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Libertalia: Die utopische Piratenrepublik
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eBook275 Seiten6 Stunden

Libertalia: Die utopische Piratenrepublik

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Über dieses E-Book

Jeder kennt die Welt der Piraten als abenteuerliches Universum aus Holzbein, Säbelkampf und Totenkopfflagge. Doch nur wenige wissen, dass viele Seeräuber ihre Beute teilten, demokratische Versammlungen abhielten und Frauen und entlaufene Sklaven aufnahmen. Die fortschrittlichen Gemeinschaften der Freibeuter spiegeln sich auch in Daniel Defoes 1728 erschienenem Bericht über die Piratenrepublik Libertalia wider, die hier zum ersten Mal auf Deutsch erscheint. Defoe schildert die Geschichte des abenteuerlustigen Edelmanns Mission und des desillusionierten Priesters Caraccioli, die auf Madagaskar eine auf Toleranz, gerechter Verteilung von Besitz und radikaler Demokratie beruhende Piratenbruderschaft gründen, um Sklaven aus der Gefangenschaft zu befreien. Während die Republik in Defoes Geschichte schließlich niedergeschlagen wird, lebt Libertalia als herrschaftsfreie Utopie bis heute weiter. Ergänzt um historische Piratensatzungen und Reiseberichte erläutert ein ausführlicher Kommentar die politischen Ideen der Piraten.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum1. Jan. 2015
ISBN9783957571144
Libertalia: Die utopische Piratenrepublik
Autor

Daniel Defoe

Daniel Defoe was born at the beginning of a period of history known as the English Restoration, so-named because it was when King Charles II restored the monarchy to England following the English Civil War and the brief dictatorship of Oliver Cromwell. Defoe’s contemporaries included Isaac Newton and Samuel Pepys.

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    Buchvorschau

    Libertalia - Daniel Defoe

    Libertalia

    Daniel Defoe

    LIBERTALIA

    D I EU T O P I S C H EP I R A T E N R E P U B L I K

    aus der Allgemeinen Geschichte der Piraten

    zusammen mit den Piratensatzungen

    der Kapitäne Roberts, Lowther und Phillips

    in deutscher Erstausgabe

    sowie Die Beschreibung der Regierung,

    Gewohnheiten und Lebensart der Seeräuber

    auf Madagaskar von JACOB DE BUCQOUY

    Übersetzt von

    David Meienreis und Arne Braun

    Herausgegeben und eingeleitet

    von Helge Meves

    Inhalt

    Texte über Libertalia

    Daniel Defoe. Eine Allgemeine Geschichte der Piraten

    Jacob de Bucquoy. Sechzehnjährige Reise nach Indien

    Kommentar und Anmerkungen zu Libertalia

    Nachwort: Wege nach Libertalia

    Eine Insel im tosenden Meer

    Träume vom Nirgendwo und Spuren einer besseren Welt

    Freiheit und Gleichheit Erzählen

    Zu den Quellen Libertalias, zu Übersetzung und Rezeptionsgeschichte

    Eine anonyme Legende

    Libertalias gleißendes Licht. Zur Rezeptionsgeschichte

    Wegweiser zu neueren Debatten

    Erläuterungen zu den Texten und Nachweise zum Kommentar

    Auswahlbibliografie zu Libertalia

    Texte über

    L I B E R T A L I A

    Eine allgemeine

    Geschichte der

    PIRATEN

    M I T

    den beachtlichen Taten und Abenteuern

    des Kapitäns Misson und des Kapitäns Tew

    nach der Ausgabe A General History of the Pyrates

    von Manuel Schonhorn, Dover Publications Inc.,

    Mineapolis / New York, 1972, 2nd edition, 1999

    DANIEL DEFOE

    übersetzt von David Meienreis

    KAPITEL 1

    Über Kapitän Misson

    Wir können das Leben dieses Edelmanns mit einiger Ausführlichkeit beschreiben, denn durch großen Zufall haben wir das Glück, in unseren Händen ein französisches Manuskript zu halten, in dem er selbst seine Handlungen in reichem Detail schildert. Er wurde in der Provence als Sohn einer altehrwürdigen Familie geboren; sein Vater, dessen wahren Namen er nicht preisgibt, verfügte über ein beträchtliches Vermögen. Da er aber viele Kinder hatte, konnte unser Streuner nur auf die Reichtümer hoffen, die er sich selbst mit seinem Schwerte zu erobern vermochte. Seine Eltern sorgten dafür, dass er eine seinem Stande gemäße Ausbildung erhielt. Nachdem er sich in den Fächern des Geistes und der Logik bewährt hatte und weidlich in der Mathematik bewandert war, schickten sie ihn im Alter von 15 Jahren auf die Universität zu Angers, wo er ein Jahr lang dem Studium nachging. Im Anschluss an seine Heimkehr sah sein Vater ihn schon bei den Musketieren mittun, aber ihn zog es in die Ferne. Tief beeindruckt von den Erzählungen, die er in Reiseberichten gelesen hatte, wählte er ein Leben zur See, das ihm reiche Abwechslung und Gelegenheit bieten sollte, seine Neugierde auf ferne Länder zu stillen. Als diese Entscheidung gefallen war, schickte sein Vater ihn mit einem Empfehlungsschreiben und allem, was er brauchte, als Volontär an Bord der Victoire, die unter dem Kommando seines Verwandten Monsieur Fourbin stand. Der Empfang an Bord durch den Kapitän verlief mit dem denkbar größten Respekt. Das Schiff lag in Marseille und sollte auf Missons Ankunft hin in See stoßen. Nichts hätte den Wünschen unseres Volontärs besser entsprechen können als diese Kreuzfahrt, auf der er die bekanntesten Häfen des Mittelmeers kennenlernte und Einsicht in die praktischen Aspekte der Navigation erlangen konnte. Er gewann dieses Leben lieb und war entschlossen, ein vollwertiger Seemann zu werden, weshalb er immer unter den Ersten auf der Rahe anzutreffen war, wenn die Segel gehisst oder eingeholt werden mussten, und er lernte begierig die verschiedenen Methoden, ein Schiff zu manövrieren. Er sprach von nichts anderem und besuchte den Bootsmann und den Schiffszimmermann oft in ihren Kajüten, um sich erklären zu lassen, aus welchen Teilen der Schiffsrumpf bestehe und wie man ein Schiff auftakele, und dafür entlohnte er sie großzügig. Und obwohl er einen Großteil seiner Zeit mit diesen beiden Offizieren verbrachte, benahm er sich mit solcher Zurückhaltung, dass sie nie versuchten, mit ihm vertraulich zu werden, sondern ihm stets den Respekt zollten, der seiner Familie gebührte. Als das Schiff in Neapel vor Anker lag, erhielt er von seinem Kapitän Erlaubnis, nach Rom zu fahren, das er unbedingt besuchen wollte. Auf diesen Zeitpunkt können wir den Beginn seines Unglücks festlegen. Denn dort wurde er des ausschweifenden Lebens des Klerus (das sich so deutlich von der Strenge der französischen Ecclesiasten unterscheidet) ansichtig, des Luxus des päpstlichen Hofes und des Umstands, dass sich in der Metropole der christlichen Kirche lediglich die Hülle der Religion finden ließ. Er schloss für sich, dass die Religion nichts als eine Fessel für den Geist der Schwachen sei, der sich die Klugen nur dem Schein nach unterwerfen.

    Diese Ansichten, die von der Religion wie von ihm selbst ein unvorteilhaftes Bild zeichnen, wurden noch stark gefestigt, als er mit einem durchtriebenen Priester Bekanntschaft machte, der bei seiner Ankunft durch reinen Zufall als sein Beichtvater zu ihm stieß und später seine rechte Hand und sein Gefährte werden sollte, denn er blieb bis zu seinem Tod an seiner Seite. Eines Tages, als die Gelegenheit sich bot, legte er Misson dar, dass das religiöse Leben ein sehr gutes sei, wenn ein Mann über einen gewitzten Unternehmergeist und Freunde verfügte. Denn ein solcher könne in der Kirche binnen kurzer Zeit zu einem hohen Rang aufsteigen, wie ihn alle, die sich freiwillig die Priesterrobe überstreiften, einzig und allein anstrebten. Der Kirchenstaat werde ferner nach denselben Prinzipien geführt wie die weltlichen Freistädte und Königtümer; und belohnt werde einzig, was Vorteil bringe, nicht etwa, was fromm oder tugendhaft sei. Ein gelehrter oder frommer Mann könne sich im Patrimonium des Heiligen Petrus nicht mehr Hoffnungen machen als in jedweder anderen Monarchie, ja eigentlich weniger. Und wenn er als solcher bekannt sei, würde er als Visionär gebrandmarkt, der zu Ämtern nicht geeignet sei, als einer, dessen moralische Vorbehalte sich als hinderlich erweisen könnten, denn der Ausspruch sei wahr, dass Religion und Politik nicht unter demselben Dach hausen können. Was unsere Würdenträger angeht, glaube nicht, dass ihre purpurnen Gewänder sie zu weniger gerissenen Staatsmännern machen als die jeder anderen Nation; sie kennen und verfolgen die ragion di stato (was so viel heißt wie Eigennutz) mit ebenso viel List und so wenig Gewissen wie jeder beliebige Weltliche und sind ebenso kunstfertig, wo es Kunst braucht, und ebenso unverschämt und dreist in der Unterdrückung der Menschen und der Bereicherung ihrer Familien, sobald ihre Macht es ihnen erlaubt. Was ihre Moral ist, liest du am besten an den Gewohnheiten ihres Lebens ab, und was sie von der Religion halten aus dem Ausspruch eines gewissen Kardinals, Quantum lucrum ex ista fabula Christi! – was viele von ihnen verkünden könnten, wenn sie nicht zu schlau wären, es herauszuposaunen. Was mich angeht, so bin ich die Farce leid und schiele nach der nächsten Gelegenheit, um die Maskerade dieser Priesterrobe abzuwerfen. Denn aufgrund meines Alters muss ich noch lange Zeit in untergebener Stellung dienen. Und bevor ich in den Stand aufzurücken vermag, der einen Teil dieser Leute Beute verheißt, werde ich zu alt sein, um die Reize des Luxus noch genießen zu können. Als Gegner der Zurückhaltung fürchte ich, meine Rolle niemals glaubhaft spielen zu können. Nie werde ich für das Theater der Scheinheiligkeit genug Kunstfertigkeit aufbringen, um einen respektablen Posten in der Kirche zu erlangen. Meine Eltern haben sich um meine Begabung nicht geschert, sonst hätten sie mir ein Schwert statt dieses rosenkranzes gegeben.

    Misson riet ihm, sich ihm als Volontär anzuschließen, und bot ihm Geld an, um Kleider zu erwerben. Der Priester nahm dies Angebot begierig an, und Misson erreichte ein Brief von seinem Kapitän mit der Mitteilung, dass er auf dem Weg nach Leghorn sei und es Misson überlassen sei, nach Neapel zurückzukommen oder auf dem Landweg gen Leghorn zu ziehen. Er entschied sich für das Letztere, und der Dominikaner, den er mit Geld ausgestattet hatte, kleidete sich stattlich ein, warf die Priesterkutte ab und fuhr zwei Tage vor Misson los, um in Pisa auf ihn zu warten. Von dort reisten sie gemeinsam nach Leghorn, wo die Victoire vor Anker lag, und Seignior Caraccioli wurde auf Empfehlung seines Freundes hin an Bord in Empfang genommen. Zwei Tage später legten sie ab, und nach einer Woche auf See stießen sie auf zwei maurische Schiffe, das eine mit zwanzig, das andere mit vierundzwanzig Kanonen an Bord. Die Victoire verfügte nur über dreißig Geschütze, obwohl sie Schotten für vierzig besaß. Das Gefecht war lang und blutig, denn die Sally-Men hegten Hoffnungen, die Victoire zu erbeuten; auf der anderen Seite aber stand Kapitän Fourbin nichts ferner, als sich einnehmen zu lassen, und er war entschlossen, seine Gegner zu kapern oder sein Schiff zu versenken. Eines der maurischen Schiffe wurde von einem spanischen Renegaten kommandiert (obschon der nur den Grad eines Leutnants besaß), dieser Kapitän war ein junger Mann und in der Seefahrt kaum bewandert.

    Sein Schiff hieß die Lyon, und er versuchte mehr als einmal, die Victoire zu entern; aber ein zielsicherer Treffer ins Freibord zwang ihn abzudrehen. Indem er seine Kanonen und alles bewegliche Gut auf die andere Bordseite befördern ließ, hoffte er, das Schiff in Schräglage zu bringen und so das Eindringen von Wasser durch das Leck zu unterbinden. Dies Manöver wurde mit solch übereilter Hast erledigt, dass das Schiff kenterte und alle Seelen verloren gingen. Sein Begleiter sah dies, ließ alle Segel setzen und versuchte zu entkommen. Aber die Victoire überholte ihn und zwang ihn erneut in den Kampf, den die Mauren mit großer Hartnäckigkeit wieder aufnahmen, sodass Kapitän Fourbin die Hoffnung aufgab, sie zu überwältigen, ohne sie zu entern; und so ließ er Vorbereitungen dazu treffen. Kaum hatte er das Kommando zum Entern gegeben, waren Seignior Caraccioli und Misson als Erste an Bord, aber sie und ihre Kameraden wurden von den verzweifelten Mauren zurückgeschlagen. Caraccioli erhielt einen Schuss ins Bein und wurde zum Schiffsarzt hinuntergebracht. Das Entern gelang der Victoire beim zweiten Anlauf, und die Mauren verteidigten ihre Decks mit solcher Entschlossenheit, dass sie unter den Leichen ihrer Kameraden und Gegner versanken. Als Misson einen von ihnen mit einem brennenden Zündholz das Hauptluk hinunterspringen sah, erriet er dessen Vorhaben, jagte ihm kurz entschlossen nach, erwischte ihn mit seinem Säbel und streckte ihn nieder, just als der das Pulver anstecken wollte. Die Victoire brachte mehr Männer an Deck, und da sahen die Mohammedaner die Hoffnungslosigkeit ihrer Lage ein; sie zogen sich von den Decks in die Kombüse, aufs Zwischendeck und in ihre Kammern zurück, manche auch in die Lagerdecks. Die Franzosen boten ihnen Quartier und führten die Gefangenen an Bord der Victoire. Ihre Beute war kaum der Rede wert, sie brachten aber fünfzehn christlichen Sklaven die Freiheit; das Schiff wurde in den Hafen von Leghorn geschleppt und zusammen mit den Gefangenen verkauft. Die Türken verloren viele Männer, die Franzosen nicht mehr als fünfunddreißig beim Entern, aber nur wenige während der Schlacht, weil die Türken in der Hoffnung, das Schiff manövrierunfähig zu machen und dann einzunehmen, mit ihren Kanonen auf die Masten und die Takelage gezielt hatten. Da die kurze Zeit ihrer Kreuzfahrt vorüber war, kehrte die Victoire nach Marseille zurück, von wo aus Misson den Gefährten auf einen Besuch bei seinen Eltern mitnahm, für die ihm der Kapitän einen sehr vorteilhaften Bericht über seinen Mut und sein Benehmen überreichte. Er war wohl einen Monat zu Hause, da schrieb ihm sein Kapitän, dass sein Schiff nach La Rochelle beordert worden sei, von wo sie mit einigen Handelsschiffen nach Westindien segeln sollten. Das kam Misson und Seignior Caraccioli sehr entgegen, und sie brachen unmittelbar nach Marseille auf. Die Stadt ist militärisch gut geschützt, beheimatet vier Pfarrkirchen, und die Anzahl ihrer Einwohner wird auf 120 000 geschätzt. Der Hafen gilt als einer der sichersten im Mittelmeer und dient üblicherweise als Heimathafen der französischen Galeeren.

    Sie verließen die Stadt mit Kurs auf La Rochelle, wo die Victoire ins Dock ging, da die Handelsschiffe noch bei Weitem nicht bereit waren. Misson, dem es nicht behagte, so lange Zeit untätig zu bleiben, schlug seinem Freund vor, an Bord der Triumph zu kreuzen, die auf dem Weg in den Englischen Kanal war; der Italiener stimmte dem Vorschlag bereitwillig zu.

    Zwischen der Guernsey-Insel und Start Point stießen sie auf die Mayflower unter dem Kommando von Kapitän Balladine, ein Handelsschiff mit achtzehn Kanonen, reich beladen und auf dem Heimweg von Jamaika. Der Kapitän der Engländer bot mutigen Widerstand und verteidigte sein Schiff so lange, dass die Franzosen es nicht in einen Hafen schleppen konnten, weshalb sie sich mit dem Geld und den wertvollsten Gegenständen begnügten, die sie aus ihm zutage fördern konnten. Da das Schiff mehr Wasser aufnahm, als die Pumpen wieder abführen konnten, gingen die Engländer von Bord und sahen ihr Schiff in weniger als einer Stunde untergehen. Monsieur le Blanc, der französische Kapitän, empfing Kapitän Balladine äußerst zuvorkommend und ließ nicht zu, dass er oder seine Mannschaft geplündert würden. Denn, so erklärte er, nur Feiglinge sollten so behandelt werden; tapfere Männer sollten ihresgleichen als Brüder behandeln, auch wenn sie Gegner seien; und es sei eine Rache, die nur von Feiglingen begangen werde, einen edlen Mann, der seine Pflicht tut, übel zu behandeln. Er befahl, dass die Gefangenen ihre Truhen behalten dürften, und als einige seiner Männer daraufhin murrten, erinnerte er sie an die Großherzigkeit des Monarchen, dem sie dienten. Sie seien weder Piraten noch Freibeuter, und als tapfere Männer sollten sie ihren Gegnern ein Beispiel geben, dem diese gern folgten. Und ihre Gefangenen sollten sie so behandeln, wie sie selbst behandelt werden wollten.

    Sie segelten den Englischen Kanal hinauf bis nach Beachy Head und trafen auf der Rückfahrt auf drei Schiffe mit je fünfzig Kanonen, die die Verfolgung der Triumph aufnahmen. Aber da letztere ein hervorragendes Segelschiff war, entkamen sie ihnen nach dreieinhalbstündiger Jagd und waren schon gut unterwegs nach Land’s End. Hier kreuzten sie acht Tage lang, umrundeten dann Kap Cornwall, fuhren den Kanal von Bristol bis in die Nähe von Nash Point hinauf und brachten ein kleines Schiff auf, das aus Barbados kam. Auf dem weiteren Weg in nördlicher Richtung jagten sie einem Schiff hinterher, das sie am Abend erspähten, verloren es aber in der Nacht. Die Triumph nahm dann Kurs auf Milford, und als sie in der Ferne ein Segel entdeckten, versuchte der Kapitän, das dazugehörige Schiff vom Land abzuschneiden, aber das gelang nicht. Obwohl sie ihm rasch gefolgt waren, erreichte das andere Schiff sicher den Hafen und wäre ohne Zweifel eingenommen worden, hätte die Jagd noch etwas länger gedauert.

    Kapitän Balladine griff zum Fernrohr und verkündete, es sei die Port Royal, ein Schiff aus Bristol, das von Jamaika aus mit ihm und im Geleit der Charles in See gestochen sei. Unsere Seemänner kehrten sodann zu ihrer eigenen Küste zurück, um ihre Beute in Brest zu verkaufen, wo sie auf seinen Wunsch hin auch Kapitän Balladine absetzten. Monsieur le Blanc machte ihm zum Abschied vierzig Louis zum Geschenk, damit er sich versorgen könne, und seine Mannschaft ließ man ebenfalls gehen.

    In der Hafeneinfahrt lief die Triumph auf einen Fels, der ihr aber keinen Schaden zufügte. Diese Goulet getaufte Einfahrt ist wegen der vielen Felsen gefährlich, die rechts und links unter Wasser liegen, obgleich der Hafen selbst als der beste Frankreichs bekannt ist. Die Hafenmündung wird von einer starken Bastei beschützt, die Stadt ist gut befestigt und bietet zu ihrer weiteren Verteidigung eine recht mächtige Zitadelle auf. Die Engländer versuchten 1694 einen Angriff auf die Stadt, blieben aber erfolglos und verloren ihren General und zahlreiche Männer. Von dort kehrte die Triumph nach La Rochelle zurück, und einen Monat später liefen unsere Volontäre, die an Bord der Victoire gegangen waren, in Richtung Martinique und Guadeloupe aus. Auf ihrer Fahrt begegneten sie nichts, was der Erwähnung wert wäre.

    Ich will nur anbringen, dass Seignior Caraccioli, der ebenso ehrgeizig wie unreligiös war, aus Misson zu dieser Zeit bereits einen vollständigen Deisten gemacht und ihn so überzeugt hatte, dass alle Religion nichts als menschliche Politik sei. Er hatte ihm dargelegt, dass das mosaische Gesetz nur beschreibe, was für den Erhalt und die Regierung der Menschen nötig sei. Zum Beispiel, sagte er, haben die Neger nie von der Einrichtung der Beschneidung gehört, von der ja gesagt wird, dass sie ein Zeichen des Vertrags zwischen Gott und den Menschen sei; und trotzdem beschneiden sie ihre Kinder, und zwar zweifellos aus demselben Grunde, wie es auch die Juden und andere Nationen tun, die in südlichen Gefilden leben, denn die Vorhaut umschließt verbrauchte Stoffe, was tödliche Folgen haben kann. Kurz gesagt ging er alle Zeremonien der jüdischen, christlichen und mohammedanischen Religion durch und überzeugte Misson, dass sie, wie man an der Absurdität vieler von ihnen erkennen könne, alles andere als das Werk göttlich inspirierter Menschen seien; dass Moses in seiner Wiedergabe der Schöpfungsgeschichte einige bekannte Patzer unterlaufen und dass die Wunder sowohl des Alten wie des Neuen Testaments mit der Logik nicht in Einklang zu bringen seien. Er erklärte, Gott habe uns seinen Segen gegeben, für unser gegenwärtiges und zukünftiges Glück zu sorgen, und alles, was diesem zuwiderlaufe, müsse trotz der akademischen Unterscheidung zwischen Dingen, die sich dem menschlichen Verstand widersetzten, und denen, die sich ihm entzögen, falsch sein. Die Logik lehre uns, dass es eine erste Ursache aller Dinge gebe, ein Ens Entium, das wir Gott nennen, und unser Verstand lege auch nahe, dass es zeitlos und als Urheber aller makellosen Dinge unendlich makellos sein müsse. Wenn dem so sei, dann könne es von keinen Leidenschaften getrieben werden und sich ebenso wenig der Liebe hingeben wie dem Hass. Es müsse in Ewigkeit gleich bleiben und könne nicht heute unbedacht tun, was es morgen bereue. Es müsse vollständig glücklich sein, und daher könne seinem Zustand zeitloser Seelenruhe nichts hinzugefügt werden. Und obgleich es uns gut anstehe, es anzubeten, könnten unsere Huldigungen seine Glückseligkeit ebenso wenig steigern, wie unsere Sünden sie vermindern können.

    Aber die Argumente, die er ihm darlegte, sind zu lang und zu gefährlich, um sie zu übertragen. Und da sie mit großer Raffinesse konstruiert waren, könnten sie schwachen Menschen, die ihre Fehlerhaftigkeit nicht zu erkennen vermögen, Schaden zufügen. Oder diese Leser könnten in ihnen ihre Neigungen erkennen und freudig das Joch der christlichen Religion abwerfen, die ihren Leidenschaften scheuernde Zügel anlegt. Sie würden sich nicht die Mühe machen, sie bis zum Grunde zu durchdenken, sondern stattdessen dem nachgeben, was ihnen entgegenkommt, und sich freuen, eine Entschuldigung für ihr Gewissen gefunden zu haben. Da aber seine Meinung über ein zukünftiges Dasein nichts enthält, was die christliche Religion beleidigen könnte, will ich sie in wenigen Worten darlegen.

    Die Verstandesfähigkeit, die wir in uns vorfinden, sagte er, nennen wir die Seele. Was diese Seele aber ist, wissen wir nicht zu sagen. Sie mag mit dem Leibe sterben oder sie mag überleben. Ich bin der Meinung, dass sie unsterblich ist. Aber ich bin vor ein Rätsel gestellt, wenn ich sagen soll, ob diese Meinung ein Diktat des Verstandes ist oder nur ein Vorurteil der Erziehung. Wenn sie unsterblich ist, muss sie eine Äußerung des Göttlichen Wesens sein, und deshalb muss sie, sobald sie vom Körper

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