war daraufhin so sehr verstimmt, dass sie sich endgültig von Drake distanzierte. 1595 sollte Francis Drake zu einer letzten Kaperfahrt in die Karibik aufbrechen: Wie eine große Zahl vergleichbarer Unternehmungen scheiterten die verschiedenen Belagerungen spanischer Stützpunkte, die nun besser befestigt waren als zwanzig Jahre zuvor. Sir Francis Drake sollte von dieser Fahrt jedoch nicht mehr zurückkehren, da er am 28. Januar 1596 bei Portobelo im heutigen Panama eines natürlichen Todes verstarb. Wie soll man nun Drakes Wirken beurteilen? Ohne die großen Umbrüche in Europa, die Reformation, die politische Neuordnung in Frankreich und andere Vorgänge mehr wäre eine Existenz wie Francis Drake kaum denkbar. Streng genommen muss man ihn als einen Verbrecher bezeichnen, der allein auf Kosten anderer Menschen lebte. Zwar waren auch die spanischen Silber- und Goldeinnahmen der einheimischen Bevölkerung in Mittel- und Südamerika abgepresst, die Länder wurden von ihrer Kolonialmacht rücksichtslos ausgebeutet, doch Drake verfolgte alles andere als hehre, ideelle Ziele. Das den Spaniern gestohlene oder abgepresste Geld diente nämlich nur der Bereicherung seiner selbst oder seiner Investoren, die seine Unternehmungen mit der Hoffnung auf einen hohen Gewinn vorfinanziert hatten. Zum Teil konnte wohl auch die englische Krone an diesen Einnahmen partizipieren. Die Ereignisse zwischen 1570 und 1596 zeigen aber auch, dass Francis Drake allem Anschein nach einen persönlichen Vernichtungskampf gegen einen übermächtigen Gegner führen wollte, der seine Ursache womöglich in dem durch spanische Beschränkungen herbeigeführten frühen Konkurs seines kleinen Handelsunternehmens hatte. Diese persönliche Wut gegen seinen Gegner gab Drake zwar die Kraft für eine ganze Reihe waghalsiger und tollkühner Unternehmungen, die er teils mehr, teils weniger erfolgreich bestand – und die ihn notgedrungen zum ersten englischen Weltumsegler werden ließen. Gleichzeitig führte er mit seinem Ungestüm aber auch Tausende seiner eigenen Seeleute in einen aller Wahrscheinlichkeit nach vermeidbaren Tod. Denn mit etwas mehr Überlegung hätte er die eine oder andere verlustreiche und sinnlose Bestürmung befestigter Plätze vermieden, um anderenorts reichere Beute zu machen.

    In gewisser Weise bleibt Sir Francis Drake aber auch eine Existenz, die nur im Schatten zweier so mächtiger und zugleich unterschiedlicher Potentaten leben konnte, wie es Elisabeth I. von England und Philipp II. von Spanien nun einmal waren. Deren Dauerkonflikt ermöglichte es erfolgreichen Freibeutern wie Drake überhaupt erst, ein Leben als öffentlicher Pirat zu führen und durch Raub, Mord und Diebstahl mit staatlicher Lizenz ein größeres Vermögen aufzubauen. Elisabeths politische Visionen zielten sehr wohl auf die Vormachtstellung des eigenen Landes in der Welt ab. Spanien war der Gegner, den es zu treffen und zu schwächen galt, um langfristig dessen Position in der Welt zu übernehmen. Und da man dies nicht offen auf staatlich-militärischer Ebene vorbereiten oder gar durchsetzen konnte, benötigte man solche großartigen, zugleich auch genialen Schurken wie Francis Drake, um einen schwächelnden Gegner zuletzt endgültig in die Knie zwingen zu können. Elisabeth wusste dabei sehr wohl, was sie an ihrem Sir Francis hatte. Sie sah in ihm in der Tat jenen Schurken, der er nun einmal war, aber sie brauchte ihn und setzte ihn sehr geschickt mit seiner Wut und seinem Ungestüm zum Wohle Englands ein. Francis Drake kann man daher fast schon als einen tragischen Helden bezeichnen, aber nur fast, denn er war sich seiner Rolle und der Tatsache, dass auch seine königliche Auftraggeberin ihn brauchte, durchaus bewusst. Die spannungsgeladene Epoche Elisabeths I. von England und die Verwegenheit ihres Piraten machen die rekonstruierten Aufzeichnungen Drakes noch immer zu einem wichtigen, unbedingt lesenswerten Zeitdokument.

    Weiterführende Literatur:

    Stephen Coote, Francis Drake. The Life and Legend of an Elizabethan Hero. London 2005.

    Harry Kelsey, Sir Francis Drake. The Queen’s Pirate. New Haven, Conn., 1998.

    Neville Williams, The Sea Dogs. Privateers, Plunder and Piracy in the Elizabethan Age. London 1975.

    Kenneth R. Williams, Admiral und Pirate. Francis Drake: England auf dem Weg zur Seeherrschaft. Frankfurt am Main 1970.

    Lars Hoffmann, Mainz im August 2009

    EINLEITUNG

    Mit dem Aufbruch der Seefahrt im 16. Jahrhundert traten in England hervorragende Kapitäne in Erscheinung. Noch bewahrt die Erinnerung einige von ihnen und die Taten vieler sind schriftlich in Hakluyts umfangreicher Sammlung »Seereisen« dokumentiert. Aber es gab nur einen Kapitän zur See, der fraglos ein Genie und obendrein ein großer Volksheld war: Francis Drake.

    Das beste zeitgenössische Urteil über ihn finden wir in den »Annalen« von John Stow.

    »Auf allen Gebieten der Seefahrt war er bei Weitem geschickter als je einer vor ihm … auch besaß er ein glänzendes Gedächtnis, eine vorzügliche Beobachtungsgabe, war von Natur aus beredt, geschickt als Artillerist sowie als Feldscher, konnte seine Leute zur Ader lassen und sie sogar unter den jeweiligen klimatischen Bedingungen medizinisch betreuen. Er hatte eine untersetzte Statur mit kräftigen Gliedern, eine breite Brust, einen runden Kopf, braunes Haar, trug einen Vollbart, seine schönen Augen blickten mit hellem, fröhlichem Ausdruck groß und klar in die Welt.

    Sein Name versetzte Franzosen, Spanier, Portugiesen und Indianer in Schrecken. Viele Fürsten Italiens, Deutschlands und anderer Staaten, Freunde sowohl wie Feinde, bemühten sich noch zu seinen Lebzeiten, ein Porträt von ihm zu erhalten. Kurz, er war in Europa und Amerika ebenso berühmt wie Tamburlane in Asien und Afrika. Bereits im Alter von fünfundfünfzig Jahren starb er. Was seine Schwächen anbelangt, so galt er als äußerst ehrsüchtig, als wankelmütig in Freundschaften und besonders anfällig gegenüber der öffentlichen Meinung.«

    Diesen Punkten muss hinzugefügt werden, dass er arrogant, prahlerisch und unduldsam war; auch hatte er die Neigung, bei Schiffsgottesdiensten ausführliche Predigten zu halten. Ansonsten mochte er Musik, malte gern mit Wasserfarben und war bemerkenswert menschlich im Umgang mit seinen Gefangenen.

    Betrachtet man seine Heldentaten leidenschaftslos mit dem Abstand von drei Jahrhunderten, so erscheinen sie einem von sehr unterschiedlicher Bedeutung. In seinen frühen Jahren, bis zu seinem glänzenden Angriff auf Cadiz im Jahre 1587, gelangen ihm Siege gegen einen Feind, der auf Verteidigung nicht eingestellt und fast ohne Waffen war, Siege, die ihm teils durch geschicktes Verhalten, teils durch pures Draufgängertum zufielen. Den Höhepunkt seiner Karriere erreichte er mit der Ernennung zum Vizeadmiral von England gegen die spanische Armada. Zweifellos ein Mann von großer Tapferkeit, war sein Ruf bereits damals nicht mehr der beste. Seine späteren Jahre sind ein einziger Abstieg. Er hatte einen schweren Lebensweg hinter sich und nun mag er durch Krankheit oder Alter geschwächt gewesen sein, wir wissen es nicht. Jedenfalls hatte er in den Jahren 1589 und 1595 den Oberbefehl über eine Flotte, die wohl größer war als seine organisatorischen Fähigkeiten. Beide Male waren die Spanier gut bewaffnet und präpariert und es ist zu einem guten Teil Drakes Zaudern zuzuschreiben, dass sie gewarnt werden konnten und genügend Zeit fanden, ihrerseits Vorbereitungen zu treffen. Dennoch gebührt Francis Drake zweifelsohne ein Ehrenplatz in der Geschichte Englands. Waren es doch seine Heldentaten, die entscheidend dazu beitrugen, dass England, zerrissen von inneren Religionsstreitigkeiten und gequält von der Furcht vor dem spanischen Feind, in patriotischem Hochgefühl geeint, wieder zu neuem Selbstvertrauen gelangte.

    Er gab der Freibeuterei, die die spanische Moral schwächte, einen großen Anstoß, bewirkte ein ständiges Anwachsen der englischen Seemacht und eröffnete dem Handel, der Eroberung und »Gründung« von Kolonien neue Horizonte. Sein Name inspirierte englische Seeleute auf Generationen. Darüber hinaus war er der arme Junge, der es zu etwas gebracht hatte, eine Art Siegfried, der den Drachen tötete, will sagen: der den größten Monarchen Europas herausforderte und demütigte, ein Robin Hood der See. Dergestalt gewann er einen Platz im Herzen seines Volkes. Sein eigener Ausspruch, er werde »den Bart des Königs von Spanien ansengen«, zudem die Geschichte von seinem Kegelspiel und die Mär von seiner Trommel – dies alles lieferte gerade jene malerischen Pinselstriche, die nötig sind, um einen Mann zum legendären Helden zu machen.

    Eine Seite aus der Schrift: »Eine wahre Beschreibung der unglückseligen Reise des Kapitän John Hawkins nach Guinea und Westindien in den Jahren des Herrn 1567 und 1568« (von John Hawkins 1569).

    Wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung der Kuratoren des Britischen Museums. Die Desertion der »Judith« (vgl. S. 44) geht aus den ersten drei Zeilen hervor; es ist dies die erste gedruckte Stelle, die auf Drake Bezug nimmt. Zudem ist dieser Bericht die erste Publikation eines Engländers über Abenteuer von Engländern in den Gewässern Amerikas. Es gibt heute nur noch zwei Exemplare: Eines befindet sich in der Bibliothek des Britischen Museums, das andere in der Huntingdon-Bibliothek in Kalifornien. Der Bericht wurde von Hakluyt nachgedruckt.

    Gleich wie zwei seiner Zeitgenossen, William Shakespeare und Richard Hakluyt, hatte Drake das große Glück, in einem Jahrhundert geboren zu sein, das seinem Genie alle Möglichkeiten zur Entfaltung bot. Bei seiner Geburt freilich waren die Vorzeichen nicht sonderlich günstig; England lag in seiner Bedeutung als Seemacht weit hinter anderen Nationen zurück. Als er um 1543 – ein genaueres Datum fehlt – auf einem kleinen Bauernhof in Devonshire geboren wurde, hatten die Portugiesen sich bereits in Brasilien festgesetzt, Grönland erkundet, Indien, Ostindien, China und Japan erreicht und einen sagenhaft Gewinn bringenden Handel mit Gewürzen, Seide und anderen orientalischen Luxusgütern aufgebaut, der den Neid ganz Europas erregte. Die Spanier hatten einen neuen Kontinent und einen neuen Ozean entdeckt, deren Existenz nicht einmal vermutet worden war, und ein spanisches Schiff hatte bereits die erste Reise um die Welt gemacht. Die Reiche der Inkas und Azteken wurden zerstört und ausgeplündert, über den Atlantik ergoss sich ein unvorstellbarer Reichtum in die Schatzkammern Spaniens. 1493 hatte Papst Alexander VI. die Neue Welt aufgeteilt, hatte den östlichen Teil in die Gewalt Portugals gegeben, den westlichen in die Gewalt Spaniens, und beide Länder hielten sich an dieses Abkommen mit Ausnahme von Brasilien, das portugiesisch wurde, und den Philippinen, die spanisch wurden. Beide Staaten beanspruchten das Handels- und Ausbeutungsmonopol in ihren weiten Gebieten.

    Während dieser Zeit gab es keinerlei Anzeichen, dass England sich zu einer großen Seemacht entwickeln würde, wenn auch die englischen Seeleute nicht völlig untätig bei der Weltverteilung zugesehen hatten. Seit etwa 1480, möglicherweise auch schon früher, unternahmen Schiffe von Bristol aus Erkundungsfahrten in den Atlantik, die vielleicht durch mündliche Überlieferungen der Seereisen der Wikinger oder des legendären Prinzen Madoc angeregt waren.

    Dies waren erst Anfänge. Die reichen Londoner Kaufleute zogen es vor, untätig zu bleiben, solange ihr traditioneller Wollhandel mit Europa weiterhin blühte. Als im Jahre 1521 Heinrich VIII. und sein Kanzler Wolsey die Gründung einer nationalen Gesellschaft zur Erschließung des ozeanischen Handels vorschlugen, lehnten sie es ab, sich daran zu beteiligen. Dreißig Jahre später jedoch ließen eine Flaute im Wollhandel und der wachsende Neid auf den iberischen Reichtum sie nach neuen Märkten Ausschau halten. Thomas Windhams Reisen nach der Berberei, nach Guinea und Benin folgten früheren sporadischen Abstechern und leiteten einen Gewinn bringenden Handel mit Zucker, Pfeffer, Elfenbein, Gold und anderen Waren ein, während Willoughby und Chancellor sich daran machten, eine Nordostpassage um Asien herum nach China, Japan und den Gewürzinseln ausfindig zu machen.

    Sie blieben erfolglos, aber Chancellor erreichte Moskau, wo Iwan der Schreckliche englischen Kaufleuten Handelserleichterungen gewährte. Der Moskauer Gesellschaft wurde 1555 von Königin Maria ein Privileg erteilt. Während Drake seine harte Lehrzeit zur See auf einer kleinen Küstenbark durchlief, verletzte John Hawkins ein anderes iberisches Monopol, indem er seine erste Sklavenfahrt nach Westafrika und dem zentralen spanischen Kolonialgebiet unternahm, und der furchtlose Anthony Jenkinson fand einen Weg durch Russland und das Kaspische Meer und leitete den Handel mit Persien ein. Dies waren die Anfänge des englischen Aufstiegs zur Seemacht.

    Drakes verwandtschaftliche Beziehungen zu der Familie Hawkins und wohl auch das richtige Gespür für seine besten Zukunftschancen veranlassten ihn, bei einer weiteren Erkundungsfahrt in Hawkins’ Dienste zu treten. Danach konzentrierten sich alle seine Gedanken und sein Ehrgeiz auf die Neue Welt. Seine Karriere wurde bestimmt von der wachsenden Spannung zwischen England und Spanien. Forciert wurde diese Spannung ständig durch religiöse Divergenzen. Die meisten englischen Seeleute, so auch Drake, waren überzeugte Protestanten. Sie mussten die Verbrennung protestantischer Märtyrer durch Maria die Katholische, die Exkommunikation und »Thronenthebung« Elisabeths im Jahr 1570 durch den Papst, die Mordverschwörungen gegen ihre Königin und die Grausamkeiten, die Landsleuten zugefügt wurden, welche in die Hände der Inquisition gefallen waren, als brutale und rücksichtslose Gewaltakte ansehen, charakteristisch für die katholische Kirche. Drake hatte auch einen persönlichen Grund zur Verbitterung: In seiner Kindheit wurde bei einem Aufruhr vonseiten der Katholiken seine Familie vom eigenen Bauernhof in Devonshire vertrieben.

    Mehr und mehr englische Seeleute folgten dem Beispiel der französischen Hugenotten, kaperten iberische Schiffe und überfielen die Ansiedlungen in der Karibik. Freibeuterbriefe, die nominal den ehrbaren Freibeuterkapitän vom bloßen Piraten unterschieden, waren leicht vom Admiralsgericht oder vom Großadmiral zu erhalten. Es gab ständig spanische Beschwerden, aber weder Philipp noch Elisabeth wollten einen offenen Krieg, bis Philipp sich 1585 zum Angriff auf England entschloss. In der Zwischenzeit blühte im schönsten Widerspruch der Handel zwischen den beiden Ländern aufgrund des politischen und wirtschaftlichen Bündnisses von 1489.

    Englands Aktivität zur See wurde von den zwei Richard Hakluyts, die beide unermüdliche Publizisten waren, und von John Dee, dem größten Geographen und Mathematiker seiner Zeit, stark gefördert. Kaufleute, Seekapitäne, Adlige, Mitglieder des Hofes und des Marineministeriums sowie die Königin selbst beteiligten sich an den ad hoc gegründeten Aktiengesellschaften, die jede wichtige Unternehmung, sei sie nun offiziell oder inoffiziell, finanzierten. Die Königin verlieh Schiffe der Kriegsmarine, um sich an den Kaperfahrten zu beteiligen, und wie alle anderen »Unternehmer« erwartete auch sie Gewinn. Die öffentliche Meinung in England wurde immer weltoffener und, beiläufig, immer freundlicher gegenüber Drakes Aufsehen erregenden Taten.

    Der Schiffsbau, der viel von den bahnbrechenden iberischen Mächten lernte, machte rasche Fortschritte. Im Mittelalter hatten sich die englischen Schiffe nur selten über die Gewässer Nordwesteuropas hinausgewagt. Es waren »runde Schiffe«, nur doppelt so lang wie breit, mit zwei oder drei Masten, quadratisch getakelt, dickbauchig, plump und nur schwerfällig dem Ruder gehorchend. Die hohen Aufbauten im Vor- und Achterschiff boten dem Wind Widerstand und strapazierten den Schiffskörper, wenn das Schiff schlingerte. Solche Schiffe waren für Ozeanreisen gänzlich ungeeignet. Das wurde Hawkins und Drake an der massigen Jesus of Lübeck endgültig klar, noch bevor sie durch spanischen Verrat in San Juan de Ulua gekapert wurde. Die Portugiesen und Spanier hatten, mit italienischer Hilfe, die Galeone entwickelt, die dreimal so lang war wie die größte Schiffsbreite oder noch länger, ziemlich niedrige Aufbauten besaß und dreieckige Segel an den Besanmasten führte. Drakes Golden Hind, eine kleine Galeone, wurde wahrscheinlich von den Franzosen verfertigt, aber englische Schiffbauer begannen bald diesen Typ nachzuahmen. Mehr und mehr Schiffe wurden als Kaperschiffe gebaut und auch Handelsschiffe mussten gut bewaffnet sein, wollten sie sich der Piraten im Kanal oder im Mittelmeer erwehren. Dieser Schiffstyp machte den Großteil der Flotte aus, die sich der spanischen Armada entgegenstellte.

    Die Kaperschifffahrt war Gewinn, Abenteuer und Dienst am Vaterland zugleich. Bereits 1581 schrieb der spanische Botschafter an Philipp: »Sie bauen pausenlos Schiffe und sind dabei, sich selbst zu den Herren der Meere zu machen.«

    Zur gleichen Zeit entwickelten sich die navigatorischen Kenntnisse: Kompass, Astrolab und Jakobsstab kamen in Gebrauch und später Sextant und Quadrant. Aber es gab keine Möglichkeit, die geographische Länge zu messen, und war ein Schiff einmal außer Sichtweite bekannten Landes, so musste die Schiffsposition mehr oder minder geschätzt werden, was von der Erfahrung des Kapitäns abhing. Land- und Seekarten fehlten oft oder waren unzulänglich, wurden aber mit Hilfe der Seefahrer ständig verbessert. In England waren die Karten von Ortelius und Mercator im Umlauf. Was man auf portugiesischen und spanischen Schiffen an Land- und Seekarten erbeutete, wurde eifrig kopiert. So verlief Drakes Fahrt von der amerikanischen Küste nach Ostindien nicht allein dank seiner genialen Navigation reibungslos; er bediente sich erbeuteter spanischer Seekarten.

    Die Flotte war klein. Sie war das persönliche Eigentum des Monarchen, der für die Kosten ihrer Unterhaltung aufzukommen hatte. Heinrich VIII. hatte begonnen sie zu modernisieren, ja zu revolutionieren. In der mittelalterlichen Vorstellung von einer Seeschlacht waren die Schiffe schwimmende Festungen, die mit Enterhaken derart an den feindlichen Schiffen befestigt wurden, dass die Soldaten an Bord den Kampf im Handgemenge ausfechten konnten. Die Schiffskanonen waren klein, entweder an Deck oder in den Aufbauten montiert, und dienten dazu, Enterer niederzustrecken. Die schweren Geschütze, die von Hans Popenruyter von Mechlin erfunden worden waren, brachten Heinrich VIII. auf den revolutionären Gedanken sie innerhalb der Schiffe in Stellung zu bringen. Und seitdem sie zu schwer waren, um in den schwachen Aufbauten montiert zu werden, brachte man sie unter Deck in Stellung. Geschützluken – eine andere revolutionäre Neuerung –, eingelassen in die Schiffswand, ließen den Kanonen Raum zum Feuern. Derart bewaffnete Schiffe versuchten nicht mehr den Feind zu entern, sondern ihn aus weiter Entfernung zu versenken oder kampfunfähig zu machen.

    Heinrich hinterließ eine mächtige Flotte von fünfzig Schiffen, aber nach seinem Tode wurden sie vernachlässigt und verrotteten schnell. In seiner Jugend muss Drake sie in ihrem elenden Zustand gesehen haben, denn sein Zuhause, ein abgetakelter Kasten, der im Medway vor Anker lag, war von Schiffen der Flotte umgeben.

    Elisabeth erbte nur etwa dreißig Schiffe, viele in schlechtem Zustand, die weiterhin unter der im Marineministerium herrschenden Korruption litten, bis Burghley 1577 John Hawkins zum Schatzmeister der Flotte ernannte. Da er mit Sicherheit annahm, dass es zu einer Kraftprobe mit Spanien kommen würde, ließ er längere und schmalere Galeonen bauen. Er beseitigte das Vorderdeck, senkte das Ladedeck bis zur Wasserlinie und baute darüber ein eigenes Kanonendeck. Seine Schiffe waren leichter zu manövrieren als andere und konnten höher an den Wind gehen. Sie waren wahrscheinlich die brauchbarsten Kriegsschiffe ihrer Zeit. Drake – und keiner konnte es besser beurteilen als er – wählte eins von ihnen, die Revenge, zu seinem Flaggschiff gegen die spanische Armada. Auf ebendiesem Schiff, einer Galeone von etwa 500 Tonnen, mit einer Länge von 92 und einer Breite von 32 Fuß und einer schweren Bewaffnung von 40 Kanonen, kämpfte dann Grenville seinen letzten verzweifelten Kampf.

    Noch schwieriger als der Schiffsbau war die Zusammenstellung von erfahrenen Mannschaften, hauptsächlich wegen der schrecklichen Verluste durch Krankheit. Die Seeleute waren auf Monate oder Jahre zusammengepfercht in engen, unbequemen und verlausten Quartieren, fast unerträglich in den tropischen Zonen, ohne irgendwelche sanitären Einrichtungen, zudem fehlte es an Wissen um richtige Ernährung und Gesundheitspflege, obwohl Drake und die einsichtigen Kapitäne ihre Mannschaften an Land ließen, sooft sie konnten, um ihnen frische Luft und frische Nahrung zu verschaffen. Die Lebensmittelvorräte waren oft knapp und schlecht. Natürlich variierte das ein wenig von Schiff zu Schiff und sicher wurden sie manchmal durch frische oder eingesalzene Pinguine, durch Fische, Fleisch und Früchte und – was besonders wichtig war – durch sauberes Wasser ergänzt. Der Expeditionsplan von 1577 weist eine Vorratsliste auf, die Drake entweder selbst aufgestellt hat oder der er zumindest zustimmte: Schiffszwieback, Roggenmehl, Bier, Wein (Wasser in Fässern wurde bald faulig), Rindfleisch, Schweinefleisch, Fisch, Butter, Käse, Reis, Hafermehl, Erbsen, Essig, Honig, Olivenöl und Salz. Lebensmittellieferanten waren notorisch unehrlich und lieferten oftmals Fleisch, das bereits verdorben war, Bier, das bereits stank, und alle anderen Waren schlecht bemessen. Krankheiten wüteten: Lebensmittelvergiftung, Ruhr, Typhus, fiebrige Erkrankungen und auf jeder längeren Reise vor allem »die Pest des Meeres und das Verderben der Seeleute«: Skorbut. Sir Richard Hawkins schätzte, dass in zwanzig Jahren zehntausend englische Seeleute durch Skorbut umkamen. Es war nicht außergewöhnlich, dass mehr als die Hälfte der Besatzung auf einer Reise starb, und oft müssen Schiffe verloren gegangen sein, weil die Überlebenden zu gering an Zahl und zu schwach waren, um das Schiff noch zu manövrieren. Trotz allem aber werden die Männer an Bord eines Schiffes es besser gehabt haben als diejenigen, die in den von der Pest heimgesuchten Elendsvierteln bei den Docks ein jämmerliches Leben fristeten, denn es gab viel Arbeitslosigkeit. Und natürlich hoffte jede Schiffsbesatzung auf Beute. Ein Drittel davon ging an die Aktionäre, die die Reise finanziert hatten, ein Drittel an die Lebensmittelhändler und ein Drittel wurde, gestaffelt nach Rang, an die Besatzung verteilt.

    Die Seeleute waren zum größten Teil unwissend, abergläubisch und wankelmütig; sie schwankten zwischen Feigheit, Prahlerei und unbeugsamem Mut und ließen sich äußerst schwer führen. »Ich weiß«, sagte Francis Drake, »dass Seeleute die misstrauischsten Leute auf der Welt sind.« Dennoch konnte er ganz gut mit ihnen umgehen. Meuterei und Fahnenflucht waren an der Tagesordnung. Es ist nicht sicher, ob die Elizabeth Drake auf seiner Reise um die Welt verließ, weil ihr Kapitän, John Winter, von sich aus den Befehl dazu gab oder aber, weil seine Mannschaft ihn zur Rückkehr nach England zwang.

    Die Zeit brachte eine Anzahl von bemerkenswerten Kapitänen hervor. Einige haben keine Spuren hinterlassen. Viele haben einen dauernden Platz im Buch der Geschichte, unter ihnen Männer von so unterschiedlichem Charakter und Erfolg wie Richard Chancellor, Sir John Hawkins, Sir Walter Raleigh, John Davis, Sir Martin Frobisher und Sir Richard Grenville. Man könnte eine weit längere Liste aufstellen, aber, wie beeindruckend sie auch sein mag, immer wird sie beginnen müssen mit dem Namen Francis Drake.

    ZEITTAFEL

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