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Maikäferspuren: Fluchtwege aus Pommern 1945/Geschichte einer Familie
Maikäferspuren: Fluchtwege aus Pommern 1945/Geschichte einer Familie
Maikäferspuren: Fluchtwege aus Pommern 1945/Geschichte einer Familie
eBook125 Seiten1 Stunde

Maikäferspuren: Fluchtwege aus Pommern 1945/Geschichte einer Familie

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Über dieses E-Book

"Befehl: Sammeln auf dem Marktplatz! - Treck!"
Mit diesem Ruf und lautem Klopfen and das Hoftor werden Bauer Armin Ranke und seine Frau Irmgard aus dem Deutsch Krone in dieser eisigen Winternacht Ende Januar 1945 geweckt. Die pommersche Kreisstadt liegt bereits unter dem Beschuss der anrückenden Roten Armee. Hastig werden die drei Kinder auf dem Leiterwagen verstaut, der mit den beiden Pferden abfahrtsbereits in der Scheune gestanden hat, dann brechen sie auf, über vereiste Straßen, bei zwanzig Grad unter Null.
Der kleine Martin und adere Angehörige der Großfamilie Ranke sind inzwischen in beschlagnahmten Zirkuswagen oder mit dem letzten Eisenbahnzug auf den nach Westen. Nicht allen gelingt die Flucht. Die Spuren verlieren sich in diesen Tagen.

Die Erzählung mit Autobiographischem Hintergrund schildert nicht nur die Flucht der Rankes, sie verfolgt auch deren Lebensspuren in der Nachkriegszeit. Aus den Kindheitserinnerungen des kleinen Martin Ranke und den späteren Familienberichten wächst ein exemplarisches Bild dieser Epoche.
Die Vaterstadt der rankes hat im Laufe der Geschiochte oft den Besitzer, die Nationalität und den Namen gewechselt, mal war sie deutsch, dann, viel länger, wieder polnisch, mal hieß sie Deutsch Krone, dann wieder Walcz. Entsprechend gemischt war die Einwohnerschaft nach nationaler Herkunft und Religion, wofür die Familie Ranke ein Beispiel darstellt.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum16. Mai 2013
ISBN9783848298419
Maikäferspuren: Fluchtwege aus Pommern 1945/Geschichte einer Familie
Autor

Ulrich Steinke

Ulrich Steinke, Jahrgang 1940, stammt aus Pommern. Nach der Flucht im Januar 1945 aus seiner Heimatstadt Deutsch Krone wächst er in einem Dorf in Dithmarschen und später in Düsseldorf auf. Er studiert Mathematik, Physik, Pädagogik und Philosophie in Köln, arbeitet vier Jahrzehnte als Gymnasiallehrer in einer Kleinstadt in der Voreifel und lebt seit 2003 im Ruhestand. Er ist verheiratet, hat zwei erwachsene Töchter und vier Enkelinnen.

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    Buchvorschau

    Maikäferspuren - Ulrich Steinke

    Für Emma

    Aus Kirschblütenschnee

    Steigt die Möwe weit

    Ins Blau über See,

    Horizont so breit,

    Der wilde Kurs gesäumt

    Von Gischt und Licht, geträumt

    In banger Nacht,

    Und Emma lacht.

    Ulrich Steinke

    Maikäferspuren

    Fluchtwege aus Pommern 1945

    Geschichte einer Familie

    Books on Demand

    Inhaltsverzeichnis

    Kapitel 1

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Kapitel 5

    Kapitel 6

    Kapitel 7

    Nachwort

    Ihn fröstelt.

    Als Martin aus der Haustür tritt, haben sich erste Schneeflocken unter den morgendlichen Regen gemischt, gleiten an den Scheiben des Wohnmobils herunter und bilden schmutzigweiße Ränder. Beate lädt noch die beiden Rucksäcke der Kinder ein, dann ist alles abfahrbereit. Aber sie zögern, warten, dass der Regen nachlässt, und Martin kämpft gegen ein beklemmendes Kältegefühl angesichts der bevorstehenden Erlebnisse dieser Reise nach Osten, ein halbes Jahrhundert nach seiner winterlichen Flucht aus Pommern, ein halbes Jahr nach dem Mauerfall.

    Dabei haben sie alles gründlich vorbereitet. Der Proviant reicht für zwei Wochen, die polnischen Visa wurden gestern abgeholt, und seine Cousine Elisabeth hat extra noch einmal aus Flatow angerufen, um zu sagen, dass sie das Fahrzeug in ihrem abschließbaren Hof sicher abstellen können.

    Am frühen Nachmittag fahren sie los. Sie kommen vor Dunkelheit nur bis Bad Hersfeld, übernachten dort auf einem Campingplatz mit Blick auf eine Salzhalde, die sich wie ein verirrter Eisberg gegen den Abendhimmel abhebt, und sind froh, dass die Gasheizung an Bord funktioniert.

    Am nächsten Morgen passieren sie die DDR-Grenze. Der Kontrollpunkt mit den ausgedehnten Anlagen wirkt verwaist. Sie werden nicht kontrolliert, können einfach durchfahren, weiter nach Weimar. Zwei Tage lang erkunden sie die Hauptstadt der deutschen Klassik. Dann geht es weiter nach Frankfurt an der Oder. Sie dürfen sich bei Privatleuten auf dem Hof abstellen, werden gastfreundlich aufgenommen und am nächsten Morgen zu einem üppigen Osterfrühstück in das bescheidene selbst erbaute Haus gebeten.

    *

    Die Grenzkontrolle an der Oderbrücke ist langwierig. Bis Deutsch Krone sind es noch zwei Stunden. Die Landstraße ist gut und kaum befahren. Die alten Buchenwälder rechts und links zeigen den ersten Grünschimmer. In den Ortschaften mit den verfallenen Häusern und Gärten und den auffallend gepflegten Kirchen kann das Wohnmobil wegen des Katzenkopfpflasters nur Schritttempo fahren.

    Am frühen Nachmittag kommt auf der linken Seite der Deutsch Kroner Radun-See ins Blickfeld. Durch den Buchwald fahren sie zum Friedhof, suchen nach der Grabstelle von Martins Großeltern, finden den verwahrlosten Platz an der Friedhofsmauer, Sockel ohne Grabstein, jeder Hinweis auf das Familiengrab der Rankes ist ausgelöscht. Am Krankenhaus vorbei, in dem der Großvater Boleslaus vor 60 Jahren starb, fahren sie zum Marktplatz von Wałcz, wie Martins Geburtsort heute wieder heißt. Hier, vor der katholischen Kirche, in der Martin getauft wurde, stellen sie das Fahrzeug ab und machen einen Rundgang durch die Stadt.

    Es ist sonnig, aber kalt an diesem Apriltag. Martin geht den Wegen seiner Kindheit nach, so, wie sie ihm nach 45 Jahren immer noch deutlich vor Augen liegen, und er findet sie fast unverändert wieder. Aber sein Gang ist unsicher, leichter Schwindel befällt ihn, seine Füße scheinen über dem Straßenpflaster zu schweben, er bewegt sich wie ein Schlafwandler. An der Kirche vorbei gehen sie zum Schloss-See hinunter und bleiben vor dem Haus der Großmutter Anna Boreta am Seeufer stehen. Der Garten ist ein wüster Platz, Käfige einer ehemaligen Nutriafarm stehen herum, das Haus ist baufällig, aber bewohnt. Sie folgen der früheren Uferpromenade, biegen in die Poststraße ein, gehen zum neugotischen Postgebäude, das erhalten geblieben ist, und stoßen auf die Königstraße. Dort, wo Benno Rankes Elektroladen, Martins Geburtshaus, gestanden hat, ragt jetzt die Betonfassade eines Kaufhauses auf. Vom mehrstöckigen Wohnhaus der Rankes gegenüber der Post ist nichts mehr zu sehen. Die Kriegsruine hatte zwei Wohnblöcken in Plattenbauweise weichen müssen. Durch die Königstraße und den Poetensteig, vorbei am früheren Hermann-Löns-Gymnasium, gelangen sie zum Judenfließ, dem sie bis zur Molkerei am Stadt-See folgen. Der von Wäldern eingerahmte Stadt- oder Radun-See schimmert im milden Licht der Nachmittagssonne. Über die Seepromenade und einige Gassen mit verfallenen, im Krieg zerstörten Häusern finden sie zum Marktplatz zurück.

    Dort treffen sie auf eine westdeutsche Familie, die ebenfalls auf Erinnerungsreise ist. Ihre Eltern hatten hier am Markt ein Fahrradgeschäft. Für die neuen polnischen Besitzer haben sie zur Begrüßung Geschenke mitgebracht, Kaffee, Schokolade, Sekt, möchten einen Blick in ihr altes Haus werfen. Die Begrüßung misslingt. Sie werden umgehend hinausgebeten. Noch ist die Angst zu groß vor einer Rückkehr der Deutschen. Denn die Polen, die in der Stadt leben, sind selbst Heimatvertriebene, Teil der Bevölkerung Ostpolens, die nach Kriegsende auf Befehl Stalins in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aus ihren Dörfern und Städten in Ostpolen evakuiert wurde. Nur mit Handgepäck versehen hat man sie in Güterzüge verladen und auf dem Bahnhof in Deutsch Krone abgesetzt, wo sie sich neue Unterkünfte in den Häusern der vertriebenen Deutschen suchen mussten.

    Durch die Königstraße und die Schneidemühler Straße fahren sie zum ehemals Ranke’schen Bauernhof, auf dem Benno aufgewachsen ist. Die Gebäude sehen unverändert aus. Der Hof wird von einer polnischen Familie bewirtschaftet. Drei Kinder kommen zögernd aus dem Hoftor und beobachten neugierig das Wohnmobil. Durch das geöffnete Fenster macht Beate einige Fotos, sie wollen nicht stören. Der Abend dämmert schon, als sie Richtung Flatow aufbrechen. Dort müssen sie sich durchfragen. Das ist nicht einfach, denn sie können nicht Polnisch und niemand hier spricht Deutsch, Englisch oder Französisch.

    Elisabeth begrüßt sie herzlich. Sie hat ihren Cousin Martin zuletzt als 5-Jährigen gesehen, Beate und die Kinder Hilke und Frauke kennt sie nur von Fotos, aber die Gespräche an diesem Abend reißen nicht ab, kreisen immer wieder um die Kriegsereignisse. Vier polnische Verwandte von Elisabeth wurden ermordet, ein Onkel von den Sowjets in Katyn, einer von den Deutschen im KZ, zwei starben schon zu Beginn des Krieges, von den deutschen Angreifern lebendig begraben.

    In der Nacht liegt Martin lange schlaflos im Bett, die Bilder von damals und heute vermischen sich vor seinen Augen, verschwimmen und werden wieder gestochen scharf, verstoßen gegen die Ordnung von Raum und Zeit und verdichten sich schließlich in einem Traum.

    *

    Es schneit.

    Dicke Flocken taumeln unstet und lautlos, weißen Schmetterlingen gleich, am Fenster vorbei. Auf den Tulpen und Narzissen im Blumenkasten, die eben noch in der Mittagssonne geleuchtet haben, wachsen weiße Häubchen.

    Die Wehen haben vor einer halben Stunde eingesetzt, nachdem der letzte Kunde gegangen war. Emmi hat ihm einen der neuen Volksempfänger verkauft. Jetzt ruft sie Frau Matheis an, die Hebamme, die in der Nachbarschaft wohnt und schon vorbereitet ist. Die Geburt des Jungen verläuft schnell und ohne Komplikationen, anders als bei Herbert vor acht Jahren, obwohl Emmi nun schon fast 40 Jahre alt ist. Als die beiden Geschwister Christa und Herbert an diesem Donnerstag im April 1940 auf dem Heimweg von der Schule die Tür des Elektroladens von Benno Ranke in der Königstraße öffnen, hören sie das neugeborene Baby im Hinterzimmer schreien. Sie schleichen sich hinein und begrüßen die Mutter und den Kleinen und staunen immer wieder über das zierliche, langfingrige Wesen. Während die 11-jährige Christa der Hebamme beim Aufräumen hilft, wird Herbert in die Färberstraße am Schloss-See geschickt, um die Großmutter Anna Boreta zu benachrichtigen, die kein Telefon besitzt. Er läuft über den Poetensteig zur Seepromenade, an die der Garten von Großmutters Haus grenzt, steigt die Treppe zur Veranda hinauf, betritt das Haus, in dem Christa vor elf Jahren geboren wurde, und meldet der Großmutter die Neuigkeit.

    Anna Boreta, Witwe des vor drei Jahren verstorbenen Oberpostschaffners Boleslaus Boreta, leidet nach ihrem Sturz in den winterlichen Schloss-See schon lange an Gelenkschmerzen und kann sich mit ihrem Stock nur mühsam bewegen. So dauert es trotz der kurzen Entfernung fast eine halbe Stunde, bis die beiden bei Emmi und dem neuen Erdenbürger eintreffen. Wie er denn heißen solle, will Oma Boreta wissen. Emmi hat die Namen Eberhard beziehungsweise Martin ausgesucht. Die Kinder sind für Martin.

    Der Vater, Elektromeister Benno Ranke, nur elf Tage älter als seine Frau, kann nicht befragt werden. Er ist seit August des vorigen Jahres Soldat bei einem Fernmelde-Regiment in Bremen und muss per Telegramm benachrichtigt werden. Er erhält

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