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Hollywood greift an!: Kriegsfilme machen Politik ...
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eBook364 Seiten3 Stunden

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Über dieses E-Book

Ein Film ist oft mehr als ein Film. Anhand der Traumfabrik Hollywood lässt sich die Instrumentalisierung des Mediums Film für politische Zwecke ziemlich unverhüllt erkennen.

Der Autor unternimmt einen Streifzug durch die Geschichte des Kinos, genauer gesagt widmet er sich der Traumfabrik und geht der Frage nach, inwieweit mit US-Kriegsfilmen Politik gemacht wurde (und wird). Schon während des Ersten Weltkriegs dienten Hollywood-Filme nämlich immer wieder auch dem Zweck, die Bevölkerung auf den Krieg "einzustimmen" und die staatliche Sicht der Dinge via Film unter das Volk zu bringen. Daran änderte sich im weiteren Verlauf der Geschichte wenig. Im Zweiten Weltkrieg wurde Sergeant York instrumentalisiert, um im gleichnamigen Spielfilm, dargestellt von Gary Cooper, Stimmung für den Krieg zu machen. Nach Kriegsende trat die Sowjetunion als neuer "virtueller" Feind an die Stelle der Deutschen und sorgte für Politik an den Kinokassen. Es ging aber nicht nur um Stimmungsmache. Auch Rechtfertigung und Revisionismus waren Gegenstand unterschwelliger Hollywood-Politik. So transportierte zum Beispiel der Kassenschlager "Top Gun" eine neue Sicht des Vietnamkrieges. Und nach 9/11 überschwemmte überhaupt eine Lawine an Kriegsfilmen (naturgemäß mit mehr oder weniger einseitiger Botschaft) die Kinos. Vor dem Hintergrund der "Machtübernahme" Hollywoods im internationalen Filmgeschäft beleuchtet der Autor in einem eigenen Kapitel auch den Abstieg des deutschen Films in die Bedeutungslosigkeit und schließt mit einem "Aufruf für ein deutsches Kino"
SpracheDeutsch
HerausgeberAres Verlag
Erscheinungsdatum28. Feb. 2014
ISBN9783902732347
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    Buchvorschau

    Hollywood greift an! - Stefan Hug

    vorgenommen.

    Hollywood und die Gesellschaft der USA

    Unterhaltung für das Volk

    Als sich 1783 die Vereinigten Staaten von Amerika endgültig von ihrem Mutterland Großbritannien lösten, schufen sie in vielen Bereichen eine neue Gesellschaft, obwohl die Kultur der Angelsachsen und ihre Sprache weiter für die USA prägend blieben.

    Der radikalste Schnitt betraf die Regierungsform – und mit ihr die Kunst. Bereits in Großbritannien konzentrierten sich die Künstler trotz der Monarchie bei weitem nicht so stark auf den Geschmack des königlichen Hofes wie im absolutistischen Frankreich oder bei deutschen Potentaten. Der königliche Hof in London war vergleichsweise klein und das Bürgertum der Stadt an der Themse damit ein viel wichtigerer Faktor für die Kunstproduktion als der Hof des englischen Königs.

    In den USA verschwand mit der Abschaffung der Monarchie und ihrer Vertreter in Form der britischen Obrigkeit somit auch das letzte Bedürfnis, den Kunstgeschmack an elitären Vorbildern auszurichten. Während an den europäischen Höfen noch viele weitere Jahrzehnte das Französische als die klassische Sprache des Hochadels, der Hofhaltung und der Künste gepflegt wurde, konzentrierte sich die Produktion von Kunst in den USA von Anfang an auf den Massengeschmack. Zwar gab es in den USA ebenfalls eine reiche bürgerliche Schicht, aber diese konnte und wollte sich mit Berufung auf die Demokratie in ihrem Kunstgeschmack nicht vom gemeinen Volk absondern.

    In Folge dieser Entwicklung ergab sich der Siegeszug des „Entertainment", der leichten Unterhaltung, die seit ewigen Zeiten bei der breiten Masse des Volkes besonders beliebt ist. Das trifft nicht nur auf die Bevölkerung der USA zu, sondern auch auf die Völker in Europa, bei denen allerdings die adelige Herrscherschicht und damit die Orientierung an elitären Kunstformen länger erhalten blieb.

    Die leichte Unterhaltung ist in den USA eine angesehene Form der Kunst und ruft dort nicht das verächtliche Naserümpfen hervor, das viele Europäer ihr gegenüber heute noch hegen. Das betrifft nicht nur die leichte Unterhaltung selbst, sondern auch ihre Protagonisten, die in den USA Vorbilder und Idole der Massen sind.

    Obwohl sich die europäische Gesellschaft im 20. Jahrhundert in vielen Bereichen – dem politischen System, der Massenkultur und dem Einfluß der Medien – den USA angeglichen hat, bleiben trotzdem grundlegende Unterschiede bestehen. Europa ist in vielen Bereichen nur an der Oberfläche amerikanisiert. Der Europäer trinkt zwar Coca Cola, kaut Kaugummi, sieht im Kino den neuesten Hollywoodstreifen – dennoch „tickt" er anders als der durchschnittliche US-Amerikaner.

    Das wurde besonders deutlich, als Ronald Reagan 1980 zum Präsidenten der Vereinigten Staaten und Arnold Schwarzenegger 2003 zum Gouverneur Kaliforniens gewählt wurde: Für die US-Amerikaner war es ein vollkommen normaler Vorgang, daß zwei Schauspieler für ein öffentliches Amt gewählt wurden. In Europa dagegen erzeugten diese Wahlgänge in allen politischen Lagern Belustigung und Verachtung. Es wurde in den europäischen Medien breitgetreten, daß Reagan in mittelmäßigen Western seine wichtigsten Rollen gespielt und Schwarzenegger sich in seinen Filmen als übermenschliche Kampfmaschine inszeniert hatte. Ganz offensichtlich waren die Europäer nicht bereit, einen Schauspieler, losgelöst von seinen früheren Rollen, in einem hohen politischen Amt zu respektieren. Der „american dream" des sozialen Aufstiegs beinhaltete von Anfang an, daß ein Mensch in jedem beliebigen Beruf erfolgreich sein und diesen Beruf – auch branchenfremd – jederzeit wechseln kann. In Europa hält sich dagegen das Ethos des Fachmanns, des Spezialisten. Die Persönlichkeit eines Menschen wird untrennbar mit seiner Berufsausübung verbunden. Ein Schauspieler kann nur als Schauspieler ernstgenommen werden, aber nicht als Politiker.

    Selbst in Deutschland gab es Bestrebungen der politischen Machthaber, sich mit Filmgrößen zu schmücken. Das wurde in der NS-Zeit durch die persönliche Liebe Goebbels’ und Hitlers zum Film gefördert. Aber für die deutsche Politik – und darin ähnelt sie den Einstellungen in anderen europäischen Ländern – ist doch der Schriftsteller immer noch das Höchste, wenn es darum geht, Nähe zur Kultur zu beweisen. Das erkennt man deutlich an den Verbrüderungen, die maßgebliche deutsche Schriftsteller wie Günter Grass und die SPD seit Jahrzehnten betreiben. Vereinfacht kann man sagen: In Europa wird von der Politik der Intellektuelle mit Geist als Trumpf ins Spiel gebracht, während es in den USA der Star mit seiner Popularität ist.

    Das Hollywood-Kino schuf nämlich eine Abart des „american dream": nicht nur reich, sondern auch berühmt zu werden. Die Idealisierung von Filmstars entwickelte sich bereits in der Stummfilmzeit und wird bis heute weitergeführt. Die US-Amerikaner identifizierten sich früher und intensiver mit Filmschauspielern als die Europäer, sie sahen sie von Beginn an als positive und ernstzunehmende Identifikationsfiguren.

    Schon sehr früh hat also die Unterhaltung in den USA den Rang einer hohen (wenn nicht sogar der höchsten) Kunst erreicht. Während der Europäer Kunst oft als mühsame Bildung begreift, als etwas schwer zu Begreifendes und schwer Anzueignendes, liegt für den US-Amerikaner die Güte der Kunst in ihrer Verständlichkeit und Massenkompatibilität. Damit ist zu erklären, warum fremdes Kulturgut in den USA so schwer Fuß fassen kann. Was nicht in englischer Sprache und in einer US-amerikanischen Lebenswelt transportiert wird, wird von der breiten Masse der USA kategorisch abgelehnt. Die Neugier auf fremde Kulturen, wie sie in Deutschland so verbreitet ist, fehlt hier vollkommen – der US-amerikanische Kulturbetrieb genügt sich selbst. Da dieser Kulturbetrieb auf großzügige Mäzene, wie Fürsten und Könige, verzichten hatte müssen, konzentrierte er sich von Anfang an darauf, die Bedürfnisse der Masse zu bedienen und sich als Geschäft zu begreifen.

    Das ist der hervorstechendste Unterschied zum europäischen Kulturbetrieb, der sich trotz der Abschaffung der Monarchien in den meisten Staaten eine elitäre Note erhalten hat und oft über bedeutsame Fördermittel aus öffentlicher Hand verfügt. In der Bundesrepublik beispielsweise wurden Filmförderungen über viele Jahre von Gremien beschlossen, die nur ein paar Köpfe aufwiesen und für die der kommerzielle Erfolg des geförderten Filmes zweitrangig war. Allgemein fließt in Europa noch immer verhältnismäßig viel Geld von staatlicher Seite in Kunst und Kultur. So blieb in gewisser Weise das Mäzenatentum der Höfe in Europa bestehen, während sich der Kunstbetrieb in den USA schon allein deshalb primär als Geschäft begreifen mußte, um finanziell überleben zu können.

    Als Ende des 18. Jahrhunderts die Revolution gegen das britische Mutterland ausbrach, war das gedruckte Wort das wichtigste Kommunikationsmittel neben der gesprochenen Sprache. Bücher, Zeitungen und Flugblätter dienten als Multiplikatoren des Widerstands. Die schriftlich niedergelegte Unabhängigkeitserklärung der USA hat in den Vereinigten Staaten heute einen geradezu sakralen Charakter.

    Im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts breiteten sich die USA von der Ostküste des amerikanischen Kontinents bis zur Westküste aus. Die Siedlungsgrenze, die „frontier, wanderte beständig westwärts und prägte das gesellschaftliche Bewußtsein der USA. Der Pionier, der den Westen kolonisierte, entfernte sich nicht nur räumlich, sondern auch geistig von den europäischen Traditionen, Normen und Wertvorstellungen. Auch Gewalt war im neuen Bewußtsein der US-Amerikaner zwingend vorgesehen, denn die Gewaltanwendung war bei der „Eroberung des Westens wesentlich. Nur durch brutale Gewalt konnten die Indianer dezimiert und die feindliche Natur bezwungen werden.

    Die Umstände dieser Eroberung prägten die Einstellung der US-Bevölkerung, und bis heute hat sie sich eine bemerkenswert staatskritische Haltung bewahrt. Die Wertschätzung der Entfaltung des Individuums verbindet sich automatisch mit einem Mißtrauen gegenüber staatlichen Autoritäten. Auch die Waffenlobby der USA verweist ständig darauf, daß eine Waffe im eigenen Haus nicht nur vor Gewalttätern, sondern auch vor einem bedrohlichen, zur Diktatur entarteten Staat schützen kann.

    Diese staatskritische Mentalität speist sich nicht nur aus dem originären Befreiungskampf gegen das britische Mutterland, sondern zusätzlich aus dem Erleben einer weitgehend selbstregulierten Gesellschaft ohne Rechtsschutz an der „frontier" – dort, wo das Recht nicht von Institutionen eingeklagt werden konnte, sondern im eigenen Interesse vom Individuum, notfalls mit Waffengewalt, durchgesetzt werden mußte.

    Um 1890 war die innere Kolonisation der USA abgeschlossen, der Kontinent mit Eisenbahnlinien erschlossen, und die letzten wehrhaften Indianer waren im Nordwesten des Staatsgebietes abgeschlachtet worden.

    Der Eroberungsdrang der USA richtete sich fortan auf das Ausland, die exzessive Gewaltanwendung wurde und wird dabei nach wie vor als legitimes Mittel betrachtet. Erstes Opfer der USA wurden 1898 die spanischen Kolonien Kuba und die Philippinen.

    Durch die Verbesserung der Drucktechnologie und durch die rasanten Verbreitungsmöglichkeiten über die neuen Verkehrs- und Kommunikationsmittel (Eisenbahn, Telegraph) war inzwischen die Zeitung zum dominierenden Medium geworden. Der Zeitungszar William Randolph Hearst (1863–1951) wiegelte durch eine Propagandaaktion seiner Blätter die Bevölkerung der USA zum Krieg gegen Spanien auf. Als Anlaß diente die Explosion eines Schiffes der US-Marine im Hafen von Havanna 1898. In kürzester Zeit besetzten die USA die Insel Kuba, eine der letzten spanischen Kolonien. Mit Ausnahme der Jahre 1902–1917 hatten sie bis 1933 Truppen auf Kuba stationiert und hinterließen ein Marionettenregime von Washingtons Gnaden, dem Fidel Castro Jahrzehnte später ein Ende bereitete.

    In die Jahre vor 1900 fiel der Beginn des Siegeszuges eines Mediums, das sich von gedruckten Texten grundlegend unterschied. Der Film erlebte seine Geburtsstunde zeitgleich in den USA, in Deutschland und in Frankreich. Bezeichnenderweise war bereits der Konflikt mit Spanien 1898 die Geburtsstunde der US-amerikanischen Filmpropaganda.

    Der junge Filmemacher Stuart Blackton (1875–1941), der 1915 den antideutschen Streifen „The Battle Cry of Peace drehte, schuf den Kurzfilm „Tearing Down the Spanish Flag. Dieser Film besteht eigentlich nur aus einer Einstellung, in der zu sehen ist, wie an einem Fahnenmast die spanische Flagge heruntergeholt und dafür „Stars and Stripes" gehißt werden. Doch der symbolische Effekt war ungeheuer, und in den Entwicklungstagen des Kinos konnte selbst eine solch simple Szene Begeisterungsstürme beim US-amerikanischen Publikum entfachen.

    In den folgenden Jahrzehnten entwickelten sich die Filmstudios bei Los Angeles zu einer der profitträchtigsten und wichtigsten Industrien in den USA und wurden unter der Bezeichnung „Hollywood weltbekannt. Mit Absicht wird hier der Begriff „Industrie gewählt, da sogar die im Film tätigen US-Amerikaner selbst Hollywood schlicht als „the industry bezeichnen. Hollywood ist wie alle anderen Industrien primär eine gigantische Wirtschaftsmaschinerie. Es geht um Geld und Profit – jeder andere Aspekt ist zweitrangig. „Als Institution verweigert sich Hollywood jeder politischen oder sozialen Agenda, hat kein anderes Ziel, als Profit zu machen. Oder in der launigen Aussage eines Studiobosses: Die Filmgesellschaften würden mit dem Teufel persönlich einen Film produzieren, wenn es ihnen nur Geld einbringe!

    Selbst wenn sich einige US-Regisseure bei der Gestaltung ihrer Werke manchmal gegen die großen Studios durchsetzen konnten, gibt es einen wichtigen Unterschied zwischen Europa und den USA: in Europa ist der Film, der „Autoren-Film", ein künstlerisches Produkt des Regisseurs, in den USA ist der Regisseur nur das ausführende Organ des Filmstudios. Diese Filmstudios, inzwischen Bestandteil milliardenschwerer Mischkonzerne, gehören bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts zu den großen Unternehmen der USA. Wie alle Konzerne sind sie eng mit der Politik verbandelt oder nehmen sogar Einfluß darauf. Wie alle Unternehmen wollen und müssen sie ihre Produkte verkaufen, wenn sie überleben möchten. So erklärt es sich, daß das Kino die politische Meinung in den USA beeinflussen kann. Diese Einflußnahme ist jedoch nicht total und absolut, wie wir später noch am Beispiel des Vietnamkrieges sehen werden. In gewisser Weise ist Hollywood tatsächlich unpolitisch, denn der Profit rangiert weit vor der Politik. In der überwiegenden Zahl der Fälle aber haben sich Hollywood und Washington in beiderseitigem Interesse gut vertragen, gut zusammengearbeitet und jeweils den eigenen wie den Profit des anderen gesteigert.

    Der eingebildete Feind

    Die amerikanische Filmindustrie hat wesentlich dazu beigetragen, das amerikanische Nationalbewußtsein in den letzten hundert Jahren zu formen. Sie drängte aufgrund ihrer engen Verbundenheit mit der staatlichen Führung auch die staatskritische Haltung der US-Amerikaner zurück, zumindest in außenpolitischen Belangen. Nur in den siebziger Jahren wurden aufgrund der Niederlage in Vietnam zeitweise eine Welle staatskritischer Filme produziert.

    Die Filmindustrie schuf einen Konsens in der historisch jungen Bevölkerung der USA. Solch ein Konsens ist am einfachsten über ein gemeinsames Feindbild herzustellen. Objektiv waren die USA um 1900 kaum bedroht. Sie hatten Mexiko ein großes Stück seines Territoriums weggenommen und waren allein von der Bevölkerungszahl her Mexiko und Kanada, ihren südlichen und nördlichen Nachbarn, weit überlegen – von der Wirtschaftskraft ganz zu schweigen. Der Pazifik im Westen und der Atlantik im Osten schützten zuverlässig vor feindlichen Invasionen.

    Subjektiv dagegen schuf die Filmindustrie ein Gefühl der ständigen Bedrohung der USA, derer sie sich am besten durch eine „Vorneverteidigung erwehren sollte. Bereits im Ersten Weltkrieg wurde eine fiktive Invasion der USA durch deutsche Truppen filmisch dargestellt, nämlich in dem Film „The Battle Cry of Peace. In Wirklichkeit pflügten ab 1917 unzählige amerikanische Truppentransporte durch den Atlantik, um die erschöpften Truppen der Franzosen und Briten an der Westfront zu verstärken – die Invasion fand also in genau entgegengesetzter Richtung statt!

    Die Bedrohungsszenarien erweiterten sich in den folgenden Jahrzehnten um deutsche, japanische und sowjetrussische Spionageringe, die stets die – irreale – Invasion Nordamerikas durch fremde Mächte vorbereiteten. Die Bedrohung durch den Kommunismus wurde dabei oft subtiler inszeniert, da es im Gegensatz zu Deutschland und Japan zwischen der Sowjetunion und den USA nicht zu einem Krieg kam: So standen in den fünfziger Jahren die Invasionen Außerirdischer und die heimliche Übernahme von Geist und Körper der Amerikaner auf dem Programm der Filmstudios.

    Als Inbegriff der Bedrohung gelten für viele Amerikaner der japanische Angriff auf Pearl Harbor 1941 und mittlerweile auch der Terroranschlag auf das World Trade Center 2001. Die Angst, ein massiver Überraschungsangriff könnte die militärischen Kapazitäten der USA und ihr soziales Leben lahmlegen, wird allerdings durch diese zwei außergewöhnlichen Einzelfälle kaum gerechtfertigt. Der Hafen von Pearl Harbor liegt tausende Kilometer vom amerikanischen Festland entfernt, und die in rasanter Aufrüstung begriffene Marine der USA hatte damals die Verluste innerhalb kürzester Zeit überwunden. Das Attentat vom 11. September 2001 war – auch wegen des Überraschungseffekts – eine singuläre Terroraktion, die heute nicht mehr wiederholbar erscheint und die sich vor allem durch die mediale Berichterstattung in die Köpfe der Menschen eingebrannt hat. Dieser einzelne Tag kostete als Ergebnis eines unerwarteten Überraschungscoups mit gekaperten Passagierflugzeugen mehr als 3.000 Menschen das Leben. Das ist etwas ganz anderes als die über fünf Jahre betriebene Vernichtung kontinentaleuropäischer Städte durch angloamerikanische Bomberflotten im Zweiten Weltkrieg; allein die Zahl der zivilen deutschen Luftkriegsopfer wird auf weit über eine halbe Million geschätzt.

    Die einzige wirkliche tiefgreifende Bedrohung für den nordamerikanischen Kontinent bestand allein in der Zeit des Kalten Krieges durch sowjetische Atomraketen. Dieser Gefahr stand ein gleichwertiges Potential der USA gegenüber, beides zusammen konstituierte das „Gleichgewicht des Schreckens und hielt die Supermächte gegenseitig im Zaum. Das Horrorszenario eines nuklearen Weltkrieges war so überwältigend, daß die eigentliche Angst am Ende allein darin bestand, daß dieser Konflikt unbeabsichtigt durch einen Computerfehler ausgelöst werden könnte („War Games – Kriegsspiele/„War Games" 1983).

    Der Zweite Weltkrieg hatte zur Folge, daß sich die schon vorher bestehende Zusammenarbeit zwischen der US-Regierung und Hollywood fest institutionalisierte:

    Der eigentliche Durchbruch für die US-amerikanische Bilderfabrik fällt zusammen mit dem Eintritt der Vereinigten Staaten in den Zweiten Weltkrieg. Die bereits traditionsreiche Kooperation von Staat, Militär und privater Kulturindustrie findet in der Kriegsfilmproduktion zu Strukturen, die ohne Verstaatlichung funktionieren und im Grunde bis heute ihre Effektivität nicht eingebüßt haben.

    Auch nach Ende des Weltkrieges blieb eine enge Verbindung zwischen dem ‚Department of Defense‘ und dem international wichtigsten Bildproduzenten in Hollywood bestehen. Von den geschätzten 5.000 Kriegsfilmen, die zwischen 1945 und 1965 entstanden, wurden um die 1.200 mit Hilfe des Kriegsministeriums produziert.

    In den USA bildete sich nach dem Zweiten Weltkrieg ein militärisch-industrieller Komplex mit politischer Eigendynamik heraus. Dieses Land, das stets stolz darauf gewesen war, eine verhältnismäßig kleine Armee zu unterhalten, wurde zu einer der größten Militärmächte der Welt. Die Begründung dafür war die Bedrohung von außen, und Hollywood war mit dafür verantwortlich, den Amerikanern die Bedrohung plausibel zu machen und sie in Bildern und damit jedem verständlich vor Augen zu führen. Hollywood reproduziert seither visuell die Bedrohungen, welche durch die Regierungen der USA postuliert werden! Die Filmindustrie verpackt diese Bedrohungen geschickt in eine Dramaturgie, die plakativ und zugleich subtil ist. Sie verdeutlicht dem einfachen Publikum die Zusammenhänge, wie sie, von der US-Regierung gewünscht, gesehen werden sollen. Zugleich wird damit der ungeheuer kostspielige Militärapparat gerechtfertigt, den die USA unterhalten.

    Über das Kino wird das Bedürfnis nach Sicherheit tief in der kollektiven Identität der Amerikaner verankert. In Science-Fiction-Filmen ist es in der Regel die US-Armee, welche die ersehnte Rettung vor der Bedrohung durch Außerirdische bringt („Independence Day", 1996), und das Weiße Haus ist jene wohlmeinende und rettende Institution, welche das Militär in Bewegung setzt.

    Weißes Haus und Pentagon können darauf bauen, daß die US-Bevölkerung prinzipiell in den Krieg als Mittel der Außenpolitik vertraut. Nur Vietnam konnte diese Haltung für ein Jahrzehnt erschüttern. Inzwischen erfreut sich das Militär als Hüter der nationalen Sicherheit wieder ungebrochenen Vertrauens, das allerdings durch die Einsätze in Irak und Afghanistan gerade wieder geschwächt ist. Im Unterschied zum festländischen Europa, wo die Verwüstungen der beiden Weltkriege selbst die Siegernationen stark betrafen, können in den USA filmische Inszenierungen des Militärischen bedenkenlos zelebriert und die Faszination für Waffen ausgespielt werden. Krieg ist im europäischen Festland durch die Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges tabuisiert worden und gilt als illegitim, während die USA und Großbritannien sich weiterhin des Krieges als selbstverständliches Mittel der Politik bedienen. Beiden angelsächsischen Mächten ist zu eigen, daß sie in den Weltkriegen relativ geringe Verluste hatten und daß sie die traumatisierenden Erfahrungen von Besatzung, Kollaboration und Vertreibung nicht machen mußten. Diese Belastungen waren selbst den Siegernationen, wie Frankreich und der Sowjetunion, nicht erspart geblieben.

    Es wird von Hollywood nicht nur ein Feindbild vorgegeben, sondern auch ein positives Selbstbild konstruiert. In den Filmen werden soziale Spannungen oder ethnische und religiöse Unterschiede innerhalb der US-Bevölkerung geschickt überspielt. Über das Kino wird der Zusammenhalt und die multiethnische Identität der US-Amerikaner propagiert. In „Independence Day retten zum Beispiel ein Jude und ein Schwarzer die Welt. In vielen anderen dieser Filme wird die Rassendiskriminierung zwar thematisiert, aber als inzwischen ferne Vergangenheit abgehandelt. Die Schwarzen emanzipieren sich in Kriegsfilmen über ihr kämpferisches Engagement für die USA, ihr Vaterland. Inzwischen hat das Kino auch die neue Problematik von Frauen innerhalb der US-Streitkräfte aufgegriffen und diese ebenfalls beschönigend abgehandelt („Die Akte Jane/„G. I. Jane" 1997).

    In vielen Hollywood-Filmen steht der US-Zuschauer auf Augenhöhe mit den höchsten Repräsentanten seines Staates, und die Außenaufnahmen entstehen oft an Originalschauplätzen. Zudem kommen diese Filme dem Anspruch der Amerikaner nach Offenheit und Transparenz ihrer Regierung entgegen. Wenn die Filmhelden des Schriftstellers Tom Clancy sich in den Fluren des Pentagon oder der CIA-Zentrale bewegen, hat auch der Zuschauer den Eindruck, einen tiefen Einblick in das Leben des Militärs und der Geheimdienste zu gewinnen.

    Jeder weiß, daß solche Leinwandprodukte fiktional sind, und dennoch hinterlassen sie den Eindruck, daß sie für die Realität stehen könnten, denn sie vermischen Realität und Fiktion. Ganz konkret wird das, wenn Schauspieler von heute in Bildmaterial von gestern hineinkopiert werden: Tom Hanks begegnet John F. Kennedy in „Forrest Gump (1994), oder Clint Eastwood ist als Leibwächter Kennedys in „In the Line of Fire – Die zweite Chance/„In the Line of Fire" (1993) zu sehen.

    Schulterschluß von Politikern und Schauspielern

    In vielen Jahrzehnten hat sich eine innige Verbundenheit zwischen dem Weißen Haus und Hollywood herausgebildet, der „Hauptstadt der Macht" und der Hauptstadt des Glamours. Das Motiv ist hauptsächlich Geld. Die Filmindustrie ist als Finanzier von Wahlkämpfen mindestens genauso wichtig wie die Öl-Lobby. Dazu kommt das enorme Prestige, das Schauspieler mit ihrem Ruhm einem Senats-, Gouverneurs- oder Präsidentschaftskandidaten verleihen können.¹⁰

    Diese Zusammenarbeit begann während des Ersten Weltkrieges und wurde in den zwanziger Jahren langsam zur Regel. Die Popularität von solchen Filmstars wie Charlie Chaplin wurde 1917/18 erfolgreich eingesetzt, um die Bevölkerung zur Zeichnung von Kriegsanleihen zu animieren, den sogenannten „War bonds oder „Liberty bonds!¹¹

    Präsident Roosevelt begann dann in den dreißiger Jahren damit, die Popularität von Schauspielern geschickt für sich zu inszenieren und lud unter anderem Humphrey Bogart in das Weiße Haus ein. Frank Sinatra warb 1960 für John F. Kennedy, Robert Redford unterstützte den (unterlegenen) Kandidaten Michael Dukakis und Warren Beatty den (unterlegenen) Kandidaten Gary Hart. 1988 zog George Bush sen. mit Chuck Norris und Arnold Schwarzenegger in den (erfolgreichen) Wahlkampf.

    Hinter den Kulissen spielen Produzenten und Funktionäre der großen Filmverbände eine nicht minder wichtige Rolle für die US-Politiker. Lyndon Johnson wurde von Arthur B. Krim (1910–1994) unterstützt, Ronald Reagan von Lew R. Wasserman (1913–2002), Darryl F. Zanuck (1902–1979) beriet den Präsidenten Eisenhower und hatte schon 1944 Präsident Roosevelt bei der Sammlung von Wahlkampfspenden geholfen.

    In Deutschland sind diese Namen weitgehend unbekannt, aber die drei gehörten jahrzehntelang zu den wichtigsten Strippenziehern in Hollywood. Krim war in den fünfziger und sechziger Jahren Vorsitzender der Filmgesellschaft United Artists, Wasserman fusionierte den Musik- und Fernsehkonzern MCA 1958 mit der Filmgesellschaft Universal und blieb dort in führender Position, und Zanuck war über viele Jahre Vizepräsident der Filmgesellschaft 20th Century Fox.

    Für die Politiker ist der Gewinn klar, sie können mit den Schauspielern Emotionen wecken und große Menschenmassen anziehen¹², ihre Ansprachen vor diesen halten und um Spenden bitten. Dieses „Fundraising" ist in den USA eine unentbehrliche Komponente des politischen Lebens. Es gibt keine staatliche Finanzunterstützung der Parteien wie in Deutschland, und die eher lockere Parteistruktur bringt auch keine regelmäßigen Mitgliedsbeiträge ein.

    Traditionell haben Politiker seit der Antike den Rat von Schauspielern gesucht, wenn sie ihre öffentlichen Auftritte und vor allem ihre Redekunst perfektionieren wollten.

    Für die Schauspieler und Produzenten dagegen liegt der Vorteil in einer Aufwertung ihres Selbstbildes: sie

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