ANPACKEN statt EINPACKEN: Menschen mit Diabetes erzählen aus ihrem Leben
Von Kirchheim Verlag
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Über dieses E-Book
Über 6 Millionen Menschen in Deutschland haben Diabetes - eine kaum vorstellbare Zahl. Doch hinter jedem Betroffenen steckt eine persönliche Geschichte. Es gibt eben nicht DEN oder gar DIE Diabetiker; Diabetes kann jeden treffen, und deshalb sind die Geschichten der Menschen, die in diesem Buch aus ihrem Leben erzählen, auch ganz unterschiedlich: Es sind Prominente darunter, Kinder, Ältere, Sportler, Blogger, Eltern, Großeltern …
Sie alle müssen seit der Diagnose mit einer Krankheit leben, die sie ihr ganzes Leben lang begleiten wird. Wie gehen Betroffene mit dieser Herausforderung um? Packen sie an oder packen sie ein? Autorin Nicole Mattig-Fabian ist dieser Frage nachgegangen und hat 30 Kurzporträts von Menschen mit Diabetes aufgeschrieben, um zu zeigen, wie ein Leben mit Diabetes gelingen kann. Alle diese Menschen, so unterschiedlich sie sind, haben nämlich eines gemeinsam: Sie zeigen, dass niemand mit dieser Krankheit allein ist. Und sie machen Mut! Niemand muss einpacken, weil er Diabetes hat, im Gegenteil: Jetzt gilt es, das Leben anzupacken!
Ergänzt werden die Porträts durch medizinische Tipps der beiden Experten Prof. Dr. Thomas Danne (Hannover) und Prof. Dr. Thomas Haak (Bad Mergentheim). Beide sind erfahrene Diabetologen und aktiv im Vorstand von diabetesDE - Deutsche Diabetes-Hilfe.
Mit dem Kauf dieses Buches unterstützen Sie die Aufklärungsarbeit von diabetesDE - Deutsche Diabetes-Hilfe.
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Buchvorschau
ANPACKEN statt EINPACKEN - Kirchheim Verlag
Diabetes-Hilfe
Vorwort
Liebe Leserin, lieber Leser,
Diabetes ist die am meisten unterschätzte Krankheit in Deutschland: 6 Millionen Menschen sind betroffen – damit ist Diabetes eine der größten Volkskrankheiten in unserem Land. Doch nach wie vor wird Diabetes in unserer Gesellschaft unterschätzt und als „Krankheit der Alten" verharmlost, was die an Typ-1-Diabetes Erkrankten verärgert. Denn die chronische Stoffwechselerkrankung ist sehr komplex und verlangt den Betroffenen viel ab – 24 Stunden am Tag und ein Leben lang.
Anpacken statt einpacken? Dieser Frage muss sich jeder, der an Diabetes erkrankt ist, immer wieder stellen. Die chronische Stoffwechselkrankheit ist für alle Erkrankten eine tägliche Herausforderung. Nur mit optimalem Selbstmanagement und einer guten Blutzuckereinstellung können Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Nierenversagen oder Amputation verhindert werden. Leichter gesagt als getan. Viele Betroffene kapitulieren vor der Aufgabe, ihre Lebensgewohnheiten nach der Krankheit auszurichten, andere blühen auf und sehen die Erkrankung als Chance, dem Leben einen neuen Sinn zu geben.
Diabetes ist eine Erkrankung ohne sichtbare Dramatik. Man sieht den Betroffenen ihr persönliches Leid nicht an. Dennoch bedeutet die Diagnose einen tiefen Einschnitt in das tägliche Leben. Die Erkrankung wird mitunter als empfindliche Einschränkung der persönlichen Freiheit und damit auch der Lebensqualität erlebt. Sie geht mit Ängsten sowie depressiven Verstimmungen einher. Nicht jeder Betroffene hat seinen Diabetes so gut im Griff wie viele unserer Protagonisten.
Denn eines ist für alle gleich: Es gibt keinen Urlaub vom Diabetes. Für viele bedeutet dies, sechsmal am Tag den Blutzucker zu messen, den Medikations- oder Insulinbedarf darauf abzustellen und den Lebensstil mit gesunder Ernährung und ausreichender Bewegung anzupassen. Das gilt sowohl für die 300 000 Menschen mit Typ-1-Diabetes, deren Bauchspeicheldrüse gar kein Insulin mehr produziert, als auch für die knapp 6 Millionen Menschen mit Typ-2-Diabetes, deren körpereigene Insulinproduktion nicht mehr ausreicht. Häufig sind hier Übergewicht, ungesunde Ernährung und mangelnde Bewegung die Hauptrisikofaktoren. Aber das ist eben nicht der einzige Grund: Ein Tabu ist, dass viele Menschen mit Diabetes durch ihre familiäre Veranlagung kaum eine Chance haben, dem Diabetes zu entkommen. Und trotzdem wird Diabetes in der Gesellschaft noch nicht als bedrohliche Krankheit wahrgenommen.
Umso wichtiger ist es, Öffentlichkeit für die Krankheit zu schaffen. Wir von diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe kennen das Leid der Betroffenen aus der Sicht der Patienten, der Ärzte, der Diabetesberaterinnen. Wir wissen, dass hinter jeder Erkrankung ein individuelles Schicksal steckt. Daher setzen wir uns für eine breite Aufklärung über Diabetes ein und vertreten die politischen Interessen der Menschen mit Diabetes. Wir fordern von der Politik, dass eine bestmögliche Versorgung gesichert, ein gesunder Lebensstil gefördert und die Selbsthilfe gestärkt wird.
Dieses Buch trägt zur Aufklärung bei und soll denjenigen Mut machen, die mit ihrem Schicksal hadern: 30 Erwachsene und Kinder haben mir aus ihrem Leben mit Diabetes erzählt, mal sind es Anekdoten zum Schmunzeln, mal Erlebnisse, die zum Nachdenken anregen. Packen Sie Ihren Diabetes an und bieten Sie ihm die Stirn, wenn er Sie mal wieder zur Weißglut bringt.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen!
Ihre
Nicole Mattig-Fabian
Geschäftsführerin diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe
Diabetes – die Grundlagen
Diabetesformen . Lebensstiländerung . Folgen . Selbsthilfe
Mit der Diagnose Diabetes kommen die Fragen: Was ist Diabetes überhaupt? Wie gefährlich ist die Erkrankung? Und wie ändert sich durch den Diabetes mein Leben, mein Alltag? Wichtig ist in jedem Fall, dass Sie sich gut auskennen mit Ihrem Diabetes – egal, ob Sie die Diagnose erst bekommen haben oder schon ein alter Hase sind. Informiert werden Sie von Ihrem Arzt, der Diabetesberaterin, durch Bücher, Zeitschriften und Internet. Aber auch andere Menschen mit Diabetes mit ihrem Wissen und ihren Erfahrungen sind eine wichtige Informationsquelle. Von einigen dieser Menschen lesen Sie in diesem Buch, weitere können Sie kennenlernen – z. B. in einer Selbsthilfegruppe.
Wenn es heißt, dass jemand „Zucker hat", bedeutet das: Dieser Mensch hat Diabetes. Dabei ist es erst einmal gar nicht schlimm, sondern sogar lebensnotwendig, Zucker (Glukose) im Blut zu haben: Die Glukose ist eine Energiequelle für unsere Organe. Mit Hilfe des Hormons Insulin gelangt die Glukose in die Zellen der Organe, also genau dahin, wo sie gebraucht wird. Hat jemand Diabetes, ist gar kein Insulin oder zu wenig Insulin vorhanden, oder das Insulin wirkt nicht richtig. Die Glukose bleibt im Blut, der Blutzuckerspiegel steigt, und ein Diabetes entwickelt sich.
Unter dem Namen Diabetes mellitus werden verschiedene Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels zusammengefasst, die durch erhöhte Blutzuckerwerte gekennzeichnet sind. Man unterscheidet zwei Hauptformen des Diabetes:
• Typ-1-Diabetes
• Typ-2-Diabetes
Etwa 95 Prozent der Menschen mit Diabetes haben einen Typ-2-Diabetes, etwa 5 Prozent einen Typ-1-Diabetes. Daneben gibt es den Diabetes Typ 3, darunter werden mehrere Diabetesformen verstanden, die unterschiedliche Ursachen haben – z. B. die Erkrankung der Bauchspeicheldrüse, Infektionen oder Chemikalien. Der Diabetes Typ 4 ist der Schwangerschaftsdiabetes. Diese Diabetesform verschwindet nach der Schwangerschaft wieder, zeigt aber ein Risiko für einen späteren Typ-2-Diabetes an.
Typ-1-Diabetes
Bei Kindern und Jugendlichen ist der Typ-1-Diabetes die häufigste Stoffwechselerkrankung überhaupt. Es wird geschätzt, dass zirka 30 000 Kinder und Jugendliche zwischen 0 und 19 Jahren in Deutschland Typ-1-Diabetes haben – und die Tendenz ist steigend. Eines von 670 Kindern erkrankt an Typ-1-Diabetes; es ist also wahrscheinlich, dass an jeder größeren Schule zumindest ein Kind mit Diabetes unter den Schülern ist. Aber auch bei Erwachsenen kann noch ein Typ-1-Diabetes auftreten. In Deutschland leben nach Schätzungen insgesamt etwa 500 000 Menschen mit Typ-1-Diabetes.
Der Typ-1-Diabetes ist eine Autoimmunkrankheit – das bedeutet, dass das Abwehrsystem des Körpers, das Immunsystem, die insulinproduzierenden Betazellen in der Bauchspeicheldrüse selbst zerstört. Können die Betazellen ihre Aufgabe nicht mehr erfüllen, herrscht Insulinmangel. Gibt es kein Insulin mehr, das den Körperzellen den Zucker aus dem Blut zur Verfügung stellt, fehlt dem Betroffenen Energie und er wird immer schlapper. Und: Der Körper versucht nun, den überschüssigen Zucker mit dem Urin aus dem Körper zu transportieren, weshalb der Erkrankte sehr häufig zum Wasserlassen auf die Toilette muss und ein sehr starkes Durstgefühl entwickelt.
Typische Beschwerden und Symptome zu Beginn des Typ-1-Diabetes sind:
• häufiges Wasserlassen
• ungewollter Gewichtsverlust
• Schwächegefühl
• Leistungsminderung
• Müdigkeit
• Schwindel usw.
Menschen, bei denen Typ-1-Diabetes diagnostiziert wurde, werden sofort mit Insulin behandelt und müssen ihr Leben lang Insulin von außen zuführen. Dies geschieht mit einer Spritze, heutzutage aber immer mehr mit einem Insulinpen oder einer Insulinpumpe.
In diesem Buch werden Sie vielen Menschen mit Typ-1-Diabetes begegnen – zum Beispiel Olympiasieger Matthias Steiner, der die Diagnose an seinem 18. Geburtstag bekam, sich aber davon nicht aufhalten ließ (S. 68). Oder Christa Uhlig, die 1937 erkrankte und den Krieg mit Glück und durch den Einsatzwillen ihrer Eltern überlebt hat (S. 18). Und dann sind da noch Friedrich, ein Junge aus Berlin, der stolz ist auf die erste fast selbständig gemeisterte Klassenreise (S. 24), Juliane G., die sich auf das Abenteuer Schwangerschaft eingelassen hat (S. 38), Diana D., die seit 30 Jahren blind ist (S. 22) und Christiane S., die sich so schwertat, ihren Diabetes anzunehmen (S. 34). Sie alle erzählen von ihrem Alltag mit Typ-1-Diabetes.
Typ-2-Diabetes
„Altersdiabetes" hieß der Typ-2-Diabetes früher. Doch diese Bezeichnung hört man immer seltener, denn immer öfter bekommen auch jüngere Menschen unter 35 Jahren einen Typ-2-Diabetes, auch einige Jugendliche sind darunter. Mindestens 6 Millionen Menschen in Deutschland sind von der Krankheit betroffen, doch die Dunkelziffer ist hoch: Millionen Menschen wissen nicht, dass sie erkrankt sind, denn der Typ-2-Diabetes ist eine Krankheit, die zunächst keine Beschwerden verursacht und deshalb oft lange nicht erkannt wird. Viele Menschen, die Typ-2-Diabetes haben, sind übergewichtig. Das Übergewicht begünstigt die Entstehung dieser Diabetesform. Allerdings bekommt nicht jeder übergewichtige Mensch Typ-2-Diabetes, sondern anscheinend nur diejenigen, die die entsprechenden Erbanlagen mitbringen. Und: Es gibt auch schlanke ältere Menschen, die Diabetes bekommen.
Häufig erkennen Ärzte Diabetes Typ 2 nur durch Zufall. Denn der Beginn der Stoffwechselerkrankung ist schleichend und ohne Symptome. Bemerkbar machen kann sich der Diabetes durch Müdigkeit/Schlappheit, Infektionen. Oft bestehen bei der Diagnose auch schon diabetische Folgeerkrankungen, also Krankheiten, die durch den Diabetes verursacht werden. Klassische Symptome wie häufiges Wasserlassen, Durstgefühl etc. sind eher selten.
Die Betazellen von Menschen mit Typ-2-Diabetes produzieren zunächst noch Insulin – aber sie tun es nicht in der Menge, die gebraucht wird und nicht zur richtigen Zeit. Und: Das Insulin wirkt auch nicht mehr so gut (Insulinresistenz) – das ist umso mehr der Fall, umso stärker übergewichtig der Betroffene ist. Die Folge: zu viel Zucker ist im Blut.
Ist es für übergewichtige Menschen mit Typ-2-Diabetes also günstig, abzunehmen? Ja, denn dadurch kann die Freisetzung und Wirkung des Insulins verbessert werden, der Blutzuckerspiegel sinkt und kann sogar wieder normale Werte erreichen.
Mit der Diabetesdauer steigt aber auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Betazellen immer weniger Insulin produzieren und dieser Mangel nicht mehr allein durch gesunde Ernährung und auch Bewegung aufgefangen werden kann. In diesem Stadium erhalten viele Betroffene Tabletten, die den Blutzucker senken bzw. die Wirkung des noch vorhandenen Insulins verstärken. Außerdem kann es auch für Menschen mit Typ-2-Diabetes sinnvoll sein, Insulin einzusetzen.
Gesünder essen, mehr bewegen
Sich gesünder und kalorienärmer als bisher zu ernähren und sich mehr zu bewegen, ist gar nicht so leicht, denn es bedeutet, dass man seine Gewohnheiten ändern muss – Gewohnheiten, die man möglicherweise über Jahrzehnte lieb gewonnen hat. Es ist also leichter gesagt als getan. Schauen Sie mal bei Tony Marshall (S. 10), den eine Nervenschädigung an den Beinen dazu trieb, seinen „Wohlfühlmodus zu verlassen. Oder bei Promi-Friseur Udo Walz (S. 14), der gemerkt hat, wie heimtückisch die Krankheit ist, und nun dreimal in der Woche mit einer Aqua-Fit-Trainerin in Bewegung kommt. Für Martin L. (S. 46) machte es in einer Spezialklinik Klick, und Elfriede Kuka (S. 58) versucht, auf eigene Faust ihre Ernährung umzustellen und sich gesünder zu ernähren. Sie alle kämpfen mit ihrem inneren Schweinehund – mal mehr, mal weniger erfolgreich. Sie probieren aus, machen Fortschritte, erleiden Rückschläge. Klar ist: Was so leicht dahergesagt ist – „Du musst dich einfach nur mehr bewegen und dich gesünder ernähren!
–, ist tatsächlich eine sehr schwierige Aufgabe.