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Märchen vom Meer: Zum Erzählen und Vorlesen
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eBook226 Seiten3 Stunden

Märchen vom Meer: Zum Erzählen und Vorlesen

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Über dieses E-Book

Märchen vom Meer - Weite, Wind, Wellen - Sehnsucht

Weite, Wind und Wellen - wenn wir ans Meer denken, dann steigt eine Sehnsucht in uns hoch, die so unergründlich ist wie das Meer selbst. Wer schon einmal am Meeresufer stand, der kennt sie, diese Sehnsucht: Der Blick frei bis zum Horizont, darüber der unendliche Himmel, dahinter ferne Länder und darunter die unendlichen Tiefen des Meeres mit seinen geheimnisvollen Geschöpfen.

Das Meer fasziniert die Menschen seit je her und hat sie wunderbare Märchen ersinnen lassen. Märchen von mutigen Seefahrern und ihren Abenteuern, von Begegnungen mit Walen und Meerfrauen, von wunderbaren Unterwasserwelten und verborgenen Schätzen.

Einige der schönsten Perlen aus diesem Märchenschatz präsentiert Königsfurt-Urania im Frühjahr 2021 mit den "Märchen vom Meer". Zusammengetragen hat sie Michaela Brinkmeier, die Herausgeberin der erfolgreichen "5-Minuten-Märchen" (2019) und der "Märchen für Trauer und Trost" (2020).
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum10. Mai 2024
ISBN9783868263794
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    Buchvorschau

    Märchen vom Meer - Michaela Brinkmeier

    VON ABENTEUERN AUF SEE

    DER GLÜCKS-ANDERS

    Ein reicher Bauer hatte zwei Söhne, die hießen Hans Niklas und Glücks-Anders. Der Ältere war einer, aus dem man nicht recht klug werden konnte. Mit ihm war nicht gut Kirschen essen, und er war noch habgieriger und geiziger als die Leute aus Nordland gewöhnlich sind, obwohl sie selten zu wenig mit diesen schönen Eigenschaften gesegnet sind. Der andere, Glücks-Anders, war wild und übermütig, aber immer guter Laune, und wenn er noch so fatal dran war, so sagte er doch immer, er sei ein Glückspilz.

    Wenn ihm der Adler, um sein Nest zu verteidigen, Kopf und Gesicht so bearbeitete, dass das Blut nur so floss, so behauptete er doch, er sei ein Glückspilz, wenn er nur mit einem Adlerjungen heimkam. Kenterte sein Boot, was auch zuweilen vorkam, und man fand ihn daran angeklammert, ganz heruntergekommen durch Nässe, Kälte und Anstrengung, und man fragte ihn, wie er sich fühle, so antwortete er: »Ach, ganz gut; ich bin ja gerettet; ich habe doch Glück.«

    Als der Vater starb, waren sie beide erwachsen, und einige Zeit darauf mussten sie beide zu den Sandbänken hinaus, um einige Fischnetze zu holen, die seit dem Sommerfischen draußen geblieben waren. Es war spät im Herbst, nach der Zeit, wo die meisten Fischer auf der Sommerfahrt begriffen sind. Anders hatte seine Büchse bei sich, die ihn begleitete, wohin er auch ging. Hans Niklas sprach nicht viel auf der Fahrt, aber er dachte sich umso mehr. Zur Heimreise wurden sie erst fertig, als es gegen Abend ging.

    »Hör, Glücks-Anders, weißt du was, heut’ Nacht gibt’s ein bös’ Wetter«, sagte Hans Niklas und schaute über das Meer hinaus, »ich meine, es ist am besten, wir bleiben hier bis morgen!« »Ein Wetter gibt’s nicht«, sagte Anders, »die Sieben Schwestern haben ihre Nebelhaube nicht auf, da kannst du ganz ruhig sein.« Aber der andere klagte, er sei so müde, und endlich beschlossen sie, die Nacht hierzubleiben.

    Als Anders aufwachte, war er allein; er sah weder Bruder noch Boot, bis er auf den höchsten Punkt der Insel kam; da entdeckte er ihn weit draußen, wie eine Möwe, die zum Land fliegt. Anders begriff die Sache gar nicht. Ein Essvorrat war noch da, auch eine Schüssel mit Molke, seine Büchse und sein Feuerstahl. Anders dachte nicht lange nach. »Er kommt wohl heut’ Abend wieder«, sagte er und machte sich über den Proviant her, »ein Narr, wer die Courage verliert, solange er zu essen hat.«

    Aber kein Bruder ließ sich am Abend sehen, und Anders wartete Tag um Tag und Woche um Woche; da merkte er schließlich, dass der Bruder ihn auf der öden Insel ausgesetzt hatte, um das Erbe selbst ungeteilt behalten zu können. Und so war es auch, denn als Hans Niklas auf der Heimfahrt Land in Sicht hatte, ließ er das Boot kentern und sagte, Glücks-Anders sei ertrunken.

    Aber der ließ den Mut nicht sinken; er sammelte Treibholz am Strand, schoss Seevögel und suchte Muscheln und Wurzeln; er baute sich ein Floß aus Stangenholz und fischte mit einer Stange, die auch zurückgeblieben war. Eines Tages, als er gerade an der Arbeit war, fiel ihm eine Vertiefung im Sand in die Augen, wie die Kielspur einer großen nordländischen Jacht*, und er konnte deutlich die Windungen der Taue vom Strand bis hinauf zum Gipfel der Insel verfolgen. Da dachte er bei sich, nun habe es keine Gefahr mit ihm; denn er sah, dass es wahr war, was er oft gehört hatte, nämlich, dass die Meerleute hier ihren Aufenthalt hätten und einen eifrigen Schiffsverkehr trieben.

    »Gott sei Dank für die gute Gesellschaft! Das ist gerade das, was ich brauche. Ja, es ist doch, wie ich sage, ich habe eben Glück«, dachte Anders bei sich selbst, vielleicht sagte er es auch; denn zuweilen musste er notwendig ein wenig sprechen. So lebte er den Herbst über. Einmal sah er ein Boot; da hing er einen Fetzen an eine Stange und winkte damit, aber in demselben Augenblick fiel das Segel, und die Leute setzten sich an die Ruder und fuhren in größter Eile wieder davon; sie glaubten, es seien die Meerkobolde, die da Zeichen gaben und winkten.

    Am Julabend hörte Anders Fiedeln und Musik weit draußen auf dem Meer. Als er hinauskam, sah er einen Lichtschein, der kam von einer großen Nordlandsjacht, die gegen das Land zuglitt – aber ein solches Schiff hatte er noch nie gesehen. Es hatte ein unerhört großes Rahsegel, das ihm aus Seide zu sein schien, und das zierlichste Tauwerk, nicht dicker, als wenn es aus Stahldraht wäre, und alles, was dazugehörte, war so schön und fein, wie ein Nordländer sich’s nur wünschen kann.

    Die ganze Jacht war voll von blaugekleideten kleinen Leuten, aber die, die am Steuer stand, war geschmückt wie eine Braut und so prächtig wie eine Königin; sie hatte eine Krone auf und kostbare Kleider an. Aber das konnte er sehen, dass sie ein Menschenkind war; denn sie war groß gewachsen und schöner als die Meerleute; ja, sie kam Glücks-Anders so schön vor, wie er noch nie ein Mädchen gesehen hatte. Die Jacht steuerte auf das Land zu, wo Anders stand; aber rasch bedacht, wie er war, eilte er in die Fischerhütte, riss sein Gewehr von der Wand und kroch hinauf auf den großen Bodenraum und versteckte sich so, dass er sehen konnte, was in der Hütte vor sich ging.

    Bald merkte er, dass es in dem Raum wimmelte; es wurde ganz voll, und es kamen mehr und mehr. Da fing es an, in den Wänden zu krachen, und das Häuschen weitete sich in allen Ecken und wurde so herrlich und prächtig, wie es bei dem reichsten Kaufherrn nicht sein könnte; es war fast wie in einem Königsschloss. Tische wurden mit den köstlichsten Gerichten gedeckt, und die Teller und Schüsseln und alles Gerät war aus Silber und Gold. Als sie gespeist hatten, fingen sie an zu tanzen.

    Unter dem Lärm des Tanzes kroch Anders zu der Luke, die auf der einen Seite des Daches war, und kletterte hinunter; dann rannte er zu der Jacht, warf seinen Feuerstahl über sie und schnitt, um größerer Sicherheit willen, mit seinem Messer ein Kreuz hinein, um das Schiff festzubannen.

    Als er wieder hinaufkam, war der Tanz in vollem Gange. Auch die Tische tanzten, und Bänke und Stühle und alles, was in der Stube war, tanzte mit. Die Einzige, die nicht tanzte, war die Braut; sie saß nur und schaute zu, und wenn der Bräutigam sie holen wollte, so schickte sie ihn weg. Vorerst war an kein Halten zu denken: Der Spielmann ruhte nicht und rastete nicht und griff nicht nach der Mütze, sondern er spielte munter weiter mit der linken Hand und trat den Takt dazu, bis er von Schweiß triefte und die Fiedel vor lauter Staub und Rauch nicht mehr sehen konnte.

    Anders merkte, dass es ihm auch in den Füßen zu zucken anfing, da, wo er stand, und dachte bei sich: »Jetzt ist es am besten, ich knalle los, sonst spielt er mich von Grund und Boden.« Also wandte er sein Gewehr, steckte es durch die Fensteröffnung hinein und schoss es über den Kopf der Braut weg ab, aber verkehrt herum, sonst hätte die Kugel ihn selbst getroffen. In demselben Moment, als der Schuss fiel, stürzte das ganze Koboldvolk übereinander zur Tür hinaus. Als sie sahen, dass die Jacht festgezaubert war, jammerten sie und krochen in ein Loch im Berge. Aber alle die Gold- und Silbergeräte blieben zurück, und die Braut saß auch noch da.

    Sie erzählte dem Glücks-Anders, dass sie in den Berg verzaubert worden sei, als sie ein kleines Kind war. Als ihre Mutter einmal draußen beim Vieh war, um zu melken, hatte sie sie bei sich, aber als die Mutter auf einen Augenblick heim musste, ließ sie das Kind im Heidekraut sitzen unter einem Wacholderbusch und sagte, sie dürfe von den Beeren essen, wenn sie nur dreimal sage:

    »Ich ess’ Wacholderbeer blau

    Mit Jesu Kreuz darauf;

    Ich esse Preiselbeer rot

    Mit Jesu Pein und Tod.«

    Aber als ihre Mutter fort war, fand sie so viele Beeren, dass sie ihren Spruch zu sagen vergaß, und deshalb wurde sie in den Berg verzaubert. Es war ihr dort kein anderes Leid geschehen, als dass sie das oberste Glied vom linken kleinen Finger verlor, und sie hatte es gut gehabt bei den Kobolden. Doch schien es ihr, dass nicht alles seine Richtigkeit hätte; es war, als ob etwas sie ängstigte, und sie hatte viel zu leiden unter der Zudringlichkeit des Kobolds, den sie ihr zum Bräutigam bestimmt hatten.

    Als Anders hörte, wer ihre Mutter war und wo sie herstammte, da sah er, dass sie aus seiner Verwandtschaft war, und sie wurden, wie man so sagt, schnell gute Freunde. Da konnte Glücks-Anders mit Recht sagen, dass er ein Glückspilz sei. Also fuhren sie heim und nahmen die Jacht und alles Gold und Silber und alle Kostbarkeiten, die in der Hütte zurückgeblieben waren, mit sich, und damit war Anders viel reicher als der Bruder.

    Der aber hatte eine Ahnung, wo all der Reichtum hergekommen sein könnte, und wollte nicht weniger reich sein. Er wusste, dass Trolle und Kobolde meist am Weihnachtsabend draußen herum ihr Wesen trieben; deshalb fuhr er um die Zeit nach den Sandbänken hinaus. Am Julabend sah er auch ein Feuer oder Licht, aber es war wie Irrlichter, die flackerten. Als es näherkam, hörte er ein Platschen, schreckliches Heulen und kalte durchdringende Schreie, und es roch nach Schlamm und Tang wie bei der Ebbe. Im Schrecken rannte er in die Hütte hinauf, von wo er die Trolle am Strand sehen konnte. Sie waren kurz und dick wie Heuhaufen, waren ganz in Fell gekleidet, Fellkittel und Wasserstiefel und riesige Fäustlinge, die fast bis auf die Erde hingen. An Stelle von Kopf und Haar hatten sie ein Tangbündel. Als sie den Strand heraufkrochen, leuchtete es hinter ihnen wie von faulem Holz, und wenn sie sich schüttelten, so sprühten die Funken um sie.

    Als sie näherkamen, kroch Hans Niklas auf den Boden, wie sein Bruder es getan hatte. Die Kobolde schleppten einen großen Stein in die Hütte und fingen an, ihre Handschuhe trocken zu klopfen, und zwischenhinein schrien sie, dass dem Hans Niklas das Blut zu Eis wurde auf seinem Bodenversteck. Dann nieste einer in die Asche auf dem Herd, um das Feuer zum Brennen zu bringen, während die anderen Heidekraut und Treibholz hereintrugen, so rau und schwer wie Blei. Der Rauch und die Hitze hätten den Lauscher oben auf dem Boden fast umgebracht, und um wieder zu Atem und frischer Luft zu kommen, versuchte er, aus der Dachluke herauszukriechen; aber er war viel grobgliedriger als sein Bruder und blieb stecken und konnte weder heraus noch herein. Da bekam er Angst und fing an zu schreien, aber die Kobolde schrien noch ärger und brüllten und heulten und polterten und lärmten drinnen und draußen.

    Endlich, als der Hahn krähte, verschwanden sie, und auch Hans Niklas kam los. Als er aber von der Reise nach Hause kam, da hatte er den Verstand verloren, und seit der Zeit konnte man oft auf den Speichern und im Vorratshaus, wo er gerade war, denselben unheimlichen kalten Schrei hören, an dem man in Nordland den Troll erkennt. Vor seinem Tod kam er doch wieder zu Verstand, und man legte ihn in christliche Erde, wie man sagt. Seit der Zeit aber hat keines Menschen Fuß mehr die Sandbänke betreten. Sie sanken, und die Meerleute, so glaubte man, zogen fort auf die Lekang-Inseln.

    Dem Glücks-Anders ging es immer gut; kein Schiff machte glücklichere Reisen als das seinige. Aber jedes Mal, wenn er an die Lekang-Inseln kam, wurde es windstill – dann gingen die Kobolde an Bord oder an Land mit ihren Waren –, aber nach einer Weile hatte er wieder Fahrtwind. Er hatte viele Kinder, und alle waren sie tüchtig. Aber allen fehlte das oberste Glied am linken kleinen Finger.

    Märchen aus Norwegen

    *Jacht: Kurzbegriff für »Jachtschiff«, das als Schnellschiff unter anderem zum Verfolgen eingesetzt wurde.

    DER GOLDENE FISCH

    In einer Hütte am Meer lebten einst ein alter Fischer und sein Sohn. Sie waren arm und besaßen nichts als ein leckes Boot und ein löchriges Fischernetz. Aber Tair, der junge Fischer, liebte die kleine stille Bucht und er liebte es zu fischen, und so war er guten Mutes und sang bei der Arbeit. Wenn er mit seinem Vater aufs Meer hinaus fuhr und die Netze auswarf, dann klangen seine Lieder weit übers Wasser – so schön, dass alle, die ihn hörten, den Atem anhielten. Die Kunde von seinem schönen Gesang verbreitete sich im ganzen Land. Ja, es kamen sogar Leute von weit her, nur um ihn singen zu hören.

    Eines Tages, als die beiden das Netz einholten, fanden sie darin einen großen goldenen Fisch. Da sprach der Alte zu seinem Sohn: »Dieser herrliche Fisch gebührt niemand anderem als dem Khan. Ich will sogleich zu ihm laufen und ihm von dem Fang berichten, er wird uns sicher reich belohnen. Bleibe du derweil beim Netz und passe auf.« Der Vater eilte davon und Tair betrachtete den goldenen Fisch, wie er im Netz gefangen war und zappelte, und er hatte Mitleid mit ihm, und da ließ er ihn wieder ins Meer.

    Schon kam der Khan mit seinem Gefolge und sprach: »Nun, Fischer, zeige mir den kostbaren Fisch.« Tair verneigte sich vor dem Herrscher und sagte: »Verzeiht mir, oh Khan, aber der Fisch tat mir leid, und da ließ ich ihn wieder ins Meer.« Der Khan wurde böse und brüllte: »Was erlaubst du dir für Späße mit mir, he?« Und er wandte sich zum Wesir und fragte: »Sag, gibt es das überhaupt, einen goldenen Fisch?« Der Wesir zupfte seinen langen weißen Bart und sagte: »Nun bin ich wohl schon hundert und mehr Jahre alt, aber ein goldener Fisch? Nein, von solch einem Wunderwesen habe ich noch nicht gehört.« Nun konnte der alte Fischer beteuern, so oft er wollte, es wäre ihnen ganz gewiss ein goldener Fisch ins Netz gegangen; der Khan glaubte ihm nicht, und er befahl seinen Dienern, sie sollten den jungen Fischer fesseln, in sein Boot setzen und aufs Meer hinaus schieben. Wütend kehrte der Khan in den Palast zurück. Und der arme alte Fischer musste hilflos mit ansehen, wie sein unglücklicher Sohn immer weiter und weiter aufs Meer hinaus trieb, den Wellen und damit dem sicheren Tode preisgegeben, bis er nur noch ein kleiner schwarzer Punkt am Horizont war.

    Lange noch hörte Tair das Weinen und Wehklagen des Vaters. Da lag er nun in seinem lecken Boot und wartete auf seinen Untergang. Aber er ging nicht unter. Leicht glitt er auf den Wellen dahin, und kein Wasser drang in das Boot ein, obgleich es doch fast so viele Löcher hatte wie das Fischernetz. Schließlich sah er in der Ferne eine Insel, darauf steuerte das Boot geradewegs zu. Die Wellen spülten es an den Strand, und Tair gelang es, sich aus dem Boot zu wälzen. Und kaum war er an Land, sah er, wie aus einem Gebüsch ein Jüngling hervortrat, der glich ihm wie ein Ei dem anderen. Der Jüngling kam auf ihn zu, löste seine Fesseln und gab ihm zu essen und zu trinken. Dann lud er Tair in seine Hütte ein, und dort lebten sie gemeinsam auf der Insel. Sie fischten und jagten zusammen, und alles teilten sie untereinander und wurden gute Freunde.

    Eines Tages trafen sie einen alten Hirten mit seiner Hammelherde. Tair verwunderte sich, denn er hatte gedacht, sie wären die Einzigen auf der Insel. Der Hirte sprach: »Drei Tagesreisen entfernt lebt der allmächtige Khan der Insel. Dieser hat eine wunderschöne Tochter, die aber hat seit ihrer Geburt noch nie ein Wort gesprochen. Und nun hat der Khan verkünden lassen, dass derjenige, dem es gelinge, die Tochter zum Sprechen zu bringen, als Belohnung seine größte Kostbarkeit bekommen solle. Wem es aber nicht gelinge, der verliere seinen Kopf. Ach, so viele Jünglinge haben es schon versucht und mussten alle ihr Leben lassen, und die Tochter des Khans ist immer noch stumm.«

    Als Tair und der Jüngling dies hörten, machten sie sich auf, ihr Glück zu versuchen. Schließlich sahen sie den Palast des Khans vor sich

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