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Das Richtige geschieht ganz von allein: Alexander-Technik, Zen und der lebendige Augenblick
Das Richtige geschieht ganz von allein: Alexander-Technik, Zen und der lebendige Augenblick
Das Richtige geschieht ganz von allein: Alexander-Technik, Zen und der lebendige Augenblick
eBook395 Seiten4 Stunden

Das Richtige geschieht ganz von allein: Alexander-Technik, Zen und der lebendige Augenblick

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Über dieses E-Book

Durch die F.M. Alexander-Technik lernen wir, Haltungs- und Bewegungsgewohnheiten wahrzunehmen und natürliche Abläufe ungestört ablaufen zu lassen - wir lernen "Nicht-Tun". Erleben lässt sich ein solches Geschehenlassen in den unterschiedlichsten Bereichen:
- körperlich als natürliche Haltung, Atmung und Bewegung
- geistig als kreativer Einfall
- in der Meditation als tiefe lebendige Stille
- beim Spielen eines Musikinstruments als frei fließendes musikalisches Geschehen
Das Buch führt durch zahlreiche Beispiele anschaulich in dieses geheimnisvoll anmutende Thema ein. Es forscht nach Ursachen und Bedingungen und zeigt Wege zum "Nicht-Tun".
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum29. Mai 2024
ISBN9783759716507
Das Richtige geschieht ganz von allein: Alexander-Technik, Zen und der lebendige Augenblick
Autor

Helmut Rennschuh

Helmut Rennschuh leitet eine Ausbildung für Alexander-LehrerInnen in Leipzig. Er ist gelernter Diplom-Physiker und leidenschaftlicher Klavierspieler. Bereits vor seiner Ausbildung zum Lehrer der Alexander-Technik hat er das Potential des "Nicht-Tuns" am Klavier für sich entdeckt. Weitere Bücher: "Klavierspielen, Alexander-Technik und Zen" (2011), "Innehalten" (2013) und "Die Kraft des Nicht-Tuns" (2021).

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    Buchvorschau

    Das Richtige geschieht ganz von allein - Helmut Rennschuh

    WIDMUNG

    Meinen Eltern

    in Liebe und Dankbarkeit

    INHALT

    Vorwort zur Neuauflage

    Vorwort zur zweiten Auflage

    Einleitung

    I Nicht-Tun: Eine Qualität, die alles verändert

    1 Nicht-Tun ist etwas anderes als Nichts-Tun

    2 Sind Tiere Meister des Nicht-Tuns?

    3 Lässt sich Nicht-Tun selbst im Sport finden?

    4 Beispiel Denken: Kreativität aus der Stille

    5 Beispiel Hören: Der Musik lauschen

    6 Beispiel Sehen: Offenes, unangestrengtes Schauen

    II Alexander-Technik: Nicht-Tun lernen

    1 Ein neuer Weg

    1.1 Befreiung von unbewussten Gewohnheiten

    1.2 Eine neue Art zu denken

    1.3 Thinking in Activity

    1.4 Meine Erfahrungen mit der Alexander-Technik

    2 Vom Tun zum Nicht-Tun

    2.1 Ein neuer Weg, Probleme zu lösen

    2.2 Alexanders Weg zu seiner Entdeckung

    2.3 Alexanders Entdeckungsreise

    2.4 Unterricht in Alexander-Technik

    3 Das Problem

    3.1 Gewohnheiten

    3.2 Sinneswahrnehmung

    3.3 Beispiel: Meine Erlebnisse am Klavier

    3.4 Zielstreben

    4 Die Lösung

    4.1 Innehalten

    4.2 Anweisungen, Direktiven

    4.3 Beispiel: Meine Erlebnisse am Klavier, zweiter Teil

    4.4 Primärkontrolle

    5 Aufrecht sein

    5.1 Natürliche Aufrichtung

    5.2 Beispiel: Atmung

    5.3 Ausrichtung

    5.4 Beispiel: Gehen

    5.5 Beispiel: Wandern und Laufen

    5.6 Unsere Vorstellung von unserem Körper: Body-Mapping

    5.7 Innere und äußere Haltung

    5.8 Beispiel: Sitzen

    6 Der ganze Mensch

    6.1 Reaktions- und Verhaltensmuster

    6.2 Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile

    6.3 Gewohnheiten des Denkens

    6.4 Nicht-Tun heißt, Störungen des Gesamtsystems zu vermeiden

    6.5 Das Ich als Störenfried

    7 Die Mittel heiligen den Zweck

    7.1 Zwecklos

    7.2 Richtig – Falsch

    7.3 Feste Vorstellung – umfassende Offenheit

    7.4 Wollen – Wünschen – Intention

    7.5 Da-Sein

    III Nicht-Tun als spirituelle Praxis

    1 Eckhart Tolle

    1.1 Die Stille spricht

    1.2 Leiden durch das Ich

    1.3 Die Flucht vor dem Jetzt

    1.4 Die Kraft des Augenblicks

    1.5 Wege ins Jetzt

    1.6 Präsentes Handeln

    2 Zen und Meditation

    2.1 Über Zen

    2.2 Zazen: Der Stille lauschen

    2.3 Tun und Nicht-Tun in der Meditation

    2.4 Nicht-Tun in der Mystik

    2.5 Zen und Alexander-Technik

    3 Zen-Kunst: Nicht-Tun aus der Stille heraus

    3.1 Die Kunst des Bogenschießens

    3.2 Unterricht in der Kunst des Bogenschießens

    3.3 Eugen Herrigels Bericht

    3.4 Die Kunst des Bogenschießens und Alexanders Entdeckung

    IV Evolution des Bewusstseins

    1 Ein Schritt in der Evolution

    1.1 F. M. Alexanders Sicht

    1.2 Eckhart Tolles Einschätzung

    1.3 Willigis Jägers Beschreibung

    1.4 Die Evolution und die Entwicklung des Einzelnen

    2 Ent-Wicklung des Lebendigen

    2.1 Das formbare Gehirn

    2.2 Der Alltag als Übungsweg

    2.3 Transparenz

    3 Bewusstsein und Präsenz

    3.1 Das grenzenlose Bewusstsein

    3.2 Das menschliche Bewusstsein im Zustand höherer Ordnung

    Schlusswort

    Der Weg ist das Ziel

    Anhang

    1 Der Muskel – ein Werkzeug mit Selbstkontrolle

    2 Altes und neues Gehirn

    3 Muskelspindeln als Servolenkung

    4 Halte- und Bewegungsmuskulatur

    5 Primärkontolle – Balance des Kopfes auf der Wirbelsäule

    6 Das Schreckmuster

    7 George Coghill

    8 Benjamin Libet

    9 Verstand und Ich

    Anmerkungen

    Literaturverzeichnis

    Abbildungen

    Abdrucknachweis

    Informationen

    Danksagung

    VORWORT ZUR NEUAUFLAGE

    Als sich vor einigen Wochen die Frage einer Neuauflage stellte, war ich mir zunächst nicht sicher, was zu tun sei. »Gar nichts«, hätte ich sagen und den Titel dieses Buches wörtlich nehmen können. Ich tat auch erst einmal nichts und wog drei Möglichkeiten ab:

    nichts zu unternehmen und darauf zu vertrauen, dass der alte Titel antiquarisch erhältlich bleibt,

    das Buch grundlegend umzuarbeiten, meine Ideen und Erfahrungen der letzten fünfzehn Jahre einfließen zu lassen und ein ganz anderes Buch daraus zu machen oder aber

    ein neues Buch zu dem Thema zu schreiben.

    Recht bald merkte ich, dass es mich zur dritten Möglichkeit zog. Allerdings tauchte dabei schnell ein Bild auf von einem Buch, dass mit dem ersten Buch zu dem Thema kaum etwas gemeinsam hätte. Es sollte deutlich kürzer sein, sich allein aus eigenen Erfahrungen speisen und einen umfangreichen Übungsteil enthalten.

    Ich ging an die Arbeit. Das Manuskript des neuen Buches schrieb sich wie von selbst. Nur wurde mir beim Schreiben bewusst, dass auch das alte Buch seinen Wert hatte. Seine Themen sind vielfältig, ihre Verbindungen und Bezüge erlebe ich auch heute noch als äußerst erhellend:

    die Vergleiche zwischen der Alexander-Technik, dem Zen-Weg und der Arbeit von Eckhart Tolle,

    die Fragen nach Bewusstsein und Evolution,

    die Erläuterungen zur Anatomie und schließlich

    die Darstellung eines reflexartigen Geschehens im Körper, durch das wir erleben können: »Das Richtige geschieht ganz von allein«.

    Würde ich den Ansatz dieses Buches noch einmal verfolgen, das entstehende Buch würde sich nur wenig von dem gegenwärtigen unterscheiden. Natürlich ist es ein Kind seiner Zeit, das soll es bleiben, deshalb wurde auch sein äußeres Erscheinungsbild kaum geändert.

    Helmut Rennschuh · Weimar im Juli 2023

    Das Wollen hält uns gefangen im Käfig der Gewohnheiten,

    des Bekannten und Vertrauten.

    Ein unbekanntes Land und neue Möglichkeiten eröffnen sich,

    wenn wir lernen, Prozesse nicht zu stören,

    sondern geschehen zu lassen.

    VORWORT ZUR ZWEITEN AUFLAGE

    »Das Richtige geschieht ganz von allein.« Dieser Satz erscheint in einer Welt, die auf Leistung, Wettbewerb und Anstrengung aufgebaut ist, fast wie eine Provokation. Er mag vielleicht wie ein naiver Wunsch oder wie der Titel eines Märchens klingen. Doch das vorliegende Buch ist nichts dergleichen, denn es beschreibt etwas sehr Einfaches und Natürliches. Obwohl es uns wie ein Märchen in eine fremde Welt entführt, in der sich tiefe Wahrheiten enthüllen, verlässt es nicht den Boden einer erfahrbaren und überprüfbaren Wirklichkeit:

    Die folgenden Kapitel zeigen, wie unser Denken auf unser Nervensystem, unsere Koordination und unser Handeln wirkt.

    Statt einer fremden »Märchenwelt« beschreibt das Buch eine Welt, die uns so nah ist, dass wir sie meist nicht erkennen können. Es ist unsere Innenwelt mit unseren Gedanken, Einstellungen und Intentionen, die unser Leben bestimmen und unsere Handlungen formen.

    Das Geschehen in unserer Innenwelt ist uns so nah, dass wir es oft nicht wahrnehmen, denn wir sind mit ihm identifiziert.

    Es ist uns derart vertraut, dass wir es irrtümlich als unser wahres Wesen ansehen. »So bin ich eben«, beschreibt diese Einstellung. Daher hinterfragen wir es auch nicht und versäumen damit die Chance, gewohnte Muster zu verändern.

    In diesem Buch geht es um unsere Muster und darum, wer wir wirklich im Innersten sind.

    Beides gehört zusammen, denn erst wenn ich ahne, wer ich wirklich bin, kann ich gelassen auf meine Gewohnheiten des Denkens und Fühlens schauen und sie erkennen als das, was sie sind: Sie bilden eine Art veränderbare Hülle, die unseren Wesenskern verdeckt.

    Lösen sich diese Muster, so wird die Hülle durchlässiger: Der wahre Kern unseres Wesens enthüllt sich uns und wird für andere leichter wahrnehmbar.

    »Erkenne dich selbst«, das berühmte Motto aus der griechischen Antike (vgl. Kapitel IV 3), steht daher im Gegensatz zu »So bin ich eben«.

    Wir begeben uns also auf eine Forschungsreise, die unser Inneres beleuchtet, und betrachten die Auswirkung unseres Denkens und unserer Einstellung auf unser Handeln. Ein wesentliches Ergebnis dieser Entdeckungsreise sei hier schon verraten: Was wir als die für uns typische Art und Weise erleben, in der wir handeln, uns bewegen und uns aufrecht halten, ist nichts anderes als eine Anzahl von Mustern, die sich unserem Nervensystem eingeprägt haben. Sie sind über lange Zeit erlernt, jedoch nach und nach veränderbar, wenn wir einen Weg finden, in der rechten Weise mit ihnen zu arbeiten. Das ist der eigentliche Inhalt dieses Buches.

    Im Mittelpunkt der Darstellung steht die Alexander-Technik – stellvertretend für alle Methoden, die in ganzheitlicher Weise an der Veränderung und Auflösung alter Muster arbeiten. Mit ihrer Hilfe können wir lernen, innezuhalten und durch bewusste Ausrichtung eine natürliche Koordination anzuregen. Damit ist die Alexander-Technik als Wegbereiterin für eine grundlegende Entwicklung in dem oben angedeuteten Sinne besonders geeignet. Denn sie fördert das wache Erleben des Augenblicks, das Erkennen und Ändern gewohnter Muster und das behutsame Auflösen eines Körperpanzers, hinter dem sich viele Menschen wie in einer schützenden Burg verschanzen.

    In dem angedeuteten Prozess grundlegender Entwicklung und Erkenntnis sind Methoden wie Zen oder Eckhart Tolles »Jetzt« unverzichtbar. In ihnen wirkt die Weisheit jahrtausenderalter Wege der Selbsterkenntnis, die uns unseren Wesenskern wahrnehmen lassen. Wem solche Wege fremd sind, möge sich nicht abschrecken lassen. Einfachheit und Natürlichkeit bilden auch hier die wichtigsten Orientierungspunkte.

    Selbst wer keine Gelegenheit hat Stunden in Alexander-Technik zu nehmen oder Meditationskurse zu besuchen, kann in diesem Buch wichtige Hinweise finden, wie er die Ausrichtung in seinem Leben entscheidend verändern kann:

    Vom Kampf und Krampf des Alltags zum Einklang des lebendigen Augenblicks

    Vom Ringen mit äußeren Widerständen zum Auflösen innerer Spannungen

    Vom konditionierten unbewussten Reagieren zur Freiheit bewusster Entscheidung

    Unsere Aktivitäten können damit mehr und mehr eine Qualität bekommen, die ich »Nicht-Tun« nennen möchte. Ein Tun, das mit den äußeren und unseren inneren Gegebenheiten in tiefem Einklang steht – zutiefst natürlich und einfach. Doch solange wir die Richtung nicht kennen, gehen wir meist den falschen Weg. Noch so großes Bemühen macht ihn nicht zum richtigen. Im Gegenteil, das übliche Bemühen führt uns in die Irre, weg von der natürlichen Lösung. Erst wenn wir diese finden, verstehen wir den Satz Alexanders:

    Wenn wir aufhören das Falsche zu tun, geschieht das Richtige von ganz allein.

    Da der Inhalt nichts von seiner Aktualität verloren hat, im Gegenteil, er ist in unserer sich immer schneller drehenden Zeit aktueller denn je, sind in der neuen Auflage neben dem Vorwort nur die Einleitung und das Schlusswort neu gestaltet.

    Helmut Rennschuh · Weimar im Juli 2013

    Höchste innere Kraft handelt im Nicht-Tun,

    ohne einzugreifen und ohne Absicht.

    Tao Te King, Nr. 38¹

    EINLEITUNG

    Das vorliegende Zitat zeigt, wie alt die Idee des Nicht-Tuns bereits ist. Die Erkenntnis, dass es natürliche Zustände gibt, die man besser nicht stört, ist mindestens 2500 Jahre alt. Sie stammt aus der chinesischen Lehre vom Tao, die das Zen maßgeblich geprägt hat. Doch was hat uns diese alte Weisheit aus einer fernen Zeit und einer fremden Kultur heute noch zu sagen? Wissen wir denn nicht viel mehr als die Menschen, die vor über 2000 Jahren in China lebten, – selbst wenn es Weise waren?

    Sicher ist es so, dass unser heutiger Wissensstand den damaligen um ein Vielfaches übersteigt. Doch geht uns bei der Fülle von Informationen, die uns zugänglich sind, und der schnellen Folge von Aktivitäten, mit denen unser Tag übervoll ist, nicht vielleicht Wesentliches verloren? Oftmals sehen wir auf einer Wanderung nicht die Blumen am Wegesrand, obwohl sie es doch sind, die den Weg erst zu einer wahren, erfüllenden Wanderung machen. So geschieht es auch, dass wir auf unserem Lebensweg den Augenblick nicht wahrnehmen und stattdessen nur immer weiter vorwärtsstreben. Uns entgeht dabei nicht nur das Erleben der großen und kleinen Wunder, die das Leben uns schenkt, sondern es leidet dabei auch die Qualität unserer Handlungen; wir verlieren im Vorwärtsstreben unsere Leichtigkeit.

    Dieses Buch handelt von den Blumen am Wegesrand, die unserem Leben mehr Tiefe geben, und dem Innehalten – dem Zurücktreten vom unbedingten Zielstreben –, das unsere Handlungen müheloser, leichter und effizienter macht. Damit sich unser Blick weiten kann und wir so das Wesentliche leichter erkennen können, möchte ich im Folgenden einiges sehr unterschiedlicher Herkunft miteinander verbinden und einen Brückenschlag wagen: zwischen der Weisheit des Tao und unserer Anatomie, zwischen dem 1500 Jahren alten Zen und der vor 120 Jahren entwickelten Alexander-Technik; zwischen dem uralten Geheimnis des Lebens im gegenwärtigen Augenblick und den modernen Erkenntnissen der Hirnforschung. Das verbindende Glied ist das Nicht-Tun und ist der gegenwärtige Augenblick, die Leitbilder sind die Einfachheit und die Natürlichkeit. Behalten wir dies in Erinnerung, wenn wir die Bausteine aus unterschiedlichen Zeiten und Kulturen zusammentragen.

    Betrachten wir kurz das folgende Diagramm, um einige einfache Begriffe zu klären: Die äußere Welt wirkt durch Erziehung, Ideale und Zwänge mächtig auf unsere Innenwelt ein. So formen sich Denkgewohnheiten, Ängste und Verhaltensmuster. Daraus entstehen unsere inneren Einstellungen sowie feste Spannungs- und Bewegungsmuster unseres Körpers, die wiederum unser Wirken in der äußeren Welt bestimmen. Führen diese erlernten Muster nicht zu den gewünschten Resultaten, verstärken sich unsere Anstrengungen und damit unsere Muster. Wir stecken fest in einem Kreislauf, der unsere Denk- und Handlungsmuster immer tiefer in unser Nervensystem eingräbt.

    Die bekanntesten Folgen solcher Muster sind Nacken- und Schulterverspannungen sowie Rückenprobleme. Aber auch innere Unruhe, beständig kreisende Gedanken und starre Meinungen gehören dazu – wir werden im Folgenden sehen, wie sehr all das zusammenhängt. Selbst die scheinbare Grenze, an die wir beim Erlernen eines Musikinstruments stoßen, hat oft damit zu tun, dass uns unbewusste Verhaltensmuster wie unüberwindliche Wände einengen. Wenn wir erkennen, dass all dies durch erworbene Konditionierungen entsteht, so werden wir uns fragen:

    Wie können wir uns aus diesem Kreislauf der Konditionierung befreien?

    Wohin kann uns eine natürliche und ungestörte Entwicklung führen?

    Für eine solche Entwicklung ist es nötig, einen Weg zu beschreiten, der ein waches Bewusstsein und eine gewisse Art von Innehalten fördert, welches das unmittelbare automatische Reagieren verhindert. Nur so lässt sich der Kreislauf der Konditionierung unterbrechen. Die Entwicklung, die sich dadurch einstellen kann, ist eine sehr grundlegende mit vielfältigen, teilweise überraschenden Auswirkungen. Denn unsere gewohnten Muster engen unser Denken, Fühlen und Handeln auf ein relativ kleines Feld der Gewohnheiten ein. Außerhalb davon gibt es eine ganze Welt an Möglichkeiten.

    Auch wenn der hier beschriebene Weg eine Trauma- oder Psychotherapie vielleicht nicht ersetzen kann, so ist er doch ein unverzichtbares Mittel, um diese zu ergänzen. Denn unser Denken und Fühlen ist eng an unseren Körper geknüpft. Es formt unseren Körper, und auf der anderen Seite formt der Zustand unseres Körpers unser Fühlen und Denken. Jeder grundlegende Ansatz muss daher unser Bewusstsein und unseren Körper umfassen. Wie eng diese Verbindung tatsächlich ist, werden wir im Abschnitt II 6 untersuchen.

    Schließen möchte ich mit einem kleinen Überblick, der zeigt, wohin unsere Entdeckungsreise uns führen wird. Die zahlreichen Beispiele, die insbesondere das Kapitel I bereithält, sind Belege für die folgenden Thesen:

    Misslingen uns Handlungen, so liegt das oft an mangelnder Abstimmung und Harmonie. Die Überzeugung, dass man sich bei auftretenden Problemen mehr anstrengen muss, um sein Ziel doch noch zu erreichen, ist ein weit verbreiteter Glaubenssatz, der genauer Überprüfung nicht standhält. Geht man hingegen von der Hypothese aus, dass man sich oft zu sehr statt zu wenig bemüht, wodurch eine spielerische Leichtigkeit verloren geht, und beginnt in bestimmter Weise damit zu experimentieren sich weniger anzustrengen, so kann man überraschende Entdeckungen machen.

    Der Mensch reagiert als Ganzes, d.h. Psychisches und Physisches bilden eine Einheit. So bestimmen unser Denken und Fühlen – Ehrgeiz, Versagensangst auf der einen Seite und gelassene Präsenz auf der anderen Seite – die Aktivität unserer Muskeln und so die Qualität unserer Bewegungen. Wir können lernen, unser Denken zu einer bewussten Steuerung unserer selbst zu nutzen, was unseren Bewegungen eine Qualität von Freiheit und Leichtigkeit verleihen kann.

    Unsere Wahrnehmung ist oft unzuverlässig und bestimmt unsere Realität. Wir werden in die Irre geführt, wenn wir uns nur nach dem richten, was sich richtig anfühlt. Denn das Gewohnte fühlt sich stets richtig an und das Ungewohnte meist falsch. Das gilt für Bewegungen und unsere Haltung genauso wie für Gedanken und Gefühlsmuster.

    Ein Ziel zu verfolgen schadet der Qualität unserer Handlungen nur dann nicht, wenn wir dennoch mit der Aufmerksamkeit im Augenblick bleiben – im Einklang sind mit dem Moment. Das Fixiertsein auf ein vorgegebenes Ziel ist oft ein Hindernis auf dem Weg zum Erfolg, denn es fördert Versagensängste und hemmende Anspannungen. So behindert das Erfolgsstreben den natürlichen Fluss von Bewegungen und schneidet uns von den Möglichkeiten ab, welche Präsenz und Offenheit für den Augenblick uns bieten können. Unser Leben bekommt eine andere Qualität, wenn wir nicht durch unser Wollen die Freude am Spiel des Augenblicks verlieren.

    Abbildung 1: Fred Astaire

    Abbildung 1: Fred Astaire

    Abbildung 2: Artur Rubinstein

    Abbildung 2: Artur Rubinstein

    Tanzszenen bzw. Konzertaufnahmen beider Künstler finden sich im Internet.

    I NICHT-TUN: EINE QUALITÄT, DIE ALLES VERÄNDERT

    Um dem geheimnisvollen Phänomen »Nicht-Tun« auf die Spur zu kommen, betrachten wir im Folgenden ganz unterschiedliche Bereiche unseres Lebens, in denen das Thema wie in einem Kaleidoskop in immer neuen Formen und Farben erscheint. Zusammen mit den Literaturhinweisen mögen die folgenden Abschnitte als eine Art Materialsammlung dienen, die zu einer tiefer gehenden Beschäftigung mit einzelnen Themen einlädt. Im darauf folgenden Kapitel II werden wir uns dann der Alexander-Technik zuwenden, als einem praktischen Weg, das Nicht-Tun zu erlernen.

    Das Sprichwort »Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg« verkennt, dass uns unser Wille oftmals den Weg zum gewünschten Ziel verbaut. Die unterschiedlichen Kapitel zeigen, in wie vielen Bereichen sich das Nicht-Tun als der Königsweg erweist. So mögen die folgenden Ausführungen an der weit verbreiteten Überzeugung rütteln, dass wir Problemen am besten mit Anstrengung und ernsthaftem Bemühen begegnen sollten, und den Glauben erschüttern, dass wir uns bei Misserfolgen eben noch nicht genug angestrengt haben.

    Vieles mag dabei geheimnisvoll und neu erscheinen. Die Kapitel II und IV.3 werden einige der dabei auftretenden Fragen beantworten und Erklärungen liefern. Wichtiger als das Verstehen bleibt es jedoch, die weiter unten beschriebenen Erfahrungen selber zu machen, zu viel Tun in seinen eigenen Handlungen wahrzunehmen und damit zu experimentieren, sich weniger anzustrengen.

    Wir tun Dinge am besten,

    wenn wir uns selbst nicht als diejenigen sehen,

    die die Dinge tun.

    Plotin

    1 NICHT-TUN IST ETWAS ANDERES ALS NICHTS-TUN

    In der Ruhe liegt die Kraft, sagt ein Sprichwort. Dennoch sind Hektik und angestrengtes Tun in unserer Gesellschaft weit verbreitet, sie liegen sozusagen in der Luft. Wir verlieren uns in die Aktivität und gelangen so in einen Zustand der Unruhe. Dabei handeln wir nach der Überzeugung, Anstrengung sei der Preis für ein gutes Resultat. Wir haben daher das Gefühl, wenn sich der gewünschte Erfolg nicht einstellt, uns nicht genug bemüht zu haben. So geschieht es, dass wir uns umso mehr anstrengen, je erfolgloser unsere Handlungen sind. Ein solches Verhalten beruht auf gewohnten Handlungen und auf Glaubenssätzen, die uns oft nicht bewusst sind.

    Nehmen wir einmal an, unsere alten Überzeugungen haben uns in die falsche Richtung geführt und die unterschiedlichsten Probleme bei Alltagsbewegungen, beim Spielen eines Musikinstruments oder beim Sport sind eben nicht Hindernisse, die es zu überwinden gilt, sondern selbstgebaute Hürden, die wir wieder abbauen können. Dann ist die Frage nicht, was wir tun können, um das Problem zu überwinden, sondern was wir lassen können, um es aufzulösen. Damit kommen wir der Bedeutung des Nicht-Tuns auf die Spur, denn es soll nicht heißen, nichts zu tun, im Bett liegen zu bleiben, Bewegungen zu vermeiden oder Gedanken zu unterdrücken. Im Gegenteil: Wenn wir uns in einen Sessel fallen lassen und dort zusammensinken oder resigniert ein Vorhaben aufgeben, so lässt sich das besser als eine Art unnatürliches »Tun«, ein Sich-schwer-Machen verstehen, das uns von unseren natürlichen Lebenskräften abschneidet.

    Jeder von uns hat schon die Erfahrung gemacht, dass weniger Tun hilft, eine kritische Situation zu lösen. Fahren wir mit dem Auto eine glatte Straße bergauf, so geben wir am besten nur so viel Gas, dass die Räder nicht durchdrehen. Stecken wir fest im Schnee oder Schlamm, so fahren sich durch zu starkes Gasgeben die Räder noch tiefer fest. Es gibt zahllose andere Beispiele, bei denen das Nicht-Tun oder auch Weniger-Tun offensichtlich die erfolgreiche Strategie ist: Die Mühelosigkeit, mit der Artur Rubinstein bis ins hohe Alter Klavier spielt und mit der Fred Astaire scheinbar frei von den Einflüssen der Schwerkraft tanzt, sind wesentliche Merkmale ihrer Meisterschaft. Selbst Sportler und deren Trainer machen oft die Erfahrung, dass zu viel Angestrengtheit und zu viel »ich will« nicht zum Erfolg führen (I.3). Sollten die Lösung vieler Probleme und die Entwicklung von besonderen Fähigkeiten weit öfter durch Weniger-Tun oder Nicht-Tun möglich werden, als wir vermuten?

    Ein Segelflugzeug erfährt einen Auftrieb, wenn Luft über die Tragflächen strömt. Es braucht keinen Motor, um zu fliegen, nur beim Start benötigt es Hilfe. Zur Kunst des Fliegens gehört es, die vorgegebenen Windverhältnisse geschickt zu nutzen, um das gewünschte Ziel zu erreichen. Das bedeutet jedoch nicht, sich mit dem Wind treiben zu lassen. Genauso sind die Verhältnisse im Wasser. Schwimmen wir im Meer, so können wir versuchen, uns in einem festen Rhythmus unangepasst an die Strömung zu bewegen. Das wäre blindes Tun. Wir können uns passiv treiben lassen, das nenne ich Nichts-Tun. Wir haben aber auch die Möglichkeit, die Strömung oder die Wellen zu nutzen, um unser Ziel zu erreichen. Wir vergeuden so keine Kraft und kämpfen nicht mit dem Wasser. Ein solches Handeln besitzt die Qualität des Nicht-Tuns.

    So wie viele dieser Beispiele Vorgaben in der äußeren Welt beschreiben, die wir zu unserem Vorteil nutzen können, so gibt es Vorgaben in unserer inneren Welt, deren Beachtung uns das Leben leichter machen kann. So wie ein Auto mit angezogener Handbremse oder in einem zu niedrigen Gang mit hohem Verschleiß und ineffektiv fährt, so behindern wir uns selbst durch zu viel Anstrengung und ungünstige Gewohnheiten, deren wir uns meist nicht bewusst sind. Wir stören dabei ein feines Gefüge von Vorgängen, die ohne unsere Einmischung reibungslos ablaufen könnten.

    Der Vergleich mit dem Auto kann uns veranschaulichen, wie gravierend wir natürliche Abläufe in unserem Körper stören können; dieser Vergleich darf uns aber nicht darüber hinwegtäuschen, wie viel komplexer unsere Situation ist. Wir sind lebendige Wesen, die sich selber steuern, auch wenn dabei vieles unbewusst und automatisiert geschieht. Die Muskeln reagieren auf die Impulse der Nervenzellen. Diese werden durch unsere

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