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Geheimprojekt Übermensch: Band 1, Die erste Eier-legende Frau der Welt
Geheimprojekt Übermensch: Band 1, Die erste Eier-legende Frau der Welt
Geheimprojekt Übermensch: Band 1, Die erste Eier-legende Frau der Welt
eBook462 Seiten6 Stunden

Geheimprojekt Übermensch: Band 1, Die erste Eier-legende Frau der Welt

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Über dieses E-Book


Haben Sie Angst vor gentechnisch veränderten Menschen? „Wer die Möglichkeit zur Erschaffung von Übermenschen durch gentechnische Veränderungen in der befruchteten Eizelle ignoriert, könnte ebenso gut die Uhr anhalten, um der Zukunft zu entkommen!“ sagt der unter Pseudonym schreibende Romanautor. Diese „Übermenschen“ könnten unvorstellbare Fähigkeiten besitzen und schnell zur herrschenden Klasse aufsteigen, wenn es gelingt genetische Programme aus unserer tierischen Vergangenheit in den 98% ungenutzter Gene zu finden und zu aktivieren.

Der Roman beginnt mit einem landesweit im Fernsehen einer westlichen Großmacht übertragenen Empfang des Präsidenten zu Ehren des Ehepaares Agramoff. Der Starjournalist James Agramoff ist Nachkomme eines alten russischen Fürstengeschlechts und wurde monatelang von einer sozialistischen Supermacht unter dem fingierten Vorwand der Spionage festgehalten. Seine Frau Klara konnte schließlich mit einer spektakulären Aktion die dortigen Machthaber derart entlarven, dass seine Freilassung unvermeidlich wurde, was der Präsident bei diesem pompösen Empfang natürlich als sein Verdienst ausgibt. In den folgenden Monaten müssen sie in unzähligen Vorträgen und Fernsehinterviews immer wieder die gleichen Geschichten präsentieren, bis sie sich schließlich erschöpft in ihre einsame Villa in bewaldeten Bergen zurückziehen.

Klara will nun endlich schwanger werden und verzweifelt daran, dass dies immer wieder fehlschlägt. Auch die besten Spezialisten können der berühmten Frau nicht helfen. Ein alter Freund offenbart ihnen schließlich ein lange gehütetes Geheimnis. Er war viele Jahre zuvor unheilbar an Krebs erkrankt und dann durch Prof. Brookman, einen der größten Wissenschaftler des Landes, mit neuartigen Methoden gerettet worden. Daraufhin verkaufte der ehemalige Börsenspekulant seine Wertpapiere für mehrere hundert Millionen und begann ein neues Leben. Er besitzt ein kleines Schloss in der Nachbarschaft der Agramoffs und züchtet dort Bisons. Brookman verschwand jedoch plötzlich aus seinem Labor, zusammen mit einigen Mitarbeitern und allen Unterlagen. Es wird behauptet, sein Charterflugzeug sei über dem Meer abgestürzt. Nun erfahren die Agramoffs von ihrem Freund jedoch, dass es Hinweise darauf gibt, dass er im isolierten Himalaya-Königreich Amthum untergetaucht ist. Der Grund seiner Flucht bestand wohl in der Angst, dass seine Entdeckungen zur Erweckung von Erbinformationen aus der Genbibliothek der Evolution verheerende Folgen für die Menschheit haben würden.

Aufgrund ihrer weltweiten Bekanntheit gelingt es den Agramoffs in Amthum einzureisen und dort von Vertretern der Regierung und dem religiösen Führer des Landes empfangen zu werden. Sie erleben die telepathischen Fähigkeiten einiger Mönche, die sich durch „Dialoge ohne Worte“ ein Bild von ihrem Charakter und ihren Absichten machen. Schließlich fährt man sie nachts zu einem alten, in den Bergen verborgenen Kloster, unter dem ein riesiger hochmoderner Laborkomplex versteckt ist. Hier treffen sie tatsächlich Prof. Brookman, der Klaras Verzweiflung über ihre Unfruchtbarkeit und die Ergebnisse der telepathischen Analyse ihres Denkens und Fühlens bereits kennt. Er bietet ihr deshalb einen Eingriff an, der ihr Leben und die Welt der Wissenschaft verändern wird. Ohne Zögern begibt sie sich ganz in seine Hände...

Es gibt Menschen, die glauben, dass es sich bei diesem Roman um ein „Lit-Leak“ handelt. Mit anderen Worten, ein Insider verrät die schon lange im Geheimen durchgeführten Experimente zur gentechnischen Veränderung des Menschen an einen Schriftsteller.

Entsprechend dem Motto: „Testlauf statt Fehlkauf“ sind ausführliche Hintergrundinformationen auf www.fagulon.de zu finden. Das ungekürzte Hörbuch ist unter www.fagulon-shop.net erhältlich. Die ersten Kapitel kann man zudem kostenlos auf allen großen Podcast-Plattformen anhören.
 
SpracheDeutsch
HerausgeberFAGULON Verlag
Erscheinungsdatum18. Apr. 2024
ISBN9783941525337
Geheimprojekt Übermensch: Band 1, Die erste Eier-legende Frau der Welt

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    Buchvorschau

    Geheimprojekt Übermensch - Marc DeSargeau

    1. Kapitel

    »Meine Damen und Herren, seine Exzellenz der Staatspräsident und die First Lady!!« Der Ruf des befrackten, seriös graumelierten Protokollchefs des präsidialen Palastes lässt das Gewirr des murmelnden Orchesters der etwa 300 geladenen Gäste im Festsaal schlagartig verstummen, so als hätte ein Dirigent den Taktstock gehoben. Jetzt öffnet sich der Vorhang in Form einer, mit edlen Hölzern und Ornamenten verkleideten, Flügeltür. Der Präsident schreitet seinem strahlenden Lächeln hinterher. Es leuchtet wie ein Scheinwerfer, der durch den Nebel der veratmeten Luft der Wartenden schneidet.

    Trotz seiner fast 70 Jahre ist sein Gang gerade, das volle Haar dezent mit Pomade in einen exakten Scheitel gezwungen. Die regelmäßigen Züge des ehemals prototypisch-schönen Gesichts haben durch die Jahre Falten erhalten, die mit kräftigen Strichen Charakter auf die ehemals so unverbindliche – vielleicht gerade deshalb so massenwirksame – Ausdrucksarmut seines Gesichtes zeichnen.

    Neben ihm trippelt seine Frau. Sie ist zwei Köpfe kleiner. Mindestens eine Dose Haarspray haben ihre Stylisten wohl gebraucht, um die kunstvoll ondulierten Locken zu zementieren. Nun reichen deren ausladende Schwingungen wenigstens noch bis zur Schulter des jugendlichen Alten, dessen treueste Gefährtin sie nun schon seit frühester Jugend ist. Die kindliche Unschuld ihrer Vertrautheit, die Selbstverständlichkeit ihrer Kameradschaft ist es, die beide nicht einmal ahnen lässt, wie viel unfreiwillige Komik oftmals im Erscheinen dieses strahlenden Duos liegt.

    Sie spielen nicht: Sie leben in einer heilen, klar strukturierten Welt. Das Kleid der First Lady scheint aus einer der glanzvollen Operettenaufführungen entlehnt, wie sie vor Jahrzehnten auf vielen Bühnen zu sehen waren. Bodenlang umhüllt das zarte Rosa des Abendkleides den kleinen, fast ausgemergelten Körper der Präsidentengattin. Über und über mit Pailletten und glitzernden Steinchen besetzt, funkelt sie im Lichte der Scheinwerfer der vielen Fernsehkameras bei jeder Bewegung. Sie erinnert deshalb auch an die weihnachtlichen Kaufhausdekorationen, draußen in den großen Supermärkten der Hauptstadt.

    Nur die intellektuellen Zyniker, welche die feste Verwurzelung des Präsidentenpaares in ihrer überschaubaren Welt bürgerlichen Glückes neidisch beäugen, lassen sich diskret mit vielsagenden Blicken vernehmen. Aber auch ihr stummes Gemurmel wird schnell erstickt, wenn sie der leuchtende Strahl des präsidialen Blickes trifft, der die erlesenen Gäste - die sich im Halbkreis applaudierend aufgestellt haben – suchend ableuchtet. Er forscht nach den beiden Agramoffs, dem Journalistenehepaar, dessen Errettung eine willkommene Gelegenheit bietet, sich und seine Regierung feiern zu lassen. Sind die vielen Jahre vergessen, in denen der Präsident sich immer wieder kopfschüttelnd verständnislos ärgerte, wenn James Agramoff wieder einmal seine Reden oder politischen Handlungen in einer der führenden Zeitungen oder Nachrichtenmagazine mit ironischer Distanz seziert hatte?

    Besonders das unausweichlich-sarkastische Bonmot am Ende solcher Artikel wurde oft zum geflügelten Wort – nicht nur bei den politischen Journalisten, sondern besonders bei Politikern der Opposition. Nicht selten wurden diese ›Petite Phrases‹ (im Journalistenslang ›PPs‹ genannt) monatelang als die knappste und witzigste Zusammenfassung eines eigentlich komplizierten Sachverhaltes in der politischen Debatte gebraucht. Das Echo dieser ›PPs‹ jagte die Berater des Präsidenten zuweilen wie ein kläffender Hund, der sich von Zeit zu Zeit auch ihr in Hosenbein verbiss und einfach nicht mehr loslassen wollte. In einer Zeit, wo die komplexen Lianengeflechte, die den politischen Urwald zusammenhalten und verstricken, nur noch wenigen Eingeweihten durchschaubar sind, hat der Kampf der ›Petite Phrases‹, der Bonmots, der geflügelten Worte, die Rolle der sachbezogenen und mühseligen politischen Auseinandersetzung eingenommen.

    Auf diesem Gebiet war aber auch der Präsident – ein ehemaliger Moderator von bunten Fernsehshows mit Tanz, Unterhaltung (und ohne tiefere Bedeutung) – schon früh ein einsamer Virtuose geworden. Seiner Fähigkeit, die komplizierte Welt in einem Satz zu erklären und dabei mit den Scheinwerfern seiner strahlenden Aura den Nebel des Zweifels zu durchdringen, hatte ihm schon mehrere Wahlsiege eingebracht: Er würde wohl ewig Präsident bleiben, wenn er nicht – obwohl niemand ernsthaft damit rechnete – irgendwann einmal stürbe.

    Jetzt hat der präsidiale Suchscheinwerfer die Agramoffs gefunden. Sie stehen in der Mitte des Halbkreises der immer noch applaudierenden Gäste. Es hat sich eingebürgert, dass der Applaus erst dann verstummt, wenn der Präsident anfängt, zu sprechen. Alles andere hätte ihn vielleicht enttäuscht. Irgendwie können auch seine eifrigsten Feinde es nicht übers Herz bringen, den Scheinwerfer seines Strahlens durch vorzeitig abklingenden Applaus zum Erlöschen zu bringen. Keiner der Anwesenden ist verpflichtet, so lange zu klatschen: Man lebt in einer stabilen und reichen Demokratie. Der Präsident kann niemand wirklich bedrohen, geschweige denn einsperren lassen. Aber irgendwie will jeder ›applaudieren müssen‹; zumindest hier im präsidialen Palast, in seiner altersmild leuchtenden Nähe, beobachtet von den vielen Fernsehkameras und der versammelten Elite des Landes.

    Der Geldadel ist ebenso gekommen wie die Spitzen der politischen Aristokratie, von denen einige ihre Ämter schon so lange besetzen, dass die Unterschiede zu ererbten Pfründen kaum noch auszumachen sind. Wie fast immer auf derartigen Veranstaltungen fehlt der eigentliche Adel der menschlichen Gesellschaften: Wissenschaftler und Denker, deren Schöpfungen das Leben jedes Einzelnen revolutioniert (und oft genug gerettet) haben, ohne dass sich die meisten Menschen dessen bewusst sind. Die Machteliten fühlen in allen Ländern, dass bereits die physische Anwesenheit der Geisteseliten den scheinbaren Glanz ihrer Zusammenkünfte als Theaterzauber entlarven kann. Vielen der wirklichen Schöpfer der menschlichen Gesellschaft steht ihr reicher Geist so deutlich ins Gesicht geschrieben, dass er in das Unterbewusstsein selbst der schlichtesten Gemüter eindringt und sich von dort aus als ein unbehagliches Gefühl des Durchschaut-Werdens ins Bewusstsein voranarbeitet, ohne dass man der so entstehenden Verunsicherung Einhalt gebieten könnte. Wer will sich diesem Gefühl schon freiwillig aussetzen? Da bleibt man doch lieber unter sich!

    James und Klara Agramoff sind beide politische Journalisten und den hauptstädtischen Machteliten seit vielen Jahren bekannt. Besonders James ist wegen seiner tief grabenden Recherchen und seiner skalpellartigen Feder bei einigen gefürchtet, bei anderen geachtet. Klara hat lange die Rolle einer emsigen Zulieferin für die Arbeit ihres Mannes gespielt und gelegentlich versucht, durch eigene Artikel über neue Maler, Schriftsteller oder Regisseure aus dem Schatten ihres berühmten Mannes herauszutreten.

    Seit einigen Monaten aber ist die etwas dickliche, mittelgroße 35-Jährige nun ein Star – nicht nur im eigenen Lande, sondern auf der ganzen Welt. Ihr forsch-mütterliches, rundes Gesicht und ihre rotbraune Pagenfrisur sind hunderten Millionen Fernsehzuschauern sehr vertraut geworden, als sie mit Richtmikrofon und Teleobjektiv bewaffnet in der Krone eines hohen Baumes hockte und so Bruchstücke eines der vielen Verhöre ihres Mannes durch einen hochrangigen Geheimdienstoffizier der feindlichen Großmacht einfangen konnte. Der unerreichte Höhepunkt dieses Tages: eine live Schaltung mit den größten internationalen Nachrichtensendern! Klara hing – leise ins Mikrofon flüsternd – im Geäst des Baumes. So kommentierte und übersetzte sie die Fetzen des Verhörs ihres Mannes, die man im wackelnden Teleobjektiv schemenhaft erkennen konnte. Hier und da wurden sogar einige Fragen und Antworten mit Hilfe des Richtmikrofons aus dem offenen Fenster der Zelle von James Agramoff eingefangen!

    Noch nie hatte es eine so spektakuläre Reportage im Ringen der beiden Staaten gegeben. Tagelang wurde sie auf allen Kanälen wiederholt. Jede Nachrichtensendung auf der Welt zeigte längere Ausschnitte. Wer hatte sich je zuvor solch ein Bubenstück getraut? Wie konnte sie auf feindlichem Territorium der Allmacht von Hundertschaften lauernder Geheimdienstagenten entkommen? Wie gelang es ihr, aus dem überwachten Hotel zu entwischen und in die Nähe der Gefängnisfestung zu gelangen? Sie würde ihre Geschichte sicherlich bald erzählen.

    Nur so viel war schon jetzt klar: Ihre Bilder aus dem Baum rasten um die Welt, drangen Minuten später auch in die Büros der ›Spin-Doctors‹ des Präsidenten. Jetzt waren neue Realitäten geschaffen. Die zurückhaltende Diplomatie, mit der man den – wegen angeblicher Militärspionage verhafteten – Journalisten Agramoff hatte schmoren lassen, war nun keine Handlungsoption mehr. Eine neue Strategie musste her: Der Präsident war zur Rettung von James Agramoff durch die Bilder aus der Krone einer alten Eiche gezwungen worden!

    Klara Agramoffs Landsleute, die Journalisten und – durch sie dirigiert –  der größte Teil der Weltöffentlichkeit jubelten: Niemals war jemand so weit, so clever und so schonungslos hinter die hohen Mauern und machtbewussten Fassaden der diktatorischen, gefürchteten und Geheimnis umwobenen Konkurrenzmacht eingedrungen. Die dicklich unscheinbare Klara Agramoff wurde in wenigen Tagen zur Heldin. So wie die Ehefrau eines, beim Herrscher in Ungnade gefallenen, fürstlichen Urahnen ihres Mannes, hatte auch sie ihre Sicherheit, vielleicht sogar ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um ihren Mann aus der Gefangenschaft zu befreien. Ihr Mittel war nicht duldsames Mitleiden, wie bei ihren Vorgängerinnen in der Reihe der liebenden Frauen der Agramoff-Fürsten. Klara hatte die Sprengkraft des symbolischen Bildes benutzt.

    Im Schutze der Nacht war sie auf einen Baum geklettert, hatte das technische Team mit ihren Schnüren und Satellitenübertragungsgeräten in die benachbarten Büsche verwiesen. Klara war sich der Gefahr bewusst, dass man sie sofort nach ihrer Entdeckung aus dem gegenüberliegenden Geheimdienstgefängnis vom Baum herunter schießen könnte. Hinterher konnten sich die Verantwortlichen des diktatorischen Machtgefüges halbherzig entschuldigen; etwas von Spionage oder versuchtem Attentat, von Gefahr im Verzuge etc. verlauten lassen und ansonsten auf die rabenschwarze Nacht verweisen. In dieser Situation hätten die Wachen auf den Türmen innerhalb der hohen Mauern des Hochsicherheitsgefängnisses nur ihre Pflicht getan! Sie mussten ihren Oberst und den ausländischen Starjournalisten doch vor einem perfiden Attentäter schützen und hätten deshalb geschossen, bis ihre Magazine leer und die meisten Äste des Baumes zerfetzt gewesen wären. Dass dabei auch der Körper von Klara Agramoff durchlöchert zu Boden sinken würde, konnten sie doch nicht wissen! Wer sollte ihnen also eine solche Rettungsaktion übelnehmen, nur weil sie nicht ganz so verlaufen war, wie eigentlich beabsichtigt?

    »Wohlan, endlich ein Mensch!«, hatte Napoleon angeblich ausgerufen, als ihm der alternde Goethe unter die Augen geschoben wurde. Dieser Satz ist als eine der klassischen ›Petite Phrases‹ in die Geschichte eingegangen – nicht zuletzt, weil die Eitelkeit des Dichterfürsten nicht müde wurde, diesen Ausspruch in Briefen an seine Zeitgenossen immer wieder zu zitieren. Eigentlich inhaltslos kann ein Satzfetzen durch die Umstände seiner Entäußerung und nachträgliche Deutungen eine Kraft gewinnen, die noch Jahrhunderte nachwirkt. An dieses Modell hatte sich einer aus dem Team der ›Spin-Doctors‹, der Redenschreiber und Psychotrainer des Präsidenten erinnert, als man eine Begrüßungsformel suchte. Mit ihr sollte der Präsident den Applaus durchschneiden und den Gestus bestimmen, mit dem er die Feier zur Rettung seines journalistischen Gegners aus monatelanger Haft der bösen Konkurrenzmacht zu vergolden dachte. Ach, wie hatte sich der Präsident gefreut, als er die Vorschläge seiner Medienberater zur Begrüßung der Agramoffs hörte! Sein Instinkt für die richtige Kombination von Bild und Wort war sicher. Allerdings haperte es inzwischen mit der Erfindung neuer, einmaliger und treffender Gesten. Auch er spürte: Hier musste wirklich Neues her. Die bereits bekannten Redewendungen würden bei einem solchen Ereignis enttäuschen. Ein neues Stück, ein gespanntes Publikum – da darf man nicht mit alten Kamellen auftreten!

    »Millionen von Menschen wollen Ihnen in diesem Moment mit Hochachtung und Bewunderung die Hand drücken. Ich habe das Privileg, der Erste sein zu können!« Dutzende Fernsehkameras fahren ihren Zoom aus und vergrößern das Bild der fest verschlungenen Hände von Präsident und Bürger. Sie spiegeln das Strahlen seiner Augen, die auf James gerichtet sind, als hätte der Charmepolitiker noch nie ein menschliches Wesen gesehen; als sei niemand anderes außer ihnen beiden auf der Welt. Von dem Bewunderten ist auf den meisten dieser Bilder nur der Hinterkopf zu sehen. Von vorne sieht er etwas gequält aus, irritiert und verlegen. Ganz aufgesogen von der Aura dieses schlichten Präsidentengemütes, dessen Strahlkraft er sich jedoch nicht entziehen kann.

    Kaum hat James einige Worte des Dankes für die Anstrengungen des Präsidenten zu seiner Befreiung gemurmelt, ermutigt ihn schon das leuchtende Nicken des erfahrenen Showmasters, fortzufahren. Der warmherzig grinsende alte Herr scheint zu verstehen und mehr wissen zu wollen. James weiß eigentlich nur zu genau, wie sehr dieser Polit-Patriarch unter Schwerhörigkeit leidet und vermutet, dass dieser nur Fragmente seiner Antwort versteht, wenn ihm seine treue First Lady nicht souffliert. In diesem Moment ist es egal. Er ist so umfangen vom wärmenden Charme dieses Mannes, dass er sich uneingeschränkt verstanden, aufgenommen und geachtet fühlt. Wie James mit ironischem Erschrecken später erzählte, ist in diesem Moment – ja sogar für den größten Teil des glamourösen Abendempfanges im Präsidentenpalast – seine jahrelange Aversion, vielleicht sogar Verachtung für diesen Mann und seine Politik, für die Mafia seiner Strippenzieher und die ihn unterstützende Geldelite, ausgelöscht.

    »Sie haben die Strahlen Ihrer Liebe durch Gefängnismauern gesandt und in die ganze Welt gespiegelt!« Mit diesen Worten (Teil 2 der Liste der ›PPs‹ vom Klüngel der ›Spin-Doctors‹) begrüßt der Präsident nun Klara Agramoff. Er verbeugt sich tief und deutet einen eleganten Handkuss an. Mehrfach hatten seine Medientrainer ihm Videobänder vorgespielt, auf denen die elegant-französische Art des Handkusses ebenso zu sehen war, wie viele Beispiele der ungehörigen Entartung desselben, die allenthalben beobachtet werden können. Also reißt der Präsident Klaras Hand nicht nach oben, schmatzt auch nicht mit seinen Lippen einen Kuss auf ihren Handrücken. Nein, er beugt sich artig, behände, tief und haucht die Pantomime eines Kusses in Richtung ihrer unsicher-feuchten Hand.

    Was sind das für Bilder, was für Texte! Bereits in diesen wenigen Sekunden hat sich die Suche der Fernsehmacher und Zeitungsredakteure nach geeigneten Aufmachern erledigt! Die Untertexte der Titelzeilen hat der Präsident mit seinem beiden ›PPs‹ geliefert; auch die Bilder dazu sind schon im Kasten. Ein Händedruck mit präsidialem Strahlen sowie der formvollendete Handkuss können unter diesen Schlagzeilen postiert werden. Wieder einmal lieben die von Zeitnot geplagten Journalisten ihren Präsidenten, der ihnen – wie schon so oft – die mühevolle Suche nach dem Aufmachertext und dem Bild auf der Titelseite abnimmt.

    Die zierliche First Lady schließt sich den Glückwünschen ihres Gatten an. Sie umarmt James und Klara. Dabei glitzert nicht nur ihr Kleid: Auch ein paar kleine Tränen haben sich in den Augenwinkeln gesammelt. Die Agramoffs fühlen sich ganz aufgesogen von der Wärme des Präsidentenpaares. Man bedankt sich für deren Engagement bei der Rettung nach drei Monaten verzehrender Ungewissheit – mit der Aussicht auf lebenslange Haft in einem Arbeitslager, wie sie üblicherweise den ›überführten‹ Spionen in der fernen Großmacht drohen. Vergessen sind die wochenlangen Flüche, mit denen James den Präsidenten und seine Berater bedacht hatte, als er in seiner kalten Zelle einer Lungenentzündung entgegen zitterte, während sich immer deutlicher abzeichnete: Dies war kein Propagandaspiel! Die Geheimdienste pokerten hoch; seine Bewacher meinten es ernst! Hatte doch der Präsident erst vor kurzem die Begnadigung eines hochrangigen Spions verweigert, den man nun – durch die Inhaftierung von James unter ähnlichen Anklagen – freipressen wollte.

    Das übliche Ritual: Keine Seite darf das Gesicht verlieren. Die Sandkastenspiele kleiner Jungen um die Abgrenzung ihrer Territorien wiederholen sich ständig auf der Bühne der Weltpolitik. Auf jeder Seite stehen alt gewordene Boys und beobachten, wer wohl obsiegen wird. Also kann man nicht nachgeben, selbst wenn einem das Spiel zu öde oder zu grausam geworden ist!

    Deshalb hatte nicht der Präsident seine Rettung erwirkt, sondern Klara – mit ihren Bildern aus dem Gipfel des Baumes. Sie rasten um die Welt und zwangen ihn zum Handeln. Mehr noch aber verhöhnten sie die scheinbare Allmacht der Peiniger von James. Sie waren – inmitten ihrer Hauptstadt, im Innersten des größten Geheimdienstgefängnisses – vorgeführt worden. Schlimmer noch, nachdem Klaras Versteck enttarnt worden war, konnte man ihr zwar die Kameras, die Satelliten-Kommunikationseinrichtungen etc. wegnehmen, aber nicht die bereits live gesendeten Film- und Tondokumente. Sie selbst war durch ihr Bubenstück immun geworden. Wie hätte es ausgesehen, nun auch sie zu verhaften, als eine Art roher Rache dafür, lächerlich geworden zu sein? So weit kannten sich die Geheimdienstprofis in der Mechanik der veröffentlichten Weltmeinung aus, dass sie wussten, dass sie mit Klara keinen weiteren Märtyrer schaffen durften!

    Außerdem hatte Klara in ihren ersten Verhören einen genialen Geistesblitz, wie er gelegentlich durch den Adrenalinstoß äußerster Erregung hervorgebracht wird. Sie behauptete, weit mehr Bilder und Tondokumente via Satellit an ihren Sender geschickt zu haben, als diejenigen, die tatsächlich weltweit im Fernsehen ausgestrahlt wurden. Angeblich hatte sie auch Sequenzen aus dem Verhör dokumentiert, in denen der Geheimdienstoberst James gegenüber bekannte, dass er von seiner Unschuld überzeugt sei, aber eine Verurteilung unausweichlich wäre, wenn der eigene Spion nicht gegen James ausgetauscht würde. Im Falle ihrer Verhaftung müsste ihr Sender diese Bilder natürlich ausstrahlen – bliebe sie aber frei, könne Klara garantierten, dass all diese Aufnahmen nach ihrer Rückkehr gelöscht würden. Das war ein erpresserisches Pokerspiel, aber die andere Seite verstand diese Sprache offensichtlich gut und wollte kein weiteres Medienspektakel riskieren.

    Natürlich gab es diese Bilder und Tonbandaufzeichnungen nicht! Klara hatte alles live gesendet, was sie von ihrem Adlerhorst aus einfangen konnte. Sie war schon froh, dass wenigstens einige Bilder und Tonfetzen verwendbar waren. Die ganze Aktion hatte ja nicht mehr als 15 Minuten gedauert. Dann heulten schon die Sirenen von Geländewagen, welche die Umgebung des Gefängnisses mit Scheinwerfern absuchten und das versteckte Team auch bald gefunden hatten. Die Bildschirme der Geheimdienstzentrale präsentierten natürlich ständig alle internationalen Fernsehsender den wachsamen Augen der diensthabenden Offiziere, die prompt einen Großalarm auslösten.

    Aber irgendwie war der Zorn darüber, dass der Präsident erst durch Klaras Bilder erpresst werden musste, sich für die Befreiung von James einzusetzen, von der strahlenden Aura des liebevoll parlierenden Präsidentenpaares, von den glanzvollen Lichtern des Ballsaales, vom andachtsvollen Lauschen der versammelten Geld- und Politaristokratie des Landes aufgesogen worden. Das bewusst miesepetrige Gesicht, die vorwurfsvollen Fragen und Anklagen, die sich James zurechtgelegt und mit Klara in langen nächtlichen Diskussionen erprobt und wieder verworfen hatte: Sie alle waren vergessen! Nichts davon wollte aus dem Nebel der Erinnerung auftauchen. Alles, was ihm einfiel, waren Bruchstücke, die ihm jetzt jedoch peinlich, deplatziert, undankbar oder kleinlich erschienen.

    Er war doch gerettet worden, war berühmt, geehrt! Dieser Moment konnte die Startrampe einer Karriere sein, die ihn an die Spitze der Journalistenelite katapultierte. Keine mühseligen Recherchen mehr für einen größeren Artikel alle paar Wochen; keine Abhängigkeit von gelegentlichen Zusatzeinkünften; kein Ringen mehr mit den Konkurrenten und Neidern im eigenen Lager! Vorbei die entnervenden Diskussionen mit dem Chefredakteur, von dem die Aktionäre der Zeitung etwas mehr politisches Feingefühl im führenden Blatt des Landes forderten. Nun winkten die lukrativsten Jobs! Er konnte sich sogar von seiner Zeitung lösen, als freier Journalist und Buchautor vielleicht Millionen verdienen. Die wichtigsten Agenturen, die prominente Redner an Graduierungsfeiern von Universitäten und Jahresversammlungen großer Firmen vermitteln, hatten ihn schon kurz nach seiner Ankunft in der Heimat mit Anrufen bombardiert. Ein einziger solcher Auftritt konnte ihm so viel einbringen, wie er sonst in einem halben Jahr verdiente. Auch brauchte man vermutlich nicht viel Vorbereitung, konnte die gleiche Rede mit kleinen Variationen immer wieder halten! Die Kredite für das neue Haus im Wald waren drückend und man war ja auch nicht mehr der Jüngste!

    Noch leichter fällt es Klara, sich in die Umarmungen der mütterlichen Präsidentengattin fallenzulassen. Bereits der Handkuss des alten Charmeurs hatte sie gründlich weichgeklopft. Es war der zweite in ihrem Leben. Der erste erfolgte – auf Anweisung – durch einen 14-jährigen, pickeligen Jungen in der Tanzschule.

    Mit ihrer mutigen Aktion war sie schlagartig aus dem Schatten von James herausgetreten: Sie war eine Heldin, der Prototyp einer couragierten, liebenden Ehefrau geworden. Aus einer, unter hochragenden Büschen versteckten Primel war eine strahlende Rose in der vergoldeten Vase des Präsidentenpalastes geworden. Endlich kann auch sie damit rechnen, zu einer anerkannten politischen Journalistin zu werden. Vorbei die Zeit, in der sie sich mit Alkohol geschwängerten Malern oder Schriftstellern und Leder gewandeten Regisseuren herumschlagen musste, um aus deren lässigem Gemaule Interviewtexte zu extrahieren (oder zu komponieren), die wenigstens halbwegs Sinn ergaben! Jetzt waren auch keine empörten Anrufe dieser Künstler oder ihrer Agenten mehr zu befürchten, in denen sich diese über gravierende Missverständnisse der kleinen Journalistin beschwerten, mit Klagen drohten und ›Richtigstellungen‹ erzwangen!

    Der Rausch des Momentes ergreift von den Agramoffs ganz und gar Besitz, als sich das Gespräch mit dem Präsidentenpaar dem Ende nähert. Nun beginnt der Marathon der Reden: James spricht nach dem Präsidenten, der – wie immer – kurz und charmant parliert, dabei allerdings nicht vergisst, seine ›PPs‹ mehrfach und in unterschiedlichen Phrasierungen und Varianten zu wiederholen, so dass sie auch in das Hirn des letzten Journalisten eingebrannt werden. Er hat sich nicht vergebens bemüht: Morgen werden alle Medien getreulich so berichten, wie es sich das Team seiner Berater vorgestellt hatte. Die kritischen Reflexionen, die noch wenige Tage vor der Befreiung der Agramoffs in den Zeitungen und Nachrichtensendungen dominierten, werden vergessen sein.

    Stürmischer Applaus braust auf. Die Gäste erheben sich von ihren Plätzen, während der Präsident bescheiden versucht, der Begeisterung für seinen Auftritt Einhalt zu gebieten. Wieder gelingt ihm eine neue, geniale Geste: Er ergreift James’ widerstrebende Hand, zieht ihn aus seinem Stuhl und führt ihn untergehakt ans Rednerpult. Was soll jetzt noch das Manuskript, in dem James und Klara all die giftigen Anspielungen und Kritiken kunstvoll komponiert haben, die sie in ihren Vorbereitungen für den ›Small Talk‹ mit dem Präsidentenpaar nicht mehr unterbringen konnten?? Undankbar, stimmungstötend, miesepetrig und kleinkariert würde James erscheinen, wenn er nun seine Rede so vortragen würde, wie sie in den hitzigen, schlaflosen Nächten nach der Freilassung entworfen worden war. Wird ihn Klara für feige halten, wenn er jetzt davon abweicht? Sicher wird sie das, denn heute bietet sich eine einmalige Gelegenheit, all die Themen zu artikulieren, die beiden schon immer am Herzen lagen. Sie können die Gefangenschaft von James als direkte Folge der unsensiblen Machtpolitik des Präsidenten darstellen. Er hat die Rache der Konkurrenzmacht oft genug provoziert.

    Zu den Leidtragenden gehörten die Agramoffs, die als offiziell akkreditierte Journalisten aus dem diktatorisch regierten Feindesland berichteten. Wie viele andere Menschen sind in den Mühlen der staatlichen Machtkämpfe zermahlen worden? Wie viele sind deshalb sinnlos gestorben? Die Sandkastenspiele von alternden Boys mit Todesfolge: Sie müssen endlich entlarvt werden!

    Endlich hat sich James aus der Verzauberung der mit so viel Liebe und Glanz daher kommenden Macht befreit, steht am Rednerpult und hebt an zu sprechen. Zuerst der Dank. Die ersten Worte erscheinen ihm bereits zu warm, noch immer wirkt der Zauber des Moments. Jetzt aber zum Manuskript, einfach ablesen und nur wenig nach oben schauen: So wird es gehen – vielleicht nicht besonders elegant, aber der Zweck heiligt die Mittel!

    James war schon als Junge ein schüchterner Intellektueller. Er hat seine Angst immer mit Geist und Arbeit überwunden – sie hat ihm aber auch oft die Augen geöffnet, wo andere nichts sahen. Mit Mitte 40 ist sein Gesicht schon mit markanten Falten gezeichnet, sein leicht ergrautes Haar beginnt sich zu lichten. Mit der randlosen Brille sieht er genauso aus, wie man sich den Chefarzt einer Kinderklinik vorstellt: Gebildet, kompetent, kunstsinnig, sensibel, professoral – dabei aber trotzdem elegant und etwas jungenhaft. Insgeheim hat er davon geträumt, Professor an einer kleinen Universität zu werden, zu schreiben und zu lehren und jeden Abend in sein sicheres Heim zurück zu kehren. Stattdessen jagte ihn sein Beruf um die Welt, zu Krisen, internationalen Konferenzen und Gipfeltreffen. So war auch seine Entsendung in die Hauptstadt der feindlichen Diktatur nur ein weiterer Mosaikstein im Bild eines willig Getriebenen, der sich eigentlich der nachdenklichen Stille seines heimischen Arbeitszimmers entgegensehnt. James ist nicht sehr groß, so dass nur sein Kopf hinter dem Rednerpult zu sehen ist, welches natürlich auf die imposante Statur des Präsidenten ausgerichtet wurde.

    Er greift in die Brusttasche – nichts knittert dort. Dann langt er in die rechte und die linke Tasche seines Jacketts, auch nichts! Jetzt wird es langsam peinlich! Geschützt durch das hohe Rednerpult sucht er nun noch hektisch in den beiden Hosentaschen – auch nichts!! Wo ist das Manuskript der Rede seines Lebens? In Bruchteilen von Sekunden schießen ihm diverse Möglichkeiten durch den Kopf: Es könnte in der Hektik des Aufbruchs zu Hause vergessen worden sein oder noch im Auto liegen, wo er sich die Rede von Klara ein letztes Mal vorlesen ließ. Schließlich wird ihm klar, wo sich der Text befindet: in Klaras Handtasche! Sie hatte ihn nach der letzten Lesung im Auto dort verstaut. James wird bewusst, wie lächerlich es erscheinen würde, wenn er jetzt den langen Weg vom Rednerpult zurückginge, seiner Frau die Handtasche öffnete und das Manuskript herausholte, um mit den zerknitterten Zetteln zurück zu hetzen. Die Kameras werden erbarmungslos sein. Jede kritische Passage seiner Rede wird mit Bildern seines Suchens im Anzug, dem Rennen zur Handtasche und zurück unterlegt werden. Alle spüren dann, wie eifrig – vielleicht sogar wie eifernd – die Agramoffs diese Rede vorbereitet haben. Er wird in den Augen der Zuschauer nicht nur als undankbarer Spielverderber erscheinen, der sie des frohen Miterlebens einer Heldenehrung beraubt. Er wird auch kleinlich wirken. Die Aura dieses Momentes, die er noch für Monate und Jahre mit sich tragen könnte, wäre zerbrochen; mutwillig zerfetzt von einem Mann, der nicht einmal in der Lage ist, sich das Manuskript in den Anzug zu stecken!

    Also spricht James Agramoff weiter – ohne Manuskript. Er dankt Klara, preist ihren Mut und ihre Liebe und hofft dabei inständig, dass ihm wenigstens die wichtigsten Passagen der gemeinsam ausgefeilten Rede wieder einfallen werden. In seinem Kopf ist aber blanke Leere: Keine Spur einer Erinnerung – ein benebelter Geist taumelt im hellen Licht der Scheinwerfer von Fernsehkameras.

    »Vielleicht rettet mich ein humoriger Einstieg? So fangen doch die meisten guten Redner an, bevor sie zu ihrem eigentlichen Anliegen vordringen?«, denkt James, während er sich dem Mikrofon zuwendet.

    »Sie alle wollen sicherlich zuvörderst eines erfahren: Was hat James Agramoff aus den drei Monaten Geheimdienstkerker gelernt?«, setzt er seine Rede fort. »Ich werde es verraten: Wenn Ihnen jemand einen verschlossenen Umschlag in die Hand drückt, machen Sie ihn sofort auf oder schmeißen Sie ihn in den nächsten Papierkorb. Wenn eine Bombe drin ist, wird Sie der Überbringer meistens davon abhalten, die Hülle aufzureißen, er würde ja sonst gleich mit zerfetzt. Nicht alle Boten finden daran Gefallen. Ist es aber nicht die angebliche Gedichtsammlung eines Kollegen, sondern ein Stapel von Fotos geheimer Militärbasen, dann ist es Zeit, sie ihm um die Ohren zu hauen. Daraus ergibt sich die zweite Lehre: In unseren Beruf vertraut man am besten nur seiner Frau und sonst niemand. Ich bin in die Falle eines Agenten getappt, der sich als aufstrebender Dichter tarnte.«

    »Hätte ich in diesem Moment Klara an meiner Seite gehabt, wäre ich vielleicht nicht treuherzig – und mit dem verräterischen Umschlag in der Hand – in die Arme der im Hotel wartenden Geheimdienstler gelaufen! Erst bei meiner Verhaftung sah ich, dass sich darin keine Gedichte, sondern Fotos von Raketenstationen befanden.«

    Mit gespielter Dramatik in der Stimme setzt James seine Rede fort: »Als wir uns zum ersten Mal mit Klaras Eltern trafen, hörte ich ihre Mutter in der Küche zu ihr sagen: ›Na, hast dir diesmal aber einen ganz netten Fisch an Land gezogen!‹ Ich war erlöst, so einigermaßen akzeptabel eingestuft zu werden. Vor einigen Wochen hat meine Frau die Angel ein zweites Mal ausgeworfen und mich mit Hilfe von Teleobjektiv und Satellitenverbindung aus dem Geheimdienstknast gezogen. Dadurch wurde die Rute an den Präsidenten weiter gereicht. Wie gut, dass er ein passionierter Angler ist – vielleicht säße ich sonst noch in zehn Jahren hinter rostigen Gittern!«

    Der Saal lacht und applaudiert, als sich James nach diesen Worten vom Podium verabschiedet, seine Frau auf den Mund küsst und wieder neben ihr Platz nimmt. Einige Berater des Präsidenten lachen krampfhaft und leicht pikiert, aber man kann sich ja keine Blöße geben, wenn mindestens 20 TV-Kameras im Raum sind und nicht zu erkennen ist, wer einen grade groß auf der Linse hat!

    Klara starrt entgeistert in James’ Gesicht: »Was ist mit unserer Rede, wieso hast sie nicht benutzt?«, zischelt sie und kann nur mühsam den Anschein erwecken, als würde sie zärtliches Liebes- und Dankesgeflüster in sein Ohr säuseln. Es wirklich schwierig, vor den aufgerissenen Augen der Teleobjekte mit seinem Ehemann zu streiten!

    »Die Rede ist in deiner Handtasche vergraben! Es hätte zu lange gedauert, bis wir die Zettel wieder ans Licht befördert hätten«, flüstert er hektisch zurück. »Ich hab’ mich an nichts erinnern könnten – totaler Blackout …«, wispert James ihr dann in das andere Ohr, als sie sich umarmen. Die Gäste erheben sich zu stehenden Ovationen. Klara versteht ihn sofort und Tränen stehen in ihren Augen, als sie ihren empfindsamen und doch so mutigen Mann an sich drückt.

    Fast alle sind erlöst. Viele erwarteten und befürchteten genau das, was Klara und James vorbereitet hatten: eine professoral-moralische Lektion über politische Kultur im Allgemeinen, sinnlose Machtdemonstrationen im Besonderen und die Versäumnisse der Regierung im Falle Agramoff. Man kannte James aus seinen Artikeln in den großen Zeitungen und Nachrichtenmagazinen. Er war unbestechlich, genau, integer und ging den meisten Menschen deshalb auch auf die Nerven. Seine professoralen Neigungen und die kühl zurückhaltende Ausstrahlung, die irgendwie daran erinnerte, dass er in gerade Linie von einem ehemals mächtigen, ausländischen Fürstenhaus abstammte, befremdeten seine Landsleute. Mit dieser Verlegenheitsrede wurde er jedoch plötzlich zu einem der Ihren.

    Schicksalsschläge sind am besten zu überwinden, indem man wieder aufsteht, sich mit einem Witz den Staub aus den Kleidern klopft, den Kopf hoch aufrichtet und der Sonne entgegen schreitet: So agieren die Revolver schwingenden Helden im Film und so wollen die hier versammelten pragmatischen Erfolgsmenschen eigentlich auch ihre realen Vorbilder sehen. Mit seiner Verlegenheitsrede hatte James scheinbar seine fürstlich-professorale Lehrhaftigkeit abgelegt, mit zarten Fingern die Fusseln seiner Peiniger vom gediegenen Stoff seines Anzuges geschnipst und war davon geschritten. Eine ideale Rede zu diesem Anlass – aus diesem Mann könnte wirklich noch etwas ganz Großes werden!

    Nun ist es Zeit, in den Bankettsaal zu wechseln. Wie immer bei solchen Anlässen sind dort runde Tische aufgebaut worden, die jeweils 12 Teilnehmern am festlichen Abendessen zu Ehren der Agramoffs Platz bieten. Riesige Kristall-Lüster erleuchten den Saal, dessen helle Wände mit vergoldeten Verzierungen bedeckt sind, die eine unentschlossene Mixtur verschiedener Stilepochen repräsentieren. Durch die geöffneten Vorhänge strahlt das glitzernde Licht von Gold und Kristall in den Park, der von einer leichten Schneedecke eingehüllt ist. Zufälligen Passanten mag das intensive Glühen des Palastes wie ein Bild aus einem Märchen erscheinen, dass wunderbar zur vorweihnachtlichen Stimmung der noch jungen Nacht passt.

    Die Bedeutung der Gäste nimmt exponentiell mit der Entfernung ab, mit der ihr Tisch von dem des Präsidentenpaares aufgestellt ist. Er befindet sich in der Mitte des Saales. Als alle Platz genommen haben, erhebt sich der Präsident, um einen Toast auf die Ehrengäste auszubringen. James ist links von ihm platziert worden, während Klara rechts neben seiner Gattin sitzt.

    »Wir haben einen Sieg errungen und wollen ihn feiern. Es ist nötig, immer wieder zu zeigen, dass uns niemand erpressen kann; dass eine mächtige Demokratie wie die unsere, jeder diktatorischen Macht überlegen ist. Die Freilassung unserer Freunde Klara und James Agramoff hat dies wieder einmal unter Beweis gestellt. Wir danken nicht nur dem Schöpfer für seine Gnade, sondern auch uns selbst. Die Standfestigkeit der Geheimdienste und der Regierung hat zu diesem Erfolg ganz entscheidend beigetragen! Wir senden auch heute Abend wieder eine wichtige Botschaft in die Welt: Unser wunderbares Land lässt sich nicht erpressen!«

    Begeisterter Jubel. Alle erheben sich, ergreifen ihr Glas und prosten erst dem Präsidenten und dann ihren Tischnachbarn zu. So lassen auch James und Klara ihre Gläser klingen, obwohl in den wenigen Worten des Präsidenten all das zum Ausdruck kam, was sie an ihm und seiner Regierung verachten, manchmal sogar hassen: Selbstzufriedene Arroganz, die Illusion der Überlegenheit gegenüber allen Staaten und Regierungen, die unverschämte Vereinnahmung fremder Verdienste und eine Scheinheiligkeit, die schon zur zweiten Haut geworden ist und deshalb nur noch von wenigen der hier Versammelten als peinlich empfunden wird.

    Es ist nicht nötig, den Agramoffs die am Präsidententisch versammelten Honoratioren vorzustellen; sie sind ihnen nur allzu gut bekannt. Direkt neben James sitzt der Chef der präsidialen Verwaltung, der auch der Meute der ›Spin-Doctors‹ vorsteht, die das öffentliche Erscheinungsbild des alten Charmeurs modellieren. Zusätzlich hat dieser Mann durch die Koordination der Fachabteilungen – die quasi als Nebenministerien fungieren – im Laufe der Jahre große Macht angehäuft, so dass ihn viele als den eigentlichen Gestalter der Politik im Lande ansehen. James ist nicht sein bester Freund. Einen Stuhl weiter ist der Chef des Geheimdienstes platziert worden; erst dann kommt der Außenminister. Rechts von Klara sitzt die Sozialministerin, eine emsige, aber politisch bedeutungslose Dame, die man auf der Straße für eine etwas verkniffene, mollige Grundschullehrerin halten würde.

    Während das rasch hin und her huschende Personal die Vorspeisen aufträgt, wird ein leichter Weißwein ausgeschenkt. Der Präsident hält sich allerdings an Wasser: Er verträgt keinen Alkohol mehr. Vielleicht hatten seine früheren wilden Zeiten beim Radio und Fernsehen der Leber bereits einigen Schaden zugefügt. Anders verhalten sich dagegen die beiden links von James sitzenden Herren. Sowohl der Leiter der Präsidialverwaltung als auch der Stabschef sind als Genussmenschen bekannt. Als James aus den Augenwinkeln das eifrige Schaufeln und gelegentliche Schlürfen der beiden ergrauten, etwas fülligen Endfünfziger neben sich beobachtet, kommt ihm ein oft gebrauchter Aphorismus in den Sinn: ›Essen und Trinken ist die Erotik des Alters‹.

    Es dauert nicht lange, da ist Klara in ein intensives Gespräch mit der Präsidentengattin verstrickt, in welches die Ministerin gelegentlich einfällt. Beide wollen jedes kleine Detail der Rettung von James erkunden: Wie ist sie auf den Baum gekommen? Was wäre, wenn man auf sie geschossen hätte? Wie stellt man über Satellit live Schaltungen her? Woher wusste sie, hinter welchem Fenster des Gefängnistraktes James verhört wurde? Hatte sie ihre Aktion vorher geprobt oder war es ein spontaner Einfall, auf den Baum zu klettern und dort Richtmikrofone und eine Kamera mit Teleobjektiv zu installieren? Hat Klara in den drei Monaten von James’ Gefangenschaft die Hoffnung verloren; war sie abends verzweifelt; hat sie oft geweint? Das Interesse der beiden Damen ist von so erregt mütterlicher Fürsorge getragen, dass Klara sich durchaus geehrt fühlt und freudig viele Einzelheiten berichtet, welche die Damen neben ihr mit großem Interesse aufsaugen.

    James’ Konversation mit dem Präsidenten ist weniger ergiebig. Da dessen Frau beschäftigt ist, steht niemand zur Verfügung, um ihm die Worte seines Gegenüber in verkürzter Form zu wiederholen. Seine Schwerhörigkeit ist auf dem Hintergrund des Stimmengewirrs vieler Menschen besonders hinderlich. So versteht er nur wenig von dem, was James ihm sagt. Allerdings beschränkt man sich ohnehin auf allgemeine und höfliche Floskeln, die beide im Laufe ihres Lebens auf dem gesellschaftlichen Parkett so intensiv üben konnten, dass kaum auffällt, dass der Präsident redet und antwortet, ohne viel von James’ Bemerkungen hören zu können. Vermutlich wäre die Konversation ohne dieses Handicap auch nicht viel anders verlaufen!

    Die anderen Gäste am präsidialen Tisch repräsentieren die bei solchen Anlässen übliche Mixtur: ein paar hohe Chargen der Regierung, dazu die Chefs des Verbandes der Journalisten und der Fernsehindustrie. Schließlich noch wichtige Unternehmer, die sich bei der Wiederwahl des

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