Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Mühlen sterben leise
Mühlen sterben leise
Mühlen sterben leise
eBook359 Seiten3 Stunden

Mühlen sterben leise

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Mühlen waren Stätten voller Romantik, sie versinnbildlichten Leben, Liebe, Aberglauben, den Umgang mit dem Teufel, Mystik und Zauberei.
Im Buch wird eine kleine, allgemeine Mühlenkunde vorangesellt. Über einen Zeitraum von dreihundert Jahren zeichnet die Autorin Phasen der Blüte und des Verfalls der Kreuzmühle nach und stellt die Frage, ob die tragischen Unglücksfälle ihrer Familie in einem mysteriösen Zusammenhang mit dem Fluch der alten Kreuzmüllerin stehen. Das leise Sterben der Wassermühlen an der Kreck ist jedoch das Ergebnis des technischen Fortschritts, und es bleibt nur noch die Erinnerung an den Berufsstand der Mahlmüller, der einst so wichtig für das tägliche Brot war.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum27. Aug. 2013
ISBN9783848268306
Mühlen sterben leise
Autor

Inge Grohmann

Inge Grohmann, geboren 1942, lebt in der Kreuzmühle bei Heldburg, in der sie geboren wurde und aufgewachsen ist. Ihr Vater war der letzte Müller in der Kreuzmühle. Die Autorin ist bekannt durch zahlreiche Veröffentlichungen zur regionalen Geschichte und des Brauchtums in ihrer südthüringischen Heimat. Bücher: „Märchenschloss“ – Lesebuch zur Geschichte der Veste Heldburg 2000, Veste Heldburg – Kleiner Kunstführer, 1994, Mitautorin diverser Bücher/Kataloge/Publikationen.

Mehr von Inge Grohmann lesen

Ähnlich wie Mühlen sterben leise

Ähnliche E-Books

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Mühlen sterben leise

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Mühlen sterben leise - Inge Grohmann

    Inge Grohmann

    Mühlen sterben leise

    Lesebuch

    Books on Demand

    Inhalt

    1. Teil – Von Wasserrädern, Mühlsteinen, Müllerleuten und Mühlengeistern

    Mühlen, Müller und Dämonen

    Unheimliche Geschichten

    Mühlen an der Kreck

    Das Wunderwerk Mühle

    Vom Korn zum Mehl

    Die schweren Steine

    Die flinken Räder und das »Klipp-Klapp«

    Unglücksfälle in der Mühle

    Mühlen und ihre Rechte

    Mühlenregal

    Mühlenbann und Mahlzwang

    Wassergrafen überwachen Rechte und Pflichten

    Symbol des Müllerhandwerks

    Asylrecht der Mühlen

    Müller mussten den Galgen aufrichten

    Naturalvergütung für den Müller

    Waage anstelle der Hohlmaße

    Getreidespeicher für die Not

    Misstrauen gegenüber dem Müller

    Die Zunft der Müller

    Von armen und reichen Müllern

    In der eigenen Mühle

    Müllersöhne heiraten Müllertöchter

    Anerkannt, ehrgeizig, übermütig

    Der Esel als Lasttier

    Geleit für den Müller

    Das Ende der Getreidemühlen

    Liegt ein Fluch auf den Wassermühlen?

    II. Teil – Lebenslinien in der Kreuzmühle

    Alles hat seine Zeit

    Die Botschaften in der Bibel

    Der Müller als Abgeordneter im Landtag

    Nur ein einziges Jahr glücklich vereint

    Geldanlage als Aussteuer für die Töchter

    Die Bürgschaft

    Rosine und der Kreuzmüller

    Wie gewonnen – so zerronnen

    Der Schweinehändler besorgt eine Braut

    Der große Bruch und ein unheilvoller Fluch

    Umbaupläne für die Mühle

    Die Prophezeiung der Zigeunerin

    Der Schlussstrich

    Die Fahnenjungfer

    Der neue Dieselmotor

    Sich finden und lieben

    In der Riether Mühle – »Marri«

    Wenn Glück und Leid zusammentreffen

    Die jungen Kreuzmüllers

    Ein Sonntagskind an einem Tag des Grauens

    III. Teil – Aus meinen Erinnerungen

    In Kriegszeiten einander helfen

    Die »Kettenhunde« und meine Mutter

    Heimkehr

    Hunger gab es nicht in der Mühle

    Am alten Kachelofen in der Stube

    Meister Brauner als Knecht Ruprecht

    Nach der Bodenreform

    Jahrhunderte währende landwirtschaftliche Tradition wird gebrochen

    Gegen Großmutters Vorbestimmung

    Der Motorradsturz

    Ein erstes Nest wird gerichtet

    Spuk in der Seemühle

    Meine Großmutter und das Fernsehen

    Eine starke Frau tritt von der Bühne ab

    Es kommt alles ganz anders

    Wir kehren um

    Im geeinten Deutschland

    Eine neue Aufgabe

    Wie wird die Zukunft der Kreuzmühle aussehen?

    Quellen/Literatur

    1. Teil – Von Wasserrädern, Mühlsteinen, Müllerleuten und Mühlengeistern

    Mühlen, Müller und Dämonen

    Es ist ruhig um die Wassermühlen geworden. Idyllisch gelegen, haben sie ihren Platz in der Wiesenaue. Die Wasserräder sind meistens schon längst verrottet und bemoost oder gänzlich verschwunden. Weder Klappern noch Rauschen sind dort zu hören.

    Dabei waren die Mühlen Stätten voller Romantik, sagenumwoben, geheimnisumwittert, spukvoll und schauerlich zugleich. Die Mühle versinnbildlicht Leben, Liebe, Aberglauben, den Umgang mit dem Teufel, Mystik und Zauberei. Mühlengeschichten oder Mühlenmärchen haben ihren Reiz nicht verloren.

    Da die Menschen in alter Zeit den Mechanismus des Mahlens oft nicht nachvollziehen konnten, war für sie die Mühle etwas Einzigartiges, aber auch etwas Unheimliches. Der Mensch machte sich das Element Wasser gefügig und zwang es in seinen Dienst. Gewaltige Steine drehten sich gegeneinander und zerrieben das Korn zu Mehl. Die Mühlräder ächzten, und es polterte laut.

    Alles kam einem Wunder gleich. Es konnte nicht anders sein: Hier war der Teufel im Bunde!

    Entlang des Mühlgrabens standen meist kräftige Erlen mit wuchtig ausladenden Kronen. Sie spendeten Schatten, so dass das Wasser nicht so schnell verdunstete. Auch wurden mit Vorliebe Weiden in die Nähe der Mühle an das Ufer des Bachs gepflanzt. Wasserreiche Standorte waren günstig für den Weidenanbau. Im Januar wurden die Weidenruten abgeschnitten, um daraus Körbe zu flechten. Dadurch erschienen dem Wanderer die Weiden mit ihren kurzen Stämmen und dem krausen Oberhaupt in der Dämmerung wie unheimliche Gestalten.

    Der Müller konnte nur mahlen, wenn genug Wasser da war. So war es oftmals erforderlich, die Mühle Tag und Nacht laufen zu lassen. Nachtarbeit war ohnehin eine Sache, in welcher der Teufel die Hand im Spiel haben musste.

    Das Wasserrecht des Müllers brachte häufig Konflikte mit den Bauern, die das Recht hatten, auf das Wasser zuzugreifen und zu bestimmten Zeiten ihre Wiesen zu bewässern. Nahmen die Bauern bei großer Trockenheit zu viel Wasser weg, konnte der Müller nicht mahlen. Oft aber taten sie es dennoch nachts in der Hoffnung, vom Müller nicht ertappt zu werden. Doch jener erkannte sehr schnell die Ursache für den verminderten Wasserzulauf und schlich selbst in der Finsternis zwischen Erlen und Kopfweiden den Mühlgraben entlang, um die heimlich angelegten Schlitzgräben zuzustopfen.

    Er lag immer halbwach im Bett und hatte jede Unregelmäßigkeit der laufenden Mühle im Ohr. Er wusste sehr gut zu unterscheiden, ob zu wenig Wasser ankam und sich deshalb die Räder nicht mehr im Takt drehten oder ob zu viel auf das Wasserrad kam und das Mühlwerk außer Rand und Band geriet. So musste er sich auch in der Nacht ans Wehr begeben, um Wasser nachzulassen oder abzusperren, oder er musste ganz und gar bis zu dem weiter entfernten Eichpfahl gehen, um die Stauhöhe zu kontrollieren. Er kannte seinen Weg genau und benötigte keine Lampe.

    Wer mochte da nicht in jener dunklen Gestalt sogar den leibhaftigen Bösen vermuten?

    In der relativen Ruhe der Umgebung der Mühle und ihrer Geborgenheit fühlten sich Tiere wohl, und Vögel nisteten sich ein. Sie gaben nicht selten wunderliche Laute von sich, so dass alles recht unheilvoll erschien.

    Wer je einer Wassermühle zugehört hatte, der wusste, dass sie kein seelenloses mechanisches Geräusch von sich gab, sondern selbsttätig Tempo und Tonlage änderte. Man konnte meinen, das Mühlrad sprechen zu hören.

    Das romantische Bild der Mühle und die von ihr ausgehenden Geräusche wurden am Tage sehr angenehm empfunden. Brach aber die Nacht herein, wurde es mitunter recht schaurig.

    Im Wiesengrund lagen die Nebel häufig in dichten Schleiern. Um die Mühle herum war es des Nachts stockdunkel. Hin und wieder flackerte gespenstisch ein Licht in der Mühle auf, jedes Mal dann, wenn der Müller dem Ruf des Rüttelschuhes folgen und wieder Korn aufschütten musste.

    Die Mühlen

    Oft fasst den Wanderer ein Grausen,

    Hört er im Tal die Mühlen gehen,

    Die Räder, die saturnisch sausen,

    Die Wasser, die sich dunkel drehen.

    O welches Reiben, Wehn und Klirren

    Von Sieb und Hauen, wie es schüttelt!

    Wie ächzt es laut in den Geschirren,

    Das nimmermüde Werk, es rüttelt.

    Hier ist kein Ruhen, kein Verweilen.

    Wie Hungernde, die durch die Leere

    Der Zeiten rastlos fliehn und eilen,

    So stürzen rauschend über Wehre

    Die wilden Wasser auf die Reise,

    Das Mahlwerk ächzt, und Riemen, Scheiben

    Und runde Steine gehen im Kreise,

    Nichts will an seinem Orte bleiben.

    (Friedrich Georg Jünger 1898-1977)

    Unheimliche Geschichten

    Infolge der Abgelegenheit der Mühlen vom Dorfe befand sich auch der Müller außerhalb der Dorfgemeinschaft. Er kam nur dorthin, wenn er bei den Bauern das Korn holte und das fertige Mahlgut auch wieder zurück brachte, ebenso zum Kirchgang und zu großen Festen wie dem Erntedankfest oder der Kirchweih.

    Um so aufregender war es da für die Bauern, selbst in die Mühle zu kommen.

    Welche Gefühle bewegten einen, wenn man dort hinging? War es ein wenig Neugier, bereitete ein Quäntchen Angst leises Unbehagen oder gar Schauder?

    Betrat man hier einen anderen, wundersamen Lebensraum?

    Ich erinnere mich gerne daran, wenn die Bauern in den Abendstunden kamen, und Zeit mitbrachten und wenn sie sich zu unserer Familie in die Stube gesellten. Sie dehnten ihren Aufenthalt gerne aus. Meinem Vater blieb genügend Zeit, die angelieferten Körner auf den Getreideboden zu bringen, die gewünschten Mengen an Mehl, Grieß und Kleie auszuwiegen und ihr Fuhrwerk wieder damit zu beladen.

    Während sich die Mühlsteine munter drehten und das Klipp-Klapp durch das ganze Haus schallte, saßen alle in unserer Stube und tauschten Neuigkeiten aus.

    Neben der Stube war eine Schlafkammer. Darin schlief die Großmutter. Eine dreiviertel hohe Wand – es war ein Verschlag aus Brettern – trennte beide Räume. Die Nächte unserer ersten Lebensjahre verbrachten mein Bruder und ich zusammen mit der Großmutter dort in schönster Geborgenheit.

    Wissbegierig konnten wir von hier aus den spannenden Erzählungen der Erwachsenen von nebenan lauschen.

    Endlich waren die Dorfnachrichten übermittelt. Nun kamen die seltsamen Erscheinungen an die Reihe, wie der Reiter ohne Kopf, der sich seit dem Dreißigjährigen Krieg in unmittelbarer Nähe der Mühle aufhalten sollte. Dort, wo der Graben dicht an die Gellershäuser Straße heranführte und wo eine Gruppe hoher Fichten stand, soll er schon des Öfteren angetroffen worden sein.

    Die alten Bäume sahen von weitem aus wie große Wächter mit langen, dunklen Mänteln, und es war eine Mutprobe, des Nachts an ihnen vorbei gehen zu müssen.

    Eine andere grausige Gestalt sollte unterhalb der Seemühle umgehen, dort, wo an der Brücke das Laub der alten Pappeln so seltsam raschelte und wo der Schlehdorn am dichtesten ineinander verflochten war.

    Und überhaupt war es strengstens untersagt, sich dem Mühlteich unterhalb des Wehres zu nähern oder sich am angestauten Graben aufzuhalten, wo der Häkelmann nur darauf lauerte, uns mit seinen langen Krallenfingern zu fassen und in die Tiefe zu ziehen, aus der wir nie wieder entrinnen könnten.

    Oft musste der Großvater berichten, was er einmal in mondheller Nacht erlebte hatte. Eine Kollision am großen Kammrad befahl ihn in die Mühle, und er wollte flugs den Wasserzulauf sperren, damit die Räder angehalten würden.

    Da geschah etwas Seltsames: Auf dem Wasserspiegel des Mühlgrabens hob sich eine Welle empor und bildete einen Feuerball, der ein Frauenantlitz erkennen ließ. Er hörte ein laut schallendes Gelächter. Plötzlich fiel auch schon das wundersame Gebilde wieder in sich zusammen und versank unter die Wasseroberfläche.

    Ein andermal kam mein Großvater zerkratzt und blutend von seinem nächtlichen Gang zum Wehr zurück. Zu Tode erschrocken fragte ihn meine Großmutter, was passiert sei. Er sagte, er habe mit kleinen, bösartigen Kobolden am Wehr zu kämpfen gehabt und diese nur in größter Not überlisten können. Das sei nicht ohne Verletzungen ausgegangen.

    Diese Geschichte ist immer wieder gerne in unserer Familie erzählt worden.

    Die Großmutter wehrte die Legende von den Kobolden konsequent ab, weil sie meinte, dass der Großvater ganz bestimmt in eine Dornenhecke gefallen sei, wobei er sich verletzte; denn Kobolde gebe es nun mal nicht. Im Übrigen war über dieses Ereignis mit ihr nicht zu reden, und sie wurde ärgerlich, wenn das Gespräch darauf kam.

    Ich war mir nie sicher, ob sie nicht doch daran glaubte.

    Der Großvater war ein Schelm und immer zu Späßen aufgelegt, er hat seinen Bericht nie bestritten und die Legende im Raum stehen lassen.

    Meinen Vater nahm er einmal zur Seite und versicherte ihm »von Mann zu Mann«, dass es genau so gewesen sei. Doch mein Vater schien nichts davon zu halten.

    ***

    Die Mühle war aber auch ein Ort für Liebesleid und Liebesfreude. So mancher Bursche traf sich hier heimlich mit seinem Mädchen, weil sie in der abgelegenen Idylle verborgen waren und das Plätschern des Wassers ihr Tuscheln nicht hören ließ.

    Es war mitunter unheimlich an jenem Ort und anziehend zugleich.

    Erinnerungen an glückliche Stunden im stillen Mühlengrund weckten Wehmut und Sehnsucht.

    So manches Schicksal nahm dort seinen Anfang oder fand dort sein Ende.

    Abschied oder Wiedersehen, Weinen oder Lachen. Wer weiß, was alles geschah?

    Nicht selten suchte ein wandernder Handwerksgeselle ein Nachtlager in der Mühle. Doch an Stelle der ersehnten nächtlichen Stille war sein Schlaf vom Brausen des herabstürzenden Wassers, vom Klipp-Klapp des Mahlganges, vom Hullern der großen Zahnräder und von den Schritten des Müllers, wenn dieser Korn aufschüttete, beeinträchtigt. Kein Wunder, dass er dabei in seltsame Träume versank.

    Wie gut passen zu alledem Berichte vom Zauber des Glücks, von Wundern und von übernatürlichen Ereignissen. Die Mühle wurde zu einem unerschöpflichen Quell von Sagen, Märchen und Liedern.

    Mühlen an der Kreck

    Der Müller ist ein adlig Kind

    es arbeiten für ihn Wasser und Wind

    Unsere Vorfahren legten ihre Siedlungen häufig so an, dass sie ihre Häuser um die Kirche bzw. den Dorfplatz derart aneinander fügten, wie sich eine Herde Schutz suchend um ihren Hirten drängt.

    Die meisten Mühlen aber hatten ihren Standort mitten in der Landschaft, einsam gelegen und eine beachtliche Wegstrecke vom nächsten Ort entfernt.

    Im thüringischen Heldburg befindet sich außerhalb der Stadtmauer die ehemalige Stadtmühle.

    Südwärts, im einstigen Rittergut Einöd, drehte sich eine weitere Mühle.

    Die Seemühle – nördlich von Heldburg an der Streufdorfer Kreck gelegen – war dereinst dem Vorwerk Hundshauck, später Domäne Neuhof bezeichnet, zugehörig. Diese beiden Mühlen hatten vorrangig für das eigene Gut zu mahlen, waren aber gleichzeitig dafür geschaffen worden, zusätzliche Einnahmen aus der Kundenmüllerei beizubringen.

    Die Kreuzmühle ist von der Seemühle kaum mehr als einen Steinwurf weit entfernt, doch zwischen beiden Mühlen befindet sich die Gemeindegrenze zwischen der neuerdings Bad Colberg-Heldburg genannten Kleinstadt und dem Dorf Gellershausen.

    Die Kreuzmühle wurde im Jahr 1497 erstmals im Zusammenhang mit einem Grundstückstausch (Kunz König und Stadtkirche Heldburg) erwähnt.

    Am Ortsrand von Gellershausen stand einst die Rohrmühle. Von dort aus weiter in Richtung zum Nachbardorf Westhausen steht nahe der Straße die Linsenmühle.

    Das kleine Landflüsschen Kreck ist das silberne Band, an das sich eine Vielzahl von Mühlen wie die Perlen einer Kette reihten.

    ***

    Für die Auswahl des Standortes einer Mühle waren mehrere Voraussetzungen erforderlich. Es musste vor allem ein Fließgewässer vorhanden sein, das genügend Wasser für den Antrieb lieferte.

    Da das Wasservolumen, das Gefälle und die Strömungsgeschwindigkeit im natürlichen Gewässerbett oft nicht ausreichend waren, musste das Wasser in einem Mühlgraben oder einer Rinne zum Mühlrad geleitet werden. Nachdem das Wasser das Mühlrad bewegt hatte, floss es auf dem kürzesten Weg wieder in die Kreck.

    Günstig war es, für den Standort der Mühle eine Quelle zu finden. Damit sich das Wasserrad auch im Winter ungehindert drehen konnte, durfte der Mühlgraben unter dem Rad nicht zufrieren. Also wurde das Wasserrad der Mühle möglichst unmittelbar über eine Quelle gesetzt, weil Quellwasser, tief aus der Erde kommend, im Winter wärmer ist als Fließwasser.

    Die Entfernung der Mühlen voneinander war vom Gefälle des Flusslaufes abhängig. Außerdem standen die Menge des Wassers und die Größe des Wasserrades in einem bestimmten Verhältnis zueinander.

    Am Verlauf der Kreck befinden sich die Mühlen in Abständen von etwa eintausend Metern. Das Wasserrad an unserer Mühle hatte einen Durchmesser von zwei Metern. Also musste der Höhenunterschied im Gelände und somit das Gefälle des Wassers zwischen unserer und der oberen Mühle – es war die Rohrmühle bei Gellershausen – mindestens zwei Meter betragen.

    In unserer näheren Umgebung waren die Wasserräder meist oberschlächtig, das heißt, das Wasser lief in einer Rinne von oben auf die rund um das Rad angeordneten Schaufeln, füllte sie so weit, dass ihr Gewicht das Rad nach unten drückte und so die Drehbewegung auslöste.

    Lediglich die Stadtmühle Heldburg mit vier Mahlgängen hatte ein oberschlächtiges und ein unterschlächtiges Wasserrad. Leider ist diese seltene Anordnung seit dem Einbau einer Turbine nicht mehr nachzuvollziehen.

    ***

    Der Mahlvorgang erforderte eine gleichmäßige und ununterbrochen zulaufende Wassermenge. Er erstreckte sich nicht nur über den ganzen Tag, sondern nahm meistens auch noch die Nacht in Anspruch.

    In den meisten Fällen aber war der Wasserzufluss nicht ausreichend, um einen ganzen Mahlvorgang durchgehend ablaufen zu lassen. Zu diesem Zweck wurde das Wasser im Graben mehrere Stunden lang angestaut.

    Staute der untere Müller zu viel und zu lange, so wurde der Wasserstand beim oberen Müller so hoch, dass sich sein Wasserrad kaum noch drehen konnte. Vor allem aber verlor es an Kraft. Es gab Verdruss und Streit.

    Sehr früh hatte man für solche Fälle Abhilfe geschaffen. Mit Zustimmung der örtlichen Gerichte war zwischen den Mühlen der Eichpfahl gesetzt worden. Er war fest in den Graben eingerammt und hatte ein eingekerbtes Maß, an dem abgelesen werden konnte, wie hoch angestaut werden durfte.

    Die Überschreitung der Grenzwerte am Eichpfahl oder die illegale Veränderung seines Standortes waren oft Gegenstand von Auseinandersetzungen der Müller und auch der Ortsvorstände benachbarter Gemeinden.

    ***

    Der Mechanismus der Mühle wurde in Gang gesetzt, indem der Müller die Schütze hochzog und Wasser entlang der Rinne auf die Schaufeln fließen konnte. Er wurde angehalten, wenn man die Schütze wieder als Sperre des Zulaufes einsenkte.

    Das wuchtige Wasserrad brauchte dann noch eine Zeitlang, bis es zur Ruhe kam. Die ihm innewohnende Rotationskraft war nicht einfach mit Knopfdruck oder Hebel zu bändigen.

    Als sich in unserer Mühle im Jahr 1937 ein furchtbares Unglück ereignete – ein Kind war in die Transmission gekommen – bemerkte mein Vater sofort die Unregelmäßigkeit im Rhythmus des Maschinenlaufes. Als er, auf die verzweifelten Hilfeschreie sofort reagierend, die Mühle abstellen wollte, konnte er es nicht verhindern, dass es noch eine ganze Weile dauerte, bis die Räder zum Stillstand kamen.

    Das Kind ist dabei qualvoll ums Leben gekommen.

    ***

    Nach heftigen Regengüssen oder nach der Schneeschmelze schwollen die Kreck wie auch der Mühlgraben an und traten über die Ufer. So viel Wasser hätte die Mühle nicht vertragen.

    Die Regulierung des Wasserzulaufes für die Mühle steuerte der Müller durch ein Wehr.

    Gab es dennoch zu viel Wasser, bestand außerdem die Möglichkeit, auf einer Freischütze (das war eine Rinne neben dem Zulauf für das Wasserrad) überschüssiges Wasser abzuleiten.

    Das Klappern der Mühle und das Rauschen des Wassers waren für uns eine gewohnte Geräuschkulisse, ohne die unser Leben nicht stimmte und ohne die wir nicht schlafen konnten. Also musste der Vater, wenn er einmal nichts zu mahlen hatte, doch wenigstens die Freischütze öffnen, damit das Wasser wie ein Wasserfall herunter in den Bach stürzte und uns das vertraute Brausen und Tosen brachte.

    Das Wunderwerk Mühle

    Korn und Traube werden Brot und Wein,

    doch sie müssen unter vielen Wehen

    durch die Mühle, durch die Kelter gehen,

    ehe sie des Menschen Herz erfreuen

    In der Mühle wird seit eh und je Korn zu Mehl vermahlen, und ohne Mehl gäbe es kein Brot. Das Brot ist zum Symbol der Ernährung und des Lebens geworden, und insofern gehört die Getreidevermahlung zu den Existenzbedingungen der Menschheit.

    Jahrtausende lang zerkleinerten unsere Vorfahren Körner aus wild wachsenden Gräsern und bereiteten daraus ihre Speisen. Mit der Zeit kultivierten sie die Gerste, danach den Weizen und in der weiteren Folge andere Getreidearten.

    Schon 8000 Jahre vor unserer Zeitrechnung benutzten sie einen Mörser. Die wenig später verwendeten Reibmühlen bestanden aus einem flach ausgemuldeten Bodenstein und einem kugeligen Läuferstein. Die Produkte dieser Arbeit waren Schrot, Mehl oder Graupen, die entweder zu Brot, Backwerk, Suppen oder Breispeisen verarbeitet wurden.

    In den Steinmörsern wurde das Getreide zerstampft. Dies hatte gegenüber dem Zerreiben in der Reibmühle den Vorteil, dass die Kornschalen nicht so stark zerrissen wurden und sich anschließend leichter vom Mehl trennen ließen.

    Die Nachfolger der Steinmörser und Reibsteine waren die Handmühlen, und aus diesen entwickelten die Römer schließlich die Mahlmühle: Einem kegelförmigen Bodenstein wurde ein drehbarer Läuferstein übergestülpt, der sich wie eine Eieruhr zur Mitte hin verengte und innen ausgehöhlt war.

    Seine obere Hälfte wirkte wie ein Trichter: Das Getreide wurde von dort aus aufgeschüttet und rieselte durch die Verengung langsam zwischen Boden- und Läuferstein.

    Diese Mühlen wurden durch Menschen (Sklaven) oder Tiere (Pferde, Esel, Kamele) angetrieben.

    Wie quälend für die Sklaven diese Arbeit angesichts des großen Brotbedarfs für die Bevölkerung war, geht aus einem Bericht des römischen Schriftstellers und Philosophen Apulejus (2. Jh.) hervor:

    »Die ganze Haut mit blutunterlaufenen Striemen bedeckt und den wundgeschlagenen Körper mit zerrissenen Lumpen verhüllt, auf der Stirne ein Brandmal, das Haar halb geschoren, die Füße in Ringe geschlossen, das Antlitz von Blässe entstellt, die Augenlider in dem räucherigen Dunkel durch Entzündung angefressen, die Sehkraft geschwächt, manche wie Faustkämpfer, die mit Staub bestreut ihre Gefechte austragen, von Mehlstaub mit schmutzigem Weiß bedeckt«.

    Das Wasserrad als Antrieb der Mühle war eine sensationelle technische Erfindung.

    Es erschien nahezu unglaublich: Die Menschen waren in der Lage, Muskelkraft durch eine Naturkraft zu ersetzen. Das war etwas Besonderes, Außergewöhnliches!

    Über Jahrhunderte wurde dieses Wunderwerk bestaunt

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1