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Ich und der Arsch der Welt: Männertagebuch einer Patagonien-Radreise
Ich und der Arsch der Welt: Männertagebuch einer Patagonien-Radreise
Ich und der Arsch der Welt: Männertagebuch einer Patagonien-Radreise
eBook176 Seiten3 Stunden

Ich und der Arsch der Welt: Männertagebuch einer Patagonien-Radreise

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Über dieses E-Book

Das Tagebuch erzählt von meiner 3500 Kilometer langen Radreise durch Argentinien und Chile. Start der Tour war Malargüe, eine Kleinstadt im Süden der Provinz Mendoza. Die Route führte stets an den Anden entlang bis nach Ushuaia, die zu dieser Zeit offiziell südlichste Stadt der Welt – in Feuerland.

Aufgrund der geringen Bevölkerungsdichte in Argentinien, speziell in Patagonien, sind die Distanzen zwischen den Dörfern oder Städten sehr groß - man hat also viel Zeit zum Nachdenken.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum17. Feb. 2015
ISBN9783738693263
Ich und der Arsch der Welt: Männertagebuch einer Patagonien-Radreise
Autor

Sebastian Roach

Sebastian Roach, geb. 1978, ist Softwareentwickler und hat nichts mit Literatur oder dergleichen zu tun. Nach seinem Elektrotechnik-Studium fand er schnell einen Job in Argentinien und blieb dort mehr als drei Jahre lang. Vor seiner Rückkehr nach Deutschland machte er eine Radreise durch Patagonien und daraus entstand dieses Tagebuch.

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    Buchvorschau

    Ich und der Arsch der Welt - Sebastian Roach

    GESCHAH

    1. TAG: FR. 7.11.2008 – ALLER ANFANG IST SCHWER

    Dieser Tag hat mir gezeigt, was am Anfang einer großen Reise alles schief gehen kann. Ein kleines Kilometerschild direkt am Straßenrand neben der gemieteten Hütte zeigte: 2952 km. Kilometer Null bekam ich nie zu sehen.

    Mein Fahrrad wartete an diesem Morgen schon vor dem Haus. Es wollte gepackt und gefahren werden. „Superpoderosa": So nannte ich es, und es hatte somit den gleichen Namen wie das Motorrad, mit dem Che Guevara seine Südamerika-Tour machte.

    Mit viel Essen im Gepäck, am kompletten Fahrrad verteilten Trinkflaschen und einem überfüllten Einspur-Anhänger verabschiedete ich mich von Cristian. Cristian hat mich bis nach Malargüe begleitet. Die letzten zwei Nächte übernachteten wir in einer kleinen Hütte gleich neben der Ruta 40. Die Nacht zuvor betranken wir uns das letzte Mal und redeten über willige Frauen, die uns auf dem Weg zurück zur Hütte zufällig begegnen könnten. So wie in den letzten vier Jahren unserer Freundschaft kam es leider nicht dazu.

    Wir gingen zusammen auf die Straße und ich machte die erste Probefahrt. Das Hinterrad meines Trailers sei schräg. Scheiße! Das war sehr beunruhigend. „Fahr einfach los und denk’ nicht daran!", sagte mir Cristian. Das tat ich auch. Was muss Cristian wohl gedacht haben, als ich immer kleiner wurde und schließlich nicht mehr zu sehen war? Für mich fühlte es sich an, als ob ich aus einer Welt ausbrechen würde und in eine andere Welt eintauchte. Eine unbekannte Welt, in der ich in den ersten Minuten viel Spaß hatte. Doch das soll sich noch ändern!

    Es lag noch viel vor mir. Die ersten Kilometer gingen gut. Rechts von mir zeigten schneebedeckte Berge ihre prachtvolle Schönheit. Der Winter war noch nicht lange her. Um mich herum wucherten trockene Büsche die linkerhand im weiten Nichts endeten. Nach etwa 30 Kilometern kam die erste Steigung. Da ich vor der Reise nicht trainiert hatte, schob ich mein Fahrrad den Berg hinauf. Die Bergspitze schien sich nicht zu nähern, doch nach langen Qualen kam endlich die Abfahrt.

    Der Wind wurde stärker und stärker und blies mir ohne Pause Staub und Sand ins Gesicht. Die Straße war schon bei der Auffahrt nicht mehr geteert. Je weiter ich fuhr, desto stärker wurde der Wind. Der umher wirbelnde Sand tat weh auf der Haut. Ich fühlte mich, als wollte mich die Straße schmirgeln.

    Plötzlich bemerkte ich, wie mein Hinterrad immer schwammiger wurde. Irgendwas hat meinen Schlauch zerstochen. Schon beim Flicken wurde mir bewusst, dass der umherfliegende Sand nicht gut war! Es war unmöglich, den Sand von meinem neu eingesetzten Schlauch fernzuhalten, aber es blieb mir nichts anderes übrig. Während ich fluchend den Schlauch tauschte, hielt ein Auto neben mir an. Ich schämte mich in Grund und Boden. Wie konnte ich nur so eine Scheiße machen? Vielleicht war die Radtour auch ein großer Fehler! In dem Auto saß ein älteres Paar. Sie fragten, ob alles in Ordnung sei. Es muss nicht danach ausgesehen haben. „Nur ein platter Reifen", sagte ich. Das sei wohl Teil des Abenteuers, sagte mir der ältere Herr und schenkte mir ein paar frische Brötchen. Das war nett!

    Die Weiterfahrt bzw. das Weiterschieben war beinahe unmöglich. Ich musste mich oft bücken und blind mit dem Kopf nach unten weiterlaufen, damit mein Gesicht von den Sandkörnern geschützt und damit heile bleibt. Dabei fiel ich oft über mein Fahrrad und lag am Boden. Jedes Mal beim wieder Aufstehen schrie ich laut auf:

    Das macht doch verdammt nochmal keinen Spaß, so eine verdammte Scheiße!

    Ich weiß nicht, ob es Kilometer oder nur Meter waren, aber plötzlich erschien ein alter, verlassener Bauernhof am Straßenrand. Ich fuhr auf das Grundstück und legte mich dort in den Garten. Und siehe da: Windstille. Der ehemalige Besitzer hatte die Bäume so geschickt angeordnet, dass das gesamte Grundstück vom Wind verschont blieb. Die Bäume machten zwar einen Höllenlärm, aber ich konnte endlich wieder entspannen.

    Nach einiger Zeit raffte mich wieder auf und versuchte, die restlichen drei Kilometer bis nach Bardas Blancas, dem nächsten Dorf, zu fahren. Es kam mir vor, als müsste ich durch eine Mauer aus Wind und Sand. Es war unmöglich. Ich fuhr also wieder zurück zum Bauernhof. Schade, dass es dort niemand war. Ein bisschen Gesellschaft hätte ich gut gebrauchen können.

    Ich wollte schon mein Zelt aufbauen, als plötzlich ein Auto auf der Straße anhielt und dann in meine Richtung fuhr. Es saßen drei dunkelhäutige dunkle Gestalten drin, die mir anboten, mich mitzunehmen. Ich stutzte. Wenn man lange in Argentinien gewohnt hat, dort viel Zeitung liest und sich Horrorgeschichten von alten Omas anhört, bekommt man Angst vor dunklen Gestalten. So wie Internacional, Economia oder Nacional ist auch Inseguridad (die Unsicherheit) ein wichtiger Teil jeder Lokalzeitung in Mendoza. Der Chef einer der größten Zeitungen ist zudem noch der Besitzer einer der bekanntesten „barrios privados" (bewachte Wohnkomplexe) in Mendoza. Unsicherheit und Gewalt bringen Geld. Ich habe schon beinahe ein paranoides Verhalten bei den Einwohnern Mendozas beobachten können, obwohl unter Berücksichtigung der Einwohnerzahl der Stadt die Wahrscheinlichkeit, überfallen und dabei getötet zu werden, einem Lottogewinn gleicht. Betrunken Auto zu fahren stört jedoch dagegen fast niemanden, auch wenn die Gefahr dabei viel größer ist zu sterben oder Geld zu verlieren.

    Zurück zu meinem Problem: Die dunklen Gestalten im Auto vor mir. Kann es sein, dass mich der sogenannte „verdeckte Rassismus nun doch eingeholt hat? Kann es sein, dass ich Leute diskriminiere, nur weil sie dunkelhäutig sind? Ich sagte spontan „Nein.

    Das Argument, dass die Bäume bei dem starken Wind umfallen könnten, überzeugte mich dann allerdings. Ich packte das Fahrrad auf die Ladefläche des Pickups und sprang auf. Wir fuhren nach Bardas Blancas und luden zwei der drei dunklen Gestalten ab. Dann ging es weiter zum Haus des Fahrers. Und siehe da, der dunkle, gefährliche Mann bietet mir einen Schlafplatz bei sich zu Hause an. Wenn das die alte Oma von Nebenan wüsste, die immer über die „negros" lästerte. Anstatt mir was wegzunehmen, gab er mir zu Essen und zu Trinken. Die Dusche dürfe ich auch benutzen. Der Mann hieß José und war Straßenarbeiter bei einer Straßenbaufirma aus Buenos Aires. Er musste seine Arbeit abbrechen, weil der Wind zu stark wurde. Die Gastfreundschaft war überwältigend.

    Das einzige, was er mir nicht gab, war Mut zum Weiterfahren. Patagonien sei schrecklich. Viel Wind und immer kalt. Was soll´s. Mir blieb sowieso nichts anderes übrig, als weiter zu fahren. Die ganze Familie fuhr nach dem Essen nach Malargüe zum Einkaufen und ich durfte alleine im Haus bleiben. Was für ein Vertrauen! Ich duschte erst mal und flickte dann meinen Schlauch.

    Sie kamen erst wieder zurück, als ich schon im Schlafsack lag und über meine verrückte Radtour nachdachte. Ich hatte schon wieder keine Lust mehr.

    2. TAG: SA. 8.11.2008 – HALLO ANSPORN

    Nach dem Aufstehen waren alle Mitarbeiter von José um mich herum versammelt. Ich musste eine Frage nach der anderen beantworten. Letztendlich kamen alle zu dem Schluss, dass ich „loco" (also verrückt) sei. Das mag sein.

    Um neun Uhr ging es wieder los. Die ersten Kilometer hatte ich Rückenwind. Die Ruta 40 ging gemächlich an einem Fluss entlang. Einige Bäume und Pflanzen präsentierten ihr Dasein in vollster Pracht. Es war schön, mal wieder etwas Vegetation zu sehen.

    Nach etwa 40 Kilometern fand ich Unterschlupf – einen Schattenplatz neben einer Estancia (eine Art Bauernhof). Dort kochte ich Nudeln und versuchte, eine Siesta zu machen. Vergeblich! Ich war zu deprimiert. Mendoza und das bequeme Leben (Klimaanlage, Supermarkt um die Ecke, Internet,…) war plötzlich nicht mehr da. Ich musste damit erst wieder klar kommen. Als ich unter dem rauschenden Baum neben der Estancia saß, wusste ich jedoch nicht richtig, wo die Traurigkeit herkam. Eigentlich müsste ich glücklich sein, denn ich hatte ja, was ich wollte. Ich war es jedoch nicht.

    Um etwa 15 Uhr fuhr ich weiter. Die nächste Reifenpanne ließ nicht lange auf sich warten. Ich war gestern zu faul, den Mantel vom Sand zu befreien. Jetzt hatte ich den Scheiß. Der Wind erschwerte mir mal wieder das Flicken.

    Ein Auto hielt an und der Fahrer sagte, dass weiter hinten ein Franzose auf dem Fahrrad in meine Richtung fahre. Super! Ich konnte es kaum erwarten. Kurz nachdem der Reifen geflickt war, tauchte dieser dann wie aus dem Nichts hinter mir auf. In Quito (Ecuador) habe er seine Reise begonnen. Ich bombardierte ihn gleich mit tausend Fragen: Wie viele Schläuche hast du dabei? Was für einen Kocher hast du? Was für ein Zelt? Mit der Anzahl meiner Ersatzschläuche hätte ich ein Problem. Ich hätte nur zwei, er fünf. Braucht man das? Wir fuhren etwa 30 Kilometer zusammen. Dann verabschiedeten wir uns. Er war viel zu schnell für mich und ich wollte ihn nicht aufhalten. Vielleicht wollte er auch einfach nur vor meinen Fragen flüchten. Armer Junge!

    Da verschwand er am Horizont. Meine erste mentale Energiespritze. Ich hatte wieder Mut zum Weiterfahren und wusste nun, dass ich nicht alleine war auf der endlosen Straße. Auch einige Autofahrer, die ab und zu anhielten und fragten, ob alles in Ordnung sei, gaben mir das Gefühl, nicht alleine zu sein. Inmitten einer überwältigenden Vulkanlandschaft hatte ich meinen zweiten Platten und somit keinen Ersatzschlauch mehr. Ich hätte dem Franzosen einen abkaufen sollen.

    Ich fuhr noch insgesamt 80 Kilometer an diesem Tag. Die Straße war eine Mischung aus Asphalt und Erde und wurde zunehmend

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