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Menschenwürde weggesperrt
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eBook241 Seiten2 Stunden

Menschenwürde weggesperrt

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Über dieses E-Book

Der Autor erzählt spannend und ergreifend über die aufgezwungene und hoffnungslose Zeit der sozialistischen Diktatur in einem Teil von Deutschland. Aus simplen Wohnrechtsfragen der Familie eskaliert ein aufgenötigter Kampf gegen Behörden und Partei, von zäher Unnachgiebigkeit getragen. So wächst erst zaghaft, dann massiv der unumstößliche Wille, bis hin zum aufopfernden Handeln, ungeachtet der zahllosen Spitzel, mit einem selbstgebauten Flugzeug diesen Staat den Rücken zu kehren. Trotz scheinbar unüberwindlicher Engpässe in der Wirtschaft wächst ein Projekt für das Unternehmen „Flug in die Freiheit“. Doch der bestimmende Kampf für das große Ziel geht weiter. Die geforderte Hilfe, an christliche Vertreter gerichtet, ist vom übelsten Verrat begleitet. Damit hat das verkrampfte Leben unter der Stasimacht seine Grenzen gefunden. Der kleine Hoffnungsschimmer am politischen Horizont, wird er die Tragödie beenden?
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum11. Sept. 2014
ISBN9783735769329
Menschenwürde weggesperrt
Autor

Guntram Erbe

Jahrgang 1943; ein Berufsleben als Entwicklungsingenieur im Maschinenbau und der Büromaschinenbranche; Dipl.-Ing.; widersteht den Aufstiegsangeboten der SED-Partei; seine politische Einstellung endet im aufreibenden Kampf gegen Parteibehörden; 1985 misslungener und unbemerkter Fluchtversuch mit einem selbstgebauten Flugzeug; 1986 Ausreiseantrag; Berufsverbot; der Wandel zum Schreiben beginnt; 1988 Inhaftierung; Anfang 1989 Freikauf und Abschiebung in die Bundesrepublik Deutschland; Lebt inzwischen in Erfurt.

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    Buchvorschau

    Menschenwürde weggesperrt - Guntram Erbe

    An meinen inzwischen verstorbenen Freund und mutigen Helfer Helmut Dille möchte ich erinnern.

    Inhaltverzeichnis

    Vorwort

    Auf der falschen Seite geboren

    Die Diktatur greift nach der Familie

    Das große Wagnis beginnt

    Erholungsreise vor der Flucht

    Das Flugzeug wird vollendet

    Hilfe in der Aussichtslosigkeit

    Unternehmen „Flug in die Freiheit"

    Von der Diktatur beherrscht

    Die unausweichliche Tragödie

    Die Mächtigen reagieren

    Endgültig zu Verbrechern gemacht

    Hinter Schloss und Riegel

    Der Weg ist frei

    Die Stasi gibt Johanna frei

    Vorwort

    Leichte Beklemmung befällt mich bei den Gedanken, dass die „sozialistische" Epoche, in einem Teil von Deutschland als Diktatur erlebt, eines Tages aus den Köpfen der Menschen verschwindet. Die menschenentwürdigenden Mittel zur Erhaltung der Macht des Regimes sind dann vergessen und die politisch wirksamen Errungenschaften, der menschlichen Natur entsprechend, erfüllen täuschend ihre Köpfe.

    Besonders die politischen Verhältnisse in der damaligen DDR oder die verwerfliche Politik an sich, nicht wie sie gemeint waren, sondern wie sie die Menschen erlebten, wie sie reagierten und fast daran zerbrachen.

    Die einen besannen sich auf die wirklichen Werte des Lebens gegen die politischen Mächte und wählten, trotz aller Repressalien, den Weg in die Freiheit. Die anderen verstärkten dagegen hilflos die eingeschüchterten Massen.

    Natürlich verändern sich die dringenden Fragestellungen zum Verlauf des Lebens in der Gesellschaft, doch das bestimmende Wesen der Inhalte ist zeitlos und durch keine noch so verlockende Ideologie zu beugen. In Bedrängnis nach gutem Rat suchen, um das Richtige und Effektivste zu tun, geschieht nur sehr selten in einem Leben.

    Die oft missverständlichen Handlungen der Kirche, aber auch deren unterstützende Einflüsse in der Not und der Glaube an Gott gingen in einer Diktatur an vielen Menschen nicht spurlos vorüber. Sowie mich dieses vorgegebene Leben über Jahrzehnte beeinflusste und formte oder besser, zu formen versuchte, war und ist das Ergebnis ein stets politisch denkender Mensch, ohne einer Philosophie anhängig geworden zu sein. Der erschwerte Weg durch dieses Leben, von den vielen kleinen Denunzianten und Spitzeln begleitet, gab mir die klaren Antworten, die mich schließlich zum Handeln zwangen.

    Guntram Erbe

    Neudietendorf, September 2013

    Auf der falschen Seite geboren

    Die großen Räume mit den schönen Stuckmustern an den Decken, der weitläufige Garten, die Wiesen, im englischen Stil angelegt und der Balkon, von dem man das Grün aus einer ganz anderen Perspektive herrlich überblicken kann, ein elterlich behütetes Zuhause für meine Geschwister und mich.

    Unsere Mutter, sehr zierlich von Statur, war ein ungewöhnlich gütiger Mensch. Ihre ständige Aufopferung und Hingabe über Jahre für die Familie zehrten sie praktisch auf, ohne dass wir spürten, wie ihre Kräfte schwanden. So sehe ich es durch ihren frühen Tod leider bestätigt.

    Wie mein Vater in der Nachkriegszeit als Goldschmied seine fünfköpfige Familie sicher durch diese schwere Zeit bringt, ist mir heute noch ein kleines Rätsel. Merkwürdig: Die Wünsche der gut Betuchten sorgen für reichlich Arbeit, so dass mein Vater, besonders vor Festtagen, vierzehn bis sechzehn Stunden täglich in seiner Werkstatt sitzt.

    Mit der Entstehung und der unvermeidlich politischen Festigung des ostdeutschen Regimes, von der sowjetischen Besatzungsmacht bestimmt und gestützt, wachsen die Reglementierungen für alle Menschen im Land. Betroffen sind besonders die Landwirtschaft, das Handwerk und bestehende Unternehmen. Goldschmieden untersagt der Staat den Ankauf von Gold und Edelsteinen. Die verbleibende staatliche Goldzuteilung wird schnell in wenige Schmuckstücke verwandelt. Die begrenzten Einnahmen können in keinem Fall die große Familie ernähren. Zwangsläufig wird das fehlende Gold aus privater Hand und anfangs in Westdeutschland eingekauft. Ich weiß noch genau, wie mir mein Vater voller Stolz seine Einkäufe von diesen Reisen präsentiert, sich durchaus der großen Gefahr vor Zuchthaus und staatlichen Repressalien bewusst. Das rechtzeitige Benachrichtigen durch Goldschmiede aus der Stadt über plötzlich in ihren Werkstätten aufgetauchte staatliche Kontrolleure, sorgt kaum für die nötige Sicherheit.

    Deshalb ändert sich im Lauf der Zeit sein ursprünglicher Wunsch, dass ich irgendwann seine Werkstatt übernehme, natürlich mein Interesse an diesem kreativen Beruf vorausgesetzt. Die vielen staatlichen Schikanen lassen meinen Vater auf den verständlichen Wunsch endgültig verzichten. Mein fehlendes Sitzfleisch scheint ohnehin ungeeignet für diesen Beruf.

    *

    Nach beneidenswerter Kindheit mit viel Aufregendem und Wunderbarem, aber auch traurigen Erlebnissen, verschont von Hunger und schwerer Krankheit, beginnt in dieser entbehrungsreichen Zeit, im Jahre 1949, eine neue grundlegende Änderung in meinem Leben, die Schulzeit. Plötzlich gibt es Pflichten, die Uhrzeit spielt eine große Rolle, noch mehr Leute sagen mir, was richtig und falsch ist oder dieses und jenes tut man plötzlich nicht mehr. Eigene Wünsche und Ideen sind dennoch reichlich vorhanden, denn meinen eigenen Kopf bewahre ich mir stets.

    Die Berufsgruppe der Lehrer erfährt schon frühzeitig durch staatliche Säuberungsaktionen die Ausdünnung ihres Berufstandes. Eine pauschale Beurteilung über die vermeintliche Nazivergangenheit verweigert vielen Lehrern ohne die Möglichkeit des Widerspruchs die Erziehung des neuen „sozialistischen" Menschen, wie es diktatorisch heißt.

    An meinem ersten Schultag begrüßt uns Schüler deshalb einer der neuen Junglehrer. In Lehrgängen schnell fit gemacht, unterrichten sie zukünftig als Ersatz für erfahrenes Lehrpersonal. Sein Gesicht sehe ich noch heute vor mir, blass und schmal, mit betonter Nase und glatt nach hinten gekämmtem, mittelblondem Haar.

    „Proletarier kämmen so ihre Haare", meint mein Vater stets, was seine bürgerliche Denkweise unterstreicht.

    Meine Schulzeit ist oft von einem beklemmenden Gefühl begleitet. Die wenigen Unterrichtsfächer, die mir wirklich Spaß machen, ändern diesen Zustand kaum. Die Ursache liegt wohl in meiner mangelhaften Einsicht, die Notwendigkeit des vorgegebenen Lernens dem vielseitigen Interesse an Natur und Technik vorzuziehen, von den Erziehenden leider unbemerkt. Stattdessen erfreut man sich an meinen punktweisen Erfolgen. Der Ausspruch, du könntest einer der Besten sein, als Belohnung und Ansporn gedacht, hinterlässt den gewollten Eindruck nur von kurzer Dauer.

    Da sitze ich nun auf meiner Schulbank, von einem heillosen Dilemma beherrscht. Den Blick durchs Klassenfenster in die aufregende Natur gerichtet, wandern die Gedanken durch das Grün und die wohlgemeinten Worte, aus einer Richtung kommend, ziehen wirkungslos an mir vorüber. Der hoffnungslose Traum von grenzenloser Freiheit überwältigt mich sehr oft.

    Unsere alte Mathematiklehrerin überstand gütlich die Nazisäuberung. Ihre Erfahrung ließ im Unterricht derartigen Träumern keine Chance. Also geht es auch anders. Die Lehrer unterrichten aus Überzeugung, mit großem Interesse an ihren Schülern, das Erreichbare erfolgreich zu vermitteln. Zu meinem Leidwesen besteht ein enger Kontakt zwischen Lehrer und Eltern, so dass schulische Versäumnisse oder Fehlverhalten im Betragen schnell das elterliche Haus erreichen. In solch einem Fall zitiert mich mein Vater kurzer Hand in die Werkstatt an einen kleinen Tisch, neben seiner Werkbank stehend, um unter seiner Aufsicht das Angemahnte nachzuholen.

    Die russische Sprache und das Vokabeln pauken fallen mir sehr schwer. Meinem Vater dagegen, als Sprachtalent, ist alles schon längst bekannt. Locker folgt er den sprachlichen Ausführungen seines Sohnes. Ausflüchte oder sonstige Entschuldigungen für mangelhaftes Wissen machen wenig Sinn, mit der Folge gezielter Korrektur. Oft bewundere ich das Wissen meines Vaters, ob im Beherrschen unterschiedlicher Sprachen, der Mathematik oder der vielseitigen Kunst. Nur die Politik als Unterrichtsfach und die geforderten Hausaufgaben führen oft zu verständnislosen Reaktionen.

    Fest steht, nach derartigen Lernorgien wird selbst die Gartenarbeit zur wunderbaren Erlösung für mich. Abwechslungsreich nutze ich meine Freizeit. Ob in den höchsten Wipfeln der Bäume, unterwegs auf Wiesen und Feldern oder im verbotenen Reichsbahngelände, mit oder ohne Freunde, eine Zeit für glückliche Stunden. Allerdings begrenzen hin und wieder einschränkende Bestrafungen meine gewonnene Freiheit ein.

    Langweiliges Herumsitzen, so als Clique, wie man heute sagt, kennen wir kaum. Neue Ideen sind schnell geboren, keineswegs für elterliche Ohren bestimmt, was aber die Unternehmungen so herrlich spannend machen. Mit Freunden im Ideenrausch sind die Verbote längst vergessen. Die Drehscheibe für Lokomotiven, der Lokomotivenschuppen, die vielen Abstellgleise, auf denen unterschiedlichste Waggons stehen und das riesige Oberbauwerkgelände; ein Reparaturbetrieb der Reichsbahn, dem kein Junge widerstehen kann.

    Was sollen nur die Eltern tun? An die kindliche Vernunft appellieren, von Gefahren berichten und immer härter Strafen androhen, bis hin zur Züchtigung?

    Die Glocke der Brüdergemeinkirche unseres Ortes ruft uns jeden Abend um achtzehn Uhr nach Hause, von den Eltern so gewünscht. Bewusst oder unbewusst überhören wir gelegentlich das Läuten. Wenn es aber wirklich geschieht, fällt prompt die verspätete Ankunft mit einer unerfreulichen Nachricht aus der Schule zusammen. Nun ist Schlimmes zu erwarten.

    In solch einem Fall zitiert mich mein Vater nach kurzem Wortwechsel zum sofortigen Lernen in den kalten Werkstattraum. Der tatsächliche Grund wird nicht offenbart, dafür fällt mir eine wild gewachsene Rute auf, die hinter der Tür in der Ecke des Raumes steht. Die unvermeidliche Tracht Prügel folgt auf mein Gesäß. Kräftig schlägt mein Vater zu. Die Wut ist es, die seine Tat so derb veranlasst. Merkwürdig, Gewalt lehnt mein Vater sonst grundsätzlich ab. Für die Erziehung seines Sohnes gelten andere, wirksamere Regeln. So widersprüchlich das Ergebnis der Bestrafung klingen mag, kein Hass, sondern deutliche Erleichterung überwältigt mich. Ausgesprochene Hausarreste und andere Strafen erscheinen mir dagegen endlos lang und hart.

    Die anfangs meiner Schulzeit gegründeten Schulhorte, eine neue Errungenschaft des „sozialistischen" Staates, sind zur Entlastung berufstätiger Eltern gedacht. Ohne Gebühren, doch mit erfolglos versuchten Einflüssen der Partei. Die teilweise in den Familien noch bestehende bürgerliche Ordnung kann auf diese staatlichen Hilfsangebote leicht verzichten. Merkwürdigerweise finden wir in der heutigen Zeit die einst verpönten Modelle wieder, dafür gegen Bezahlung und ohne die Einflüsse von Parteien.

    Schon 1948 gründeten die regierenden Genossen die Pionierorganisation als zwingendes Auffangbecken für alle Schüler. An den Schulen und in der Freizeit soll gezielt politisch Einfluss genommen werden. Wie allerdings die Realität an den Schulen zeigt, wohl mehr ein Wunschdenken der Partei. Wir Schüler nutzen die kostenfreien Freizeitangebote als willkommene Abwechslung. Sport und Spiel, Wandern, unterschiedlichste Arbeitsgemeinschaften und in den Sommerferien die beliebten Ferienspiele, ein Traum für uns Kinder, ohne politische Zwänge.

    Von der abstoßenden Pionieruniform tragen wir nur das Halstuch jeden Montagmorgen auf dem Schulhof zum Fahnenappell. Diese Kleidung bleibt staatlichen Großveranstaltungen vorbehalten.

    So genannte Pionierleiter, hauptamtlich in die Lehrerschaft integriert, sollen für die Umsetzung der „sozialistischen" Idee an den Pioniernachmittagen sorgen. Alles schrumpft zu einem Traum der Partei, denn den Nachmittag nutzen wir Kinder spielend zu unserem ausgiebigen Vergnügen.

    Die Bastion der christlichen Glaubenswelt will die Partei im März 1954 durch eine wichtige „sozialistische Maßnahme schwächen. Eine typische Formulierung der herrschenden Partei in dieser Zeit. Die Jugendweihe, als Gegenpol zur Konfirmation gedacht, führen die Genossen ein. Natürlich wirken einige materielle Verlockungen auf die schwankenden Gemüter. Endlich gibt es einen Höhepunkt für all die Neutralen und Atheisten. Zukünftig wird ihre Kindheit durch die Jugendweihe feierlich besiegelt. Das Gelöbnis auf den „sozialistischen Staat nimmt man dafür gern in Kauf.

    Die christliche Erziehung der Brüdergemeine, seit Jahrzehnten vollzogen, muss schon als friedliches Gegenstück zur marxistischen Philosophie weiter bestehen. Ein unpopulärerer und dennoch viel genutzter Weg, wie man unschwer erkennt. Eine der Möglichkeiten besonders für die Jugend, dem zeitweisen Einfluss der „sozialistischen" Diktatur zu entfliehen. Deshalb soll jedes Kind den christlichen Glauben als geistiges Fundament für das spätere Leben gewinnen. Dann irgendwann im Laufe des Lebens kann es eines Tages entscheiden, ob mit oder ohne Gott. Keine leichte Entscheidung in einer sozialistischen und materialistischen Welt, beeinflusst vom gepriesenen technischen Fortschritt und Wissenschaftsgläubigkeit.

    In eine christliche Familie hineingeboren, christlich erzogen, gemeinsam mit den Klassenkameraden den Christenlehreunterricht erlebt, im Einklang mit dem Elternhaus und alle finden es normal. Der Staat schaut missmutig zu, bei dieser so ganz anderen Lehre, durch Verträge in kirchlichen Räumen vor staatlichen Eingriffen geschützt.

    Trotz allem schickt die Staatssicherheit ihre IM’s auf die Suche nach feindlichen Brüdern, von den Gliedern während der Predigt schnell entdeckt. Wir nehmen sie schmunzelnd zur Kenntnis. Hier geht es um Gott und um keine Partei. Diskussionen über den Sinn kirchlicher Veranstaltungen gibt es nicht, sie gehören einfach in unser Leben. Ein Verdienst damals von Pfarrer Baudert aus dem gleichen Ort. Seine offene Art, so mit uns Jugendlichen umzugehen, weckt Vertrauen in seinem mitreißenden Unterricht.

    Schwierige Themen aus der Bibel, trocken und einfallslos vermittelt, erlebe ich später, sehnlichst das Ende der Ausführungen erwartend. Der sonntägliche Kindergottesdienst verführt hin und wieder zu einem derartigen Absitzen auf der harten Kirchenbank. Mitreißendes Predigen gelingt wohl nicht jedem Kirchenmann.

    Der Grundstock des Glaubens findet mit der Konfirmation seinen vorläufigen Abschluss, im Grunde noch unbewusst für mich. Im späteren Leben, von Höhen und Tiefen geprägt, bin ich den Menschen dankbar, die mir den Glauben lehrten, der jederzeit als Stütze und Kraftreserve dient.

    Noch vor dem Schulabschluss wählt mein Vater, beeinflusst durch meine Freizeitbeschäftigungen, die zukünftig passende Lehrstelle aus. Nicht ganz einfach bei meiner vielseitigen Bastelleidenschaft. Durch den Bau von Flugmodellen überzeugt, fällt die Entscheidung auf den Modelltischlerberuf. Schnell stellt sich heraus, der Beruf bringt keine Flugmodelle hervor, sondern diese Modelle werden in Gießereien verwendet.

    Viel Ausdauer kostet auch in dieser Zeit die Lehrstellensuche, besonders bei fehlenden Verbindungen zu Handwerksbetrieben und der mittelständigen Industrie, die bereits unter halbstaatlichen Einflüssen leiden. Eine sinnvolle Lehrstelle ist das Problem aller Generationen, auch unter einer „sozialistischen" Diktatur.

    Nach dem Grundschulabschluss beginnt meine Lehre in einer Modelltischlerei der Firma Gebr. Haller in Erfurt. Der achtundsiebzigjährige Meister, knorrig wie ein alter Baum, so sagt man, übernimmt noch die Ausbildung eines weiteren Lehrlings. Den privaten Betrieb führen zwei ältere Brüder, die keine Probleme in der altersmäßigen Konstellation ihres erfahrenen Meisters gegenüber den Lehrlingen sehen. In den ersten Tagen unserer Ausbildung im Jahre 1959 staunen wir über unseren resoluten Meister, wie er die rauen, sehr kräftigen und oft lautstarken Kollegen aus der Gießerei zur Zurückhaltung und höflichen Gesten zwingt. Wer nicht anständig nach Holzkeilen fragt, der bekommt keine Keile. Nun hat der Former ein Problem. Wie soll er seine Formen für den Guss verkeilen? Beschwerden an die Chefs gerichtet, ein sinnloses Unterfangen. Nur Respekt half weiter. Die Lektion kommt bei den Neulingen an, ein Fehlverhalten wird künftig ausgeschlossen.

    Der private Betriebsstatus passt nach Auffassung von Partei und Regierung nicht mehr in die Zeit der sozialistischen Aufbauphase. Die zwangsweise einsetzende staatliche Beteiligung oder die generelle Verstaatlichung von Unternehmen soll die Wirtschaftsmacht des ohnehin angeschlagenen Mittelstandes endgültig brechen. Ein fataler Fehler, wie bald die wirtschaftlichen Veränderungen im Land zeigen werden.

    Nur nach staatlichen Vorgaben wird das Produkt in Art und Menge, als Plan deklariert, produziert. Die Gesetze des Marktes sind ersatzlos gestrichen. Die gesamte Wirtschaftsführung liegt jetzt in den Händen der Ministerien und nehmen letztlich Einfluss auf das Produkt in den Betrieben. Eine unlösbare Mammutaufgabe durch den all gegenwärtigen Materialmangel noch verstärkt. Man sagt, das Material wird bilanziert. Die bilanzierte Materialmenge bestimmt praktisch die zu produzierte Menge von Waren, ein Schwerpunkt der Planwirtschaft. Fehlendes Material führt zwangsläufig zu den gewohnten Engpässen für die Industrie. So kann es passieren, dass ein Großbetrieb seine Produktion stoppt, weil das benötigte Walzblech erst in einer Woche eintreffen soll. Die gewollten Eigeninitiativen durch den Betriebsdirektor scheitern immer wieder an den Grenzen der Ministerien. Noch schwieriger wird es für die Entwicklung neuer Produkte. Hier bestimmen praktisch der Stand der Technik, das zur Verfügung stehende Material und die benötigten Zulieferteile, beispielsweise aus der Bundesrepublik, den Entwicklungsfortgang. Der Kreativität des Entwicklers sind damit klare Grenzen gesetzt. Ein trauriges Ergebnis der Entwicklungsinitiative.

    Den noch bestehenden privaten und teilverstaatlichten Betrieben ergeht es nicht anders. Natürlich wehren sich besonders die Unternehmer der Privatbetriebe gegen die anbahnende Teilverstaatlichung, die damit ihre ohnehin geringen Spielräume in der Wirtschaft aufgeben müssten. Eine Teilverstaatlichung steht auch der privaten Gießerei gegen Ende der fünfziger

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