Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Aralona: Das Vermächtnis
Aralona: Das Vermächtnis
Aralona: Das Vermächtnis
eBook338 Seiten4 Stunden

Aralona: Das Vermächtnis

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Was würdest du tun, wenn der größte Held deines Volkes in dir weiterleben soll?

Dem Glauben der Zentauren nach, werden ihre Seelen nach dem Tod wiedergeboren. Doch die junge Zentaurin Aralona wehrt sich gegen das Vermächtnis des großen Helden Aralon, das ihr nachgesagt wird. Sie wünscht sich nichts sehnlicher, als ihre eigenen Abenteuer zu erleben und dabei herauszufinden, wer sie wirklich ist. Als Nomaden von einem Tierschwinden berichten, das das Überleben in der Wüste und Steppe bedroht, bekommt sie ihre Chance, sich zu beweisen.

Begleite Aralona und ihren vorwitzigen Freund Kriktex auf eine Reise durch Divoisia. Dabei wirst du nicht nur neue Freunde gewinnen, sondern dir auch Feinde machen – und schließlich vor einem Geheimnis stehen, das kein Zentaur zuvor zu lüften vermocht hat.

Das Buch wird von einer kostenlosen App begleitet, mit der ihr die Möglichkeit habt, QR-Codes einzuscannen. Mit diesen könnt ihr zusätzliche Inhalte freischalten, die für das Verständnis der Geschichten nicht notwendig sind, aber euch weitere Einblicke in die Welt Divoisia gewähren.

Über zehn Jahre Weltenbau! So lange bastelt die bunt gemischte Truppe hinter Divoisia schon an ihrer Fantasywelt und veröffentlicht jetzt den ersten Roman dazu - geschrieben von Jessica Arndt!
SpracheDeutsch
HerausgeberDivoisia Verlag
Erscheinungsdatum27. Juni 2023
ISBN9783988650405
Aralona: Das Vermächtnis
Autor

Jessica Arndt

Jessica Arndt fand ihren Weg in die Welt der Fantasy durch die Welten der Tintensaga, Eragon und Harry Potter. Diese Werke inspirierten sie schon in jungen Jahren dazu, selbst tätig zu werden und ihren Traum weiter zu verfolgen. Als Teil von Divoisia wirkt sie bei der Entstehung einer neuen Fantasywelt und deren Geschichten mit.

Ähnlich wie Aralona

Titel in dieser Serie (1)

Mehr anzeigen

Fantasy für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für Aralona

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Aralona - Jessica Arndt

    1

    »Aralona! Du bist nach einem der größten Jäger unseres Volkes benannt. Entscheide endlich, was deine Zukunft bringen soll! Das bist du seinem Vermächtnis schuldig.« Kallista verschränkte die Arme vor der Brust.

    Aralona verdrehte die Augen und legte die Knochennadel, mit der sie ihre Rückenfelle flickte, beiseite. Nicht schon wieder diese Diskussion. Seit dem letzten Mondwinter lag sie ihr damit in den Ohren. »Musst du schon wieder mit diesem Thema anfangen?«

    »Bei Kiresus, ich mache mir doch nur Sorgen um dich!«

    Aralona seufzte. »Ich weiß. Aber das musst du wirklich nicht.«

    »Du bist nun in einem Alter, in dem andere Fohlen schon längst einem Meister folgen«, beharrte Kallista.

    »Na und? Was ist so falsch daran, dass ich mir noch nicht sicher bin?« Sie stapfte in der Hütte auf und ab. Ihre Hufe hinterließen keine Spuren auf dem festgetretenen Boden.

    »Die Meister würden sich darum reißen, Aralons Wiedergeburt aufzunehmen. Du wurdest geboren, als er gestorben ist, dir wohnt seine Seele inne. Dieser Seele bist du es schuldig, den richtigen Weg zu wählen.« Ihre Mutter rammte den Vorderhuf geräuschvoll in die Erde und starrte sie durchdringend an.

    »Ich stehe in niemandes Schuld. Wie viele haben in derselben Nacht neben dir gelegen, ein Fohlen geboren und dieses Aralon oder Aralona genannt? Ich lasse mir nichts vorschreiben, nur weil in mir vielleicht eine legendäre Seele schlummert.« Mit diesen Worten drehte sich Aralona um und trabte aus der Hütte.

    »Aralona, nicht!«, rief ihre Mutter ihr hinterher, doch es war zu spät.

    Eine sanfte Brise strich ihr durch die langen, dunklen Haare. Die Sonne neigte sich dem Horizont hinter der Steppe entgegen. Der Abend rückte heran, dann würde der Himmel wie ein Feuer leuchten und die Schatten der hohen Palisadenwände um das Dorf immer länger werden. Sie roch das trockene Gras und die kühler werdende Luft, die durch die Gassen der Holzhütten wehte.

    Aralona atmete einmal tief durch. Insgeheim war ihr bewusst, dass es ihre Mutter nur gut mit ihr meinte. Alle gleichaltrigen Oritenen wussten bereits, welchen Meister sie wählen würden, doch sie hatte sich noch nicht entschieden. Trotzdem hatte sie nicht das Recht, Aralona zu irgendetwas zu zwingen. Ihre Mutter gab seit ihrer Geburt alles dafür, dass sie in die Hufstapfen des großen Aralon trat. Ihrer Meinung nach hatte sich der Geist des Zentauren, der einst ihr Dorf gerettet hatte, den Körper ihrer Tochter ausgesucht.

    UB258

    Sie wollte frei wählen und sich nicht in eine Richtung drängen lassen. Warum durfte sie nicht tun, wonach ihr gerade der Sinn stand? Wieso sich ein Leben lang auf eine Bestimmung festlegen?

    »Na, hast du dich wieder einmal in deinen Gedanken verloren?«, holte eine Stimme sie zurück ins Hier und Jetzt. Ein Zentaur mit hellbraunem Fell näherte sich aus einer Nebengasse.

    »Ideros!«, stieß Aralona überrascht aus, als sie ihren besten Freund erblickte. Sie hatte nicht erwartet, ihn noch so spät anzutreffen.

    »Was ist es diesmal?«, fragte er und blieb stehen.

    »Meine Mutter mal wieder. Ich habe mich noch nicht entschieden«, antwortete sie und folgte ihm, als er sich in Bewegung setzte.

    Ideros hob die Augenbrauen. »Immer noch nicht? Es wird langsam Zeit. Ich gehöre erst seit wenigen Tagen zu den Erwachsenen, aber bei dir ist nun schon fast ein gesamtes Jahr vergangen.«

    »Ich weiß«, stöhnte sie. »Aber du kennst meine Mutter. Wie ich mich auch entscheiden werde, ich enttäusche sie sowieso. Ich bin nicht der große Aralon, und eigentlich habe ich auch keine große Lust, wie er zu sein.«

    »Du musst ja gar nicht sein wie er. Du kannst sein, wer du willst«, versuchte Ideros, sie aufzumuntern und kniff ihr in die Schulter.

    »Du hast ja recht. Aber erzähl das mal meiner Mutter.« Aralona verschränkte ihre Arme vor der Brust. »Woher weißt du eigentlich jetzt schon so genau, dass die Nomaden das Richtige für dich sind?«

    Ideros zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass mein Vater vermutlich einer von ihnen gewesen ist.« Er deutete zu dem Höcker auf seinem Rücken. Nur die Kinder der Hasaren, deren Unterkörper Kamelen ähnelten, hatten solche. »Daher denke ich, dass ich die langen Reisen durch die Wüste auch gut aushalte. Mir gefallen die Geschichten, die man über die Nomaden erzählt, und heute kann ich sie zum ersten Mal von ihnen selbst hören.« Ideros lief mit federnden Schritten voran und klatschte einmal in die Hände.

    »Wie?«, fragte Aralona verwirrt. »So früh wurden die Nomaden noch nicht zurückerwartet.«

    »Richtung Norden ist eine Gruppe am Horizont gesichtet worden. Sie müsste bald eintreffen. Und da wir nun alt genug sind, dürfen wir an der Zusammenkunft teilnehmen und uns ihre Geschichten anhören. Vielleicht nehmen sie mich ja schon auf ihre nächste Reise mit! Wäre das nicht auch etwas für dich? Vielleicht kannst du bei ihnen dann doch noch Heilerin werden«, schlug er vor.

    Bisher hatte sie nie erwogen, ein Leben als Nomadin zu führen. Es hatte nie infrage gestanden, dass sie in diesem Dorf bei ihrer Mutter blieb. »Ich glaube nicht. Zumindest hat mir Casantes während der magischen Übungsstunden immer wieder gesagt, dass zwar das magische Potential in mir schlummert, ich es aber zu nicht mehr als einem leichten Glühen bringe und er nicht versuchen würde, es zu entfachen.« Aralona zuckte mit den Schultern. »Seitdem ist mein Talent für die Ausbilder wohl irrelevant. Dass die Nomadenheiler mich ausbilden würden, wage ich zu bezweifeln.«

    Darauf erwiderte Ideros nichts und sie legten den Rest des Weges zum Dorfzentrum schweigend zurück.

    Schon aus der Ferne nahmen sie das Hufgetrappel und Stimmengewirr wahr. Als sie eintrafen, herrschte reges Treiben und der Duft der Speisen und des Traubensafts mischte sich mit der Abendluft. Zentauren transportierten Essen und Getränke und entfachten wärmende Feuer, während sich der Platz nach und nach mit Schaulustigen füllte. Die Heimkehr der Nomaden wurde vom ganzen Dorf gefeiert.

    Einer der Jäger drückte den beiden Fohlen jeweils einen Becher mit Traubensaft in die Hand. »Willkommen bei den Großen«, grölte er euphorisch und zwinkerte Ideros zu.

    Aralona schaute hinunter auf den Becher in ihren Händen. Bis es Zeit für sie geworden war, ihren Meister zu wählen, hatte sie den Festen der Erwachsenen nie beiwohnen dürfen. Und seitdem sie dazugehörte, hatte sie es nie gewollt. Vermutlich würde ihre Mutter ihr auch das am liebsten verbieten, dachte sie und nahm trotzig einen Schluck des Traubensaftes. Im ersten Moment schmeckte er ungewohnt, doch dann breitete sich der süße Geschmack in ihrem Mund aus und veranlasste sie dazu, gleich noch einen Schluck zu nehmen.

    Nun, da Ideros auch hier sein durfte, traute sie sich zum ersten Mal auf eines der Feste. Bisher hatte sie sich neben den anderen erwachsenen Zentauren fehl am Platz gefühlt, und die Fohlen in ihrem Alter wollten sie nicht dabeihaben. Seitdem sie denken konnte, waren sie alle davon überzeugt, sie selbst würde sich für Aralon halten, und waren entweder neidisch oder machten sich darüber lustig. Es interessierte niemanden, dass sie selbst am meisten hoffte, ihr Name würde nur auf trügerischen Hoffnungen beruhen. Nur Ideros hatte nie ein Problem damit gehabt. Er war der Einzige, dem ihr Name egal war und der sich immer über die anderen lustig machte, weil sie keinen so bedeutungsvollen Namen hatten, sondern nur Lurtus oder Taninka hießen.

    »Sie kommen«, rief ein Orite mit langen, spitzen Hörnern, der ins Dorf trabte und aufgeregt in die Luft sprang.

    Mittlerweile war die Sonne untergegangen und der Dorfplatz, erhellt von vielen kleinen Lagerfeuern, voller Zentauren, die auf die Geschichten und das Beisammensein warteten. An der Nordseite rückten sie zusammen und bildeten ein Spalier, um die Nomaden in ihre Mitte zu geleiten. Ideros reckte seinen Hals, um die Neuankömmlinge zu erspähen.

    Es schritten fünf Hasaren auf den Platz. Jeder von ihnen hatte Felle, Taschen und Beutel um die Höcker gebunden und über Brust und Schultern hingen Bögen. Sie trugen ihre Speere gesenkt. Auch wenn sich ihre Rippenbögen nach der langen Reise unter der Haut abzeichneten, strahlte die Gruppe Macht aus. Aralona musterte die fünf Zentauren voller Ehrfurcht. Sie hatten helles, dichtes Fell, das sie vor der Hitze der Wüste schützte. Ihre Köpfe waren kahlgeschoren und die Haut ihrer Oberkörper besaß einen sonnengebräunten Teint.

    6HW9H

    »Erhebt die Becher auf Achetrios und seine Männer und Frauen. Willkommen zurück in Parchos«, rief Protus, derselbe Jäger, der ihr und Ideros den Traubensaft in die Hand gedrückt hatte.

    Überall um sie herum reckten die Anwesenden ihre Becher in die Höhe und jubelten laut. Sogleich fiel die Anspannung von den Heimgekehrten ab und sie bedienten sich ausgelassen an den Speisen und Getränken, die ihnen an den Lagerfeuern gereicht wurden.

    »Und gerade als wir untersuchen wollten, warum die Tiere aus der Wüstenregion des Buchtrückens geflüchtet waren, stürzten sich drei Greife vom Himmel auf uns herab. Sie dachten wohl, wir wären in der offenen Wüste leichte Beute für sie. Aber unser Freund Myletrius hier«, Achetrios hielt kurz inne, um seinem Mitstreiter auf die Schulter zu klopfen, »schoss dem ersten Ungeheuer einen Pfeil direkt in die Brust. Er tötete ihn zwar nicht, dennoch floh er sofort.«

    Die Zentauren, die sich um die Nomaden versammelt hatten, kommentierten die Erzählungen mit bewundernden Ausrufen. Sobald sie sich satt gegessen hatten, hatten sie begonnen, von den Abenteuern ihrer Reise zu erzählen. Aralona stand etwas abseits, nippte ab und zu am Traubensaft und lauschte gespannt den mitreißenden Geschichten. Ihre Mutter war ebenfalls eingetroffen und beobachtete sie über eines der Lagerfeuer hinweg. Aralona vermied es, in ihre Richtung zu sehen. Auch Ideros hing der Heldengruppe gebannt an den Lippen. Mittlerweile verstand sie, warum er sie so bewunderte.

    Die Nomaden streiften frei durch die Wüste und halfen dabei nicht nur Tieren in Not. Sie unterstützten andere Völker, wie die Kobolde, falls sie diese auf ihren Reisen trafen, und verhandelten mit den Greifen. Nebenbei erlebten sie so viele Abenteuer, dass sie immer eine spannende Geschichte auf Lager hatten.

    »Einer der anderen beiden erwischte Sophite mit seinem Schnabel an der Schulter, doch mutig, wie sie ist, riss sie ihren Speer nach oben und schlitzte ihm die Seite auf. Der dritte Greif stürzte wie ein Wirbelwind auf mich herab, sodass mir kaum Zeit blieb, mich zu wehren. Ich rammte ihm meinen Speer ins Auge.«

    Einige der Zuhörer schrien angespannt auf, da Achetrios die Geschichte mit Kampfbewegungen und einem plötzlichen Aufwärtshaken seines Speeres untermalte. Aralona folgte fasziniert den Bewegungen und seinem Muskelspiel. Die Speerschwünge wirkten so geschmeidig und wohlplatziert, dass sie erahnen konnte, wie erfahren er im Umgang damit war.

    »Doch er schaffte es noch, mir mit seinen Krallen den Rücken aufzureißen.« Er drehte sich so, dass alle Anwesenden die Wunden, deren Ränder bereits verheilten, sahen. »Aber was ich ihm angetan hatte, reichte, um ihn in die Flucht zu schlagen. Und feige, wie er war, folgte ihm der dritte Greif wie ein kleines Greifenbaby seiner Mutter.« Das Publikum jubelte und lachte. »Sophites Verletzung war so tief, dass wir beschlossen, unsere Rast früher einzulegen. Nun sind wir hier, um mit euch zu feiern!« Achetrios hob den Becher und prostete den Zuhörern zu.

    Aralona bewunderte die verletzte Hasare. Ihr war nicht anzumerken, dass sie vor Kurzem eine schwerwiegende Verletzung erlitten hatte. Auf ihrer gesunden Schulter saß ein riesiger Adler, der aus klugen Augen das Geschehen um sich herum beobachtete. Ihr Seelentier. Nur wenige Zentauren war solch ein enges Band zu einem Tier vorbehalten.

    »Was ist mit den verschwundenen Tieren?«, rief jemand aus der Menge. Aralona blickte zu Achetrios. Immerhin war es ihre Aufgabe gewesen, zu untersuchen, warum ihre Schützlinge aus der Wüste flüchteten.

    »Das werden wir auf unserem nächsten Abenteuer herausfinden«, donnerte der Nomadenanführer. »Und nun lasst uns sehen, wer uns dabei begleiten wird. Welches Fohlen ist mutig genug, sich uns anzuschließen?« Er schaute auffordernd in die Runde.

    Aralonas Herzen klopften, als wäre sie stundenlang durch die Steppen galoppiert. Sollte sie sich melden? War das Nomadenleben das Richtige für sie? Vielleicht sollte sie auf Ideros hören und es doch noch einmal als Heilerin versuchen. Sie erhaschte den warnenden Blick ihrer Mutter, die es gar nicht gutheißen würde, wenn sich ihre Tochter den wilden Nomaden anschloss. Obwohl sie für ihre Heldengeschichten gefeiert wurden, blieben sie in jedem Dorf, in dem sie rasteten, die Außenseiter. Trotzdem hatte Achetrios’ Geschichte sie beeindruckt. Sie könnte frei sein und den Tieren helfen.

    »Ich«, rief Ideros neben ihr mit fester Stimme und trat vor. Er hatte die Brust herausgestreckt, um selbstbewusster zu wirken, doch Aralona kannte ihn besser. Sein Schweif zuckte nervös.

    Achetrios musterte ihn abschätzend. »Ein kleiner Hasare? Sehr gut. Wie heißt du, mein Junge?«

    »Ideros«, antwortete er und seine Schultern sackten in sich zusammen.

    Der erfahrene Anführer hob seinen Becher. Gebannt erwartete jeder seine Antwort. »Auf Ideros, den Nomaden!«

    Rufe und Jubelschreie hallten durch die Nacht. Myletrius und Sophite kamen auf ihn zu und schlossen ihn in ihre Arme. Aralona bemerkte, dass ihr Freund viel gelöster wirkte, als sie ihn in ihre Gemeinschaft aufnahmen. Sie freute sich für ihn. Sein Traum erfüllte sich, und sie fragte sich, ob es auch der ihre war. Sie könnte nicht nur wie die anderen Zentauren eine Pflicht erfüllen, als Jägerin, Pflegerin oder Sammlerin, sondern alles gleichzeitig erleben, während sie die Welt bereiste. Sie könnte frei sein.

    Hatte sie ihre Chance vertan? Diese Nomaden bildeten nun Ideros aus. Aralona biss sich auf die Unterlippe. Würde eine nächste Gruppe früh genug herkommen und sie aufnehmen, ehe sie sich für eine andere Bestimmung entscheiden musste?

    Nach vielen Geschichten über üppige Oasen in der Wüste und seltene Tiere im Norden löste sich das Fest allmählich auf. Die Stimmung war ruhiger geworden und einige hatten sich zur Paarung in kleinen Herden abgeschottet, wie es so häufig nach Festen geschah. Die Verbliebenen lauschten gemütlich vor den Lagerfeuern liegend den Spekulationen um die verschwundenen Tiere.

    Aralona hatte jedes Wort aufgesogen und träumte bereits von Abenteuern in der Wüste, während der sie Wesen begegnete, die sie nie zuvor gesehen hatte, Konflikte löste und neue Kontakte knüpfte. Sie hatte beschlossen, den Anführer der Nomaden zu fragen, ob er sie auch mitnahm, wenn er mit seiner Gruppe weiterzog. Achetrios unterhielt sich außerhalb der Hörweite aller mit Casantes. Vermutlich fragte er ihn um Rat zu den Wunden, die sie davongetragen hatten.

    Aralona nahm ihren gesamten Mut zusammen und stapfte entschlossen auf die beiden Männer zu. Sie räusperte sich. »Achetrios! Ich bitte euch darum, mich mitzunehmen und auszubilden!«

    Casantes schnaufte erbost. »Du kannst uns doch nicht mitten im Gespräch …«

    Achetrios unterbrach ihn mit einer Handbewegung und fügte hinzu: »Lass uns bitte kurz allein.«

    »Wie du meinst«, brummte der Dorfheiler und gesellte sich an ein Lagerfeuer.

    »Wie heißt du, meine Kleine?«, fragte der Nomade und musterte sie genauso abschätzend, wie er es vorhin bei Ideros getan hatte, von oben bis unten.

    Aralona realisierte erst jetzt, da sie so nahe bei ihm stand, wie groß der Zentaur war. Neben ihm fühlte sie sich klein und schwächlich. »Aralona«, murmelte sie. Vielleicht war das doch keine so gute Idee gewesen.

    Er nickte wissend. Jeder Zentaur wusste um die Geschichten ihres Namensgebers. Da noch kein Fohlen als Wiedergeburt Aralons bestätigt worden war, kannte sie seinen Blick nur allzu gut. Achetrios überlegte in diesem Moment, ob sie es wirklich sein könnte. »Warum möchtest du uns begleiten?«

    Aralona scharrte mit dem Vorderhuf. »Ich möchte helfen. Nicht nur im Dorf oder im Wald. Ich kann nicht nur an einem Ort bleiben.«

    Achetrios lachte laut auf und mit seiner tiefen Stimme klang es fast wie ein Bellen. »Viele Fohlen dürsten nach Abenteuern, und du willst nur hier weg? Sag mir, warum brennst du für das Nomadendasein? Was ist dein innigster Wunsch?«

    Sie holte tief Luft. »Ich möchte frei sein, ohne irgendeine Vorbestimmung durch die Welt reisen und dabei erfahren, wer ich eigentlich bin und wohin mein Weg mich führen wird«, brach es aus ihr heraus. Ihr Atem ging schwer und sie blinzelte überrascht. So offen hatte sie noch nie mit jemandem über ihre Zukunft gesprochen.

    Achetrios schaute sie nachdenklich an, bevor er seufzte. »Liebe Aralona, deinen Mut in allen Ehren, aber wir können dich nicht mitnehmen. Zwei Fohlen gleichzeitig, auf die wir während der Reise aufpassen müssen, ist einfach zu gefährlich.«

    »Ich … ich könnte euch als Heilerin nützlich sein«, stammelte sie und ärgerte sich über ihren flehenden Unterton.

    Casantes schnaubte irgendwo hinter ihr. Natürlich hörte er jedes Wort mit. Dass er ihr Vorhaben nicht guthieß, war kein Wunder, schließlich kränkte es ihn, dass er sie trotz ihres Potentials nie richtig ausgebildet hatte. In seinen Augen war die Magie an sie verschwendet und er nahm es persönlich. Magische Fähigkeiten waren unter den Zentauren nur selten stark ausgeprägt.

    Achetrios’ Blick wanderte langsam von Casantes zu Aralona. »Auch das wäre für uns viel zu gefährlich. Hannara ist noch eine junge Heilerin. Eine brillante zwar, aber noch nicht bereit, jemanden auszubilden«, erklärte er.

    »Ich verstehe«, murmelte Aralona und wandte sich ab. Sie hätte wissen müssen, dass er sie abweisen würde, nachdem Ideros schon mitdurfte. Warum hatte er das nicht gleich gesagt? Als Heilerin hätte sie vermutlich nur eine Chance gehabt, wenn Casantes ihr Rückenwind gegeben hätte. Aber so etwas würde er wohl erst dann in Erwägung ziehen, wenn die Tierwelt vor dem Aussterben stand.

    »Warte«, scholl Achetrios’ Stimme durch die Nacht. Sie spürte seinen festen Griff an ihrer Schulter. »Sei nicht enttäuscht. Du wirst noch früh genug erfahren, wie du unserem Volk und Kiresus helfen kannst. Vielleicht sind die Nomaden nicht deine Bestimmung. Mit der Flinkheit und den spitzen Hörnern einer Oritene wirst du bei einem anderen Meister vielleicht noch viel besser aufgehoben sein. Der Wald im Süden benötigt bestimmt eifrige Helfer. Oder du bleibst hier in der Steppe und gibst acht auf verhungerte Wüstennomaden.« Er zwinkerte ihr zu.

    Aralona nickte stumm. Natürlich, weil sie keinen Höcker auf dem Rücken trug, war sie nicht gut genug für die Abenteurer.

    »Ich bin mir sicher, dass du deinem Namen in genau der richtigen Art und Weise alle Ehre machen wirst.«

    Jeder dachte das Gleiche, sobald er ihren Namen hörte und Aralons Vermächtnis im Sinn hatte. Da bildete der große Achetrios mit seinen gefeierten Helden keine Ausnahme. »Das war ja klar«, schnaufte Aralona, riss sich von ihm los und ging wütend davon. Sie hätte wissen müssen, dass auch er so über sie urteilte. Sie würde allen zeigen, wie falsch sie lagen.

    2

    Noch bevor die nächtlichen Feierlichkeiten endeten, hatte Aralona alles Wichtige zusammengepackt. Das war ihre Chance, unentdeckt zu verschwinden. Sie verbarg sich am Rande des Dorfplatzes in den Schatten und befestigte einen Sack voll mit Beeren, Broten und getrocknetem Fleisch von Kojoten und Mäusen an den frisch geflickten Lederriemen der Felle, die auf ihrem Rücken lagen. Sie hatte das Essen vom Fest mitgenommen, als niemand hingesehen hatte. Der Bogen ihrer Mutter hing quer über ihrer Schulter und eine Handvoll Pfeile steckte in dem Köcher an ihrer Hüfte.

    Aralona war nicht stolz darauf, aber als sie aus der Hütte ihrer Mutter geflohen war, hatte sie den Speer, der an die Nachbarhütte gelehnt war, kurzerhand mitgenommen. Wenn die Nomaden welche nutzten, würde sie vermutlich ebenfalls einen benötigen. Glücklicherweise musste sich Kallista noch auf dem Fest befinden und hatte sie nicht dabei erwischt.

    Als sie an ihre Mutter dachte, bildete sich ein Kloß in ihrem Hals. Sie würde sicher verrückt vor Sorge sein, wenn sie bemerkte, dass ihre Tochter nicht mehr da war. Doch sie musste weg und zeigen, dass sie allein zurechtkam.

    Normalerweise schützten bei Nacht Krieger an allen Toren das Dorf vor Gefahren, doch in dieser feierten sie noch immer mit den anderen. Lediglich eine Wache wanderte um die Palisade, um die Zentauren im Falle eines Angriffs zu warnen. Ein glücklicher Umstand, der es Aralona erleichterte, unbemerkt ihre Heimat Richtung Norden zu verlassen – und bei Kiresus, sie würde allen beweisen, dass sie stark genug war, allein in der Wüste zu überleben. Und dem Großmaul Achetrios würde sie zeigen, dass sie Taten vollbrachte, die selbst er nicht bewältigte – sie würde herausfinden, was mit den verschwundenen Tieren geschehen war. Im Galopp konnte sie sich schnell genug vom Dorf entfernen, um im Schutz der Dunkelheit nicht mehr auszumachen zu sein. Wenn am Morgen die Sonne aufging, wäre sie nicht mehr am Horizont zu entdecken.

    Um in die Wüste zu gelangen, musste sie die Steppe durchqueren. In ihrem Unterricht hatte sie das Dorf nur selten in diese Richtung verlassen, um Tiere zu beobachten. Und war erst recht nicht bis in die Wüste gelangt.

    »Na, dann zeig mal, was du draufhast, kleines Fohlen«, murmelte sie und sprengte voran. Mit ihren kraftvollen Sprunggelenken schaffte sie es schnell auf ein hohes Tempo, das sie für einige Zeit hielt. Die kalte Nachtluft peitschte ihr durch die Haare und verlieh ihr das belebende Gefühl von Wachsamkeit und … Freiheit. Sie war endlich frei.

    Aralona drosselte ihre Geschwindigkeit erst, als die Lichter der heruntergebrannten Lagerfeuer am Horizont erloschen, denn das bedeutete, dass sie vom Dorf aus nicht mehr zu sehen war. Die halbe Nacht musste mittlerweile vergangen sein. Sie blieb stehen, um zu Atem zu kommen und ihren Puls zu beruhigen. Den Rest der Strecke in den Norden würde sie in einem gemäßigteren Tempo zurücklegen, damit sie nicht direkt nach dem ersten Tag vor Erschöpfung zusammenbrach.

    Sie blickte in den Himmel. Die drei Monde standen bereits sehr dicht beieinander, wodurch sie den nahenden Sonnenwinter ankündigten. Nichts deutete auf eine Warnung oder ein Zeichen ihres Schöpfers Kiresus hin, was sie zuversichtlich auf ihre bevorstehende Reise schauen ließ.

    Der anbrechende Morgen vertrieb die Kälte der Nacht aus ihren Knochen. Sie hatte nicht ein einziges Mal gerastet, aus Sorge, man würde jemanden hinter ihr herschicken, und der Wind und der Schweiß auf ihrer Haut hatten sie ausgekühlt. Einen Augenblick lang genoss sie die ersten Sonnenstrahlen des Tages auf ihrem Gesicht, ganz ohne den Schatten, den der Palisadenzaun ihres Heimatdorfs warf, und sog die trockener werdende Luft tief in ihre Lungen ein. Sie musste die Steppe in der Nacht nahezu komplett durchquert haben. Im Westen erhoben sich die fernen Gipfelspitzen des Buchtrückens und der Boden unter ihren Hufen war staubig. Sie wusste, dass sie von hier aus auf das Gebirge zuhalten musste, bis sie an eine Meerenge kam. Nachdem sie diese überwunden hatte, konnte sie sich an der Küstenlinie Richtung Norden orientieren, bis sie die Wüste erreichte. Jedenfalls hatte man ihr das so beigebracht.

    Es vergingen nur wenige Stunden, bis sie die Steppenlandschaft verließ und das fließende Gewässer, das von Moos und hohen Gräsern gesäumt war, erreichte. Bis jetzt war ihre Reise ohne Zwischenfälle verlaufen. Am Abend ihrer Flucht hatte ihre größte Sorge gefährlichen Raubtieren gegolten. Doch entweder hatte sie Glück gehabt oder Kiresus selbst leitete sie, um ihr Vorhaben zu unterstützen. Aralona schüttelte den Kopf. War sie wirklich arrogant genug zu glauben, ihr Gott würde gerade ihr unter allen anderen helfen? Hätte er ihr dann nicht ein eindeutigeres Zeichen geschickt? Welchem Umstand sie ihr Glück auch immer zu verdanken hatte, sie hoffte, dass es bis zu ihrem Ziel anhalten würde.

    Sie trat einen letzten Schritt an die Meerenge heran, die sie überqueren musste. Das andere Ufer war einige Schritte entfernt. Das Wasser schien nicht tief zu sein, weshalb sie sich dazu entschloss, es an einer schmalen Stelle zu durchqueren. Frühestens danach würde sie sich eine Rast zugestehen, auch

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1