Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Ich will Bauer werden.: Die Geschichte meines Großvaters Christoph Ziegner auf der Domäne Neufrankenroda
Ich will Bauer werden.: Die Geschichte meines Großvaters Christoph Ziegner auf der Domäne Neufrankenroda
Ich will Bauer werden.: Die Geschichte meines Großvaters Christoph Ziegner auf der Domäne Neufrankenroda
eBook306 Seiten3 Stunden

Ich will Bauer werden.: Die Geschichte meines Großvaters Christoph Ziegner auf der Domäne Neufrankenroda

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

»Einmal kam ich mit einem fanatischen Kommunisten zusammen. Mit ihm war kein Gespräch zu führen. Er stand im Range eines Oberleutnants und wollte mir klarmachen, daß in Russland alles besser wäre. Die Häuser, die öffentlichen Einrichtungen, die Ernährungslage, alles war besser als bei uns. Da wir gerade an ein Radio gelehnt standen, sagte ich : »Bei uns viele Häuser Radio, in Russland auch ?« »Bei uns jeder Radio, nicht nur viele, jeder kann hören«. Erstaunt entgegnete ich, daß dies doch nicht möglich sein könne, davon hätte ich noch gar nichts gehört. Seine Stimme schwoll merklich an, als er mir erklärte, daß in Russland jedes Dorf einen Lautsprecher hätte, der auf dem Dorfplatz stünde. »Da müßt ihr doch alle dasselbe hören, ihr könnt doch da gar nicht hören, was ihr wollt«, antwortete ich ihm. Da schrie er aber los : »Ihr Deutschen immer jeder etwas anderes machen als der andere. Bei uns Bürgermeister Radio anstellen und das für alle gut, was anderes wollen wir gar nicht hören... «

Auszug: »Ich will Bauer werden«
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum18. Feb. 2015
ISBN9783738675269
Ich will Bauer werden.: Die Geschichte meines Großvaters Christoph Ziegner auf der Domäne Neufrankenroda
Autor

Carl Ziegner

Carl Ziegner, Jahrgang 1978 und Enkel von Christoph Ziegner, ist Diplom-Journalist. Er hat einige Jahre u.a. für die TAZ in Berlin geschrieben. Als Freiberufler beschäftigt er sich inzwischen intensiv mit dem Thema Datenjournalismus.

Ähnlich wie Ich will Bauer werden.

Ähnliche E-Books

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Ich will Bauer werden.

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Ich will Bauer werden. - Carl Ziegner

    Abkürzungsverzeichnis

    Vorwort

    Eduard Meyer, Domänenpächter in Friedrichswerth, gibt im Sommer 1917 eine Stellenanzeige zur Besetzung einer Sekretärinnenstelle heraus. Gesucht wird für die Saatgut-Versandabteilung ein Fräulein mit guter Handschrift, gewandt in Schreibmaschine und Kurzschrift, die zu selbständiger und gewissenhafter Arbeit befähigt ist. In Klammern ergänzt der Domänenrat: »Anfänger und oberflächlich Arbeitende ausgeschlossen.« Diese Ausschreibung wird in Quedlinburg von Frida Zabel gelesen, die sich auch sofort bewirbt. Meyer ist von der Bewerbung angetan und bittet in einem Schreiben um weitere Unterlagen. Gleichzeitig macht er Fräulein Zabel darauf aufmerksam, dass sie bei Anstellung im Ort Friedrichswerth wohnen muss. Fräulein Zabel tritt, angeblich für nur ein paar Jahre, umgehend die Stelle in Friedrichswerth an. Sie blieb 61 Jahre. Das kam so: Beim Domänenrat arbeitete ebenfalls ein neu eingestellter Privatsekretär: Oskar Carlstedt. Er kam auch auf eine Ausschreibung hin nach Friedrichswerth. Wohl auch deswegen, weil seine familiären Wurzeln in Thüringen liegen. Oskar und Frida lernten sich kennen und heirateten 1921. Acht Jahre später wurde die Tochter Johanna geboren, welche 1951 den Verwalter und Inspektor des Gutes Neufrankenroda heiraten sollte. Familie Carlstedt bekam damals ein Haus vom Domänenrat an der Hauptstraße in Friedrichswerth, das sie bis zu ihrem Lebensende bewohnen konnten.

    Pfarrer Oskar Ziegner wird 1934 durch den Landeskirchenrat in Eisenach in die Pfarrstelle Warza bei Gotha zwangsversetzt. Zu seinem Gemeindebereich gehörten während des II. Weltkrieges aus Mangel an Pfarrern auch die Gemeinden Friedrichswerth und das Gut Neufrankenroda. Er lernte den Sohn des verstorbenen Domänenrats, Herrn Rittmeister Rudolf Meyer, und auch dessen Privatsekretär kennen und schätzen. Einer der Söhne von Oskar Ziegner, Christoph, wollte nur zu gern in der Landwirtschaft lernen und arbeiten. Dafür beendete er schon 1943 die Schulausbildung. Die sich anschließende landwirtschaftliche Lehre in Zottelstedt musste er wegen einer schweren rheumathischen Erkrankung nach einem halben Jahr abbrechen. Nach einer relativen Genesungzeit war er gezwungen, sich beim Reichsarbeitsdienst in Ostpreußen zu melden. Dort erlebte er wegen der widrigen Umstände im Lager einen gesundheitlichen Rückfall. Den Sommer 1944 erholte er sich von dieser schweren Erkrankung zu Hause. Sein Vater konnte aufgrund der Kenntnisse der Lage und der Gespräche mit dem Rittmeister Christoph eine Verwalterstelle auf dem Gut Neufrankenroda vermitteln. Diese Stelle trat Christoph im Herbst 1944 mit gerade einmal 18 Jahren an. Im Küchenbereich des Gutes Neufrankenroda wurde zur gleichen Zeit Johanna Carlstedt, 15 Jahre alt, in Hauswirtschaft ausgebildet. Ein einziger Blick soll genügt haben und Christoph wusste, Johanna wird seine Frau werden. Gemeinsam haben beide ein Jahr auf dem Gut Neufrankenroda zugebracht, bevor Johanna zur weiteren Ausbildung nach Gotha ging.

    Zum Kriegsende kommt das Gut unter amerikanischen Befehl. Eine gute Zeit. Doch dauert die amerikanische Besetzung nur ein paar Monate. Dann übernehmen die Russen das Gut und wirtschaften es »runter«.

    1946 verlässt auch Christoph Ziegner das Gut Neufrankenroda. Die Bodenreform hat es endgültig zerschlagen. 1948 hat der ehemalige Verwalter und Inspektor Christoph Ziegner diese Neufrankenrodaer Zeit Revue passieren lassen. Seine spätere Verlobte wird ihm wohl zugeredet haben, diese Zeit aufzuschreiben. Es war ein Moment ihrer gemeinsamen Lebenszeit. Der Wechsel eines Stücks der Weltgeschichte, dicht gedrängt vom Rittmeister an, über die amerikanischen Besatzer hin zu den russischen Kommandanten, alles in zwei Jahren auf dem kleinen Gut Neufrankenroda bei Friedrichswerth. Immer hoffend, dass sich die alten Zeiten unter dem Rittmeister Meyer wieder einstellen werden. Das war wohl der innere Antrieb meines Großvaters Christoph Ziegner, das Gut für den Rittmeister so gut wie möglich zu erhalten. Aber so kam es nicht. Die Bodenreform hat alle Hoffnungen zunichte gemacht. Doch Neufrankenroda hat meine Großeltern geprägt. Viele kleine Geschichten, die auch in dem Bericht »Neufrankenroda« zu lesen sind, wurden immer wieder zu Hause erzählt.

    Am erstaunlichsten sind aber die Wege der einzelnen Personen der Familie Ziegner und die der Carlstedts, die zu einer bestimmten Zeit an dem bestimmen Ort Neufrankenroda zusammengelaufen sind. Als Enkel und Urenkel kann man hier nur staunend zurückblicken. Das Gut Neufrankenroda mit den Wohnhäusern und der alten Schule gibt es noch. Auch in Friedrichswerth, dem Hauptsitz der Domäne, sind die Häuser, das Schloss und manches andere noch sichtbar.

    1952 bahnte sich ein vorsichtiger »politischer Frühling« in der DDR an. Das beflügelte wahrscheinlich meinen Großvater, sich erneut mit der Bodenreform und einer damit verbundenen Rückführung in das deutsche Wirtschaftssystem schriftlich auseinanderzusetzen. Veröffentlichen konnte er diese Überlegungen natürlich nicht. Seinen Aufsatz habe ich deshalb mit angefügt, zeigt er doch, wie sehr sich mein Großvater als inzwischen »Staatlich geprüfter Landwirt« mit der Landwirtschaft identifizierte und frühere Fehlentscheidungen der Ostregierung so mit korrigieren wollte. Andererseits hätte ihn dieser Aufsatz bei einer damaligen Veröffentlichung zum Gegner des Sozialismus werden lassen, mit der ganzen Härte dann durch die Genossen geahndet.

    Carl Ziegner

    1. Die Landwirtschaftsausbildung 1942 – 1944

    Zottelstedt/Apolda

    Bild 1 Auszug aus einem Brief von Christoph Ziegner, 16.05.1943, nach Hause

    Christoph Ziegners Bruder Martin kann sich noch erinnern, wie sich Christoph im Sommer 1942 beim Mittagessen über seine berufliche Zukunft äußerte. Er sagte, dass er die Schule verlassen und Bauer werden will. Seitens der Eltern hat es allem Anschein nach keine großen Umstimmungsversuche gegeben. Vielmehr versuchte Vater Oskar Ziegner, eine entsprechende Lehrstelle für den Sohn zu finden. Aus diesem Grund schreibt er die »Landesbauernschaft in Thüringen« an. Der Verband antwortet am 13.01.1943 schriftlich und benennt 16 »Landwirtschaftslehrherren«. Oskar Ziegner entscheidet sich letztendlich für den im Kreis Weimar tätigen Landwirtschaftslehrherren Ernst Radler in Zottelstedt bei Apolda. Es folgt eine Vorstellung bei Bauer Radler und die Lehrausbidlung beginnt am 01.04.1943. Die Gymnasiumszeit endet Ostern 1943. Die folgende Zeit der Ausbildung, jeden Tag 10 Stunden¹ auf den Feldern tätig zu sein, bei Sturm und Kälte, haben Christoph Ziegner für sein Leben geprägt. Der Tagesablauf wird in einem Brief nach Hause wie folgt beschrieben:

    »… Um 5 Uhr aufstehen, um ½ 7 Kaffee trinken, um 7 aufs Feld, 9 bis ½ 10 Frühstück, 12 Uhr Mittag, 12 bis 2 Uhr Mittag, dann 2 bis 7 ohne Pause wieder aufs Feld. Um 7 vom Feld, um 8 Abendessen, um 9 bis ½ 10 kann ich dann ins Bett. Nächsten Tag um 5 Uhr aufstehen, s.o. …«²

    Die harte Ausbildung hatte zur Folge, dass Christoph Ziegner sich innerhalb kürzester Zeit Gelenkrheumatismus zuzog, was aber nicht behandelt wurde. Nachdem im September 1943 keine Post mehr aus Zottelstedt kam – Christoph schrieb sonst ganz regelmäßig nach Hause –, machten sich der Vater und Bruder Martin auf den Weg nach Zottelstedt, um nach Christoph zu schauen. Sie fanden ihn mit steifen Gelenken in einer Dachkammer liegen. Sofort wurde er in das Apoldaer Krankenhaus eingewiesen und mit dem 29.09.1943 arbeitsunfähig geschrieben. Das war auch gleichzeitg das Ende der Landwirtschaftsausbildung in Zottelstedt. Vater und Bruder haben seine paar Habseligkeiten gepackt und Zottelstedt verlassen. Da der Vater ahnte, dass sich Bauer Radler wegen des Krankheitsbildes beim zuständigen Arzt erkundigen würde, hat er an Dr. Schmidt vorsorglich seine Sicht schriftlich erläutert. »… Sehr geehrter Herr Dr. Schmidt! In Kürze wird Sie der Bauer Radler aufsuchen, um über die wegen Erkrankung erfolgte Entlassung meines Sohnes Christoph aus der Lehrlingsstelle bei ihm zu sprechen. Seit 1.4. war mein Sohn in Zottelstedt. Er ist nach Feststellung des Arztes so überanstrengt worden, daß er körperlich einen Zusammenbruch erlebte. Ausgebrochen ist dieser zusammen mit einer Erkrankung an Gelenkrheumatismus. Bei der Anmeldung erklärte mir Herr Radler, daß ein Lehrling bei ihm nicht als volle Arbeitskraft eingesetzt und auch zu den schwersten Arbeiten nicht herangezogen werden würde. Darauf habe ich ihn gestern bei einer Rücksprache hingewiesen. Er bestritt, meinem Sohn schwere Arbeiten zugemutet zu haben, die ihn überanstrengt haben könnten. Um deutlich zu machen, was ich unter schwerer Arbeit für einen Jungen im 17. Lebensjahre verstehe, nannte ich Folgendes: Zusammen mit einem 16-jährigen Bulldogführer hat er 71 Zentner Kartoffeln in Apolda bei Händlern abgeladen und zum Teil in eine Torfahrt gestellt und ausgeleert, zum anderen Teil in enge Stellen, zu denen es Treppenstufen herauf und herunter ging, getragen. 12 eineinhalb Zentner schwere Getreidesäcke trug er auf einer Wendeltreppe ein Stockwerk hinauf und 25 gleichschwere Säcke dort herunter. 100 Zentner Rübensamen hat er mit dem erwähnten anderen Jungen allein aufgeladen. Herr Radler bestritt zunächst alles. Dann nannte er alles keine schwere Arbeit, weil ein 16-jähriger Mensch solche Arbeit leisten müßte, wenn er in die Landwirtschaft wolle. Mein Sohn hat das Gymnasium bis in die Klasse 6 besucht und es verlassen aus Liebe zum Landwirtberuf. Er hat bei Herrn Radler selbstverständlich sehr viel gelernt. Er hat große Lust an seinem Beruf mitbekommen und hat die Eigentümlichkeiten des Herrn Radler und seiner Frau hingenommen, wie sich das für einen jungen Menschen gehört. Er hat auch gern gearbeitet und Freude an der Arbeit gehabt bis zuletzt. Wenn jetzt Kinder aus anderen Ständen in den Bauernberuf gehen, dann sollten die Bauern mehr Verständnis dafür haben, daß sie keine Bauernkinder vor sich haben, sondern aus Familien Söhne anvertraut erhalten, die aus Jahren geringerer Ernährung und dadurch geringerer Kraft kommen. Mein Sohn ist groß und stark und seit 5 Jahren nicht krank gewesen und ganz gesund zu Herrn Radler gekommen. Ich habe mir erlaubt, Ihnen diesen Bericht zu geben in dem Vertrauen, daß Sie meine Lage als Vater verstehen werden. Mit deutschem Gruß! Ihr ergebener (Unterschrift Ziegner) …«³ Kein Gymnasium mehr, aber zu Hause von Mutter Helene wieder gesund gepflegt. Rechtzeitig wieder auf den Füßen, um das Winterhalbjahr auf der Landwirtschaftsschule Gotha zu verbringen.

    Thorn/Danzig (Westpreußen)

    Doch schon am 14.02.1944 wird Christoph Ziegner zum Reichsarbeitsdienst nach Danzig/Westpreußen »eingezogen«. Hier im Arbeitslager hat er durch die schlechten Bedingungen einen heftigen gesundheitlichen Rückfall. Er schreibt an die Eltern: »… Entschuldigt bitte meine schlechte Schrift, aber in den letzten Tagen geht es mir sauschlecht. Durch die fortwährenden Spritzen, die man hier bekommt, hat man Kopfschmerzen. Halsschmerzen haben wir alle. Und auch der Rheumatismus macht sich bemerkbar … Draußen ist ein Sauwetter, kalt und ein ziemlicher Schneesturm …«

    Bild 2 Morgenappell im Lager Thorn / Westpreußen 1944 (Originalaufnahme)

    Am 25.04.1944 ist der Reichsarbeitsdienst abgeschlossen und es geht wieder nach Hause, wo sich Christoph erst einmal wieder auskurieren muss. Dr. Pudor, Hausarzt in Warza, schreibt folgendes Gutachten: »Chr.⁵ Ziegner hat heute seine Einberufung zum Wehrdienst erhalten. Da er z. Zt. bettlägerig ist, kann er dieser Einberufung nicht Folge leisten. Im Jahr 43 hat Z.⁶ einen schweren Gelenkrheumatismus durchgemacht. Danach trat zunächst ein leichtes Vitium⁷ in Form einer Insuffizienz⁸ der Aortenklappe auf. Durch die Ableistung des Arbeitsdienstes hat sich dieser Herzfehler erheblich verschlechtert. Es besteht jetzt ein lautes blasendes Geräusch über der Herzspitze und über der Aorta. Die Herzaktion ist beschleunigt. Die Röntgenaufnahme vom 17.5.1944 ergab: flachliegendes aortenkonfiguriertes Herz mit Erweiterung nach beiden Seiten, besonders nach links, während der rechte Vorhof sich kaum hebt. Auch die Aorta ist für den jungen Menschen auffallend weit. Nach diesem Untersuchungsbefund halte ich Z.⁹, der z. Zt. mit Fieber im Bett liegt, zunächst überhaupt nicht wehrdienstfähig. Ich bitte deswegen um eine Nachmusterung. Warza, den 20. Mai 1944, gez. Dr. Pudor«.¹⁰ Vater Oskar Ziegner versucht jetzt eine anerkannte Dienstbeschädigung zu erreichen. Er schreibt an den Führer des Arbeitsgaues des Reichsarbeitsdienstes in Danzig: »… Mein Sohn Christoph Ziegner (geb. 27.12.1926) erkrankte im September 1943 in seiner landwirtschaftlichen Lehrstelle an Gelenkrheumatismus. Anfang Dezember war er wieder in der Lage, die landwirtschaftliche Winterschule in Gotha zu besuchen. Auf die Lehrstelle konnte er noch nicht zurück. Als er Anfang Januar 44 zum Reichsarbeitsdienst eingezogen werden sollte, stellte der Arzt eine Bescheinigung aus, daß er noch Schonzeit benötigte. Anfang Februar wurde er ohne ganz genesen zu sein zum Reichsarbeitsdienst nach Schmolln bei Thorn, Lager 2 / 26, eingezogen. Ende März bekam er vereiterte Mandeln, die ihm der Arzt schneiden mußte. Am 25.4. wurde er entlassen. Nach kurzem Aufenthalt zu Haus erkrankte er von neuem. Der Arzt stellte eine Verschlechterung seines Herzfehlers fest. Der Einberufung zum Wehrdienst am 24.5.

    Bild 3 Obstgut Neufrankenroda, Fliegeraufnahme 1931 (Festschrift: »50 Jahre Friedrichswerther Tier- und Pflanzenzucht «, 1935, S. 11)

    Bild 4 Domäne Neufrankenroda, Gebäude um 1945

    konnte mein Sohn nicht Folge leisten. Mein Sohn hat sich die Verschlimmerung seines Herzfehlers im RAD¹¹ zugezogen, zu dem er eingezogen worden ist, ohne daß er sich von seinem Gelenkrheumatismus und dem in seiner Folge entstandenen Herzfehlers hatte erholen können. Ein ärztliches Gutachten mit Röntgenaufnahmeergebnis lege ich anbei. Ich beantrage hiermit die Einleitung eines Verfahrens, das die Dienstbeschädigung meines Sohnes in der Zeit seines Arbeitsdienstes feststellt. Ferner bitte ich darum, daß der Reichsarbeitsdienst meinem Sohn zu rechter Behandlung und Ausheilung verhilft. Heil Hitler! …«¹² In den Unterlagen findet sich eine Anerkennung der Dienstbeschädigung sowie einen Anspruch auf Versehrtengeld in Höhe von monatlich 15,00 Reichsmark. Zumindestens wurde dies bis 31.12.1944 ausgezahlt. Nach der Genesung in Warza versuchte Christoph Ziegner eine Höhere Landbauschule zu besuchen, was ihm aber wegen seiner zu geringen praktischen Vorbildung an mehreren Landwirtschaftsschulen nicht ermöglicht wurde. So griff Oskar Ziegner wahrscheinlich auf sein Netzwerk als Pfarrer von Warza und in Vertretung für Metebach/Neufrankenroda zurück und schaffte es, dass Sohn Christoph ab 01. November 1944 als Verwalter auf der Wirtschaft Neufrankenroda tätig werden konnte. Neufrankenroda war mit 1000 Morgen ein Nebenbetrieb der Saatzuchtwirtschaft Eduard Meyer, Friedrichswerth. Die Zeit in Neufrankenroda hat nicht nur Christoph Ziegner für sein ganzes weitere Leben geprägt, sondern auch über Jahrzehnte das Erzählen über diese Zeit in der Familie Ziegner.


    1 Auszug Postkarte nach Hause, 07.04.1943

    2 Auszug aus einem Brief nach Hause, 09.04.1943

    3 Brief Oskar Ziegner an Dr. Schmidt, betr. Landwirtschaftliche Lehrlingsstelle bei Bauer Radler, Zottelstedt; 08.10.1943

    4 Auszug Brief vom Reichsarbeitsdienst nach Hause, 15.03.1944

    5 Christoph

    6 Ziegner

    7 organischer Fehler oder Defekt

    8 Schwäche

    9 Ziegner

    10 Gutachten Dr. Pudor, Warza, 20.05.1944

    11 Reichsarbeitsdienst

    12 Auszug Brief Oskar Ziegner, 24.05.1944

    2. Domäne Neufrankenroda

    Christoph Ziegner schreibt 1948 rückblickend: »… Die Domäne Neufrankenroda umfaßt ca. 1150 Acker, davon 850 unter dem Pflug und 300 Obstplantagen. Sie war ein sehr alter Staatsbesitz. In früheren Jahren hatte ein Herzog schon einmal den Versuch unternommen, das Land der Domäne an Bauern zu vergeben. Aus herzoglichen Kassen wurden diesen »Neubauern« noch ein Zuschuß gewährt, jedoch bald verließen sie den Besitz wieder. Aus dem Boden war mit den damaligen Ackergeräten nicht genug herauszuholen. Der Boden Neufrankenrodas ist Lehm, lehmiger Ton und Ton, ein sogenannter Fünfminutenboden. Die Domäne liegt auf einer Anhöhe zwischen dem Nessetal und der Landstraße Gotha–Eisenach. Die Höhe dieses Bergrückens beträgt 390 Meter an seiner höchsten Stelle, auf der sogenannten Weingärtnerhöhe. Die Fluren Neufrankenrodas grenzen im Norden und Osten an die Ländereien des Dorfes Weingarten, im Süden an die des Dorfes Sonneborn, im Südwesten an die Metebachs und im Westen an die des Dorfes Teutleben. Seine Fluren stellen also einen zusammenhängenden Besitz dar, in dem Gut und Arbeiterwohnungen ziemlich zentral gelegen sind.

    Bild 5 Obstbaumanpflanzungen, Gut Neufrankenroda

    Die Domäne wurde Ende vorigen Jahrhunderts von dem späteren Domänenrat Dr. h. c. Eduard Meyer¹³ als Vorwerk zur Wirtschaft Friedrichswerth betrachtet. Der Domänenrat, der ein fabelhafter Bauer, Kaufmann und Landwirt gewesen war, erkannte sofort, wie Neufrankenroda am besten zu nutzen wäre. Er beobachtete, daß auf dieser Höhe einige sehr gut entwickelte Obstbäume standen. Also mußte auch Obst in größerer Menge günstige Bedingungen haben. Die schlechtesten Böden an den Nordhängen und Osthängen wurden nun mit Obstbäumen bepflanzt. In den Jahren 1900 bis 1904 entstanden so die Hauptplantagen.

    Bei dem großen Aufschwung, den die »Firma Meyer« in den nächsten Jahren nahm, durch Züchtung des deutschen Edelschweines, Züchtungen von Wintergerste, Rübensamen und Bergviehbonen, wurden noch mehrere Güter dazugepachtet. Der Wunsch des Domänenrats (Eduard Meyer), Friedrichswerth und Neufrankenroda vom Staat als Privatbesitz zu erwerben, wurde von dem damaligen Landtag abgelehnt. So erwarb er sich das Gut Schwöbber, bei Hameln gelegen, als Familienbesitz. Die Firma Meyer war allerdings so fest mit den beiden Staatsgütern verwachsen, daß der Staat bei einer Kündigung von seiner Seite aus nur mit Verlusten zu rechnen hatte. Die Obstplantagen, die eine Höchstzahl von etwa 20.000 Bäumen erreicht hatten, mußten vom Staat bei einer Kündigung laut Vertrag einzeln bezahlt werden. Durch die Bodenreform vom September 1945 hat sich der Staat dann dieser Verpflichtung vorläufig entzogen, jedoch wird er an einem späteren Zeitpunkt auch diese Angelegenheit rechtlich in Ordnung bringen müssen.

    Als der Domänenrat Eduard Meyer im Jahre 1931 starb, wurden die Besitzungen und Pachtungen unter seine beiden Söhne zur Verwaltung verteilt. Herr Alfred Meyer bekam das Familiengut Schwöbber, Herr Rudolf Meyer¹⁴, angesprochen als »Herr Rittmeister«, die Wirtschaften in Thüringen. Es gehörten damals noch dazu Döllstedt mit 1550 Viertelhektar, Wangenheim mit 1350 Viertelhektar, Sonneborn mit 900 Viertelhektar, Friedrichswerth mit 850 Viertelhektar und Neufrankenroda mit 1000 Viertelhektar. Friedrichswerth und Neufrankenroda waren Staatsbesitz, Sonneborn und Wangenheim, Besitz der Freiherren von Wangenheim und Döllstädt, herzoglicher Besitz. Auf der Hauptwirtschaft in Friedrichswerth wohnte Herr Rittmeister Meyer. Diese ganze Gütergemeinschaft war nun in erster Linie darauf ausgerichtet, als Saatgutvermehrungsstellen die Züchtungen Friedrichswerths: Friedrichswerther Berg-Wintergerste, Friedrichswerther Zuckerwalze, eine Gehaltsrübe, und die Friedrichswerther Bergviehbohne zu vermehren. Die vormals so berühmt und bekannt gewordene Friedrichswerther Edelschweinzucht war in den letzten Jahrzehnten ziemlich zurückgegangen.

    Diesem Hauptzweck: Erzeugung des Elitesaatgutes in bester Form, waren alle Wirtschaften untergeordnet. Die anderen Wirtschaftszweige traten demgegenüber zurück. Die Viehhaltung diente lediglich zum Zwecke der Misterzeugung. Milchviehherden waren in Neufrankenroda, Sonneborn, Wangenheim und Döllstedt. In Friedrichswerth wurde nur das Jungvieh aufgezogen und kam vor dem Kalben auf die Wirtschaften zurück. Schafherden waren in Neufrankenroda, Sonneborn und Wangenheim, Schweinehaltung nur in Friedrichswerth, Wangenheim und Döllstädt. Die gesamte Verwaltung, wie Buchführung, Abrechnung, Ankauf, Verkauf, Lohn usw. wurde zentral von Friedrichswerth gemacht. Hier war ein größerer Stab von Verwaltungsleuten und Beamten, während auf den Gütern nur je ein Inspektor und ein Verwalter waren. Ebenso befand sich in Friedrichswerth die gesamte Saatzucht mit Versuchsfeldern und einem Saatzuchtleiter.

    Bild 6 Traktor »Lanz Bulldog« (1931 Feldarbeit, 1945 Neufrankenroda

    Bild 7 Baumpflege Gut Neufrankenroda (Festschrift: »50 Jahre Friedrichswerther Tier- und Pflanzenzucht«, 1935, S. 27)

    Den schlechtesten Boden von diesen ganzen 5 Betrieben hatte Neufrankenroda, trotzdem brachte es in späteren Jahren bei einer guten Obsternte mehr ein als jedes der anderen Güter, auch als Döllstedt, das den weitaus besten Boden besaß.

    Vorstellung im Hause Teichmann

    Am 27.10.1944 war es so weit, ich sollte, kaum von meiner Krankheit genesen, als Verwalter zur

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1