Was für ein Theater: Für Fantasie, Ästhetik und Perfektion auf der Bühne, Effizienz hinter den Kulissen, und begeisterte Zuschauer im Saal
Von Rüdiger Benz
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Über dieses E-Book
Anhaltende Forderungen nach öffentlichen Geldern sind nur gerechtfertigt, wenn die subventionierten Theater ihre Mittel effektiv und transparent zum Nutzen der Gesellschaft einsetzen. Dazu bedarf es massiver struktureller, personeller, inhaltlicher und qualitativer Veränderungen an den öffentlichen Bühnen.
Das Buch basiert auf persönlichen Theater-Erfahrungen der letzten Jahre und ist eine Sammlung von Standpunkten und Überlegungen zu Lösungsansätzen.
Theater ums Theater - das muss sein!
Rüdiger Benz
Rüdiger Benz ist begeisterter Theaterbesucher und Theatermacher. Sein Studium zum Bachelor of Arts in Lichtgestaltung absolvierte er an der Bayerischen Theaterakademie im Prinzregententheater München. Er ist u. a. tätig als Lichtgestalter, Projektleiter, Regisseur oder Stage Manager. Aus den wechselnden Blickwinkeln dieser unterschiedlichen Tätigkeiten ist die Motivation für dieses Buch entstanden.
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Buchvorschau
Was für ein Theater - Rüdiger Benz
Inhaltsverzeichnis
Goethe unterhält sich
Vorspiel
Prolog
Vom Fürstentum ins 21. Jahrhundert
Repertoire? Ja, aber effizient!
Ein Qualitätsraster
Investment und gesellschaftliche Rendite
Publikum? Gefällt mir!
Konkurrenz wenn nötig, Kooperation wenn möglich
Klasse & Masse
Lichtgestaltung – Kunst & Handwerk
Personelle Entwicklung
Epilog
Anhang – Der Repertoire-Block-Ensuite-Betrieb
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass alle Personenbezeichnungen beide Geschlechter einschließen.
Goethe unterhält sich
„Sonntag, den 1. Mai 1825. […] Nichts, fuhr Goethe fort, ist für das Wohl eines Theaters gefährlicher, als wenn die Direktion so gestellt ist, daß eine größere oder geringere Einnahme der Kasse sie persönlich nicht weiter berührt, und sie in der sorglosen Gewissheit hinleben kann, daß dasjenige, was im Laufe des Jahres an der Einnahme der Theater-Kasse gefehlt hat, am Ende desselben aus irgendeiner anderen Quelle ersetzt wird. Es liegt einmal in der menschlichen Natur, daß sie leicht erschlafft, wenn persönliche Vorteile oder Nachteile sie nicht nötigen. Nun ist zwar nicht zu verlangen, daß ein Theater in einer Stadt wie Weimar sich selbst erhalten solle, und daß kein jährlicher Zuschuss aus der fürstlichen Kasse nötig sei. Allein es hat doch alles sein Ziel und seine Grenze, und einige tausend Taler jährlich mehr oder weniger sind doch keineswegs eine gleichgültige Sache, besonders da die geringere Einnahme und das Schlechterwerden des Theaters natürliche Gefährten sind, und also nicht bloß das Geld verloren geht, sondern die Ehre zugleich."¹
¹ Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Band 3. Magdeburg 1848, S. 91f.
Vorspiel
Direktor:
Ihr beiden, die ihr mir so oft, In Not und Trübsal, beigestanden, Sagt, was ihr wohl in deutschen Landen Von unsrer Unternehmung hofft?
Diskussionen über künstlerisches Schaffen und volle Häuser sind so alt wie das Theater selbst. Es ist bekannt, dass Goethe in Weimar auch als Theaterdirektor arbeitete. Das Vorspiel zu seinem Faust lässt darauf schließen, wie er selber in der Funktion des Künstlers und Theaterchefs unterschiedliche Erfahrungen gemacht hat.
Das Vorspiel auf dem Theater² wird daher im Verlaufe der folgenden Texte mehrfach auszugsweise zu Beginn oder am Ende der Kapitel zitiert. Es unterhalten sich dort ein Theaterdirektor, ein Theaterdichter und eine Lustige Person – offensichtlich ein Darsteller oder ein begeisterter Zuschauer.
Dieses dem Faust vorangestellte Gespräch ist – nach rund 200 Jahren – immer noch ein passender Begleiter für die Überlegungen zur Erneuerung, Optimierung und Vernetzung der subventionierten deutschen Theaterlandschaft.
² Goethe, Johann Wolfgang von: Aus: Faust. Eine Tragödie. Tübingen 1808, S. 9 ff.
Prolog
Direktor:
Wie machen wir's, dass alles frisch und neu Und mit Bedeutung auch gefällig sei?
Wie viel Theater soll sich Deutschland leisten? In der Berliner Zeitung diagnostiziert Theaterkritiker Dirk Pilz, dass „das gesamte Stadttheatersystem wankt"³. Im Buch „Der Kulturinfarkt ⁴ fordern Dieter Haselbach, Armin Klein, Pius Knüsel und Stephan Opitz die Schließung der Hälfte aller Kulturbetriebe. Damit wollen sie gegen die „Auswüchse der Subventionskultur
zu Felde ziehen.
Es können jedoch nicht zu viele Theater da sein. Aber es kann sein, dass zu wenig Menschen ins Theater kommen und es damit obsolet machen. In der Regel sind die Gründe dafür nicht beim Publikum, sondern beim Theater selbst zu suchen.
„Zur Zukunftssicherung der Theaterlandschaft in Deutschland bedarf es einer kritischen Neubetrachtung, konzeptioneller Überlegungen und kompetenten gemeinsamen Handelns", fordert die Enquete-Kommission Kultur in Deutschland in ihrem 2007 vorgelegten Schlussbericht.⁵ Tatsächliche Reformen hat diese Forderung bislang allerdings nicht hervorgebracht.
Was bleibt zu tun? Mit möglichst starker, gemeinschaftlicher Stimme weiterhin Investitionen für Theater fordern. Dafür im Gegenzug – und das ist die wesentliche Aufgabe – ein besseres Miteinander von Theater und Gesellschaft mit den zur Verfügung gestellten Subventionen erzielen. Das wird – ausgehend von den „ maroden Strukturen eines Stadttheatersystems, das zu implodieren droht", wie Dirk Pilz in der Berliner Zeitung zu Recht befürchtet – ein schwieriger und unbequemer Weg.
Soll man dazu die öffentlichen Theater als Wirtschaftsfaktor im Bereich der Kreativwirtschaft sehen und Künste sowie Künstler der Vermarktbarkeit unterwerfen? Das geschieht ohnehin. Theater waren, sind und werden immer der Publikumsakzeptanz ausgesetzt sein. Öffentlich subventioniertes Theater hat Legitimationsbedarf. Egal, wie viele Kosten die Subventionen auffangen: Bleiben wiederholt signifikant Plätze im Theatersaal leer, wird Theaterarbeit sinnlos.
Öffentliche Institutionen müssen radikal umdenken, um Zuschüsse wirkungsvoller zu nutzen. Es geht nicht um simple Einsparungen. Es geht darum, die subventionierte Theater-Szene als Ganze grundlegend zu reformieren, zu stärken und in der öffentlichen Wahrnehmung relevanter zu machen.
„Theater kämpfen um die Existenz. Der Bühnenverein setzt auf symbolträchtige Rettungsaktion: den Status eines Weltkulturerbes"⁶ – so titelte im Mai 2013 die Südwest Presse. Der damalige Präsident des Deutschen Bühnenvereins, Klaus Zehelein, stellte im Folgenden fest: „In den vergangenen 15 Jahren ist ein enormer Spardruck an den deutschen Bühnen entstanden […]. Das ist eine Entwicklung, die uns Sorge macht. Die Sparmaßnahmen schlagen immer mehr auf die Personaletats durch."⁶
Sparanstrengungen bedrohen also die Existenz öffentlicher Theater und sind gleichzeitig schuld an unangemessener Bezahlung von Künstlern und Mitarbeitern? Wenn Theater bedroht sind, liegt das meist an einem strukturkonservativen Denken und daran, dass ein effizient vernetztes kulturelles Unternehmertum fehlt. Die Theater befinden sich nicht in einer Finanzierungskrise, sondern in einer Struktur- und Inhaltskrise. Für unzureichende Gagen und Gehälter sind daher primär die Personen in den jeweiligen Führungspositionen sowie die von der Politik schon zu lange geduldeten maroden Strukturen verantwortlich. Das Problem ist nicht in erster Linie der vermeintliche Spardruck. Dieser resultiert erst aus ineffizienten Strukturen und unattraktiven Angeboten.
Öffentlich geförderte Theater präsentieren sich gerne als vielfältig. Viele sind es in der Tat. Aber bezogen auf ihre inhaltliche Arbeit, die den Grundstein für den Bestand der Theater und eine wirksamere öffentliche Wahrnehmung legen müsste, trifft dies nicht zu. Die freie und private Szene wirkt häufig innovativer – nur fehlen dort oft die Mittel zur Umsetzung auf hohem Niveau.
Den Status quo als Weltkulturerbe erhalten? Bitte nicht. Das klingt nach Notwehr und Bürokratie. Es ist die Symbiose aus Werken, Künstlern und begeistertem Publikum, die eine lebendige Theaterlandschaft entstehen lässt. Das muss man sich Tag für Tag erarbeiten. So etwas lässt sich nicht bürokratisch schützen.
Wenn alles so träge und schwerfällig bleiben sollte, wie es ist, kann man die Subventionen anderweitig besser einsetzen. Nur wenn es gelingt, Theaterarbeit wieder als kulturpolitischen Auftrag im Sinne der Bürger wahrzunehmen und für die größtmögliche Nutzerzahl interessant zu machen, dann hat das System eine Chance – und seine Berechtigung. Wer nur nach Geld ruft, aber einschneidende Reformen blockiert, legt den Verdacht nahe, dass er lediglich seinem eigenen Selbstverwirklichungstrieb dient.
Theater muss sein! Theater steht hier als Sammelbegriff für Performance, Artistik, Kabarett, Konzert, Schauspiel, Tanz, Oper, Musical, Revue, Figurentheater und viele weitere Darstellungsformen. Theater setzt voraus, dass Menschen einerseits durch kunsthandwerkliche Perfektion, andererseits mit außergewöhnlicher künstlerischer Begabung andere Menschen mit den Möglichkeiten der darstellenden Künste begeistern.
Theater machen, also vor Menschen auf einer Bühne (be-)stehen, ist heute auch wichtiger Bestandteil von Erziehung und (Aus-)Bildung.
Die Diskussionen, wie Theater gemacht und was davon gefördert werden sollte, sind kontrovers. Verbände, Vereine, Stiftungen, Gesellschaften, Genossenschaften, Universitäten, Hochschulen, Akademien, Institute, Kommissionen, Ausschüsse, Konferenzen oder Symposien sind offensichtlich darum bemüht, dem Theater und den Menschen, die dort arbeiten, Gutes zu tun. All diese Aktivitäten kosten ebenfalls Geld. Inzwischen müssten Studien, Forschungsergebnisse oder einfach nur praktische Erfahrungen dafür sorgen, dass konkrete Vorschläge auf dem Tisch liegen, was für den Erhalt oder besser noch für die Stärkung der deutschen subventionierten Theaterlandschaft mit all ihrer sogenannten Hochkultur real getan werden kann. Und tatsächlich, es gibt Forderungen. Von verschiedensten Seiten und in verschiedensten Formen. Die Aussagen unterm Strich ähneln sich stark: Es braucht mehr Geld für den Kulturbetrieb. Bitte – ist man versucht hinzuzufügen.
Theater muss sein! Zu befürchten ist, dass dies noch für lange Zeit der kleinste gemeinsame Nenner der Kulturschaffenden bleibt. Theater muss sein! Aber wie?
Ein genereller Glaube an die Gestaltungskraft des Theaters scheint aus den verschiedenen Blickwinkeln von Politik, Kunst oder Wirtschaft vorhanden zu sein. Diese Überzeugung sollten moderne Theaterschaffende gemeinsam mit mutigen Politikern nutzen und als Basis ausbauen. Um ein System von kreativen und gleichzeitig gesellschaftlich relevanten subventionierten Theatern zu schaffen, muss im Sinne der Nutzer, der Gesellschaft, vor allem eines gelingen: