3 x Oker bitte: Vergnügliche Familiengeschichte für Insider
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Über dieses E-Book
Fernand, Nandchen und Ferdinand Kunstein waren Bürger der Stadt Oker am Harz.
Genaugenommen handelt es sich um Großvater, Vater und Sohn. Von jedem Einzelnen ist den Okeranern sicherlich ein kleines Stückchen in Erinnerung geblieben. Durch dieses Buch werden die Erinnerungslücken wieder etwas verkleinert, und man wird in frühere (bessere?) Zeiten zurückversetzt.
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Rezensionen für 3 x Oker bitte
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Buchvorschau
3 x Oker bitte - Kunstein, Ferdinand
los!
A
Opa Fernand
1
Der Samstagabendtanz
Nachdem Oma Anna und Opa Fernand sich den ganzen Samstagnachmittag zum Tanz aufgerödelt hatten, mit Baden und so und tollem Abendkleid sowie frisch geputzten Schuhen und Zähnen, war schon fast die Dunkelheit hereingebrochen, als man das Siedlerhaus verließ. Zu damaliger Zeit, es war kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, waren nur wenige Straßen mit schwach leuchtenden Laternen bestückt, die auch noch weit auseinanderstanden.
Auf der Straße Am Breiten Stein angekommen, wurde Opa Fernand plötzlich von einem starken Niesanfall überrascht, so dass er seine Hand nicht mehr rechtzeitig vor den Mund bekam. Im hohen Bogen verließ sein zuvor frisch geputztes Gebiss seinen angestammten Platz, polterte auf den Gehweg und rutschte über die Rinnsteinkante. Natürlich, wie man deutlich hören konnte, genau in den Gully.
Nun war guter Rat teuer. Erstens hatte man die teure Sonntagskleidung an, die nicht beschmutzt werden durfte. Zweitens konnte man sich ja nicht ohne Zähne auf dem Tanzboden sehen lassen. Die Blamage wäre zu groß gewesen. Und drittens, wie sollte in der Zukunft die Esserei vor sich gehen?
Also, es blieb keine Wahl. Das Gebiss, das zuvor frisch geputzte, musste wieder her!
Opa Fernand war ein untersetzter, kräftiger, Zigarillos der Marke Burger Stumpen rauchender Maurerpolier, dem das schwere gusseiserne Gullyabdeckgitter keine Probleme bereiten würde.
Gesagt, getan. Er zog seinen frisch ausgebürsteten Gehrock aus und gab ihn und den brennenden Burger Stumpen seiner Frau Anna zur Aufbewahrung. Unter Gestöhne und Gefluche wuchtete er das schwere Gullygitter aus seiner Verankerung und legte es auf den Gehweg.
Jedoch lag der knietiefe Gullysenkkasten total im Dunkeln. Nichts war zu sehen. So sagte er zu seiner Frau: „Anna, in der rechten, äußeren Tasche des Gehrockes befindet sich ein Päckchen Streichhölzer, gib es mir bitte mal her."
Oma Anna war schon mit dem Gehrock und dem brennenden Zigarillo voll ausgelastet. Sie fischte trotzdem, mit viel Geschick, das Päckchen Zündhölzer aus Opas Gehrock und reichte es ihm.
Opa Fernand zündete nach mehrmaligem Anreißen ein Streichholz an, kauerte sich nieder und leuchtete, so gut es ging, in den Senkkasten. Aber es war nur schemenhaft etwas darin zu erkennen.
Er starrte so intensiv in den Senkkasten hinein, dass er nicht merkte, wie das brennende Zündholz immer kürzer wurde und ihm die Fingerspitzen verbrannte. Fluchend warf er den Zündholzrest fort.
Nachdem er die Fingerspitzen im seinem Mund gekühlt hatte, es war ja jetzt genügend Platz darin, stieg er mit beiden Beinen in den Senkkasten hinein.
Jetzt riss er ein neues Zündholz an und versuchte damit, um seine Beine herum, den Senkkastenboden zu erhellen, was nicht gelang. Da er sich fast wieder die Fingerspitzen angesengt hatte und sein Gebiss immer noch nicht erblicken konnte, überlegte er, was zu tun sei.
„Anna, sagte er zu seiner Frau, „gib mir mal mein Zigarillo. Ich will noch ein paar Züge machen, bevor ich den ganzen Scheiß-Senkkasten hier auseinandernehme!
Oma Anna antwortete: „Fernand, mach hin! Da hinten höre ich Leute kommen. Sie kommen genau in unsere Richtung, was sollen die denn nur von uns denken?"
Also wurschtelte Opa Fernand sich schnell wieder aus dem Senkkasten heraus, was seiner frisch ausgebürsteten Sonntagshose gar nicht gut bekam. Sie war von unten bis an die Knie sehr stark beschmutzt.
Da die Leute in der Zwischenzeit den beiden schon recht nahe gekommen waren, suchte Opa Fernand, so gut es eben ging, Deckung hinter seiner Frau und weil er wegen des fehlenden Gebisses nicht mehr deutlich genug sprechen konnte, hüstelte er leicht vor sich hin. Mit einem freundlichen „Guten Abend, Nachbarn" ging die Nachbarsfamilie, die auch zum Tanz wollte, an den beiden vorbei. So grüßte Oma Anna mit klarer Stimme zurück: „Guten Abend, Nachbarn, na, wollt ihr auch zum Tanz in die Gaststätte Zur Hohen Rast? Dann sehen wir uns bestimmt gleich noch."
Opa Fernand hatte sich jetzt auch noch richtig verschluckt, und aus dem leichten Hüsteln wurde ein handfester Husten, der auch noch zwei bis drei Minuten anhielt.
Danach hatte er eine Idee. Er legte sich vor dem Gully auf den Erdboden, so dass Kopf und Oberkörper sich fast über dem Senkkasten befanden. Dann nahm er gleichzeitig drei Zündhölzer aus dem Päckchen, riss sie an und leuchtete damit den Senkkastenboden aus.
Und im hellen Licht sah er plötzlich ein Gebiss auf dem Senkkastenboden liegen. Blanke Freude durchfuhr ihn und seine verschmutzte Kleidung war für einen Moment vergessen. Bis die Flamme der abgebrannten Zündhölzer wieder seinen lädierten Fingerspitzen sehr nahe kam.
Mit einem erneuten Maurerfluch schleuderte er die brennenden Zündhölzer fort.
Jetzt kroch er mit dem Kopf, den beiden Armen und dem halben Oberkörper in den dunklen Senkkasten und tastete den Untergrund ab.
So vergingen circa drei Minuten, und Oma Anna wurde die Zeit schon etwas lang.
„Fernand rief sie, „hast du denn das Gebiss immer noch nicht gefunden?
„Doch, schon zwei Stück gurgelte Opa Fernand aus dem Senkkasten zurück. „Aber keines passt!
Der geplante Tanzabend wurde sofort abgebrochen und auf den nächsten Samstag verschoben.
2
Konsequenz muss belohnt werden
Opa Fernand war als jüngster Maurerpolier Deutschlands in der Beton- und Monierfabrik beschäftigt, die auf dem Gelände der größten Papierfabrik in Oker angesiedelt war.
Da er nicht zum Wehrdienst eingezogen wurde, nutzte er die Zeit und baute mit Familie, Verwandten, Nachbarn und Arbeitskollegen in der naheliegenden Siedlung ein Zweifamiliensiedlerhaus, das auch bald bezogen werden konnte.
Es war 17 Uhr und Opa Fernand hatte Feierabend. Das bedeutete, dass er das Gelände der Papierfabrik durch den Haupteingang verließ, die Hauptstraße im rechten Winkel überquerte und direkt in die Gaststätte Zum Okerturm eintrat, die er oft erst nach Mitternacht wieder verließ.
Damit dieses heute nicht wieder geschehen sollte, rief Oma Anna ihren circa vierzehn Jahre alten Enkel Klaus kurz vorher zu sich und bat ihn, mal eben schnell zum Werktor der Papierfabrik zu laufen und den Opa wegen einer eiligen Sache direkt nach Hause zu holen.
Klaus lief sofort los und erwischte Opa Fernand noch am Werktor. Dieser stand noch am Pförtnerhäuschen und unterhielt sich mit dem neuen Pförtner. Ganz außer Atem erreichte Klaus den Opa. „Die Oma hat gesagt, hechelte er, „du sollst sofort nach Hause kommen, du müsstest noch etwas ganz Eiliges erledigen!
Opa Fernand verabschiedete sich vom Pförtner und ging mit seinem Enkel nicht, wie sonst immer, direkt in den Okerturm, sondern sie blieben auf dieser Straßenseite und schlugen die Richtung zur Siedlung ein.
Als sie nur noch etwa zwanzig Meter von seinem Haus entfernt waren, stoppte Opa Fernand seinen Schritt sehr abrupt, stemmte die Hände in die Hüften und sagte zu seinem Enkel Klaus, der den Halt seines Opas erst verspätet mitbekommen hatte und ein kleines Stück vor ihm stand: „Klaus, wir sind doch jetzt ganz konsequent von der Arbeit nach Hause gegangen! So viel Konsequenz muss doch belohnt werden, oder?"
Er drehte sich auf der Stelle um und ging den Weg wieder zurück. Im Fortgehen meinte er noch zum Klaus: „Sag doch der Oma bitte, dass ich eben noch mal in den Okerturm muss."
Er ließ einen sehr verdutzten Enkel auf der Straße zurück!
3
Der falsch herum angezogene
Wehrmachtsmantel
Gleich nach dem Krieg sollte im Okertal der Wasserzulauf einer kleinen Fabrik wieder an seine vorherige Stelle verlegt werden. Dazu musste die untere Kanalwand neu erstellt werden. Für diese Arbeit hatte man die achtköpfige Montagegruppe des Beton- und Monierwerks in Oker, mit Opa Fernand als bauleitendem Polier, beauftragt.
Es war ein sehr nasskalter, nebliger Novembertag, und das Kopfsteinpflaster der Okertalstraße war sehr rutschig. Gegen acht Uhr dreißig ging Opa Fernand zu seinem Vorarbeiter und erklärte seinem Stellvertreter, was in der nächsten Zeit zu tun wäre, denn er müsse jetzt mal kurz zurück ins Waldhaus im Okertal. Er müsse seine Medizin jetzt einnehmen, habe jedoch keinen Tee zum Runterspülen der Pillen dabei. Sprachs und ging zum Fuhrpark der Firma, wo er sich von einem Fahrer ins Waldhaus bringen ließ, den er aber sofort wieder auf die Baustelle zurückschickte.
Etwa zur gleichen Zeit wollte sich der Forstarbeiter Herbert Waal mit seinem Motorrad, einer zweihunderter Horex, auf den Weg zu seiner Arbeitsstelle im Forst von Gemkental im Harz machen. Dort musste noch sehr viel Nutzholz geschlagen werden, denn die Okertalsperre sollte bald gebaut werden und dann stand das ganze noch brauchbare Holz unter Wasser.
Da es vor kurzer Zeit auch noch angefangen hatte zu regnen, setzte sich Herbert Waal seinen Filzhut auf und klemmte ihn mit der Motorradbrille fest. Dann ließ er sich von seiner Ehefrau Berta in seinen alten Wehrmachtsmantel helfen, den sie auf seinem Rücken zuknöpfen musste, weil es ihm auf dem Motorrad sonst ständig durch die Knopfleiste zog.
Als er im Okertal hinauffuhr, überholte er Opa Fernand, der sich gerade vom Wirt des Waldhauses in dessen neuem Auto auf die Baustelle zurückbringen ließ.
„Du, Wilhelm, guck mal, sagte Opa Fernand
, ist das da nicht der Herbert Waal, der ist aber heute spät dran. Und außerdem sitzt er auch noch falsch herum auf seinem Motorrad drauf." Wilhelm und Fernand lachten noch, bis Herbert Waal vor ihnen in einer Kurve verschwand.
Als Wilhelm und Fernand an der Baustelle ankamen, war die Belegschaft in helle Aufregung versetzt. Ziellos liefen die Bauarbeiter laut rufend durcheinander. Einige standen unruhig um etwas auf dem Boden Liegendes herum und gestikulierten wild mit den Armen.
Opa Fernand ging zu seinem Stellvertreter und ließ sich kurz von ihm erklären, was denn passiert sei. Es war ein Motorradfahrer mit einem Motorrad von der Talstraße kommend den Hang heruntergerutscht und direkt vor der Baustelle liegengeblieben.
Der Mann sei bewusstlos und atme nicht mehr.
Fernand übernahm sofort wieder das Kommando. „Vier Mann und eine Schaltafel zum Motorradfahrer", rief er, während er selbst zum Verletzten ging, den er sofort als Herbert Waal erkannte.
Dieser wurde von den vier Bauarbeitern ganz vorsichtig, mit dem Bauch nach oben, auf die Schaltafel gelegt und mit dieser vorsichtig in die Baubude getragen und mittig auf dem aus Brettern zusammengenagelten Tisch abgelegt.
Seinen Freund Wilhelm bat Opa Fernand noch, zu sich ins Waldhaus zurückzufahren, denn dort gab es ein Telefon, und die Polizei sowie den Krankenwagen und den Notarzt zu alarmieren.
In der Zwischenzeit hatte ein anderer Bauarbeiter in zwei leeren Bierflaschen schon etwas eisig kaltes Wasser aus der Oker geholt. Sein überdimensionales, großkariertes Taschentuch wurde ordentlich mit Okerwasser getränkt und dem Bewusstlosen ins Gesicht, auf die Stirn und an den Hals getippt. Doch es erfolgte keine Reaktion, so das der Vorgang einige Male wiederholt werden musste, bis die beiden Bierflaschen leer waren.
Opa Fernand wurde langsam unruhig, nahm eine volle Bierflasche, öffnete den Schnappverschluss und hielt sie dem Bewusstlosen unter die Nase. Ein tiefer, langgezogener Seufzer entrang sich seiner Brust und unter flackernden Augenlidern öffnete er langsam seine Augen. „Wie komme ich denn hierher?", fragte er mit brüchiger und teilweise noch aussetzender Stimme.
„Du hattest einen