Athen
Von Klaus H. Carl
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Buchvorschau
Athen - Klaus H. Carl
1. Blick auf Athen. (© Roni Sofer)
Einleitung
Athen - ein Name, der die klassischen Sagen des Altertums in unserem Gedächtnis wachruft und den wir mit der Blüte der antiken Tragödie, der Geburt der westlichen Kultur und frühen olympischen Spielen in Verbindung bringen. Es ist ein überall bekannter Name. Und obwohl sich die Stadt mit ihren heute etwa fünf Millionen Einwohnern und einer Fläche von immerhin fast 430 km² in schneller Entwicklung der Größe anderer europäischer Hauptstädte wie Rom, Lissabon oder Berlin annähert, ist uns das heutige Athen, eine der ältesten Hauptstädte Europas, eher unbekannt.
Athen liegt auf der Halbinsel Attika am Saronischen Golf in einem weitläufigen Tal, das an drei Seiten von über 1000 m hohen Bergen und an der vierten, der westlichen Seite, von den bis zu etwa 470 m hohen Agaleos-Bergen begrenzt wird. Wie viele Städte Griechenlands wurde die ‚Polis‘ Athen auf einem Hügel, dem damaligen Zentrum der Stadt, angelegt und zur Festung ausgebaut. Im Laufe der Zeit wuchs die Stadt um diese etwa 155 m hohe Erhebung sowie um den Pnyx und den Lykabettoshügel herum, den beiden anderen mitten im Stadtgebiet liegenden und mit je 110 m und 280 m aus dem Häusermeer aufragenden Anhöhen. Wâhrend der häufigen Kriege wurde das alte Athen des öfteren bis auf eine Gruppe bescheidener Häuser zerstört. Ein konsequenter Wiederaufbau bis zum heutigen Stadtbild fand erst im Laufe des 19. Jahrhunderts statt, nachdem Athen 1834 zur Hauptstadt Griechenlands erklärt wurde. Dank ihrer Universität, den vielen Museen und archäologischen Grabungsstätten ist die Stadt heute wieder intellektuelles Zentrum Griechenlands. Sie ist eng verbunden mit der etwa sechs Kilometer entfernt liegenden Hafenstadt Piräus, der Haupteingangspforte des Landes, in der nicht nur die Fähren zu den Inseln ab- und anlegen, sondern auch die großen Fracht- und Kreuzfahrtschiffe.
2. Die Ägäis, 1642, von Alvise Gramolin, 1070 x 650 cm, Bibliothèque Nationale, Paris.
3. Blick von der Akropolis auf Athen und den Lykabettos. (© Sabine Reuss)
Griechenland, am südöstlichen Rand Europas gelegen, wird im Norden von einigen Balkan-Staaten, im Westen und Süden vom Mittelmeer, im Osten von der Ägäis begrenzt und erstreckt sich mit seiner bergigen Landschaft über etwa 130.000 km². Der höchste dieser Berge, und deswegen der Sage nach auch Sitz der Götter, ist der etwa 2.900 m hohe Olymp. Zahlreiche griechischen Halbinseln, Inselketten und Inseln, wie die Kykladen, die Sporaden, Kreta, Mykonos oder Rhodos, sind vor allem im Sommer das Ziel vieler Besucher. Die über zehn Millionen Einwohner Griechenlands gehören fast ausnahmslos dem griechisch-orthodoxen Glauben an. Ihre Sprache ist die älteste Europas; sie stellt somit ein starkes Element nationaler Kontinuität dar und stützt sich noch immer auf das Idiom, in dem Homer seine ‚Ilias‘ und die ‚Odyssee‘ geschrieben und damit die gesamte europäische Kultur nachhaltig beeinflusst hat.
Die griechische Mythologie lebt auch heute noch zwischen den Ruinen der Akropolis und des Parthenon, in den kleinen Gassen und auf den schattigen Plätzen der Athener Altstadt. Man erinnert sich dort an die Sagen über die griechischen Götter, an das ewig streitende Götterpaar Zeus und Hera, an die kampfeslustige Athene oder an Hermes, den geflügelten Götterboten. Wir sehen im Geiste die mutigen Helden der Homer'schen Epen vor uns: den schlauen Odysseus, den blutrünstigen Achilles oder den starken Hektor. Auf Schritt und Tritt begegnen wir in der Stadt bekannten mythologischen Figuren. Seien es Dädalus und Ikarus, die sich aus Wachs und Federn Flügel bauten um zu versuchen, dem Labyrinth von Minos und dem Zentaurus zu entkommen, oder der unfreiwillig arbeitsame Sisyphos, der zur Strafe für seine Verschlagenheit einen ihm immer wieder entgegen kullernden Felsbrocken einen Berg hinauf rollen sollte. Historische Ereignisse, wie der Peloponnesische Krieg oder die zahlreichen Kriege der Griechen gegen die Perser oder die Türken, haben in der Stadt ihre Spuren hinterlassen. Athen war aber auch die Wiege der Demokratie, die in Form einer demokratischen Verfassung als dritte Staatsform neben der Monarchie und der Oligarchie von Aristoteles erarbeitet und - wenn auch in einer sehr konservativen Form - das erste Mal von Perikles angewandt wurde.
Das intellektuelle Leben Europas wurde zu großen Teilen von der griechischen Kultur geprägt: Bereits im 5. Jahrhundert v. Chr. entstehen als eigenständige Form des Theaters durch Aristophanes die Komödie