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Perfektes Licht mit System: Ein Praxisleitfaden für Fotografen
Perfektes Licht mit System: Ein Praxisleitfaden für Fotografen
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eBook669 Seiten4 Stunden

Perfektes Licht mit System: Ein Praxisleitfaden für Fotografen

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Über dieses E-Book

Licht ist das wichtigste Element der Fotografie – ohne Licht kein Bild. Zugleich gilt der gekonnte Umgang damit als eine der größten Herausforderungen beim Erlernen des fotografischen Handwerks. Es ist daher entscheidend, das Verhalten des Lichtes zu verstehen: wie man es steuert, einrichtet und führt. Diejenigen, die sicher, durchdacht und planvoll mit dem Licht umgehen können, gelten häufig als wahre Meister der Fotografie. Und bisweilen scheint es, als besäßen sie ein magisches Können, das wir selbst nicht beherrschen.

Roberto Valenzuela, Fotograf und Lehrmeister mit Gespür für die Grenzen, an die Fotografen regelmäßig stoßen, ist es gelungen, ein nachvollziehbares System für den Umgang mit Licht zu entwickeln. Auf dieser Grundlage zeigt er Ihnen, wie Sie Licht als Ausdrucksmittel ihrer Kreativität einsetzen, anstatt es als Problem zu empfinden. Er hilft ihnen, gegebene Lichtsituationen zu sehen, zu analysieren und zu verstehen: Sie erfahren, wie Sie mit Tageslicht und gegebenem Kunstlicht optimal umgehen, und lernen Hilfslicht oder Studiolicht dort zu verwenden, wo es Lichtprobleme löst oder hilft, eine gewünschte Bildvision umzusetzen.
SpracheDeutsch
Herausgeberdpunkt.verlag
Erscheinungsdatum30. Sept. 2016
ISBN9783960880196
Perfektes Licht mit System: Ein Praxisleitfaden für Fotografen

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    Buchvorschau

    Perfektes Licht mit System - Roberto Valenzuela

    TEIL 1

    Die Grundelemente des Lichts

    1

    Lichtvision geht vor Lichtstil

    Meiner Meinung nach sollte sich jeder Porträtfotograf zuallererst eine Lichtvision zurechtlegen, ehe er auch nur daran denkt, den Auslöser zu drücken. Wir Fotografen drücken uns durch das Licht aus. Daher müssen Sie sich überlegen, was Sie sagen wollen, ehe Sie versuchen, Ihre Botschaft in Form einer Fotografie zu vermitteln. Ein Porträt aufzunehmen, ohne sich über das Licht Gedanken zu machen, ist wie ein paar zusammenhanglose Wörter auf ein Schmierpapier zu schreiben und dabei zu hoffen, dass sie irgendetwas mitteilen. Das sollten wir uns nicht antun. Zu sehen, wie das Licht das Motiv beeinflusst, gehört zu den Freuden der Fotografie. Durch unterschiedlichen Einsatz des Lichts können wir ein und dieselbe Person zehn verschiedene Leute verkörpern lassen. Licht verändert alles, darum müssen wir eine Vorstellung davon haben, was wir uns vom Licht erwarten, ehe wir Aufnahmen machen. Zunächst wollen wir definieren, was die Unterschiede zwischen einer Lichtvision und einem Lichtstil sind.

    Lichtvision

    Eine Lichtvision zeigt, was Sie als Fotograf mitteilen und worauf Sie mit Hilfe des Lichts die Aufmerksamkeit lenken wollen. Wenn Sie zum Beispiel das Porträt einer jungen Frau aufnehmen, konzentrieren Sie sich vielleicht stärker auf ihre Lippen als auf irgendein anderes Merkmal ihres Gesichts, einschließlich der Augen. Darum entscheiden Sie sich vielleicht für eine Lichtgestaltung, die besonders die Struktur und Fülle ihrer Lippen betont. Um die Augen legen Sie einen Schatten, um einen mysteriösen Eindruck zu erzeugen und sicherzugehen, dass die Aufmerksamkeit des Betrachters auf den Lippen ruht und sich nicht den Augen zuwendet. Eine Lichtvision verlangt, dass Sie Licht genau dort hinzufügen, wo Sie es haben wollen, und dort reduzieren, wo es weniger nötig ist. Dafür müssen Sie eine Vorstellung davon haben, wo Schatten auf dem Modell gesetzt werden und wie sie aussehen sollen. Sollen es Schatten mit weichem oder hartem Rand sein? Wie soll der Kontrast zwischen der Seite im Licht und der im Schatten sein? Denken Sie daran, dass in einem Porträt das, was Sie verbergen, genauso viel aussagt wie das, was Sie offenlegen.

    Einer der großen Vorzüge, die man heutzutage als Fotograf genießt, liegt in der digitalen Kameratechnik, die es erlaubt, mit jedwedem Licht, egal, wie schlecht es ist, zu fotografieren. Die Kamerahersteller prahlen mit den ISO-Fähigkeiten ihrer Kameras. Für Fotojournalisten sind diese von entscheidender Bedeutung, wenn sie in Kriegsgebieten oder bei Straßendemonstrationen fotografieren, aber als Porträt- oder Hochzeitsfotografen macht es uns eher bequem. Wir müssen nicht mehr darüber nachdenken, wie man die Qualität des Lichts verbessern könnte, wenn man sein Motiv beleuchtet. Das Ergebnis ist, dass viele von uns das Umgebungslicht für die Beleuchtung nutzen und die ISO-Einstellung der Kamera zum Ausgleich der Lichtqualität verwenden. Im Gegensatz dazu bedeutet eine Lichtvision, dass man das Umgebungslicht lediglich als Ausgangssituation benutzt. Ein Fotograf oder eine Fotografin mit einer Lichtvision trifft dann Entscheidungen auf der Basis der jeweiligen Idee, was sich im Hinzufügen, Abdecken, Diffundieren, Konzentrieren oder Manipulieren des Lichts auf die eine oder andere Weise ausdrückt, um diese Vision zum Leben zu erwecken.

    Lichtstil

    Ein Lichtstil prägt grundlegend den vertrauten Look der Arbeit eines Fotografen. Sie könnten sich zum Beispiel dafür entscheiden, dass Ihr Stil darin besteht, Porträtaufnahmen im durch das Fenster einfallenden oder natürlichen Licht zu machen. Sind Sie damit für den Rest Ihrer Berufslaufbahn darauf festgelegt, in der Nähe eines Fensters zu fotografieren? Angenommen, eines Tages entscheiden Sie sich für einen Hollywood-Lichtstil mit einer einzelnen Lichtquelle von oben auf derselben Achse wie die der Blickrichtung der Kamera. Oder was wäre, wenn Sie die Augen Ihres Modells betonen und den Rest des Porträts in geheimnisvolle, schmeichelhafte Schatten tauchen wollen? Ein anderes mögliches Szenario: Sie werden gebeten, einen Kunden bei sich zuhause aufzusuchen, um Porträts anzufertigen, und dort gibt es nur ein kleines, von Bäumen beschattetes Fenster, so dass nur sehr wenig natürliches Licht in den Raum dringt. Es ist nichts falsch daran, einen eigenen Lichtstil oder Präferenzen zu haben. Man sollte sich aber nicht derartig beschränken, dass man seine persönliche Botschaft nicht mehr vermitteln kann. Das wäre, als hätten Sie sich Fußketten angelegt, die Sie am Fortkommen hindern.

    Es ist gut möglich, seinem Lichtstil entsprechende Lichtvisionen zu haben. Jedoch sollten Ihre Visionen unabhängig von Ihrem Stil funktionieren. Wenn kein Fensterlicht vorhanden ist, um zu einer bestimmten Lichtvorstellung beizutragen, die Ihnen für ein Porträt vorschwebt, sollten Sie auch andere Lichtquellen einsetzen können, um das gesteckte Ziel zu erreichen. Befreien Sie sich von jeglichen Fesseln und Ihre kreative Vision wird sich entwickeln.

    Als ich anfing, mich mit Porträtfotografie zu beschäftigen, legte ich alle meine Porträtshootings auf die Zeit eine oder zwei Stunden vor Sonnenuntergang. Dadurch war es einfacher, mit dem Licht umzugehen. Das harte Sonnenlicht war vorbei – überall, wo ich mich hinwendete, gab es weiches Halbschattenlicht – und ich konnte mich auf das Fotografieren konzentrieren. Außerdem war das Sonnenlicht nicht stark genug, Schatten zu erzeugen, was mir freie Hand gab: eine Spielwiese für einen Fotografen. Wohin auch immer ich oder meine Modelle sich wendeten, überall war das Licht weich und vorhersehbar. Wie war das wundervoll. Gab es irgendwo dennoch so viel Sonnenlicht, dass es Schatten warf, dirigierte ich meine Kunden in den nächsten auffindbaren Bereich mit Halbschatten. Am liebsten waren mir große Gebäude, denn sie warfen so große Schattenbereiche mit weichem Licht, wie ich sie mir nur wünschen konnte.

    Gleich nach Beendigung der Aufnahmen kehrte ich zu meinem Computer zurück, lud die Fotos hoch und startete direkt Adobe Photoshop, um den Zauber all der wunderbaren neuen, jüngst erworbenen Photoshop-Filter wirken zu lassen. Ich war vollkommen zufrieden.

    Während dieser ersten Jahre hatte ich einen unkomplizierten fotografischen Geschmack. Wenn die eingestellte Belichtung gut genug war, um meine Kunden auf dem LCD der Kamera zu erkennen, hielt ich meine Aufgabe bezüglich des Lichts für erledigt. Ich hatte keine Vorstellung von der großen Macht des Lichts in der Fotografie. Wie die meisten fand ich es leichter, mit dem diffusen Licht am Ende des Tages zu arbeiten, um irgendwelchen Komplikationen aus dem Weg zu gehen. Blitz oder irgendeine andere Form künstlichen Lichts kamen mir gar nicht erst in den Sinn, geschweige denn hätte ich gewusst, wie damit umzugehen wäre. Ich sagte meinen Kunden, wir müssten eine Stunde vor Sonnenuntergang fotografieren, weil das mein »Stil« wäre. Tatsächlich war es die einzige Art von Licht, mit der ich umzugehen wusste.

    Die Macht des Lichts in der Fotografie

    Zu einem Zeitpunkt während meines ersten Jahres als »Profifotograf« war ich mitten beim Fotografieren auf einer Hochzeit. Die Braut machte sich in einem ziemlich kleinen Raum zurecht, der nur ein kleines Fenster aufwies, durch das etwas natürliches Licht eindrang. Ich bekam Panik! Das weiche, spätnachmittägliche Licht war keine Option und ich war weit entfernt von meiner Komfortzone. Zu dieser Zeit hatte ich keine Vorstellung davon, dass ein Fotograf das Licht lesen, kontrollieren und beeinflussen und selbst Licht schaffen könnte, also tat ich, was die meisten Leute in meiner Situation gemacht hätten: Ich drückte aus jedem möglichen Winkel auf den Auslöser, ohne Rücksicht auf das Licht. Meine Kamera konnte drei oder fünf Aufnahmen pro Sekunde machen und ich nutzte das voll aus. Ich schoss wie verrückt Aufnahmen von der Braut und rief ihr alle möglichen Anweisungen für Posen zu, die nur wilde Improvisationen waren. Der Kopf der Braut wirbelte nur so herum, während sie mich beobachtete, wie ich um sie herumtanzte.

    Ich machte in diesem kurzen Zeitraum rund 400 Aufnahmen. Am nächsten Tag lud ich die Fotos von der Hochzeit voller Begeisterung – und auch etwas besorgt – hoch. Ich blätterte durch die Fotos auf der Suche nach dem Abschnitt, wo die Braut sich zurechtmachte. Nachdem ich Hunderte völlig unbrauchbarer Bilder durchgeschaut hatte, wuchs meine Panik allmählich mit jedem Tastendruck. Plötzlich stach ein Foto wie vom mitternächtlichen Strahl eines Leuchtturms getroffen hervor. Es war verblüffend (siehe Bild 1.1). Ein Foto, nur ein einziges aus der Serie der 400 Aufnahmen, war gelungen. In einem Sekundenbruchteil machte ich diese liebliche Aufnahme, bei der vieles durch puren Zufall zusammenwirkte. Das durch das Fenster fallende Licht erhellte das Gesicht der Braut im perfekten Winkel, weil sie gerade die passende Position dazu einnahm. Ihr Ausdruck war gleichzeitig atemberaubend ernst und glamourös.

    Ich hatte großes Verlangen, mir vor Begeisterung selbst auf die Schulter zu klopfen, aber dann wurde mir klar, dass ich einfach Glück gehabt hatte. Es waren nicht meine fotografischen Fähigkeiten, die zu so einer wunderbaren Kombination von Bildelementen geführt hatten, sondern einfach nur großes Glück. Könnte ich dieses Foto wiederholen? Niemals! Außer natürlich, ich würde damit fortfahren, Tausende von sinnlosen Fotos im schnellen Serienmodus aufzunehmen und dabei wie ein Verrückter ständig um mein Modell herumzutanzen, bis ich einen weiteren Glückstreffer landete. Nein danke! Ich entschied, dass ich die mit schönem Licht erzielbaren Ergebnisse zu sehr liebte, um sie dem Zufall zu überlassen. Ich entschied mich bewusst dafür, das Licht verstehen zu lernen, so dass ich mich in Zukunft auf meine Fähigkeiten und nicht auf die Geschwindigkeit der Serienaufnahmen meiner neuesten Kamera würde verlassen können.

    1.1 Kameraeinstellungen: ISO 800, Blende 1,2, 1/250 Sek.

    2

    Wie das Licht funktioniert

    Um eine Lichtvision zu entfalten, muss man verstehen, dass sich alles Licht grundsätzlich auf die gleiche Weise verhält. Sonnenlicht unterscheidet sich nicht von dem Licht, das von einem Blitzlicht kommt, was wiederum dasselbe ist wie Filmlicht. Licht ist eine Form von Energie, die man als elektromagnetische Strahlung bezeichnet. Sie breitet sich in Schwärmen von Teilchen aus, die man Photonen nennt. Diese Photonen transportieren ein elektromagnetisches Feld, das mit einer bestimmten Frequenz schwingt. Je höher die Frequenz, desto höher ist die Energie, die jedes Photon mit sich trägt. Auch wenn wir das elektromagnetische Feld selbst nicht sehen können, nehmen wir doch dessen Frequenz als Farbe wahr. Zum Beispiel hat rotes Licht eine viel niedrigere Frequenz als blaues Licht, was bedeutet, dass rotes Licht weniger Energie als blaues enthält. Wie gesagt, je hochfrequenter das elektromagnetische Feld eines Photons ist, desto mehr Energie transportiert es.

    Wie wir mit dem Auge Farben wahrnehmen

    Das menschliche Auge interpretiert die unterschiedlichen Energien als verschiedene Farben des Lichts. So gesehen sind Grün, Blau, Rot, Gelb, Weiß usw. im Grunde nichts anderes als unterschiedliche Frequenzen des Lichts, des elektromagnetischen Felds, das jedem Photon zugeordnet sind. Wenn eine Gruppe von Photonen mit unterschiedlichen Frequenzen auf ein Objekt trifft – beispielsweise auf eine Erdbeere – wird die Oberfläche der Erdbeere alle Frequenzen absorbieren, die nicht rot sind, und nur die unserem Auge und Gehirn rot erscheinenden Frequenzen reflektieren. Wenn Ihre Netzhaut diese spezielle Wellenlänge von der Oberfläche der Erdbeere empfängt, teilt Ihnen Ihr Gehirn mit, dass deren Oberfläche rot ist. (Eine interessante Tatsache: Das menschliche Auge kann eine größere Vielfalt an warmen Farbtönen wahrnehmen als an kühlen.)

    Das menschliche Gehirn nimmt eine Oberfläche als weiß wahr, wenn diese alle Frequenzen reflektiert und keine davon absorbiert. Ähnlich sieht das menschliche Gehirn Schwarz, wenn eine Oberfläche die Photonen aller (sichtbaren) Frequenzen absorbiert und keine davon in das Auge reflektiert. Der Grund, warum man sich in schwarzer Kleidung unter vergleichbaren Umständen deutlich wärmer fühlt, als wenn man weiße Kleidung trägt, liegt darin, dass die schwarze Farbe alle Energie aus den auftreffenden Photonen absorbiert, wodurch sie sich erwärmt. Trägt man ein weißes Hemd oder fährt man ein weißes Auto, fühlt sich das kühler an, weil die weiße Farbe alle Energie reflektiert und keine absorbiert, wodurch die Oberfläche kühler bleibt. Durch einfache Kombination der Anteile der drei primären Lichtfarben – Rot, Grün und Blau – lassen sich alle Farben des sichtbaren Spektrums erzeugen. Diese Information darüber, wie wir Farben wahrnehmen, ist sehr nützlich für die Analyse der verschiedenen Objekte, mit denen man in einer beliebigen Umgebung zu tun hat, und ebenso für die Entscheidung, wo man jemanden fotografieren will. Es schadet nicht, sich ein wenig Grundwissen über die unschätzbar wertvolle Strahlungsenergie zu verschaffen, die wir benötigen, um unsere Fotos zu machen.

    Jedes Licht verhält sich auf die gleiche Weise

    Glücklicherweise gelten die Gesetze der Physik für jedes Licht. Das wird sich nie ändern. Was bedeutet das für uns? Es bedeutet, dass sich das von unserem neuen Blitz reflektierte Licht auf genau die gleiche Weise verhält wie das Sonnenlicht oder das Licht einer konstanten Lichtquelle, zum Beispiel ein Videolicht. Das Licht von einer Lampe in Ihrem Schlafzimmer verhält sich genauso wie das Licht des teuersten Blitzes auf dieser Erde. Einer der größten geistigen Schritte, die ein Fotograf machen kann, besteht in der Erkenntnis, verschiedene Lichtquellen nicht unterschiedlich zu behandeln, sondern zu bedenken, dass Licht unabhängig von seiner Quelle immer denselben physikalischen Gesetzen folgt.

    Zur Veranschaulichung dieses Umstands richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf die folgenden Bilder. Jede dieser Aufnahmen wurde unterschiedlich und mit verschiedenen Lichtquellen beleuchtet, dennoch ist es schwierig zu unterscheiden, welche Aufnahmen mit welcher Art von Licht aufgenommen wurden. Ins Auge springt, wie jedes Foto auf eigene Weise ausgeleuchtet ist und wie es aufgrund der Lichtsetzung eine klare und charakteristische Aussage enthält. Es spielt keine Rolle, welche Art von Lichtquelle ich verwendet habe; von Bedeutung ist, dass ich das Licht so manipuliert habe, dass es das ausdrückt, was ich mir vorgestellt habe, und dass ich es entsprechend positioniert habe. Je nach Umständen kann das Licht bei einer Aufnahme schwach, stark, hart, weich, gerichtet usw. sein. Anstatt sich an die Umstände anzupassen, denken Sie daran, die Umstände Ihren Anforderungen anzupassen! Sie sind der Fotograf und Sie dürfen bestimmen.

    Bild 2.1 wurde ausschließlich bei natürlichem Licht aufgenommen. Die Bedingungen in dem Raum waren vorteilhaft, weil sich direkt vor der Frau, Dylan, ein Fenster befand und hinter ihr eine weiße Wand. Das Fenster trug dazu bei, das Licht der Sonne weicher zu machen, da es durch das Fenster kam und sich breiter verteilte, als wenn die Sonne Dylan direkt beleuchtet hätte. Aber was wirklich meine Aufmerksamkeit fesselte, waren die Umstände in dem Raum, die zu einem sehr dynamischen Licht auf Dylans Gesicht und ihrem Blumenhaarschmuck führten. Außerdem wurde ihr Rücken sehr schön durch den Widerschein von der Wand hinter ihr beleuchtet, die das Licht vom Fenster auf sie zurückwarf. Wäre das Fenster nicht dagewesen, hätte ich einen Blitz mit Softbox verwenden können, um dasselbe erstaunliche Licht zu erzeugen.

    In Bild 2.2, das Laura und Kenzie zeigt, waren die Umstände ebenso vorteilhaft, um ein großartiges Porträt zu erzeugen. Diesmal war das Sonnenlicht aber nicht kräftig genug, um einen so starken Eindruck zu erzeugen, wie ich ihn mir vorstellte. Wenn ich dieses Foto auf meinen Workshops zeige, fällt es den Teilnehmern schwer zu glauben, dass 70 % des Lichts auf diesen zwei Frauen von einem Blitz stammt. Das Umgebungslicht machte bei diesem Porträt nur 30 % aus. Die meisten Leute glauben, der Einsatz eines Blitzes würde die Weichheit des Lichts zerstören, aber das war nicht der Fall, weil sich das vom Blitz kommende Licht genauso verhält wie das von der Sonne stammende Licht. Ich habe einfach mit meinem Blitz dort Licht hinzugefügt, wo die Sonne zu wenig Kraft hatte. So konnte ich meine Vision zum Leben erwecken. Beachten Sie, wie wunderschön die Spitzlichter in ihren Augen sind. Das Licht ist weich, ergänzend und es bringt Leben in ihre Augen. Wenn ich mich selbst für einen reinen »Naturlicht-Fotografen« gehalten hätte, wäre die Schönheit dieses Porträts verlorengegangen. Es gab nicht genügend Umgebungslicht, um es funktionieren zu lassen … es sei denn, ich hätte die ISO-Einstellung meiner Kamera auf ungefähr 1600 erhöht, um die Lichtintensität künstlich scheinbar zu erhöhen – und selbst dann wäre die Aufnahme nicht so gelungen. Sie mögen den Look des natürlichen Lichts wertschätzen, aber als vielseitiger und erfahrener Fotograf sollten Sie sich nicht darauf beschränken. Je vielseitiger die Ausrüstung in Ihrem Gepäck, desto besser.

    2.1

    2.2

    Das Modefoto von Modell Kiara, das in Bild 2.3 zu sehen ist, wurde mit einem leistungsstarken Studioblitz erzeugt. Während der Aufnahme stand die Sonne fast genau über uns und warf einen wenig strukturierten Schatten auf die Wand. Der Schatten geriet sehr kurz, aber er genügte, um mich auf eine Idee zu bringen. Anstatt ein Ablenkungselement zu bilden, wurde der Schatten zum Zentrum meiner neuen Bildidee. Ich wollte, dass der Schatten genauso viel über Kiaras Kopfbedeckung aussagte wie über sie selbst. Um das zu erreichen, musste ich einen 1200-Watt-Blitz links von der Kamera anordnen, der auf ihren Rücken gerichtet war und sich etwa zwei Meter über dem Boden befand. Ich unterdrückte das Umgebungslicht in meiner Aufnahme völlig, indem ich die niedrigste verfügbare ISO-Einstellung wählte und die Belichtungszeit auf den kürzesten Wert mit Blitzsynchronisation an meiner Phase-One-Kamera einstellte: 1/1600 Sekunde. Ich stellte die Leistung des Studioblitzes so hoch wie möglich ein, so dass der Kamerasensor nur das Licht des Blitzes und nicht das der Sonne erfasste. Meine Vision war, den Schatten von Kiara und ihrer Kopfbedeckung so kräftig abzubilden wie das Modell selbst. In diesem Fall wäre ein normaler, von der Kamera getrennter Blitz nicht leistungsfähig genug, um diesen Effekt zu erzeugen. Am interessantesten finde ich an diesem Foto, dass die vorher gemachte Aufnahme, bei der ich lediglich das harte Sonnenlicht verwendet hatte, genauso aussah wie diese endgültige Aufnahme, mit Ausnahme des zu kurz und am falschen Ort erscheinenden Schattens. Ich benutzte einen 1200-Watt-Studioblitz, um die Sonne zu ersetzen und den Schatten genau dort zu positionieren, wo ich ihn haben wollte. Die Sonne lieferte mir die Idee, aber der Blitz ermöglichte ihre Umsetzung.

    2.3

    Bild 2.4 wurde bei einer Hochzeit in Los Angeles aufgenommen, wo mich Tausende von rosafarbenen Blüten faszinierten, die beide Seiten der Allee säumten. Das Problem war, dass das Sonnenlicht nicht ausreichte, um ihrer Schönheit und Farbe gerecht zu werden. Darum dachte ich mir, warum die Blüten nicht von hinten aufhellen? Ich bat meinen Assistenten, sich drei Meter vor das Paar zu stellen und den Zoom des Blitzes auf den weitmöglichsten Winkel einzustellen. Dadurch würde das Licht die Blüten auf beiden Seiten der Allee erleuchten. Hier bestand die Vision darin, sich die Transparenz der Blütenblätter zunutze zu machen und das Licht durch sie hindurchscheinen zu lassen. Das würde ihre Farbe und Form betonen und das Foto viel lebendiger machen. Zum Zeitpunkt der Aufnahme wäre dieser Effekt allein mit dem Umgebungslicht nicht möglich gewesen. Ich hätte für denselben Effekt sechs Stunden auf den passenden Stand der Sonne warten können, so dass deren Licht durch die Blüten geschienen hätte, aber ich zog es vor, meine Beleuchtungsausrüstung zu nutzen und die Sache umgehend gleich vor Ort zu erledigen.

    2.4

    2.5

    Das Beziehungsfoto in Bild 2.5 wurde in einem dunklen Hotelfestsaal in Galveston, Texas, aufgenommen. Meine Vorstellung war, einen »alten Hollywoodstil« zu schaffen, dramatisch und weitab von jeder Norm. In diesem Fall hatte ich nur ein paar Minuten, um dieses Bild zu machen, ehe Leute in den Tanzsaal kamen. Da der Raum dunkel war, brauchte ich nicht die Energie eines Blitzes, um die beiden zu beleuchten und das Umgebungslicht zu überstrahlen. Stattdessen wurden zwei Konstantlichtquellen (Videoleuchten oder Studioscheinwerfer) benutzt. Mit dieser Art von Lichtquellen konnte ich genau erkennen, wie das Resultat aussehen würde, und die Schattenlage perfekt positionieren. Hätte ich entfesselte Blitze benutzt, wäre die Gefahr größer gewesen, dass Streulicht auf unerwünschte Stellen fällt. Es wären zu viele Lichtformer nötig gewesen, um den Lichtstrahl zu bündeln und seine Streuwirkung zu kontrollieren. Daher waren konstante Lichtquellen wie LED-Lampen definitiv die richtigen Werkzeuge für den

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