Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Sieben Brüder: Eine Erzählung
Sieben Brüder: Eine Erzählung
Sieben Brüder: Eine Erzählung
eBook466 Seiten6 Stunden

Sieben Brüder: Eine Erzählung

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Sie jagen und roden, sie saufen und prügeln sich, aber sie sind, so eigen jeder für sich auch ist, eine verschworene Gemeinschaft, die Urzelle des finnischen Volkes. Sie sind sieben Brüder, die da gemeinsam auf dem Hof von Jukola ihrer verstorbenen Eltern leben, ehe sie ihn verpachten und sich einen neuen bauen im Wald von Impiwaara. Jeder ein eigener Charakter, sind sie rauflustig, auch untereinander - selbst Weihnachten wird erst schön durch eine ordentliche Prügelei, aber wenn man nicht achtgibt, kann einem der ganze Hof dabei abbrennen. Säufer sind sie nur fallweise, aber sie sind tüchtige Jäger, und so mancher Bär, Otter oder Auerhahn bleibt auf ihrer Strecke. Was ihnen wirklich Kummer macht, ist die Pflicht, wenigstens den Katechismus lesen zu lernen. Aber sie wären nicht die Söhne von Jukola, wenn ihnen nicht am Ende auch das gelänge.Heiterer ist wohl selten die Zivilisation in eine Bauern- und Jägerwelt eingezogen als in diesem ersten Roman in finnischer Sprache, und obwohl er seinerzeit als ›Schandfleck‹ bezeichnet wurde, ist er inzwischen längst als Klassiker der finnischen Literatur anerkannt.Finnland: Schwerpunkt der Frankfurter Buchmesse 2014Aus dem Finnischen und mit einem Nachwort von Gisbert Jänicke
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum2. Sept. 2014
ISBN9783990271322
Sieben Brüder: Eine Erzählung

Ähnlich wie Sieben Brüder

Ähnliche E-Books

Klassiker für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Sieben Brüder

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Sieben Brüder - Aleksis Kivi

    DAS ERSTE KAPITEL

    Jukolas Hof, im südlichen Hämeland, liegt auf der nördlichen Halde eines Hügels unweit des Weilers Toukola. Sein nächstes Umfeld ist steiniger Boden, doch weiter unten fangen die Felder an, auf welchen, bevor der Hof verfallen war, ährenschwer das Korn wogte. Unter den Feldern liegt eine Wiese, kleeumsäumt, von einem vielfach gewundenen Bach durchzogen; und reichlich hatte sie Heu gegeben, bevor man das Vieh des Dorfs darauf weiden ließ. Ansonsten gehören zum Hof ausgedehnte Wälder, Moore und Ödland, die ihm dank des klugen Handelns des einstigen Gründers dieses Anwesens schon vor Zeiten im Zuge der großen Bodenreform zugefallen waren. Damals hatte Jukolas Bauer, mehr auf den Vorteil der nach ihm Kommenden als auf sein eigenes Bestes bedacht, als seinen Anteil einen vom Feuer verheerten Wald genommen und auf diese Weise siebenmal mehr als seine Nachbarn erhalten. Jetzt aber waren alle Spuren des Waldbrandes auf dem Gelände verschwunden, und statt dessen war dichter Wald gewachsen. – Und hier sind jene sieben Brüder zuhause, von deren Lebensweg ich jetzt erzählen werde.

    Die Brüder, vom ältesten zum jüngsten, heißen Juhani, Tuomas, Aapo, Simeoni, Timo, Lauri und Eero. Von ihnen sind Tuomas und Aapo Zwillinge, desgleichen Timo und Lauri. Der älteste Bruder Juhani ist fünfundzwanzig Jahre alt, aber Eero, der jüngste, hat kaum achtzehn Sonnenumläufe erlebt. Von Statur sind sie stämmig und breitschultrig, von mittlerer Größe, außer Eero, der noch recht klein ist. Der längste von allen ist Aapo, gewiss aber nicht der breitschultrigste. Letztere Eigenschaft und Ehre kommen Tuomas zu, der weithin für seine breiten Schultern bekannt ist. Etwas, was sie alle zusammen auszeichnet, ist ihre rote Haut und ihr widerspenstiges, hanfblondes Haar, dessen Rauheit besonders bei Juhani ins Auge fällt.

    Ihr Vater, der ein überaus leidenschaftlicher Jäger war, fand in seinem besten Alter plötzlich den Tod, als er mit einem grimmigen Bären rang. Beide fand man damals, den Herrn des Waldes wie den Mann, Brust an Brust auf dem blutigen Erdboden tot auf. Der Mann war schwer verletzt, aber auch an dem Untier fand man Stichwunden an Hals und Flanke, und seine Brust war von einer scharfen Gewehrkugel durchbohrt. So beschloss der kräftige Mann, der mehr als fünfzig Bären erlegt hatte, seine Tage. – Aber mit seinen vielen Jagdzügen hatte er seine Arbeit und die Aufgaben auf dem Hof vernachlässigt, der ohne die Führung seines Vormanns allmählich verfiel. Auch verstanden seine Söhne nichts vom Pflügen und Säen, hatten sie doch von ihrem Vater dieselbe starke Leidenschaft für das Weidwerk geerbt. Sie legten Dohnen und Schlingen und stellten Fangeisen sowie Fallen auf, den Vögeln und Hasen zum Verderb. So verbrachten sie ihre Jugend, bis sie die Feuerbüchse zu hantieren begannen und sich im Wald an Meister Petz heranwagten.

    Ihre Mutter versuchte wohl, sie durch Tadel und Zucht zu Arbeit und Fleiß anzuhalten, aber die Halsstarrigkeit der Burschen widerstand allen ihren Bestrebungen. Sie war übrigens eine tüchtige Hausfrau, bekannt war ihre direkte und aufrichtige, vielleicht etwas schroffe Sinnesart. Und tüchtig war auch ihr Bruder, der treffliche Oheim der Jungen, der in seiner Jugend als wackerer Seemann ferne Meere besegelt und viele Völker und Städte gesehen hatte; schließlich aber hatte er sein Augenlicht verloren, war stockblind geworden und verbrachte die dunklen Tage seines Alters in Jukolas Haus. Dabei erzählte er oft, während er nach dem Tastgefühl Kellen, Löffel, Axtstiele, Bleuel und anderes im Haus benötigte Gerät schnitzte, den Jungen seiner Schwester Geschichten und merkwürdige Dinge aus dem eigenen Land wie auch aus fremden Reichen, erzählte auch von Wundern und Begebenheiten aus der Bibel. Diesen Geschichten lauschten die Jungen mit großer Andacht und prägten sie sich fest in ihr Gedächtnis ein. Aber nicht so gern hörten sie auf die Befehle und Schelten ihrer Mutter, sondern waren, ungeachtet mancher Tracht Prügel, geradezu ungehorsam. Oft riss die Brüderschar auch aus, wenn sie merkten, dass ihnen der Stock drohte, womit sie sowohl der Mutter als auch den anderen Kummer und Verdruss bereiteten und damit ihre eigene Sache verschlimmerten.

    Hier will ich eine Begebenheit aus der Kindheit der Brüder erzählen. Sie wussten, dass unter der Darre ihres elterlichen Hofs ein Hühnernest war, das einer Alten gehörte, die man die Kienwälder Oma nannte, denn ihre kleine Kate stand in einem Kiefernwäldchen in Jukolas Nähe. Einmal bekamen die Brüder Lust auf gebackene Eier, und folglich beschlossen sie, das Nest zu plündern und in den Wald zu gehen, um dort ihre Beute zu verzehren. Sie führten ihren Entschluss auch aus, leerten das Nest und begaben sich einträchtig in den Wald, sechs an der Zahl; Eero krabbelte damals noch zu Mutters Füßen herum. Als sie in dem dunklen Fichtenwald an einen murmelnden Bach kamen, machten sie an dessen Ufer ein Feuer, wickelten die Eier in Lappen, tauchten sie ins Wasser und legten sie zum Backen in die zischende Asche. Und als die Leckerbissen schließlich gar waren, aßen sie ihr schmackhaftes Mahl und zogen dann zufrieden wieder nach Hause. Doch auf ihrem heimischen Hügel angekommen, erwartete sie ein Wirbelsturm, denn ihre Tat war längst entdeckt worden. Die Kienwälderin zeterte und tobte, und mit grimmigem Blick eilte die Mutter den Brüdern entgegen, in der Hand die pfeifende Rute. Doch die Jungen hatten keine Lust, sich diesem Sturm auszusetzen. Darum machten sie kehrt und flohen in den Schutz der Wälder zurück, ungeachtet aller Rufe ihrer Mutter.

    Es verging ein Tag, es verging noch ein zweiter Tag, doch von den Ausreißern war nichts zu hören. Ihr Wegbleiben versetzte die Mutter schließlich in große Unruhe, und ihr Zorn schlug bald in Sorge und Tränen des Mitleids um. Sie machte sich auf, sie zu suchen, sie suchte kreuz und quer in den Wäldern, ohne jedoch ihre Kinder zu finden. Die Sache wurde immer unheimlicher und forderte schließlich, dass die Obrigkeit sich ihrer annahm. Man benachrichtigte den Jagdvogt, der unverzüglich ganz Toukola und Umgebung zusammenrief. Und so machten sich viele Junge wie Alte, Männer wie Frauen, unter der Leitung des Jagdvogts auf, um in einer langen Reihe die Wälder zu durchkämmen. Am ersten Tag suchten sie in der nächsten Umgebung, doch ohne den erhofften Erfolg; am zweiten Tag rückten sie weiter hinaus, und als sie auf einen hohen Hügel kamen, sahen sie in der Ferne am Rand eines Moors eine blaue Rauchsäule sich zum Himmel ringeln. Sie merkten sich genau die Richtung, in welcher der Rauch aufstieg, und setzten ihren Weg dahin fort. Endlich, als sie näher herangekommen waren, hörten sie eine Stimme, die sang:

    Auch früher lebten wir wie heuer

    hinter solchem Bächlein hier,

    aus Treibholz machten wir das Feuer,

    nur Wasser tranken wir statt Bier.

    Da wurde Jukolas Bäuerin, als sie das Lied hörte, ungemein froh, denn sie erkannte daran die Stimme ihres Sohns Juhani. Auch hallte der Wald öfters von einem Krachen wie Feuerwerk wider. An alldem erkannten die Suchenden mit Gewissheit, dass sie dem Lager der Ausreißer nahten. Jetzt gab der Jagdvogt den Befehl, die Jungen einzukreisen und sich ihnen dann leise zu nähern, aber in einiger Entfernung von ihrem Lagerplatz haltzumachen.

    Es geschah, wie er befohlen hatte. Und als der Trupp, die Brüder von allen Seiten umzingelnd, sich ihnen auf fünfzig Schritt genähert hatte, hielt man an, und ihnen bot sich folgender Anblick dar: Am Fuß eines Felsens war aus Fichtenzweigen ein kleiner Verschlag errichtet, vor dessen Eingang Juhani auf einem Moospolster lag, in die Wolken starrte und vor sich hin sang. Zwei, drei Klafter von dem Verschlag entfernt loderte ein lustiges Feuer, und in dessen Glut röstete Simeoni ein mit der Schlinge gefangenes Birkhuhn zum Mittagsmahl. Aapo und Timo mit rußverschmierten Gesichtern – denn sie hatten gerade Bilwisse gespielt – schmorten Butterrüben in der heißen Asche. An einer kleinen Lehmpfütze saß still für sich Lauri und formte Gockel, Ochsen und stolze Fohlen aus Ton, und er hatte schon eine ganze Reihe davon auf einen bemoosten Stamm zum Trocknen hingestellt. Das Feuerwerk aber ließ Tuomas krachen: er spuckte schäumenden Speichel auf einen Stein am Boden, legte eine glühende Kohle darauf, und auf diese warf er mit aller Kraft einen zweiten Stein, und der Donner, oft so laut wie ein gewöhnlicher Gewehrschuss, hallte durch die Gegend, und rußiger Rauch stob zwischen den Steinen hervor.

    JUHANI:Auch früher lebten wir wie heuer

    hinter solchem Bächlein hier …

    … aber der Teufel wird uns am Ende doch noch holen. Das liegt doch auf der Hand, ihr Otternbälger.

    AAPO:Das hab ich doch gleich gesagt, als wir das Hasenpanier ergriffen. Wir sind doch verrückt! Nur Strauchräuber und Zigeuner stiefeln so unter freiem Himmel herum.

    TIMO:Immerhin unter Gottes Himmel.

    AAPO:Hier mit Wölfen und Bären zu hausen!

    TUOMAS:Und mit Gott.

    JUHANI:Richtig, Tuomas! Mit Gott und seinen Engeln. Ach! Könnten wir jetzt mit den seligen Augen der Seele und des Leibes schauen, dann würden wir deutlich sehn, wie sich eine ganze Schar schützender Flügelengel um uns her gelagert hat und Gott selber, ein grauhaariger Alter, in unsrer Mitte sitzt, wie unser geliebter Vater.

    SIMEONI:Aber was denkt jetzt unsre arme Mutter?

    TUOMAS:Sie würde uns gern zu Schmorrüben weichklopfen, wenn wir in ihre Klauen gerieten.

    JUHANI:Junge, was würden wir Prügel kriegen!

    TUOMAS:Ja, Prügel, und was für welche!

    JUHANI:Dass die Funken sprühn! Da kannst du sicher sein.

    AAPO:Die kriegen wir letztendlich doch.

    SIMEONI:Ganz klar. Drum wär’s am besten, wir gehn hin und stecken die Prügel ein und werden ein für allemal dies Sauleben hier quitt.

    JUHANI:Auch die Sau geht nicht freiwillig zur Schlachtbank, Bruderherz.

    AAPO:Was redest du, Junge? Der Winter kommt, und wir sind nicht gerade mit ’nem Pelz auf dem Buckel geboren.

    SIMEONI:Dann nichts wie marsch nach Hause und die Prügel eingesteckt, und Grund dazu hätt sie, Grund dazu hätt sie.

    JUHANI:Schonen wir doch, Brüder, schonen wir doch unsre Rücken noch ein paar Tage. Wir wissen ja nicht, was für einen Rettungsplan sich Gott in zwei, drei Tagen für uns noch einfallen lässt. Lungern wir hier also noch ein bisschen herum, tags um das Stubbenfeuer da und nachts in unsrer Reisighütte, in einer Reihe gefläzt wie die Ferkel im Koben. – Aber was sagst du, Lauri-Bengel, an deinem Lehmloch da? Was? Sollen wir uns brav versohlen lassen?

    LAURI:Bleiben wir noch ’ne Weile.

    JUHANI:Das, find ich auch, wär das beste. Genau! – Was hast du aber für ’nen Haufen Vieh da!

    TUOMAS:Der Bub hat Vieh und Federvieh.

    JUHANI:Und was für ’ne Menge! Aus dir wird ja nochmal ein richtiger Gockelmacher.

    TUOMAS:Ein richtiger Lehmschmierer.

    JUHANI:Ein tüchtiger Lehmschmierer. – Was für ’ne Russenpuppe kommt dir denn da schon wieder aus den Fingern?

    LAURI:Das ist nur so’n kleiner Bube.

    JUHANI:Schaut mir bloß das Bürschlein an!

    TUOMAS:Der macht Buben wie ein Mann.

    JUHANI:Buben wie Stubbenköpfe; und füttert seine Buben und sein Vieh wie ein Mann. – Aber Brüder, Brüder, bringt doch endlich das Essen auf den Tisch; mir fängt der Magen zu knurren an. Tu Asche, zischende Asche auf die nackte Rübenseite da! – Wer ist jetzt wieder an der Reihe, Rüben zu klauen?

    SIMEONI:Ich muss mich wohl wieder an diese Sündenarbeit machen.

    JUHANI:Um zu überleben, müssen wir ein wenig von anderen stibitzen. Wenn das Sünde ist, dann ist es eine von den kleineren, die auf dieser elenden Welt begangen werden. Und ach, wenn ich ohne weitere Sündenvermerke in meinem Buch sterb, dann wird mich dieser kleine Krähenfuß auch nicht gerade hindern, zu einem etwas besseren Leben zu gelangen. Aus dem eigentlichen Hochzeitssaal würden sie mich ja bald verjagen, da bin ich mir sicher, aber die Tür in Gottes Haus würden sie mich vielleicht hüten lassen, und das wär ja auch ganz lustig. – Also, glauben wir dran und nehmen uns unbesorgt, was in unsern Wanst reingeht.

    AAPO:Aber ich finde, wir sollten Kuokkalas Rübenacker besser sein lassen und uns einen andern suchen. Wenn die Rüben da jeden Tag weniger werden, kommt der Besitzer bald und bewacht sein Land Tag und Nacht.

    JAGDVOGT: Macht euch darum keine Sorgen mehr, Jungs, keine Sorgen. Na na, warum so erschrocken? Schaut doch: Eine Schar schützender Engel hat sich ganz geschwind um euch herum gelagert.

    So sprach der Vogt zu den Brüdern, die erschrocken aufsprangen und in alle Richtungen davonliefen, zu ihrem Entsetzen aber bald merkten, dass ihnen der Weg von allen Seiten versperrt war. Und der Vogt sprach weiter: „Ihr seid im Netz, ganz schön im Netz, und da kommt ihr nicht raus, bis wir euch nicht zum Andenken ein bisschen geschuppt haben, als ein kleines Andenken für euch an die Fußarbeit, die ihr uns verursacht habt, ihr Schlingel. Hierher, Mutter, mit Eurer Birkenrute, und gebt’s ihnen schön mit der festen Hand. Und wenn sie sich wehren, dann gibt’s hier ja Hilfsweiber." Jetzt folgte die Züchtigung durch die Hand der Mutter, die die ganze Brüderschar einen nach dem andern durchging; und groß war das Geschrei in Kuokkalas Wald. Wahrlich heftig schwang die Mutter ihre Rute, aber der Jagdvogt versicherte, dass ihre Abreibung trotz allem zu sanft gewesen sei.

    Als aber die Mutter ihre Arbeit verrichtet hatte, gingen sie alle nach Hause, auch die Mutter mit ihren Söhnen. Den ganzen Weg schimpfte und schalt sie die Ausreißer, und nicht einmal, als sie zuhause angekommen waren, hatte sich der Sturm gelegt. Noch als sie den Jungen ihr Essen auf den Laufstuhl stellte, zeterte sie und drohte mit einer neuen Tracht Prügel. Als sie aber sah, mit welchem Heißhunger sie ihre Zähne in Brot und Strömlinge schlugen, wandte sie sich ab und wischte heimlich eine Träne von der roten, rauen Wange.

    So endete das Fluchtabenteuer der Jungen. Und dies war ein Vorfall aus ihrer Kindheit, in den ich in meiner Erzählung abgeschweift bin.

    Zu den Lieblingsvergnügungen der Brüder gehörte das Scheibenschlagen, ein Spiel, dem sie sich auch im Mannesalter noch gern hingaben. Dabei wurde heftig gekämpft, in zwei Parteien, von denen jede Seite versuchte, an einen bestimmten Gegenstand heranzukommen. Groß war dann das Geschrei, das Rennen und Getümmel, und in Strömen floss der Schweiß über die Gesichter. Sausend hüpfte die Scheibe über die Straße und prallte oft vom Schläger ab und einem Mann ins Gesicht, so dass, wenn sie vom Spiel zurückkamen, der eine oder andere mit einer ordentlichen Beule auf der Stirn ausgerüstet war oder seine Wange wie eine Semmel geschwollen war. So verbrachten sie die Tage ihrer Jugend, des Sommers in den Wäldern oder auf der Landstraße die Scheibe schlagend, des Winters daheim in der brütenden Hitze auf dem Backofen.

    Aber die Brüder merkten auch, wie die Zeiten sich änderten. Es geschahen Dinge, die sie mehr als sonst an den morgigen Tag denken und ihr bisheriges Treiben vergessen ließen. – Ihre Mutter war gestorben, und einer von ihnen sollte jetzt das Ruder in die Hand nehmen, den Hof vor dem endgültigen Verfall retten und dafür sorgen, dass die Steuern an die Krone bezahlt wurden, die, gemessen an Jukolas weitläufigen Ländereien und Wäldern, allerdings nicht gerade hoch waren. Aber zu tun und zu schaffen gibt es auf einem heruntergekommenen Gehöft allemal. Zu dem kam noch, dass der neue Propst des Sprengels in allem, was sein Amt anging, ein fürchterlich strenger Mann war. Besonders gegen die Lesefaulen war er unbarmherzig, quälte sie mit allen erdenklichen Mitteln und ließ sie gar in den Stock legen. So hatte er auch Jukolas Jungen scharf ins Visier genommen. Er hatte ihnen sogar durch den Büttel den strengen Befehl zukommen lassen, sich so schnell wie möglich zum Kantor zu begeben und bei ihm lesen zu lernen. – Als sie einmal an einem Abend im Spätsommer zuhause in ihrer geräumigen Stube saßen und ihnen diese Dinge in den Sinn kamen, entspann sich unter den Brüdern folgendes Gespräch:

    AAPO:Ich sag euch nur: Dies wilde Leben geht nicht an, es endet noch mal in Verderb und Unglück. Brüder, wenn wir Glück und Frieden wollen, müssen andre Sitten und Gewohnheiten her!

    JUHANI:Was du sagst, ist richtig, das ist nicht zu leugnen.

    SIMEONI:Leider Gottes! Wild und zügellos ist unser Leben gewesen bis auf den heutigen Tag.

    TIMO:So ist das Leben eben, und so ist die Welt. Gute Tage kosten Geld. Ach ja!

    JUHANI:Zu wild, oder besser gesagt, zu nachlässig haben wir gelebt, das ist nicht zu leugnen. Doch man sagt ja: In der Jugend wild, im Alter mild.

    AAPO:Ja, milder könnten wir schon allmählich werden, wir könnten unsre Begierden und Gelüste unters Joch der Vernunft spannen und vor allem das tun, was Nutzen bringt, und nicht immer, was am süßesten schmeckt. Jetzt bringen wir unsern Hof unverzüglich wieder in einen ordentlichen Zustand!

    JUHANI:Du hast Recht! Als erstes machen wir uns wie Mistkäfer über den Dung her und häckseln von morgens bis abends Fichtenreiser, so dass Jukolas Ecken dröhnen. Das Vieh, das prächtige Vieh, mag seinerseits den Mist vermehren, und hinterm Haus werden die Haufen in die Höhe wachsen wie die goldnen Mauern im Königsschloss. Das machen wir. Nächsten Montag fangen wir an, und von Grund auf.

    AAPO:Warum nicht schon morgen?

    JUHANI:Erst nächsten Montag. Es schadet doch nichts, wenn man die Sache ein bisschen reifen lässt. Also, wie gesagt, nächsten Montag.

    AAPO:Aber einen Paragrafen sollten wir bald erledigen. Die Sache ist die: Wenn wir Ordnung und Beständigkeit in unsre Haushaltung bringen wollen, muss einer der Vormann und Bauer sein. Wie wir wissen, hat das Recht und die Verpflichtung dazu Juhani, sowohl aufgrund seiner Erstgeburt als auch durch den Willen unsrer Mutter.

    JUHANI:Gut, dann hab ich hier also das Recht und die Macht und die Gewalt!

    AAPO:Aber sieh zu, dass du sie friedlich und zum allgemeinen Wohl ausübst.

    JUHANI:Ich will mein Bestes versuchen. Wenn ihr nur ohne Prügel und Peitsche gehorchen wollt! Aber mein Bestes will ich versuchen.

    AAPO:Peitsche?

    JUHANI:Wenn’s nötig ist, siehst du.

    TUOMAS:Von der Peitsche red zu deinen Hunden!

    TIMO:Meine Kronlande wirst du mir nicht beackern, nie und nimmer; das mag, wenn mir aus irgendeinem Grund mal der Rücken juckt, die Knute von Recht und Gesetz tun.

    JUHANI:Warum klammert ihr euch an ein so belangloses Wort? Wir haben hier doch das Glück auf unsrer Seite, wenn nur Eintracht herrscht und wir nicht die Hörner gebrauchen.

    EERO:Dennoch sollten wir unsre gegenseitigen Beziehungen festlegen.

    AAPO:Und uns anhören, was jeder zu sagen hat.

    JUHANI:Was sagst du, du immer so wortkarger Lauri?

    LAURI:Was soll ich sagen? Ziehn wir in den Wald und jagen den Lärm der Welt zur Hölle.

    JUHANI:He?

    AAPO:Der Mann spinnt wieder mal.

    JUHANI:Wir sollen in den Wald ziehn? Was für ein Unsinn!

    AAPO:Mach dir keine Sorgen. – Schau, ich hab mir Folgendes überlegt: Du, Juhani, hast als erster das Recht, den Hof zu übernehmen, wenn du so willst.

    JUHANI:Natürlich will ich.

    AAPO:Wir andern, solang wir in den geliebten Winkeln unsres Elternhauses leben und nicht verheiratet sind, arbeiten fürs Haus, essen im Haus und kriegen unsre Kleidung vom Haus. Den ersten Montag jeden Monats, ausgenommen wenn Aussaatoder Erntezeit ist, sollen wir immer für uns selber haben, aber auch dann kriegen wir unser Essen vom Haus. Jedes Jahr gibt das Haus jedem von uns ein halbes Fass Hafer für die Aussaat, und jährlich haben wir das Recht, eine gemeinsame Schwende im Ausmaß von wenigstens drei Morgen anzulegen. Das sind meine Überlegungen in Bezug auf unser Haus und unser Junggesellenleben. Aber ich weiß, dass keiner von uns gern von Jukolas geliebten Fluren wegzieht, und dazu zwingt uns auch keineswegs die Enge unsres Daseins, vielmehr ist hier Platz genug für uns sieben Brüder. Aber wenn einer im Laufe der Zeit Lust hätte, einen eigenen Hausstand und eine eigene Familie zu gründen, aber den Hof nicht gern, wie das Gesetz es vorsieht, und wegen der Kosten für den Landmesser, zerstückeln will, würde er sich dann nicht mit folgendem Nutzen zufriedengeben? Er soll vom Gehöft ein Stück Land bekommen, auf dem er sein Haus mit den Feldern ringsherum baut. Er soll auch einen gewissen Teil von den Wiesen bekommen und außerdem das Recht haben, für sich im Wald zusätzlich so viel Grasland zu roden, dass er ein paar Pferde und vier, fünf Stück Vieh halten kann. Und ohne weitere Steuern und Abgaben sollen er wie auch seine Kinder ihren Hof bestellen und dessen Erträge genießen können und in Frieden auf dem eigenen Grund und Boden wohnen. – So hab ich mir die Sache ausgedacht. Was sagt ihr dazu?

    JUHANI:Ein vernünftiger Vorschlag. Gehn wir seine Punkte durch!

    LAURI:Aber wenn wir’s anders machten, wär’s noch vernünftiger gemacht! Ziehn wir in den Schoß des Walds und verkaufen dieses jämmerliche Jukola, oder verpachten wir’s dem Lohgerber aus Rajaportti. Der hat uns ja mitgeteilt, dass er zu dem Handel bereit wär – aber mindestens für zehn Jahre will er den Hof haben. Machen wir’s doch, wie ich sag, und ziehn mit Pferd, Hunden und Büchsen an den Fuß des schroffen Impiwaara. An dem Berg bauen wir uns ein lustiges Häuschen auf einer lustigen, der Sonne zugewandten Brache, und da jagen wir das Getier der Wälder und leben friedlich weitab vom Lärm der Welt und den zänkischen Menschen. – So hab ich’s mir in Tagen und Nächten in all den Jahren ausgedacht.

    JUHANI:Hat dich der Teufel geritten, Junge?

    EERO:Wenn nicht der Teufel, dann die Waldfee.

    LAURI:So denk ich’s mir, und einmal werd ich’s tun! Da würden wir doch leben wie die Herren, würden Vögel jagen und Eichhörnchen, Hasen und Füchse und Wölfe und Dachse und zottige Bären.

    JUHANI:Herrje, du zählst ja die ganze Arche Noah auf, von der Maus bis zum Elch!

    EERO:Das ist mir ein Rat! Wir sagen Salz und Brot ade und saugen Blut und schlingen Fleisch wie die Mücken und Hexen in Lappland. Und sollen wir vielleicht auch noch Füchse und Wölfe fressen in den Höhlen des Impiwaara, wie die haarigen Bergtrolle?

    LAURI:Von den Füchsen und Wölfen kriegen wir Felle, für die Felle kriegen wir Geld, für das Geld Salz und Brot.

    EERO:Von den Fellen kriegen wir unsre Kleidung, aber das Fleisch, das blutige, dampfende Fleisch wird unsre einzige Nahrung sein; Salz und Brot brauchen Affen und Paviane im Wald ja nicht.

    LAURI:So denk ich’s mir, und einmal werd ich’s tun!

    TIMO:Denken wir doch mal genau über die Sache nach. Warum könnten wir nicht auch im Wald Salz und Brot essen? Warum denn nicht? Aber Eero ist ein Spötter, uns immer im Weg, immer in der Quere. Wer kann denn Wäldlern verbieten, sich ab und zu auch mal einem Dorfrand zu nähern, ab und zu, je nach Bedarf? Oder ziehst du mir dann einen mit dem Knüppel über, Eero?

    EERO:Nicht doch, Brüderlein, kriegst auch Salz, wenn du Beeren bringst. – Zieht nur hin, Jungs, zieht hin, ich verwehr’s euch nicht, ich bring euch sogar hin, in einem Ritt.

    JUHANI:Aber bald würden die Waldschrate euch wieder heimbefördern, da könnt ihr sicher sein.

    LAURI:„Kehrst du noch einmal zurück, ist um einen Balken höher die Schwelle", ich weiß, und glaub ja nicht, dass ich nochmal an deine Tür klopfen werd, wenn ich sie einmal verlassen hab. – Zu Walpurgis zieh ich hin.

    TIMO:Kann sein, dass ich mitkomm.

    LAURI:Ich sag nicht nein, ich sag nicht ja. Tu, was deinem Herzen gelüstet. – Zu Walpurgis zieh ich auf die Brache am Impiwaara. Anfangs, bis mein kleines warmes Haus fertig ist, wohn ich in Großvaters bemooster Köhlerhütte. Nach des Tages Arbeit ruh ich dann in meinem Heim des Friedens und horch, wie der Bär in den Wäldern pfeift und auf dem Sompio das Birkhuhn balzt.

    TIMO:Ich komm mit, Lauri. Abgemacht, Lauri!

    TUOMAS:Wenn die Zeiten nicht besser werden, komm ich auch mit.

    JUHANI:Auch Tuomas? Du würdest auch mitgehn?

    TUOMAS:Wenn die Zeiten nicht besser werden.

    LAURI:Zu Walpurgis zieh ich hin, auch wenn für Jukola jetzt die Tage der süßen Brote kommen sollten.

    TIMO:Du und ich, wir zwei, wir ziehn auf Sompios Moor wie die Kraniche im Frühling, und es singt in Luft und Winden!

    JUHANI:Oho! Aber wenn ich ehrlich sein soll, Lauris Vorhaben zieht mich insgeheim an. Der Wald lockt. Verflixt, mir ist, als säh ich hinterm Wald die herrlichen Gefilde des Himmels.

    AAPO:Ihr seid verrückt, was denkt ihr bloß? In den Wald ziehn! Warum? Hier haben wir doch Haus und Hof, ein schönes Dach überm Kopf!

    JUHANI:Stimmt, wir haben den Hof, an dem wir mit Krallen und Zähnen festhalten, solang’s da auch nur ein bisschen nach Essbarem riecht. Aber schau, wenn das Schicksal hier alles über den Haufen werfen würd, trotz unsrer besten Absichten, dann wird der Wald mein Vorwerk sein, in das ich stracks flieh, sowie die letzten Körner durch die Mühle rasseln. – Also dann, machen wir uns über Hof und Wirtschaft her, was das Zeug hält. Doch kehrn wir noch mal zu dem Punkt zurück, von dem hier eigentlich die Rede war. – Mein dummer Schädel sagt mir, dass Aapo sich die Sache recht vernünftig ausgedacht hat. Und alles geht gut, wenn nur jeder von uns nach Einigkeit und Eintracht strebt. Aber schaut, wenn wir Händel suchen, finden wir wohl immer ’nen Grund, unsre Nackenborsten zu sträuben.

    SIMEONI:Wo fänden wir den nicht, solang der alte Adam uns hier zwischen Haut und Knochen juckt und kitzelt?

    TIMO:Den alten Adam hab ich mir immer als einen alten, würdigen Greis vorgestellt, in Filzhut, schwarzem Gehrock, Kniebundhosen und roter Weste, die ihm bis unter den Nabel geht. In der Aufmachung läuft der Alte in Gedanken versunken und treibt zwei Ochsen vor sich her.

    SIMEONI:Mit dem alten Adam ist die Sünde in ihrer Wurzel gemeint, die Erbsünde.

    TIMO:Ich weiß, dass er das Sinnbild und Vorbild der Erbsünde ist, der gehörnte Satan in der Hölle, aber in der Aufmachung, wie gesagt, läuft er mit seinen zwei Ochsen vor mir her. Dafür kann ich nichts.

    JUHANI:Lassen wir diesen Glaubenssatz und bleiben bei der Sache. – Aapo, was machen wir mit unsern beiden Zinshöfen, Wuohenkalma und Kekkuri?

    AAPO:Wir müssen bedenken, dass die beiden Pächter ihren Boden einmal der rohen, wüsten Wildnis abgewonnen haben, und darum vertreibt man sie nicht von ihrer Scholle – was ja auch ungerecht wär –, solang sie die Kraft haben, ihre Felder zu besorgen. Und auch danach sichert ihnen das Gesetz aus dem Anwesen eine gewisse Altersversorgung zu. So ist es mit der Sache. – Aber wenden wir uns einem andern Umstand zu, mit dem es, wie ich finde, ziemlich eilig ist. Denn es handelt sich dabei um den wichtigsten Schritt unsererseits, der entweder unser Haar vorzeitig ergrauen oder uns ein sonniges Leben beschert und uns unsre Tage schließlich in vergoldetem Abendrot beenden lässt. Und dich, Juhani, betrifft es jetzt als ersten. Pass also auf, was ich sag: Ein Haushalt ohne Hausfrau ist was Halbes und hinkt, ein Hof ohne Bäuerin auf dem Pfad zwischen Haus und Speicher ist …

    TIMO:Ist wie ein Wolfsnest ohne Wölfin oder wie ein Stiefel ohne zweiten Stiefel, und hinkt in der Tat, wie Aapo sagt.

    AAPO:Ein Hof ohne Bäuerin auf dem Pfad zwischen Haus und Speicher ist wie ein bewölkter Tag, und am Ende des Familientischs wohnt der Verdruss wie ein schwindender Herbstabend. Aber eine gute Hausfrau ist die helle Sonne im Haus, die Licht und Wärme spendet. – Schau, sie ist die erste, die morgens aufsteht, ihren Teig knetet, ihrem Mann das Frühstück auf den Tisch stellt, den Männern das Vesperbrot für den Wald macht und dann mit dem Kübel in der Hand in die Koppel läuft, das scheckige Vieh zu melken. Jetzt backt sie, schafft und macht, jetzt steht sie am Tisch, jetzt ist sie am Ende der Bank mit dem Brot in den Händen, jetzt schürt sie wie ein Wirbelwind den Ofen, dessen glühender Rachen Feuer und Rauch speit. Und jetzt, während die Brotlaibe gehn, frühstückt sie, das Kind an der Brust, endlich selber, isst ein Stück Brot, einen gebratenen Strömling und trinkt aus dem Zweihenkelkrug Buttermilch darauf. Bei all dem vergisst sie aber auch den Hund, den treuen Hauswächter vor der Tür, nicht, und nicht die Katze, die schläfrig plierend auf dem Ofen liegt. – Und jetzt schafft und macht sie wieder, dreht und wendet sich, knetet noch einen zweiten Teig im Trog, formt ihn zu Broten und backt sie, und in Strömen läuft ihr der Schweiß über die Stirn. Aber schau, bei Sonnenuntergang hängen unter der Decke auf Stange neben Stange die Brotringe aufgereiht, von denen frisches Leben herabweht. Und wenn die Männer dann aus dem Wald kommen, erwartet sie das dampfende Abendessen auf dem gewaschenen Tisch. Aber wo ist die Hausfrau selber? Wieder draußen auf dem Hof melkt sie ihr Krummhornvieh, und im Kübel schwappt die gischtende Schaumkrone der Milch. – So schafft und macht sie, dreht und wendet sich, und erst, wenn die andern schon im tiefsten Schlaf schnarchen, sinkt sie mit einem Abendsegen in ihr Bett. Aber noch ist sie ja mit ihrem Tun und Treiben nicht fertig. Geduldig erhebt sie sich im Laufe der Nacht von Zeit zu Zeit, beinah stündlich, von ihrem Lager, um ihr Kleinstes zu beruhigen, das da in seiner Wiege weint und wimmert. – Das, Brüder, ist eine tüchtige Bäuerin.

    JUHANI:Gut gesprochen, Aapo, und ich versteh den Sinn deiner Rede. Sie will mich nämlich zur Heirat bewegen. Ja, ich versteh. Ein Weib, sagst du, ist ein notwendiges Teil im Haushalt. Gewiss! Aber mach dir keine Sorgen. Dein Wunsch, glaub ich, wird bald in Erfüllung gehn. Na ja – also! Ich geb zu, dass mein Herz schon ganz und gar für ein Mädchen entflammt ist, das hoffentlich mein Weib wird, und ein gutes Weib dazu, wenn mich die alten Zeichen nicht trügen. – Tja, Brüder, andre Zeiten und andre Zeichen kommen auf uns zu, und die Landwirtschaft, die ich übernehmen soll, macht mir große Sorge. Auf dem Bauern, auf den Schultern des Bauern liegt eine fürchterliche Last, und groß wird einmal seine Rechnung sein am Tag des Gerichts. Ich bin jetzt für euch alle verantwortlich, merkt euch das.

    TUOMAS:Du für uns? Wieso?

    JUHANI:Ich bin euer Herr, von meiner Hand wird man euretwegen einmal das Blut fordern.

    TUOMAS:Ich steh für meinen Leib und meine Seele selber ein.

    TIMO:Ich steh auch für mich selber ein, he!

    AAPO:Bruder Juhani, denk dran, solche Worte machen böses Blut.

    JUHANI:Ich hab so wenig böses Blut wie böses Fleisch gemeint, ihr aber klammert euch zäh wie Pech, wie die Kletten im heißen Sommer, an ein dummes, belangloses Wort, wo ihr mein Herz doch durch und durch kennt. Das ärgert mich!

    AAPO:Lassen wir das, aber sag uns jetzt, wenn du willst, wer ist das Mädel, das dein Herz entflammt hat.

    JUHANI:Das will ich ungeniert sagen. Das Mädel, das ich maßlos liebe, ist die Kienwälder Wenla.

    AAPO:Hm.

    JUHANI:Was sagst du?

    AAPO:Hm, hab ich gesagt.

    TUOMAS:Ärgerliche Geschichte!

    SIMEONI:Die Wenla. Sieh mal an! Aber alles soll dem himmlischen Vater befohlen sein!

    AAPO:Hm, die Wenla also.

    JUHANI:Was brummt ihr denn? O je, ich ahne was. Mag Gottes Sohn uns behüten! Also was? Raus mit der Sprache!

    AAPO:Hör zu, schon seit Jahren hat das Mädel ernsthaft auch meine Gedanken beschäftigt.

    SIMEONI:Wenn der Schöpfer sie für mich bestimmt hat, warum soll ich mich grämen?

    EERO:Brauchst du auch nicht. Sie kann für dich bestimmt sein, aber ich nehm sie.

    JUHANI:Was sagt Tuomas?

    TUOMAS:Ärgerliche Geschichte! Das Mädel gefällt mir sehr, muss ich gestehn.

    JUHANI:So so, so so. Gut! Und Timo?

    TIMO:Ich mach dasselbe Geständnis.

    JUHANI:Gottes Sohn und Kaitarantas Kustaa! Aber was ist mit Eero?

    EERO:Ich mach dasselbe aufrichtige Geständnis, dasselbe aufrichtige Geständnis.

    JUHANI:Gut, sehr gut! Haha! – Und Timo auch, Timo auch!

    TIMO:Das Mädel ist mir sehr lieb, das geb ich zu. Obwohl sie mir mal eine ganz schöne Abreibung verpasst hat. Sie hat mich als Knirps mal ordentlich versohlt, und an die Prügel erinner ich mich heut noch! Na ja!

    JUHANI:Hör auf! Jetzt geht’s doch darum, ob du sie liebst.

    TIMO:Ja ja, das tu ich, und wie, wenn sie mich nämlich ebenfalls liebt.

    JUHANI:So so! Du kommst mir also auch in die Quere?

    TIMO:Gar nicht, ganz und gar nicht, wenn du dich wirklich nicht zügeln kannst, dich und deine Zunge. Trotzdem mag ich das Luder sehr und will auch mein Bestes versuchen, sie zum Weib zu kriegen.

    JUHANI:Gut, gut! Aber was sagt Lauri?

    LAURI:Was hab ich mit dem Mädel zu tun?

    JUHANI:Auf wessen Seite stehst du?

    LAURI:Ich misch mich da nicht rein, weder von der einen noch von der andern Seite.

    JUHANI:Eine Suppe wird das aber doch.

    LAURI:In die tauch ich nicht meinen Löffel.

    JUHANI:Also alle, außer Lauri. Jungs, Jungs, Jukolas Jungs, meine große Brüderschar! Jetzt geht’s los, und Himmel und Erde werden beben! Auf, liebe Brüder, Messer, Beil oder Klafterholz, und einer gegen alle und alle gegen einen, wie sechs Stiere! Also los! Meine Waffe ist das Holz; ich nehm den harten da, und wessen Schädel nen Span davon abkriegt, ist selber schuld. – Greift zu euren Holzknüppeln, Jungs, und kommt her, wenn ihr gegen einen Mann anzutreten wagt.

    EERO:Hier steh ich in Waffen, wenn auch ein bisschen kürzer als ihr andern.

    JUHANI:Du Piepmatz, du! Ich merk doch dieses spöttische, dieses hinterhältige, verdammte Grinsen in deinem Gesicht, und man sieht ja, wie du deinen Spaß an der Sache hast. Aber ich werd’s dir zeigen.

    EERO:Keine Sorge, mein Knüppel meint’s ernst.

    JUHANI:Ich werd’s dir gleich zeigen. Nehmt eure Hölzer, Jungs, nehmt eure Hölzer!

    TIMO:Hier bin ich mit meinem Knüppel, wenn’s sein muss. Ich will ja keinen Hass und Streit, aber wenn’s sein muss.

    JUHANI:Dein Holz, Tuomas!

    TUOMAS:Geh zur Hölle mit deinem Holz, Dummkopf!

    JUHANI:Geh du selber!

    SIMEONI:Was ist das für ein schrecklicher, heidnischer und türkischer Lärm. Ich geb auf und leg meine Heiratsangelegenheit in die Hände des Herrn.

    LAURI:Ich geb auch auf.

    JUHANI:Dann geht zur Seite, geht zur Seite, mir aus dem Weg! – Nimm dein Holz, Aapo, und mögen Jukolas Wände von den platzenden Schädeln dröhnen. Blitzdonnerwetter!

    AAPO:Armes Menschenkind! Ich bin entsetzt, Juhani, wenn ich dich da seh, wie du mit den Augen rollst und dein Haar wie Borstengras zu Berge steht.

    JUHANI:Lass es stehn, lass es stehn, so sieht nun mal der echte und wahre Jussi-Schopf aus.

    EERO:Ich hätt Lust, ihn ein wenig zu zausen.

    JUHANI:Du Däumling, du! Am besten, du bleibst brav in deiner Ecke. Weg da! Du tust mir leid.

    EERO:Bring du beizeiten deine scheußliche Kinnlade in die Ecke. Um die tut’s mir leid, die zittert und bibbert ja schon wie ein Bettler.

    JUHANI:Schau, wie dies Klafterholz zittert, schau.

    AAPO:Juhani!

    EERO:Hau zu! Ich bin sicher, von hier regnet’s zurück, vielleicht hagelt’s gar, knüppeldicken Hagel. Hau zu!

    JUHANI:Ja doch!

    AAPO:Du schlägst ihn nicht, Juhani!

    JUHANI:Verzieh dich auf den Misthaufen, oder nimm dein Holz und wehr dich, sonst klopf ich dir den Schädel weich. Nimm dein Holz!

    AAPO:Wo hast du deinen Verstand?

    JUHANI:In diesem harten Holz. Schau, es fängt schon an zu reden.

    AAPO:Warte, Bruder, warte, bis auch ich meine Waffe in der Hand hab. – Da schau, hier steh ich mit meinem krummen Knüppel. Aber erst ein paar Worte an euch, Jukolas christliche Brüderschar, und dann können wir wie die tollen Wölfe aufeinander losgehn. – Denkt dran: Der hasserfüllte Mann ist eine blutdürstige Bestie, aber kein Mensch. Er ist stockblind und sieht nicht, was recht und billig

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1