Holzhausen am Hünstein - Ein Dorf lädt sich Gäste ein: 2. Teil: Ein Dorf setzt sich zur Wehr
Von Fritz Runzheimer
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Über dieses E-Book
Fritz Runzheimer
Der Autor Fritz Runzheimer übernahm nach der Gebietsreform 1974, ehrenamtliche Tätigkeiten für die neue gegründete Großgemeinde Dautphetal. In den Jahren 1975 bis 1989 war er ehrenamtlicher Beauftragter für den Fremdenverkehr. Darüber hinaus hat er sich im Bereich der Dorfverschönerung besondere Verdienste erworben. Neben seiner tatkräftigen Mitwirkung haben seine Ideen motorisch auf die Entwicklung gewirkt, die 1974 als Landessieger und 1975 ihren Höhepunkt mit dem Bundessieger im Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ fand. Sein Engagement für die Dorfverschönerung und den Fremdenverkehr hat über weite Strecken hinweg den Grad einer ehrenamtlichen Tätigkeit überschritten. Auf Grund seiner hohen Sachkompetenz wurde sein Rat auch über Gemeindegrenzen hinweg gern in Anspruch genommen. Im Vorstand des Fremdenverkehrsverbandes Marburg-Biedenkopf hat er nachhaltig zur Entwicklung des Fremdenverkehrs beigetragen.“
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Buchvorschau
Holzhausen am Hünstein - Ein Dorf lädt sich Gäste ein - Fritz Runzheimer
Linde
1. Kapitel
Die ersten 200 Gäste kamen 1936 nach Holzhausen am Hünstein
…für jeden Gau ein Musterdorf
Presseberichte: „ Der Fremdenverkehr" 1936
Aufgabe erkannt und rücksichtslos in Angriff genommen
Holzhausen im Gau Hessen-Nassau wird eines der ersten sieben Musterdörfer in Deutschland
Woher kamen aber die ersten Gäste?
Die Nazipropaganda sorgte für den ersten Aufschwung im Fremdenverkehr
Die Werbung der Nationalsozialisten
Das Erbe der Nazizeit
Aus der Presse 1936: Die deutsche Fremdenverkehrswerbung und „Fünf Minuten Schulung"
Ludwig Damm, Bürgermeister und Kratzputzmeister
Der Krieg beendete den gerade begonnen Aufschwung des Fremdenverkehrs
Die ersten 200 Kurgäste kamen 1936 nach Holzhausen am Hünstein
So ist es in vielen Publikationen der vergangenen Jahrzehnte nachzulesen. Die Entwicklung des Fremdenverkehrs in Holzhausen am Hünstein begann mit einem Paukenschlag: Wie aus heiterem Himmel tauchten plötzlich 200 Gäste in Holzhausen auf! Die Verfasser dieser Veröffentlichungen über den Beginn des Fremdenverkehrs, sind die Erklärung immer schuldig geblieben; wo ausgerechnet, in einer Zeit von hoher Arbeitslosigkeit und verbreiteter großer Armut in der Bevölkerung, kommen plötzlich „scharenweise" die Gäste her? Wer hat sie angeworben?
Geld für große Werbeaktionen, mit den dafür erforderlichen Werbemitteln, war nicht vorhanden. Ein Werbeprospekt aus dieser Zeit ist nirgendwo aufgetaucht.
200 Gäste sind kein Pappenstiel - und rein zufällig, sind sie mit größter Wahrscheinlichkeit auch nicht nach Holzhausen gekommen.
Das berechtigt zu Vermutungen: Wollte man es nicht an die große Glocke hängen, wer und was den Gästeansturm auslöste? Die Erklärung des „Gästeansturmes" ist bei Kenntnis der politischen Ereignisse dieser Zeit, in die Holzhausen in besonderer Weise verwickelt war, leicht nachzuvollziehen.
Die Nationalsozialisten waren inzwischen an die Macht gekommen und der Größenwahnsinn hatte seinen Lauf genommen. Die ersten „vorbildlichen deutschen Dörfer" waren ausgesucht und Holzhausen war dabei.
Für jeden Gau ein Musterdorf
Die ersten sieben Gaumusterdörfer in Deutschland:
Groß-Schauen, Gau Kurmark
Wildflecken, in der Rhön
Holzhausen, Gau Hessen-Nassau
Wollseifen, Gau Köln-Aachen
Hermeskeil, im Hunsrück, Landkreis Trier
Trautenstein, im Harz
Bödefeld, in Südwestfalen (Sauerland)
Die Amtlichen Bekanntmachungen, im Zusammenhang mit der Ernennung zum Gaumusterdorf wurden im Parteiorgan, „Der Fremdenverkehr", am 18. Juli 1936, im ganzen Deutschen Reich verbreitet.
Gaumusterdorf - Vorzeigedorf für die Olympischen Gäste 1936
Aufgabe erkannt und rücksichtslos in Angriff genommen!
Der Größenwahn der Nazis macht auch vor dem kleinsten Dorf nicht halt.
„Die deutschen Dörfer, die schönsten der Welt. Mit dieser grenzenlosen Überheblichkeit sollten die ausländischen Gäste als Besucher der Olympiade 1936 beeindruckt und von der neu erweckten Schaffenskraft des deutschen Volkes überzeugt werden, so wollte es die Propaganda der Nationalsozialisten. Das Amt „Schönheit der Arbeit
in der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude, wurde kurzerhand beauftragt, über alle Dienststellen des Staates zur „Verschönerung des Deutschen Dorfes
auf zu rufen.
Aufgabe erkannt - und rücksichtslos in Angriff genommen!
Unter diesem Motto wurde die Dorfverschönerung der Nazis den Dörfern und der Bevölkerung befohlen.
Holzhausen, im Gau Hessen-Nassau, wird eines der sieben ersten Musterdörfer in Deutschland.
Von der Naziobrigkeit als Vorzeigedorf für die Olympiagäste 1936 in Berlin und Garmisch-Partenkirchen auserwählt.
Nicht durch einen Wettbewerb, sondern „ausgesucht und herausgestellt" durch Naziobrigkeit. Ein schönes sauberes Dorf sollte es sein, dem Idealbild des deutschen Dorfes soweit es irgend geht entsprechend. Holzhausen war ein solches Dorf, das sich durch seine Lage, abseits von Hauptverkehrsstraßen und einem schönem, sauberen Ortsbild, geprägt durch die Fachwerkhäuser mit Kratzputz, von anderen Dörfern im weiten Umfeld deutlich absetzte. Das neu erbaute Waldschwimmbad war ein besonderes Kleinod und lockte viele Gäste aus der Umgebung an.
In einer Zeit, von wirtschaftlicher Not und hoher Arbeitslosigkeit geprägt, war die Dorfverschönerung einzige Perspektive mit Hoffnung auf Arbeit und Brot. Den nationalistischen Hintergrund dieser unfreiwilligen Dorfverschönerung hat die Bevölkerung nicht davon abgehalten, mit großem Einsatz für ihr Dorf zu arbeiten. Davon war selbst Gauleiter Sprenger so beeindruckt, dass er in seiner Festrede 1939, im Rahmen der Feierlichkeiten anlässlich der Verleihung des Titels „Gaumusterdorf", den besonders ausgeprägten Gemeinschaftsgeist der Bevölkerung herausstellte. Von überall hagelte es Lob und Anerkennung für die geleistete Arbeit und das tat der geschundenen Seele gut. Die Bürger waren voller Stolz auf ihr verschönertes Dorf und die Sorgen des Alltags konnten für kurze Zeit verdrängt werden.
Woher kamen aber die ersten Gäste?
Bei realistischer Betrachtung, es gab bis zu diesem Zeitpunkt keine kontinuierliche Fremdenverkehrswerbung von Betrieben oder wie ein paar Jahrzehnte später, Werbung durch einen Verein. Wer konnte sich schon Werbung leisten, mit der auch erst nach Jahren kleine Erfolge zu erzielen waren. Die Fremdenverkehrswerbung für Holzhausen bestand vorwiegend aus der Mund zu Mund Propaganda, die aber erfahrungsgemäß nur Erfolge in kleinen Schritten ermöglichte.
Es ist mit großer Sicherheit davon auszugehen, dass viele Besucher im Zusammenhang mit der Ernennung zum Gaumusterdorf, aus dienstlicher Verpflichtung, nach Holzhausen kamen.
Die Nationalsozialisten waren von außergewöhnlicher Gründlichkeit und überließen nichts dem Zufall. Nachdem in jedem Gau ein Musterdorf „herausgestellt" wurde, übernahm das Presseamt des Reichsfremdenverkehrsverbandes die Verbreitungspropaganda. Es wurden keine branchenüblichen Erwartungen formuliert, sondern klar und deutlich in der obligatorischen Überheblichkeit, die Feststellung getroffen:
„…Diese Verschönerung des Deutschen Dorfes gewinnt im Olympia-Jahr insofern Bedeutung, als dafür gesorgt worden ist, möglichst vielen ausländischen Gästen diese vorbildlichen deutschen Dörfer zu zeigen."
Weiter heißt es im Text der „Amtlichen Bekanntmachungen":
„Wie jetzt mitgeteilt wird, hat auch die Organisationsleitung des Weltkongresses für Freizeit und Erholung den Entschluss gefasst, den ausländischen Teilnehmern des Kongresses Fahrten zu den deutschen Musterdörfern zu ermöglichen."
(siehe Ausschnittvergrößerung Zeitung „DER FREMDENVERKEHR")
200 Gäste, die wahrscheinlich mehrere Tage in Holzhausen blieben, brachten der Bevölkerung zusätzliche Einnahmen. Es blieb nicht bei den 200 Gästen pro Jahr. Die Gästezahl stieg kontinuierlich und erreichte den höchsten Stand vor dem 2. Weltkrieg 1939, mit 628 Gästen. Im „Krönungsjahr" zum Gaumusterdorf hatte sich die Zahl der Gäste bereits verdreifacht. Die Feierlichkeiten waren ein Großereignis in dieser Zeit, das viele Gäste aus nah und fern anlockte.
In dieser, von der Arbeitslosigkeit geprägten Zeit, wurde der Fremdenverkehr zum Hoffnungsträger der vorhandenen dörflichen Gastronomie. Die Unterbringung der Gäste eröffnete eine zusätzliche Erwerbsmöglichkeit, nicht nur für die Gasthöfe, sondern auch die privaten Hausbesitzer. Mit dem Gästezimmer ließen sich leicht „über Nacht", ein paar Mark hinzuverdienen.
Schon damals sehr bekannt, war das Hotel Schmidt in der Teichstrasse. Mit eigener Metzgerei und einem Gasthof hatte es einen guten Ruf, und mancher Reisende scheute keinen Umweg um dort einzukehren. Es kamen immer mehr Gäste, die in dem schönen Dorf mit seiner bürgerlichen Gastronomie, den aufgeschlossenen Leuten und der waldreichen Mittelgebirgslandschaft, Erholung suchten. Es war ein beispielhafter Start in einen neuen Wirtschaftszweig, der vielen Bürgern ein zusätzliches Einkommen ermöglichte.
Die Nazipropaganda sorgte für den ersten Aufschwung im Fremdenverkehr
Auszüge aus dem Parteiorgan
„ Der Fremdenverkehr" Nr.12, 1936
„Das Dritte Reich sieht im wachsenden Fremdenverkehr einen Faktor von allergrößter Bedeutung"
Der Magnet Deutschland
„Nun ist jenseits aller Politik nicht zu leugnen, dass Deutschland noch immer ein magnetisches Reiseland geblieben ist,
Ja, es ist dies heute noch mehr als früher; denn das dritte Reich steht nun einmal im Mittelpunkt des internationalen Interesses.
…niemand wird leugnen können, dass hier Dinge vor sich gehen, die eine Studienreise verlohnen und über die man auf Grund der Zeitungsartikel nicht ausschließlich urteilen kann."
Die Werbung der Nationalsozialisten:
Von den zahlreichen Sonderschriften erschienen für die Olympischen Spiele:
3 Millionen Werbehefte in 14 Sprachen,
dazu 2,5 Millionen Olympiastreublätter in 15 Sprachen.
1 Million Plakate in Vielfarben- und Kupfertiefdruck, dazu Abertausende von Photos in allen Größen.
Aufgespießt aus der Presse 1936
Fortsetzung
Oberstes Organ für alle amtlichen Nachrichten, Anordnungen, Werbung und wirtschaftliche Organisation des Fremdenverkehrs, war der Reichsfremdenverkehrsverband dessen Präsident war von Heilingbrunner.
Dieser Präsident verbot erst einmal jegliche Werbung die nicht vom Reichsfremdenverkehrsverband genehmigt war. Für bereits vorhandene und im Umlauf befindliche Werbung wurde eine Ausgabesperre verhängt.
In Kurzeitschriften durften keine Anzeigen aufgenommen werden, die aber zur Finanzierung benötigt wurden.
Anmerkung: (Diese Finanzierung verstößt gegen die 10. Bekanntmachung des Werberates der deutschen Wirtschaft)
Und die wurde von den NS zur Durchsetzung ihrer Interessen eigens verfasst! Siehe Zeitungsausschnitt - Anordnung Nr.: 14
Umso erstaunlicher war es, dass 1936 in großem Umfang in allen größeren Städten Westdeutschlands, vor allem aber, in den Reisebüros des Ruhrgebietes, mit einer bebilderten Werbeschrift des „schönen Luftkur- und Bergwaldortes" Holzhausen geworben wurde.
Es war die Nazipropaganda die dafür sorgte, dass die auserwählten deutschen Dörfer ihre verdienten Besucher bekamen. Niemand konnte sich dieser Werbung entziehen. Ob im Reisebüro, Kino, oder als Fahrgast im Zug, auf Schiffen, die Werbung für die Olympiade war allgegenwärtig. Die ganze Welt sollte sehen, wozu Nazi-Deutschland fähig war. Irgendwo, am Rande dieser Präsentationen für Olympia, spielten die Gaumusterdörfer eine beachtliche Nebenrolle.
Mit der ersten öffentlichen Erwähnung der ausgesuchten Gaumusterdörfer im amtlichen Parteiorgan „Der Fremdenverkehr", wurden die Bürgermeister der sieben Dörfer aufgefordert Werbematerial an das Presseamt des Reichsfremdenverkehrsverbandes zu schicken.
Der Originaltext lautete:
Das Presseamt des Reichsfremdenverkehrsverbandes hat die Bürgermeister der sieben zu Musterdörfern erklärten Gemeinden um Bildmaterial zu diesem Aufsatz gebeten, damit gezeigt werden kann, in welcher Weise sich selbst kleinste Gemeinwesen der Verschönerung ihres Ortes annehmen.
Dieses angeforderte Bildmaterial wurde benötigt, um die Werbeschriften zu fertigen, die dann in Reisebüros der Städte ausgelegt werden mussten. Es ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass die Texte in den Werbeschriften von dem Presseamt des Reichsfremdenverkehrsverbandes gefertigt wurden und mit der üblichen Propaganda durchsetzt waren. Auffällig war, dass die Bürgermeister nicht aufgefordert waren Beschreibungen zu liefern.
Nachdem Holzhausen als Musterdorf erkoren war, wurde Bürgermeister Damm aufgefordert Vorschläge zur Ortsbildverbesserung einzubringen, die bei dem Amt „Schönheit der Arbeit in der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude
Akzeptanz finden mussten. Bürgermeister Damm fertigte eine Aufstellung über alle Häuser und Betriebe des Dorfes mit Verschönerungsvorschlägen, die auch den Blumenschmuck und die Bepflanzung des Grundstückes mit beinhalteten. Die Vorschläge von Bürgermeister Damm waren sehr fachmännisch und hätten auch in der späteren Dorfverschönerung der Sechziger- und Siebziger-Jahre ohne Einschränkung Anwendung finden können.
(Die säuberlich geführte Aufstellung, grün eingebunden, wurde beim Abriss des alten Rathauses, auf dem Speicher gefunden)
Bei einigen Haus- und Grundstücksbesitzern, musste der Bürgermeister sehr deutlich werden, damit seine Verschönerungsaufforderung Gehör fand. Besonders ärgerlich war er über die Unordnung auf einem Zimmerplatz am Ortseingang. Er kommentierte diesen Zustand im Bericht: „Der erste Eindruck wenn man in ein Dorf kommt ist besonders wichtig und fügte ärgerlich hinzu: „Die Unordnung ist eine Schande für das ganze Dorf.
An anderer Stelle verlieh er seiner Aufforderung zur Verschönerung Nachdruck mit dem Hinweis: „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg." Bürgermeister Damm war in jeder Beziehung ein vorbildliches Gemeindeoberhaupt -handwerklich ein Fachmann, zielstrebig und klug und mit entsprechendem Durchsetzungsvermögen ausgestattet - der richtige Mann in einer schweren notvollen Zeit.
Das Erbe der Nazizeit
Hat das Dorf am Ende profitiert von den Ereignissen in Nazideutschland? Was ist hängen geblieben und Jahrzehnte danach noch als positive Erfahrung zu verbuchen? Ist es nur die Erfahrung im Umgang mit Wettbewerben, auch wenn sie nicht auf freiwilliger Basis erfolgten? Das gute Erbe sind das Erscheinungsbild des Dorfes, das noch aus dieser Zeit positiv geprägt ist und der alles überragende Gemeinschaftsgeist der Bevölkerung.
Das Erbe der Nazis für unser Dorf ist gar nicht so negativ einzuordnen, könnte man meinen, wenn da nicht noch die andere Seite der Medaille wäre. Die Wahnsinnsvorstellung der Nazis ging noch einen Schritt weiter, das schöne Dorf war ihnen nicht genug: „Musterdorf in jeder Beziehung" - mit „germanisch-deutschen Menschen, dessen wesentliche Charaktermerkmale Schönheitsbedürfnis und Schönheitsempfinden sind; sie bedeuten für ihn Lebensfreude, Lebenswillen und Lebenskraft."
Ein Musterdorf durchbilden, lautete die feine Umschreibung der Aufgabe für die nächsten Jahre nach 1936. Ist Holzhausen davon verschont geblieben? Kein „Durchbilden" mit oder auch ohne Druck für die Bürger?
Ludwig Damm, Bürgermeister und Kratzputzmeister…
…mit einer unglaublich langen Amtszeit: von 1924 bis 1945 und dann nach dem zweiten Weltkrieg von 1949 bis 1956, hatte in dieser schweren Zeit Verantwortung für die Bürger und das Dorf zu tragen. Als gewählter parteiloser Bürgermeister war er kein fanatischer Anhänger der Nationalsozialisten, wurde aber von diesen als Amtsträger geduldet.
Früher als andere Bürgermeister hatte Damm erkannt, dass für verkehrsferne Gemeinden der Fremdenverkehr eine gute Nebeneinnahmequelle werden könnte, wenn die Gemeinde den Anforderungen der Reisenden gerecht würde.
Aus diesem Gedanken heraus entwickelte Damm den Plan, das Dorf gezielt zu verschönern. Die Bevölkerung war zunächst noch im Zweifel, sah aber rasch den Erfolg der Bemühungen und machte dann freudig bei der Umsetzung des Verschönerungsprogrammes mit. In seiner ersten Amtszeit nach der Wahl 1924, wurden nach dem Verlegen der Wasserleitung und dem Einbau der Kanalisation, die meisten Dorfstraßen, die bis dahin Feldwegen ähnelten, ausgebaut.
Später erfolgte der Ausbau der Straße nach Obereisenhausen. Um das Kriegerdenkmal wurde eine Anlage gestaltet und schließlich folgte der Bau des Waldschwimmbades - das erfolgreichste Unternehmen für die Entwicklung der Gemeinde zum Kurort. Die ersten stabilisierenden Auswirkungen dieser Entwicklung wurden bald spürbar. Die Sauberkeit und das stilvoll verschönerte Ortsbild mit seinen Fachwerkhäusern, viele davon mit Kratzputz in den Gefachen, fielen besonders den Fremden auf.
Der Weitblick von Bürgermeister Damm hatte dann fast zehn Jahre später dazu geführt, dass die damalige Obrigkeit Holzhausen für die Wahl zum Gaumusterdorf geeignet sah.
Der Krieg beendet den gerade begonnenen Aufschwung des Fremdenverkehrs
Die Nationalsozialisten hatten auf ihre Weise, geprägt von Größenwahn, („die deutschen Dörfer - die schönsten der Welt") zu dieser Entwicklung von Holzhausen beigetragen und ebenso unrühmlich den Niedergang des Fremdenverkehrs herbeigeführt, in dem sie den zweiten Weltkrieg vom Zaun brachen.
Von nur kurzer Dauer war die Hoffnung der Menschen auf ein besseres Leben.
Frohe Weihnachten 1939
Ohne Worte!
Titelseite der Berliner illustrierten Zeitung Dezember 1939
Aus der Berliner Illustrierten - Dezember 1939
Die von den Nationalsozialisten genehmigte Werbung - eine Verspottung der Menschheit!
Anmerkungen:
Der Krieg gegen die Polen hatte bereits begonnen, und die Massenermordung von Frauen und Kinder nahm seinen schrecklichen Verlauf! Die von den Nationalsozialisten genehmigte Werbung - eine Verspottung der Menschheit! Große Firmen wie Bayer Leverkusen konnten sich diesem Missbrauch nicht verschließen. Ihre Erzeugnisse dienten nicht nur dem Schutz des „kommenden Geschlechts, sie dienten auch der Vernichtung von „unwürdigen Leben
.
2. Kapitel:
Nach dem Krieg ein neuer Anfang, aber keine Gäste
Das Holzhäuser Wappen – seit 1951 amtlich
Jakob Fischbach, der Organisator des Festes, Pressebericht
Jakob Fischbach, der Hecht im Karpfenteich
1951 wurde in Holzhausen erstmals wieder gefeiert
In den Fünfziger-Jahren begann der wirtschaftliche Aufschwung
Mit zunehmenden Wohlstand erwachte die Reiselust
Auszüge aus dem Inhalt des Fremdenverkehrsförderungsplan des Landes
Prognose
Planungsgrundsätze
Prädikatisierung der Fremdenverkehrsorte
Land Hessen - Statistik
Nach dem Krieg – ein neuer Anfang aber keine Gäste
Nach Ende des Krieges standen erst einmal andere Probleme für die Menschen im Vordergrund: Arbeit und Brot.
Nach der Währungsreform war die Finanzkraft der Bürger auf ein Minimum gesunken. Zuverdienen war nun angesagt, um gesteckte Ziele verwirklichen zu können. Man begann in Heimarbeit zu stricken und wiederum andere verkauften die Strickwaren. Dies bot sich vor allem den saisonbedingten Arbeitslosen im Bauhandwerk als Nebenverdienst im Winterhalbjahr an. Nicht alle konnten in dieser Branche ihr zusätzlich notwendiges Geld verdienen. Nicht lange nach dem Krieg, schon Ende der Vierziger-Jahre besann man sich wieder auf den Fremdenverkehr als Nebenverdienst. Nur, wer konnte in dieser Zeit schon Urlaub machen? Hin und wieder kamen ein paar Gäste. Der Fremdenverkehr, schwächlich und ohne Organisation, erreichte nicht einmal Vorkriegsniveau.
Oberhessische Presse vom 23.März 1968
Seit 1951 amtlich
- pünktlich zur 700-Jahrefeier -
das offizielle Wappen von Holzhausen am Hünstein
Auch der Zusatz zum Ortsnamen:
„am Hünstein" wurde 1954 vom Hessischen Innenminister amtlich verliehen.
Auszug aus der Presse 1951
Jakob Fischbach
Vizebürgermeister
von Holzhausen am Hünstein
Der Ortslandwirt und Bauernverbandsvorsitzende, mit guten Beziehungen zu allen Dienst- und Behördenstellen, war als guter Organisator bekannt und wurde zum Geschäftsführer des Festausschusses zur Vorbereitung der 700-Jahrfeier 1951 gewählt.
Aus der Presse 1951
Jakob Fischbach, der Hecht im Karpfenteich
Er war die rechte Hand von Bürgermeister Damm und Allroundspieler in der Dorfgemeinschaft von Holzhausen. Dafür sei im Lob und Anerkennung gezollt, zumal er gesundheitlich allen Grund hätte, sich zurückzuziehen.
Erstaunlich – das muss einmal gesagt werden – ist das vielseitige Wissen dieses Mannes, der stets bestrebt ist, seine großen Kenntnisse im Umgang mit den Gesetzen und Verordnungen zu bereichern. Wie unerschrocken und zäh Jakob Fischbach ist, geht aus einer amüsanten Begebenheit hervor, die sich im Jahre 1932 in Berlin abspielte, als eine Hinterländer Kommission wegen der Auflösung des Kreises Biedenkopf ihr Veto einlegte. Damals wollte man die Vertreter des Hinterlandes nicht beim zuständigen Minister vorlassen. Da setzte sich der Holzhäuser Bauernvertreter breit und wuchtig auf den Polstersessel, zeigte seine schwieligen Fäuste und hob mit gewaltiger Stimme zu schimpfen an, dass dem Ministerialdirektor das Blut in den Adern gefror. Die Folge davon war, dass sich die Türen sofort öffneten.
Ein ebenfalls der Kommission angehöriger Hinterländer meinte, als man wieder in Biedenkopf angelangt war: „Aich doicht, de Fischbach laatscht em eene!"
1951 wurde in Holzhausen erstmals wieder groß gefeiert…
…das Dorf wurde 700 Jahre alt.
Die Oberhessische Presse schrieb in ihrem Bericht über die 700-Jahresfeier: „Unter großer Beteiligung der Hinterländer Bevölkerung aus nah und fern, verlief das Fest in glänzender Harmonie. Am Schluss des Artikels hieß es: „Immer neue Gäste und Besucher strömten auf den großräumigen Festplatz und in die Riesenzelte, die nicht alle Menschen aufnehmen konnten. Alles in allem: Frohsinn und ungeteilte Freude über den großartigen Verlauf des schönen Hinterländer Heimatfestes wollte kein Ende nehmen.
Das Fest war eine gute Werbung für Holzhausen, und die Aufmerksamkeit auf das schöne, herausgeputzte Dorf bescherte einen kleinen Aufschwung in der Gästestatistik.
In kleinen Schritten stiegen die Übernachtungszahlen, ohne dass der Fremdenverkehr eine bedeutsame Wirtschaftskraft wurde.
Werbung in der Presse für die 700-Jahrfeier in Holzhausen am Hünstein
Werbung in der Zeitung 1951
Festwagen mit Kratzputzhäuschen
In den Fünfziger-Jahren
begann der wirtschaftliche Aufschwung in Deutschland. Neue Häuser wurden gebaut, alte verschönert und auch die Gärten veränderten langsam ihr Erscheinungsbild. Wurden noch in den Jahren nach dem Krieg alle Flächen genutzt um Gemüse, Beeren und Obst anzubauen, um die Versorgung der Familie sicher zu stellen, so wurden jetzt wieder Vorgärten mit Blumenrabatten angelegt und die Nutzgärten wurden immer mehr hinter die Häuser verdrängt. Es gab nun alles zu kaufen; in den Geschäften waren die Regale gefüllt und die ersten Versandhauskataloge flatterten in die Häuser. Die Zeit der Entbehrung war nun endgültig vorbei.
Die meisten Menschen mussten nach dem Krieg sehr hart arbeiten, um ihre Existenz zu sichern und um vom beginnenden Wohlstand ein Stückchen abzubekommen. Arbeit gab es in Hülle und Fülle und jeder der arbeiten wollte, bekam auch eine Arbeitsstelle.
In den Fünfziger-Jahren wurde Deutschland wieder aufgebaut, die Kriegsschäden verschwanden immer mehr aus den Städtebildern.
Mit zunehmendem Wohlstand erwachte die Reiselust
Immer mehr Bürger fuhren in der Ferienzeit in Urlaub an die See oder in die Berge. Viele entdeckten auch wieder die schöne Mittelgebirgslandschaft als Reiseziel, die sich hervorragend zum Wandern und Erholen eignete. Auch in Holzhausen wollten wieder mehr Gäste ihren Urlaub verbringen.
In all den Jahren nach dem 2.Weltkrieg blieben die Gästezahlen, im Vergleich mit den Jahren 1936 bis 1939, immer unter Vorkriegsniveau. Für diese wenigen Gäste sorgten die Vermieter der Gästezimmer mehr oder weniger unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Das änderte sich nun schlagartig durch vermehrte Nachfrage und vor allem dadurch, dass in den Gemeindeparlamenten bis hinauf zur Landesregierung, Fremdenverkehrsförderung ein aktuelles Thema wurde.
Das hessische Kabinett beschloss in seiner Sitzung am 9. Oktober 1963 einen Fremdenverkehrsförderungsplan für das Land Hessen, der Bestandteil des großen Hessenplans war.
Auszüge aus dem Inhalt des Fremdenverkehrsförderungsplanes des Landes Hessen:
Der Fremdenverkehr im Lande Hessen ist zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig geworden. Für den regionalen Strukturausgleich kommt im wachsende Bedeutung zu. Zu seiner Weiterentwicklung beschließt das Kabinett einen Fremdenverkehrsförderungsplan. Dieser Plan umfasst einen Zeitraum von 12 Jahren. Für die Durchführung des Planes wird ein Betrag von 55.800.000 DM in