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Ich erfinde mich jeden Tag neu: Meine Lebenswege aufgezeichnet von Achim Schneyder
Ich erfinde mich jeden Tag neu: Meine Lebenswege aufgezeichnet von Achim Schneyder
Ich erfinde mich jeden Tag neu: Meine Lebenswege aufgezeichnet von Achim Schneyder
eBook332 Seiten3 Stunden

Ich erfinde mich jeden Tag neu: Meine Lebenswege aufgezeichnet von Achim Schneyder

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Über dieses E-Book

"Jetzt breche ich aus": Der Opernweltstar ganz persönlich

Angelika Kirchschlager, weltbekannte Mezzosopranistin aus Salzburg, beschreitet neue Wege, sie erfindet sich neu. Sie probiert, sie riskiert, sie öffnet sich. Und sie öffnet sich in Buchform. Ungemein persönlich erzählt sie von ihren Erlebnissen vor und hinter den Kulissen: von Triumphen und Tragödien, von Dirigenten und Direktoren, von Bühnen- und von Lebenspartnern, von Liederreisen durch die Provinz und von Konzerten für den Papst, vom Heute und vom Morgen. Und sie blickt zurück zu den Anfängen, zurück zum Heurigen in Wien, wo sie in Studienzeiten in der Nacht die Stimme erhob, zurück aber auch in dunkle Jugendzeiten, als ihre Fingernägel schwarz lackiert waren und Protest Programm. Von Träumen und Tränen, von Ängsten und ihrer Befreiung. So ist ein außergewöhnlich intimes und an Anekdoten reiches Buch entstanden, das die große Opernsängerin so zeigt, wie sie bis dato kaum jemand kennt.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum18. Nov. 2013
ISBN9783902862709
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    Buchvorschau

    Ich erfinde mich jeden Tag neu - Angelika Kirchschlager

    Diese Frau ist Melodie

    Es war Liebe auf den ersten Blick! Als ich Angelika zum ersten Mal gegenüberstand, wusste ich, dass wir Freunde sein werden. Alles an ihr verzauberte mich. Ihre Lebendigkeit, ihre Offenheit, ihr ansteckendes Lachen – da saß mir ein Weltstar gegenüber, eine Diva, die so gar nicht prätentiös war, so gar nicht divenhaft, so stinknormal, dass es uns allen den Atem verschlug. Wir, das waren meine Freunde des »Spring String Quartetts« und mein musikalischer Wegbegleiter Jo Barnikel. Julian, der Bratschist des Quartetts, flüsterte uns vor der Begegnung noch zu: »Ihr wisst schon, dass wir jetzt eine Göttin treffen.« Und dementsprechend nervös waren wir natürlich. Wir alle. Jo bat sie später, schüchtern wie ich ihn noch nie erlebt hatte, um eine Signatur auf ein paar CDs, die er mitgebracht hatte. Und ich war erst mal sprachlos.

    Dann quatschten wir aber schon nach ein paar Minuten wie alte Freunde, und zu meiner großen Freude outete sich Angelika als Weckerfan. Wir musizierten an diesem ersten Abend im Restaurant »Holy Moly« auf dem Badeschiff in Wien, wir tranken, wir lachten viel, und wir wussten wieder einmal, was für ein großes Glück es ist, ein Musikant zu sein.

    Ja, auch Angelika ist in erster Linie Musikantin. Ein Musikant ist für mich jemand, der nicht Musik macht, sondern Musik lebt, der keine Melodien schreibt oder spielt oder singt, sondern Melodie ist. Die Seele des Musikanten besteht aus Tönen.

    An diesem verzauberten Abend sagte ich den Satz zu Angelika, den man unter Kollegen so oft sagt, ohne ernsthaft daran zu denken, ihn in die Tat umzusetzen: »Lass uns doch mal was zusammen machen.«

    Es sollte in diesem Fall anders kommen. Wir dachten daran, diesen flüchtigen Vorsatz wieder einzufangen und ihn zu verwirklichen.

    Dann trafen wir uns, Monate später, alle wieder. In der Toskana. Wir wollten herausfinden, wie wir musikalisch zusammenpassen. Ob wir ein gemeinsames Programm auf die Beine stellen können, bei dem sich keiner verbiegen muss.

    Ich kannte ihre Stimme, natürlich, ich hatte CDs von ihr zu Hause, ich wusste um ihren warmen, weichen Ton, ihre einzigartige Fähigkeit, Lieder zu interpretieren, Texte verständlich zu machen.

    Aber dann sang sie nach ein paar Tagen des gemeinsamen Geplänkels, des Andeutens, des Sich-warm-Singens, dann sang sie die »Mondnacht«. Vielleicht eines der schönsten Lieder deutscher Sprache, das jemals geschrieben wurde, und ich musste weinen. Mir liefen dicke Tränen über die Wangen, denn diese Stimme nur zwei Meter entfernt in einem nicht sehr geräumigen Zimmer mitten in einem Olivenhain zu erleben, ist einfach nur ein Geschenk.

    Julian hatte recht. Sie ist eine Göttin.

    Und nun schreibt einer meiner besten Freunde auch noch ein Buch über sie und darf viele Tage mit ihr zusammen sein. Was ich ihm und ihr von Herzen gönne.

    Manchmal meint es das Leben schon sehr, sehr gut mit uns.

    Konstantin Wecker

    Eine Fahrt ins Blaue

    Das Buch, das Sie in Händen halten und offenbar gerade zu lesen beginnen, ist also meine Autobiografie. Und dass ich eine solche schreiben würde, hätte ich noch vor wenigen Monaten nicht gedacht. Aber ich war eben schon immer ein Spielball meines Lebens, einer, der sich mitunter gern treiben ließ und – aus Überzeugung – noch immer gerne treiben lässt. Natürlich hatte und habe ich Ziele. Große Ziele, kleine Ziele, realistische und dann und wann abwegige. Aber manche Ziele stehen plötzlich vor einem, ohne dass man zuvor von ihnen weiß.

    Man erreicht ein Ziel nicht, ein Ziel erreicht einen.

    So ist auch dieses Buch zu mir gekommen, nicht ich zu ihm. Achim Schneyder hatte die Idee, dem Verlag hat sie gefallen, und mich brauchte Achim dann nicht mehr lange zu überreden.

    Dass im Wort »Autobiografie« übrigens ausgerechnet das Wort »Auto« steckt, hat Charme. Insofern, als Sie sich mit der eingefleischten Cabriofahrerin Angelika Kirchschlager auf eine Reise begeben. Auf eine Reise durch mein Leben mit freier Sicht auf einen Himmel, von dem häufig die Sonne strahlt, der mitunter aber auch verhangen ist mit dunklen Wolken. Und es ist eine Reise, die nicht von A nach B führt. Jedenfalls nicht auf direktem Weg.

    Im Grunde ist es eine Fahrt ins Blaue. Über Landstraßen und Autobahnen, in Sackgassen, über Brücken, oft auf der Überholspur und hin und wieder auch gegen die Einbahn. Bisweilen auch gegen die Wand. Umwege sind ganz bewusst gewählt, und mitunter verfahre ich mich. Da schweife ich ab, da greife ich vor, vereinzelt viele Jahre, um schließlich wieder umzudrehen und abermals einen anderen Weg zu wählen. Aber schließlich führen alle Wege zu mir.

    In diesem Sinn wünsche ich eine vergnügliche Reise.

    Angelika Kirchschlager im Sommer 2013

    PS: Ich gehe übrigens kaum in die Oper. In erster Linie dann, wenn ich arbeiten muss. Doch dazu später.

    Die Zeit in Salzburg

    Der richtige Moment

    und andere Gedanken

    Ich hatte glatte Haare. Ja, wirklich, als kleines Kind hatte ich nahezu ganz glatte Haare. Später dann, als ich in die Schule kam, bildeten sich die ersten kräftigeren Wellen, und in der Pubertät sind meine Haare schließlich regelrecht explodiert. Und ich würde lügen, wenn ich sagte, ich hätte meinen Lockenkopf nicht zu bändigen versucht. Über Jahre, über Jahrzehnte in Wahrheit, habe ich nahezu alles ausprobiert, diesem wilden Treiben auf meinem Haupt ein Ende zu setzen. Heute jedoch lasse ich meiner Mähne mehr oder weniger freien Lauf, heute lasse ich ihr ihren Willen. Und es ist tatsächlich nicht sehr lange her, dass ich mich endgültig zu diesem Schritt durchringen konnte.

    Es war ein Akt der Befreiung. Nicht der einzige in der jüngsten Vergangenheit, denn ich verändere mich seit ein paar Jahren zunehmend auch künstlerisch. Und ich verändere mich zunehmend als Mensch.

    Insofern ist nach meinem Gefühl gerade derzeit der richtige Moment, all das niederzuschreiben, was bisher geschah. Was mich bewegt und geprägt hat im Positiven wie im Negativen. Weil ich ausmiste in der jetzigen Phase meines Lebens, und im Ausmisten bin ich ein wahrer Meister. Ich kann mich ganz ohne Wehmut von Dingen trennen. Ich kann mich von einem endlos oft getragenen und geliebten und mit Geschichten bekleckerten Kleid in aller Freundschaft verabschieden, ich kann akzeptieren, wenn etwas vorbei ist, wenn etwas seine Zeit und meist auch seine Berechtigung hatte.

    Und das gilt auch für Lebensabschnitte. Ich kann Regale ausräumen, weil ich zu wissen glaube und spüre, dass sie sich sogleich wieder füllen werden mit Menschen und Materien, die in mein Jetzt passen. Und bevor ich neugierig aufbreche zu neuen Ufern, weil ich nicht müde werden will, meinen Horizont zu erweitern, werde ich von alten Stränden erzählen.

    Aber nicht sofort. Denn auch wenn die ersten Kapitel dieses Buches unter dem Sammeltitel »Die Zeit in Salzburg« vor Ihnen liegen, möchte ich an dieser Stelle bereits ein erstes Mal abschweifen und vorgreifen und eingangs ein wenig vom Heute und nicht vom Gestern erzählen. Vom heißen Sommer 2013, in dem ich mich an bald schon 48 Jahre meines Lebens erinnere und diese Erinnerungen notiere. Ich erzähle vom Status quo.

    47 Jahre und ein paar Monate. Das ist ein Alter, mit dem ich kein Problem habe. Ganz im Gegenteil. Ich habe das Gefühl, im besten Alter zu sein und würde auch keine Sekunde meiner gesammelten Erfahrungen tauschen wollen gegen eine körperliche und vermeintlich Glück verheißende Jugend. Natürlich wäre es optimal, steckte ich mit meinem Schatz an Erkenntnissen und sogenannten Weisheiten im Körper einer 30- oder 35-Jährigen, aber würde das auch zusammenpassen? Würde das stimmen? Ich denke nicht. Außerdem verheißen auch meine bald 48 Jahre Glück.

    Und weil ich erwähnte, ich sei im besten Alter, so trifft das auch auf meinen Beruf, auf das Singen zu. Meine Stimme ist in den vergangenen drei, vier Jahren auf- und mehr und mehr aus sich herausgegangen. Und zwar deshalb, weil ich seit einiger Zeit mit größter Konsequenz nur noch das singe, was mir als Mensch guttut, weil ich nur noch das singe, womit ich mich wohlfühle, was ich vor mir verantworten kann und womit ich mit mir im Reinen bin.

    Mein Geist ist entspannt, meine Stimme dankt es ihm. Sie muss, wie der Mensch Angelika Kirchschlager ebenfalls, nichts mehr sein, was sie vielleicht nicht immer sein wollte. Meine Stimme ist mein Stimmungsbarometer, und so gut es ihr momentan geht, so gut geht es mir. Und umgekehrt.

    Früher habe ich so manches in meinem Beruf mit Kraft kompensiert. Heute natürlich auch noch mitunter, aber heute kommt das Wissen um mein gelebtes Leben hinzu, und diese Erfahrungen machen es um ein Vielfaches leichter.

    Natürlich wird es dereinst so sein, dass ich noch mehr gelebt und erlebt haben werde und gleichzeitig die Kraft für das Singen sukzessive weniger wird. Stimme, Klang und Körper verändern sich – ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr unbedingt zum Vorteil. Aber auch damit werde ich mich nicht nur anfreunden müssen, ich werde mich damit anfreunden können. Ich werde mich ganz allgemein mit allen scheinbar unerfreulichen Zuständen zu arrangieren versuchen und werde sie akzeptieren, weil mit jedem Tag, den ich lebe, mein Leben reicher wird. Noch reicher. Selbst wenn man körperlich nicht mehr ganz so auf der Höhe ist, heißt das hoffentlich noch lange nicht, dass die Lebenslust verloren geht. Vielleicht braucht man beim Heurigen dereinst ein weiches Kissen, damit man nicht ganz so hart sitzt, aber immerhin sitzt man noch beim Heurigen. Es ist einfach so, dass die Dinge, die mir wichtig sind, nur wenig mit dem Alter zu tun haben. In zehn Jahren bin ich 57. Und auch das wird nur eine Zahl sein und, da bin ich zuversichtlich und klopfe auf Holz, kein bedauernswerter Zustand.

    Ich bin zufrieden mit mir und finde es schmeichelhaft, wenn Menschen mir Komplimente machen. Auch wenn ich gerade beginne, mich von gängigen Schönheitsidealen zu befreien. Wenn ich einmal das eine oder andere Kilo zu viel habe, dann habe ich eben das eine oder andere Kilo zu viel. Wird schon wieder weggehen, denke und sage ich mir, kein Grund, hysterisch zu werden. Und meine Falten erzählen Geschichten, die ich nicht leugnen will. Wobei die meisten Falten ohnehin Lachfalten sind.

    Und noch etwas ist passiert mit mir in den vergangenen Jahren: Ich habe gelernt, mein Licht nicht mehr unter den Scheffel zu stellen. Auch das war ein Akt der Befreiung, dieses Eingeständnis, irgendetwas möglicherweise doch besser zu können als andere. Heute spreche ich das auch voller Überzeugung aus, aber ich musste es mir tatsächlich erst Schritt für Schritt aneignen, statt hauptsächlich von meinen weniger guten auch von meinen guten Eigenschaften sprechen zu können. Und seit ich es kann, und zwar ohne überheblich oder hochmütig zu sein, habe ich an Stärke gewonnen. Seit ich es kann, bin ich aber auch wählerischer geworden. Nicht zuletzt was die Menschen betrifft, mit denen ich mich umgebe und näher auseinandersetze.

    Ich bin süchtig nach Menschen. Süchtig danach, immer neue kennenzulernen. In allen Variationen. Ich tendiere dabei zu solchen, die – nennen wir es so – eine Herausforderung darstellen. Das liegt, und ein bisschen glaube ich daran, an meinem Sternzeichen. Ich bin Schütze. Und ich bin dabei tolerant in einem Ausmaß, das manchmal schon an Einfalt grenzt. Meine Philosophie ist es aber, mich zu öffnen und von jedem vorweg nur das Beste anzunehmen. Je mehr ich selbst erlebe, umso weniger möchte ich über andere urteilen. Ich bemerke immer wieder, dass Menschen ehrliche, positive Erwartungen wirklich gerne erfüllen und dabei selbst viel glücklicher werden. Das funktioniert an der Kassa im Supermarkt genauso wie in den Büros der Intendanten. Und mit jedem Menschen, der mir begegnet, werden andere Eigenschaften ans Tageslicht gebracht. Das gilt für Stärken und Schwächen gleichermaßen.

    Mitunter aber muss ich regelrecht »zumachen«, um mich nicht zu sehr in Fremden zu verlieren. Ich sehe sie, ich sehe sie in der U-Bahn oder auf der Straße, im Gasthaus oder an der Tankstelle und durchlebe ihre Leben und ihr Dasein in meiner Fantasie. In Paris in der Metro ist es mir einmal passiert, dass ich es fast nicht mehr ausgehalten habe, all diese Massen, all diese Schicksale, also habe ich den Blick zu Boden gesenkt – quasi aus Selbstschutz – und auf eine einfache Schraube im Boden gestarrt.

    Minuten später habe ich mich allerdings dabei ertappt, dass ich völlig versunken war in diese Schraube, dass ich mich gefragt habe, wann sie wohl hineingedreht wurde, wie viele Menschen schon auf sie draufgetreten sind, wie lange sie wohl noch halten wird und wie der Mensch ausgesehen haben mag, der sie eingesetzt hat. Und prompt habe ich die Station, bei der ich hätte raus müssen, verpasst.

    Die Salzburger Journalistin Caroline Kleibel hat mich vor einigen Jahren zu einem Gespräch gebeten, an das ich mich sehr gerne erinnere und dem schließlich sogar ein kleines Büchlein entsprang. Was damals an Gedanken und Überlegungen zu ausgewählten Stichworten aus mir herausgesprudelt ist, möchte ich an dieser Stelle noch einmal sinngemäß wiedergeben, weil es viel über mich und meine Einstellungen sagt. Und weil es in weiterer Folge vielleicht so manches verständlicher oder nachvollziehbarer macht, was ich in diesem Buch von mir und von meinem Leben erzählen werde.

    Ehrlichkeit. Ich glaube, wenn wir auf unser Innerstes hören und ganz ehrlich zu uns sind, können wir spüren, was gut für uns ist. Das zu erkennen ist schon schwierig genug, aber die Umsetzung scheint dann oft völlig unmöglich. Aus Angst vor den Konsequenzen. Vielleicht geht es darum, im Wesentlichen zu erkennen, was du tun musst, um bei dir selbst zu bleiben und nicht vor dir selbst zurückzuschrecken. Das ist bereits ein sehr großer Schritt, der viele Lösungen nach sich zieht.

    Verantwortung. Manche Menschen schaffen es ihr Leben lang nicht, ihrem eigenen Wesen zu folgen. Je mehr Freiheit man für sich in Anspruch nimmt, umso größere Verantwortung trägt man. Ich will frei sein und trage dafür eine hohe Verantwortung. Das ist nicht leicht, aber ich bin so und kann anders nicht leben. Freiheit und Verantwortung sind ein Paar, das man nicht trennen darf.

    Bühne und Leben. Die Rollen, die ich vor allem in der Oper verkörpere, verändern sich mit dem Leben. Sie sind Spiegel für alles. Wenn ich offen bin für die Persönlichkeit, die der Regisseur meiner Rolle zudenkt, habe ich die Chance, auch neue Seiten an mir kennenzulernen. Das ist spannend. Auf der Bühne wie im Leben.

    Selbstbewusstsein. Der Weg zu sich bedeutet harte Arbeit. Sowohl im Kopf als auch im Herzen. Und man erleidet immer wieder Rückschläge. Es ist notwendig, sich unabhängig zu machen, Dinge und Menschen hinter sich zu lassen, sich abzunabeln. Das ist nicht einfach. Einfacher ist es meist, allem zuzustimmen, anstatt etwas abzulehnen. Aber Nein sagen muss gelernt sein.

    Überwindung. Manche Bühnenrollen sind eine ungeheure Herausforderung, fast wie eine Therapie. Es sind Dinge zu tun, die einen nicht schöner oder besser erscheinen lassen, sondern die Abgründe aufzeigen – Verzweiflung, Lüge, Wut, Erniedrigung. So etwas darzustellen kann sehr unangenehm sein. Man will es nicht fühlen und auch nicht zeigen. Die Überwindung dieser inneren Grenzen hat mich sehr verändert. Und vielleicht ist gerade das ein Geschenk des Lebens, wenn es sich verdichtet und dich in eine Situation bringt, in der du dich entscheiden musst »zu springen«.

    Gegen den Strom. Du kannst gegen viele Strömungen ankämpfen, aber dem großen Strom des Lebens kannst du ohne Verletzungen nicht entkommen. Es ist spannend zu sehen, wohin er einen trägt. Das Ruder heißt Verantwortung, für sich und für andere. Auch wenn wir all unsere Kraft aufwenden, werden wir im Kampf gegen die Strömung nicht einen einzigen Zentimeter gewinnen. Eigentlich kann man nur erschöpft untergehen. Wenn du dich aber der Strömung ergibst und deine Energie dorthin wendest, kannst du unglaublich weite Strecken zurücklegen. Auch wenn du diese Richtung nie erhofft oder erwartet hast.

    Gelassenheit. Es ist ein schmaler Grat zwischen Gleichgültigkeit und Gelassenheit. Gelassenheit zu besitzen ist ein großes Geschenk, das Freiheit und Ruhe bringen kann. Vielleicht kommt die Gelassenheit gerade mit der Freiheit.

    Lampenfieber. Übertriebenes Lampenfieber resultiert aus Eitelkeit und aus der Angst, Vorstellungen anderer eventuell nicht zu entsprechen. Seit ich zu mir stehe, so wie ich bin, und nicht mehr gefallen muss, habe ich keine Angst mehr. So wie im Leben.

    Kunst. Kunst ist nie dafür da, einfach nur schön zu sein. Kunst zu verstehen bedeutet Konfrontation. Kunst ist, wenn sie entsteht, ihrer Zeit meist voraus, sie hat viele Gesichter und ist nie gefällig. Und Kunst und Publikum sind wie Sender und Empfänger. Sie bedürfen einander und beide tragen eine große Verantwortung.

    Allein. Alleinsein ist wunderbar, wenn man nicht einsam ist. Allein in der U-Bahn in Tokio, allein in der hintersten Ecke einer Bar in New York. Es ist leicht, fortzugehen, im Wissen darum, wo du hingehörst. Es ist schön, allein zu sein, im Wissen darum, dass es Menschen gibt, die immer für dich da sind.

    Zu zweit. Fast alle Menschen streben danach, zu zweit zu sein. Und glücklich. Das hält unser Leben ordentlich in Schwung. Echte Partnerschaft kann für mich aber nur dann stattfinden, wenn sie freiwillig und ohne Abhängigkeit geschieht.

    Zeit für dich. Die Zeit ist ein sonderbares Ding. Die Zeit heilt Wunden, heißt es. Auf die Zeit kannst du vertrauen. Ich habe oft auf die Zeit vertraut, wenn ich nicht

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