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Lean Enterprise: Mit agilen Methoden zum innovativen Unternehmen
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eBook565 Seiten5 Stunden

Lean Enterprise: Mit agilen Methoden zum innovativen Unternehmen

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Über dieses E-Book

Neue Märkte und Technologien, sich verändernde Kundenbedürfnisse – Startups sind darauf eingestellt, unter diesen Bedingungen zu operieren. Aber wie steht es um etablierte Unternehmen und Organisationen? Wie können auch sie Innovation konsequent vorantreiben und IT zu ihrem Wettbewerbsvorteil machen?

Jez Humble, Joanne Molesky und Barry O'Reilly plädieren sehr überzeugend dafür, das Potenzial des Lean-Mindset gerade auch für größere Unternehmen zu nutzen. Die Autoren werden hierbei ganz konkret. Sie zeigen, wie erfolgreiche Organisationen Lean-Startup- und DevOps-Methoden auf die typischen Aufgabenstellungen von Unternehmen anwenden – und zwar in allen Bereichen. Das Buch illustriert das agile Vorgehen anhand zahlreicher Fallstudien und präsentiert einen beeindruckenden Fundus an Strategien, Ansätzen und Methoden. Ob Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer, Abteilungsleiter oder Produktmanager: Lean-Interessierte erhalten praktische Anleitungen zu typischen unternehmerischen Herausforderungen.

Erfahren Sie, wie Sie:
- Produkte und Geschäftsmodelle mit echtem Kundennutzen entwickeln und validieren
- Investitionsrisiken messen und bewerten
- das Potenzial Ihrer Teams durch Visionen und Handlungsspielräume entfalten
- die Prozesse in Ihrer Organisation laufend verbessern
- Softwareentwicklung durch Continuous Delivery, Continuous Integration und Testautomatisierung beschleunigen
- Innovation als Teil Ihres Portfolios stärken
- in umfassenden Programmen Mitarbeiter fördern, Qualität und Geschwindigkeit der Produktauslieferung erhöhen und Kosten senken u.v.a.m.
SpracheDeutsch
HerausgeberO'Reilly
Erscheinungsdatum16. Feb. 2017
ISBN9783960100799
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    Buchvorschau

    Lean Enterprise - Jez Humble

    Einleitung

    Software is eating the world.

    Marc Andreesen

    In einem Industrieunternehmen ist es gefährlich, auf Software zu verzichten. [...] Selbst General Electrics könnte eines Tages durch ein Software-Unternehmen ersetzt werden, und vor solch einem Szenario sollten wir uns fürchten.

    Jeff Immelt

    Du bist ein Narr, wenn Du tust, was ich sage. Du bist ein größerer Narr, wenn Du nicht tust, was ich sage. Du solltest für Dich selbst denken und bessere Ideen haben als ich.

    Taiichi Ohno

    In diesem Buch zeigen wir, wie man Unternehmen so entwickelt, dass sie auf sich verändernde Marktbedingungen, Kundenbedürfnisse und neue Technologien schnell und mit Innovation reagieren können.

    Unternehmen leben und sterben mit der Fähigkeit, neue Geschäftsmöglichkeiten zu entdecken und Nutzen für den Kunden zu liefern. Das war schon immer so und wurde in den letzten Jahren noch wichtiger. Der Wettbewerbsdruck steigt, bedingt durch massive Veränderungen in Technologie und Gesellschaft. Der Shift Index von Deloitte zeigt, dass die durchschnittliche Lebenserwartung eines Fortune 500 Unternehmens von 75 Jahren vor einem halben Jahrhundert auf weniger als 15 Jahre gefallen ist. Professor Richard Foster von der Yale Universität schätzt, dass »im Jahr 2020 mehr als drei Viertel der S&P 500 aus Unternehmen bestehen werden, von denen wir heute noch nichts gehört haben.«¹ Das langfristige Überleben jedes Unternehmens hängt von seiner Fähigkeit ab, die kulturellen und technischen Kräfte zu beherrschen, die die Innovationszyklen weiter beschleunigen.

    Erstens: Mit Internet und sozialen Medien haben die Konsumenten mächtige Instrumente an der Hand, um informierte Entscheidungen treffen zu können. Diese Werkzeuge ermöglichen es smarten Firmen, auf neue Art mit ihren Kunden in Kontakt zu treten und sie zu verstehen. Unternehmen, die Design Thinking und User Experience (UX) Design strategisch einsetzen, um ihren Kunden bei jedem Interaktionsschritt ein einzigartiges Erlebnis mit dem Unternehmen zu verschaffen, wachsen stetig: Untersuchungen zeigen, dass Unternehmen, die UX Design einsetzen, schneller wachsen und höhere Umsätze erzielen.²

    Zweitens: Aktuelle Technologien und Prozesse ermöglichen die schnelle Schaffung, Weiterentwicklung und Skalierung von disruptiven Produkten und Services mit geringem Kapitaleinsatz. Rund um die Welt ertellen kleine Teams neue softwarebasierte Produkte in Form von Prototypen in nur wenigen Tagen oder Wochen, indem sie auf kostenfreie oder günstige Services und Infrastrukturen zurückgreifen. Sie entwickeln dann diejenigen Produkte zügig weiter, die schnell Fahrt aufnehmen. In der nahen Zukunft werden es allgegenwärtige, preisgünstige, stark vernetzte »embedded«-Geräte möglich machen, eine noch größere Vielfalt an Produkten kostengünstig in ebenso kurzen Zyklen zu entwickeln. 3D-Druck wird günstiger und schneller sein und eine Vielfalt an Materialien verwenden. Damit werden wir verschiedenste speziell auf den Kunden zugeschnittene Produkte auf Anforderung herstellen und liefern können.

    Software besitzt drei Eigenschaften, die diese temporeiche Innovation erlauben. Erstens ist es relativ preisgünstig, Softwareideen zu entwerfen und weiterzuentwickeln. Zweitens können Softwareprototypen bereits in einem frühen Stadium ihrer Evolution genutzt werden. Zu guter Letzt können wir im Verlauf der PrototypenEntwicklung eine Menge darüber herausfinden, was Kunden für nützlich halten, und diese Erkenntnisse direkt einbauen. Wir testen neue Ideen also schneller anhand echter Nutzer, erhalten Feedback und nutzen es zur Verbesserung unserer Produkte und Unternehmen.

    Darüber hinaus hat der unerbittliche Vormarsch der Miniaturisierung (beschrieben im Mooreschen Gesetz)³ unglaublich mächtige Computer winzig werden lassen und dafür gesorgt, dass sie ihren Weg in nahezu alles finden – mit Software in der Hauptrolle. Im Forbes-Artikel mit dem Titel »Now Every Company Is A Software Company« beschreibt sich David Zanca, Senior Vice President for Information Technology bei FedEx, als jemanden, der »eine Software-Firma innerhalb von FedEx« betreibt. Venkatesh Prasad, Senior Technical Leader bei Ford, beschreibt seine Firma als einen Hersteller von »hochentwickelten Computern auf Rädern«. Ben Wood von CCS Insight merkt an, dass Nokia »ein unglaubliches Jahrzehnt der Hardware-Innovation durchlief, während Apple sah, dass alles, was man brauchte, ein Rechteck mit Bildschirm war, und der Rest sich um Software drehte.«⁴ Als ein Ergebnis dieses Umdenkens bezüglich Software holen Unternehmen wie die IT-Outsourcing-Pioniere GE und GM die Softwareentwicklung zurück ins eigene Unternehmen. Wie wir in Kapitel 15 erläutern werden, folgte die Regierung Großbritanniens diesem Beispiel. Dazu schreibt The Economist:⁵

    GMs Gründe, so zu handeln, gelten genauso für andere Unternehmen. »IT ist in unserem Geschäft immer wichtiger geworden, und wir sehen darin jetzt eine gute Möglichkeit, uns Wettbewerbsvorteile zu sichern.«, sagt Randy Mott, Chief Information Officer bei GM, der für die Umkehrung der Outsourcing-Strategie zuständig war. Er fügt hinzu, solange die Arbeit von Externen erledigt worden sei, seien die meisten Ressourcen, die GM für IT ausgab, darauf verwendet worden, Dinge am Laufen zu halten, statt sich über neue Möglichkeiten Gedanken zu machen. Das Unternehmen geht davon aus, dass es schneller und flexibler wird und mehr Innovation fördert, wenn es die IT-Aufgaben größtenteils im Haus oder in der Nähe erledigt.

    Die Geschäftswelt sieht IT immer weniger nur als einen Dienst, der den internen Betrieb verbessert, und beginnt stattdessen, software- und technologiegetriebene Innovationszyklen als Wettbewerbsvorteil zu nutzen. Das hat weitreichende Konsequenzen. Traditionelle Programm- und Projektmanagement-Modelle für die IT passen nicht mehr zu den schnellen Innovationszyklen. Sie sind jedoch tief verankert in den Prozessen – vom Betrieb über Customer Management bis hin zu Budgetierung, Governance und Strategie. Die Elemente eines funktionierenden produktzentrierten Ansatzes sind alle erst in den vergangenen 10 Jahren entstanden. Sie wurden bis jetzt noch nicht verbunden und in einer systematischen Form präsentiert. Dieses Buch versucht, die Lücke zu füllen, und inspirierende Beispiele von Unternehmen zu geben, die diese Ideen erfolgreich übernommen haben. Zudem haben wir die »High-Performance-Kultur« genau untersucht, da sie der kritische Faktor für Innovation in großem Stil ist.

    Warum dieses Buch?

    Alle Autoren haben Erfahrungen in Startups und großen Unternehmen gesammelt. Wir sind angetreten, einen pragmatischen und systematischen Ansatz für Innovation und Transformation zu präsentieren, der im Unternehmenskontext funktioniert. Wir betrachten nicht nur, wie hochperformante Unternehmen Produkte entwickeln, sondern auch, wie Unternehmen, die auf eine höhere Performance hinarbeiten, diese Techniken inkrementell, iterativ und risikoarm übernehmen können.

    Wir haben das Buch geschrieben, weil wir über den Zustand der Branche frustriert sind. Die beschriebenen Techniken und Praktiken sind nicht neu, und man weiß, dass sie funktionieren. Trotzdem haben sie sich noch nicht durchgesetzt, sondern werden nur stückweise umgesetzt, was zu lokalen statt systemischen Verbesserungen führt. Im Ergebnis mühen sich Unternehmen damit ab, zu hohen Kosten Produkte, Services und Geschäftsmodelle zu entwickeln, die nicht den erwarteten Kundennutzen bringen.

    Als die Bücher Continuous Delivery (Addison-Wesley) und The Lean Startup (Crown Business) erschienen, sahen wir großen Bedarf bei Mitarbeitern großer Unternehmen, die in den Büchern beschriebenen Praktiken zu übernehmen. Eine Vielzahl an Unternehmen haben messbaren Nutzen aus den von uns erläuterten Praktiken ziehen können. Das resultierte in der schnelleren Herstellung und Auslieferung von hochwertigeren Produkten, gesteigerter Kundenzufriedenheit und höherem Return on Investment. All dies ging einher mit reduzierten Kosten sowie zufriedeneren Mitarbeitern, die nicht länger unhaltbar viele Überstunden leisten mussten und die Chance erhielten, ihrer Kreativität und Leidenschaft bei der Arbeit freien Lauf zu lassen.

    Allerdings finden es alle schwierig, die Ideen erfolgreich umzusetzen. In den meisten Fällen war es unmöglich, mehr als marginale Verbesserungen herbeizuführen, denn nur ein Teil der Organisation wurde verändert, und dieser Teil musste weiter mit dem Rest des Unternehmens zusammenarbeiten, der nach wie vor die traditionelle Arbeitsweise erwartete. Aus diesem Grund erläutern wir, wie erfolgreiche Unternehmen für eine radikal verbesserte Leistung alles überdachten – von Finanzmanagement und Governance über Risiken und Compliance bis hin zu Systemarchitektur, Programm- und Portfoliomanagement sowie Anforderungsmanagement.

    Dieses Buch präsentiert ein Set an Mustern und Prinzipien, die Ihnen bei der Umsetzung der Ideen helfen sollen. Wir glauben, dass jedes Unternehmen anders ist und andere Bedürfnisse hat. Daher geben wir keine Regeln für die Umsetzung bestimmter Praktiken vor. Stattdessen beschreiben wir einen heuristischen Ansatz für die Umsetzung, der die Wichtigkeit zu experimentieren betont, damit Sie herausfinden, wie Ihre Organisation die Ideen am besten adaptiert und sich verbessert. Dieser Ansatz dauert länger, er hat jedoch den Vorteil, schneller messbaren Nutzen zu zeigen und das Risiko der Veränderung zu verringern. Es erlaubt Ihrem Unternehmen und den Mitarbeitern zudem, selbst herauszufinden, was am besten funktioniert.

    Wir hoffen, Sie finden dieses Buch nützlich. Die gefährlichste Einstellung ist wohl: »Diese Ideen sind gut, aber in unserem Unternehmen funktionieren sie sowieso nicht.« So drückt es Taiichi Ohno, der Vater des Toyota Production System, aus:

    Ob oberes Management, mittleres Management oder die Arbeiter, die die eigentliche Arbeit erledigen, wir sind alle Menschen, und so sind wir wie wandelnde Missverständnisse, glauben, dass der Weg, wie wir Dinge heute tun, der beste ist. Oder vielleicht glauben Sie nicht, dass es der beste Weg ist, aber Sie arbeiten mit gesundem Menschenverstand und sagen sich »Da können wir nichts machen, so sind die Dinge nun einmal.«

    Sie werden bei der Anwendung der Ideen aus diesem Buch auf Hindernisse stoßen. Wenn sie die Fallstudien lesen, fallen Ihnen sehr wahrscheinlich Gründe ein, warum der beschriebene Ansatz in Ihrem Unternehmen nicht funktioniert. Doch lassen Sie sich von Hindernissen nicht beirren. Nehmen Sie das, was Sie hier lesen, als Inspiration für Ihre eigenen Anstrengungen, nicht als Rezepte, von denen man nicht abweichen darf. Halten Sie konstant Ausschau nach Hindernissen und behandeln Sie sie als Chance zu experimentieren und zu lernen. Um Ohno noch einmal zu zitieren:

    Kaizen- [Verbesserungs-]Möglichkeiten sind unendlich. Glauben Sie nicht, Sie könnten sich entspannt zurücklehnen, wenn Sie die Dinge einmal verbessert haben. [...] Das wäre so, als würde ein Schüler hochmütig, wenn er seinen Fechtmeister zwei von drei Malen geschlagen hat. Will man sich auf die Kaizen-Denkweise einlassen, so ist es wichtig, die Einstellung, dass unter einer Kaizen-Idee direkt die nächste steckt, für das tägliche Arbeitsleben zu übernehmen.

    Es gibt unzählige Verbesserungsmöglichkeiten – nicht nur bei Produkten und Services, sondern auch in der Art, wie wir uns verhalten und interagieren, und vor allem in unserer Art zu denken.

    Wer sollte dieses Buch lesen?

    Wir haben dieses Buch hauptsächlich für Führungskräfte und Manager geschrieben. Es konzentriert sich auf Prinzipien und Muster, die in jedem Bereich in jeder Art von Unternehmen angewendet werden können.

    Wir sprechen folgende Zielgruppen an:

    • Führungskräfte, die sich für Strategie, Leadership, Organisationskultur und gute Governance interessieren

    • IT-Direktoren/-Leiter, sowohl für Anwendungen als auch für Infrastruktur und Betrieb

    • Jeder, der im Programm- oder Projektmanagement arbeitet, inklusive der Mitglieder des PMO

    • Mitarbeiter von Finanzen und Buchhaltung sowie aus den Bereichen Governance, Regulierung und Compliance, wenn sie in die Entwicklung involviert sind

    • CMOs, Produktmanager und andere, die Produkte und Services entwerfen, für die Softwareentwicklung notwendig ist

    Jeder, der in einem Entwicklungsteam arbeitet, wird dieses Buch ebenfalls nützlich finden. Erwarten Sie aber bitte keine tiefe Erläuterung von Entwicklungspraktiken wie dem Schreiben von wartbaren funktionalen Akzeptanztests, der Automatisierung von Deployments oder dem Konfigurationsmanagement. Diese Themen werden im Buch Continuous Delivery vertieft.

    Dieses Buch richtet sich speziell an Menschen, die in mittleren und großen Unternehmen arbeiten und erkennen, dass sie anders über Strategie, Kultur, Governance und die Art, Produkte und Services zu managen, denken müssen, um erfolgreich zu sein. Das bedeutet nicht, dass kleinere Unternehmen dieses Buch nicht hilfreich finden werden – jedoch wird sich einiges im jetzigen Stadium ihrer Entwicklung noch nicht anwenden lassen.

    Eines unserer Ziele war es, das Buch kurz, prägnant und praktisch zu halten. Daher haben wir uns entschieden, die theoretischen Modelle hinter den beschriebenen Praktiken nicht zu ausführlich zu erläutern. Stattdessen haben wir einige grundlegende Prinzipien aus diesen Bereichen dargelegt, so dass Sie die theoretischen Grundlagen verstehen. Wir stellen zudem Referenzen zur Verfügung, die Sie zur Vertiefung der Themen nutzen können.

    Wir sind auch sorgsam darauf bedacht, keine detaillierte Anleitung zu geben, welche Softwarewerkzeuge wie zu nutzen sind. Dies geschieht aus zwei Gründen. Erstens denken wir, dass die Tool-Wahl eigentlich keine wirklich wichtige Entscheidung ist (solange man die schlechten vermeidet). Viele Unternehmen, die sich in Richtung agile Methoden bewegen, verbringen eine Unmenge an Zeit mit der Auswahl eines Tools, weil sie hoffen, damit auf magische Weise all ihre grundlegenden Probleme zu lösen. Der Fehler solcher Organisationen besteht jedoch meist in ihrer Unfähigkeit, ihre Organisationskultur zu ändern, nicht in der falschen Auswahl von Tools. Zweitens veraltet die Information zu speziellen Werkzeugen und Prozessen sehr schnell. Es gibt jede Menge gute Werkzeuge (inklusive vieler Open Source Tools) und Literatur, wie sie genutzt werden können. In diesem Buch konzentrieren wir uns auf Strategien, die Ihrer Organisation dabei helfen, unabhängig von den gewählten Tools erfolgreich zu sein.

    Überblick

    Teil I stellt die Hauptthemen des Buchs vor: die Kultur, die Strategie und den Lebenszyklus von Innovationen. In Teil II erläutern wir, wie Sie neue Ideen untersuchen und Daten sammeln, so dass Sie schnell evaluieren können, welche Idee nützlich ist. Teil III beschäftigt sich eingehend mit der Entwicklung von validierten Ideen – denen, die im Schmelztiegel der Exploration übrig geblieben sind – und präsentiert einen Ansatz für die bessere Durchführung großer Arbeitsprogramme. Zu guter Letzt zeigt Teil IV, wie Unternehmen ein Umfeld schaffen können, das Lernen und Experimentieren fördert. Wir legen dabei einen Fokus auf Kultur, Governance, Finanzmanagement, IT und Strategie.

    Teil I sollte jeder lesen. Danach können Sie frei wählen, welche Kapitel Sie interessieren. Es ist allerdings durchaus sinnvoll, Kapitel 3, Kapitel 6 und Kapitel 7 zu lesen, bevor Sie zu Teil IV übergehen, denn letzterer baut auf den in den Kapiteln erläuterten Konzepten auf.

    Die Übersetzung übernimmt die amerikanische Zitierweise. Die kompletten bibliographischen Angaben der zitierten Titel werden im Literaturverzeichnis genannt, auf der jeweiligen Seite wird nur der Nachname des Autors in eckigen Klammern angegeben.

    Danksagung

    Zu diesem Buch haben viele Menschen beigetragen. Den folgenden Menschen sind wir besonders dankbar für die detaillierte Durchsicht von frühen Entwürfen oder einzelnen Kapiteln (in alphabetischer Reihenfolge nach Vornamen): Adrian Cockcroft, Amy McLeod, Andy Pittaway, Bas Vodde, Ben Williams, Bjarte Bogsnes, Brett Ansley, Carmen Cook, Charles Betz, Chris Cheshire, Courtney Hemphill, Dan North, Darius Kumana, David Tuck, Don Reinertsen, Gary Gruver, Gene Kim, Ian Carroll, James Cook, Jean-Marc Domaingue, Jeff Gothelf, Jeff Patton, Jim Highsmith, Joe Zenevitch, John Allspaw, John Crosby, Jonathan Thoms, Josh Seiden, Kevin Behr, Kief Morris, Kraig Parkinson, Lane Halley, Lee Nicholls, Lindsay Ratcliffe, Luke Barrett, Marc Hofer, Marcin Floryan, Martin Fowler, Matt Pancino, Michael Orzen, Mike Rother, Pat Kua, Randy Shoup, Ranjan Sakalley, Salim Virani, Steve Bell, Tom Barker, Tristan Kromer, and Will Edelmuth. Vielen Dank. Die von uns präsentierten Ideen stammen aus einer Vielzahl von Quellen und wurden in unzähligen Workshops, Talks und Diskussionen mit Menschen aus den verschiedensten Unternehmen weltweit ausgewählt und verfeinert. Danke an alle, die an den Diskussionen beteiligt waren und uns ihre Erfahrungen und ihr Feedback zugutekommen ließen. Ein besonderer Dank geht an unser fabelhaftes Editoren- und Produktionsteam bei O’Reilly: Mary Treseler, Angela Rufino, Allyson MacDonald, Kara Ebrahim und Dan Fauxsmith. Unser besonderer Dank geht auch an Peter Staples, der fast jedes der großartigen Diagramme in diesem Buch gestaltet hat. Steve Bell, John Kordyback, Scott Buckley und Gareth Rushgrove stellten die Fallstudien in diesem Buch zur Verfügung: Danke vielmals für Euren Beitrag und die Einsichten. Schlussendlich haben Dmitry Kirsanov und Alina Kirsanova ihre wie immer gründliche, detaillierte und hochwertige Arbeit in Form von redaktioneller Überarbeitung, Korrekturlesen und Indexieren des Buchs beigetragen – danke.

    Jez begann die Arbeit an diesem Buch als Vorwand, um nach der Geburt seiner zweiten Tochter, Reshmi, zu Hause bleiben zu können. Reshmi und ihre Schwester, Amrita, brachten ihm die Freude an Störungen bei, indem sie ihm Streiche spielten und viele Abenteuer mit entwarfen, die sowohl neue Einsichten als auch hilfloses Gelächter erzeugten. Durch Rani, seine wunderschöne, kluge Frau, blieben alle auf dem Boden der Tatsachen, selbst unter widrigsten Umständen. Dafür hat sie seine unendliche Dankbarkeit, Liebe und Bewunderung. Er dankt seiner Mutter für ihre Ermunterungen und die Unterstützung, besonders, wenn er während seiner Besuche schreiben musste. Jez bedankt sich bei seinen Co-Autoren Joanne und Barry für das Ausbremsen seiner Command-and-Control-Tendenzen und dafür, dass sie dieses Buch zu einer echten kollaborativen Übung machten. Es wäre ein wesentlich anderes – und viel ärmeres – Buch ohne Euch. Er möchte seinen Kollegen bei Chef für ihre Inspiration und Unterstützung danken – und für die Umsetzung des Traums, ein Weltklasse-Produkt und eine ebensolche Customer Experience zu schaffen. Er möchte außerdem seinem vorherigen Arbeitgeber, ThoughtWorks, dafür danken, dass er eine einzigartige Heimat für Innovatoren und Bastler bietet, von denen viele der hier verwendeten Ideen stammen. Ganz zum Schluss geht spezieller Dank an Chris Murphy, Chad Wathington, David Rice, Cyndi Mitchell, Barry Crist und Adam Jacob für ihre Unterstützung.

    Joanne war nicht ganz klar, auf was sie sich einließ, als Jez Humble und Martin Fowler sie überredeten, an einem Buch über die nächsten Schritte zur Continuous Delivery mitzuarbeiten. Während die Zeit voranschritt (über zweieinhalb Jahre) und das Buch zu dem wurde, was es heute ist, gab es viele Menschen, die ihr Unterstützung, Ermutigung und vollständiges Vertrauen in ihre Fähigkeit, die Arbeit zu beenden, gaben. John, Joannes Ehemann, Lebensgefährte und bester Freund, schenkte ihr an all diesen schuldbeladenen Wochenenden und Abenden, als »das Buch« sie von allen Freizeitaktivitäten abhielt, Ermutigung und unendliches Verständnis. Ihre Kollegen und das Leadership-Team bei ThoughtWorks stellten alles zur Verfügung, was sie für die Recherche und das Schreiben dieses Werks benötigte. Ganz besonders David Whalley, Chris Murphy und das ThoughtWorks Australia-Team, das sie eingestellt hatte – denn sie alle verstanden, wie wichtig es für etwas so Command-and-Controliges wie Sicherheit, Risiko und Compliance ist, mit agilen und Lean-artigen Entwicklungspraktiken zusammenzupassen. Nicht zuletzt möchte sie ihren Co-Autoren und guten Freunden Barry und Jez danken, die ihr Durchhaltevermögen, Zusammenarbeit und echtes Vertrauen beibrachten.

    Barry hätte dieses Buch nicht ohne Qiu Yi, seine Lebenseditorin, Partnerin und Ehefrau, schreiben können. Ihre Leidenschaft, Beharrlichkeit und Geduld glätten seine Kanten. Ihr Mitgefühl kennt keine Grenzen. Seine Eltern, Niall und Joan, glaubten immer an ihn und unterstützten ihn mit allem, sogar persönlichen Opfern, damit er seine Ziele erreichen konnte. Er hätte keine besseren Vorbilder finden können; ihre Prinzipien und Werte formten seine, und dafür ist er dankbar. Er vermisst seine Brüder und Schwestern. Die Zeit, die sie miteinander verbringen, ist immer wertvoll und viel zu kurz. Seine ganze Familie ist in seinem Herzen und nie aus seinen Gedanken. In seinem Leben wurde er von vielen Freunden, Kollegen und Geschichtenerzählern inspiriert; ihre Unterhaltungen, Lektionen und das Wissen sind hier festgehalten. Danke, dass er daran teilhaben durfte. Als er seinen ersten Blog-Artikel schrieb und auf »veröffentlichen« drückte, hatte er keine Vorstellung davon, dass ihn das einmal hierhin führen würde. Die Unterstützung, Zusammenarbeit und Kalibrierung durch Jez und Joanne haben ihn viel mehr gelehrt, als Gedanken in Worte zu fassen – er ist durch ihre Anleitung gewachsen.

    TEIL I

    Orientieren

    Der Sinn einer Organisation besteht darin, normale Menschen außerordentliche Dinge tun zu lassen.

    Peter Drucker

    Shareholder-Value ist die dümmste Idee der Welt. [Er ist] ein Ergebnis, keine Strategie [...]. Ihre wichtigsten Zielgruppen sind Ihre Angestellten, Ihre Kunden und Ihre Produkte.¹

    Jack Welch

    Wir beginnen mit der Definition eines Unternehmens als »ein komplexes, adaptives System, bestehend aus Menschen mit einem gemeinsamen Ziel«. Damit schließen wir Non-Profit-Organisationen, den öffentlichen Sektor wie auch Aktiengesellschaften ein. In Kapitel 1 gehen wir detaillierter auf komplexe, adaptive Systeme ein. Die Idee eines gemeinsamen Ziels, das allen Angestellten bekannt ist, ist essentiell für den Erfolg eines Unternehmens. Das Ziel eines Unternehmens unterscheidet sich von seiner Vision (die beschreibt, was ein Unternehmen zu werden anstrebt) und seiner Mission (die das Geschäftsfeld bezeichnet, in dem sich das Unternehmen bewegt). Graham Kenny, Managing Director der Unternehmensberatung Strategic Factors, beschreibt das Ziel einer Organisation als das, was es für jemand anderen tut, indem sich die »Manager und Angestellten in des Kunden Schuhe versetzen.«² Er zitiert die Kellogg Food Company (»Familien ernähren, damit sie wachsen und gedeihen«) und das Versicherungsunternehmen IAG (»Menschen dabei helfen, Risiko zu managen und sich von den Schwierigkeiten unerwarteten Verlusts zu erholen«) als Beispiele, zu denen wir unser Lieblingsbeispiel hinzufügen möchten, SpaceX: »2002 von Elon Musk gegründet, um den Raumtransport zu revolutionieren und es Menschen schließlich zu ermöglichen, auf anderen Planeten zu leben.«³

    Die Entwicklung, Aktualisierung und Kommunikation der Unternehmensziele liegen in der Verantwortung der Geschäftsführung eines Unternehmens. Sie legt die Strategie fest, mit der das Unternehmen seine Ziele erreichen möchte, sowie die Kultur, die für den Erfolg der Strategie notwendig ist. Strategie und Kultur entwickeln sich aufgrund von Veränderungen in der Umwelt weiter. Führungskräfte müssen dieser Evolution eine Richtung geben und sicherstellen, dass Kultur und Strategie sich gegenseitig unterstützen, um die Ziele zu erreichen. Sind die Führungskräfte gut, dann ist das Unternehmen in der Lage, sich an veränderte Kundenbedürfnisse anzupassen, sie zu erkennen und zu bedienen und so bei unerwarteten Geschehnissen stabil zu bleiben. Das ist die Essenz guter Governance.

    Für Konzerne mag ein Ziel, das nicht Profitmaximierung lautet, wunderlich erscheinen. Viele Jahre lang war die gängige Meinung, dass sich die Konzernleitung auf die Maximierung des Shareholder-Value konzentrieren solle. Dieses Ziel wurde durch die Bezahlung von Führungskräften in Aktien verstärkt.⁴ Diese Strategie hat jedoch eine Menge Schwächen. Sie verursacht eine Bevorzugung kurzfristiger Ziele (wie vierteljährliche Ausschüttungen) auf Kosten langfristiger Prioritäten (wie der Mitarbeiterentwicklung und guter Kundenbeziehungen). Da sie sich auf taktische Aktionen zur kurzfristigen Kostenreduktion konzentriert, tendiert sie zudem dazu, Innovation zu unterdrücken. Denn sie benachteiligt risikoreichere Strategien wie Forschung und Entwicklung oder die Herstellung neuer disruptiver Produkte und Services, die alle das Potential haben, im Verlauf der Lebenszeit eines Unternehmens höhere Gewinne zu erzielen. Zu guter Letzt ignoriert sie den Wert von immateriellen Dingen, etwa die Fähigkeiten der Mitarbeiter und geistiges Eigentum, wie sie auch den Wert externer Effekte ignoriert, etwa den Einfluss unserer Umwelt.

    Die Forschung hat gezeigt, dass der alleinige Fokus auf Gewinnmaximierung paradoxerweise die ROI-Rate reduziert.⁵ Unternehmen sind langfristig durch die Entwicklung ihrer Innovationsfähigkeit und die Adaption ihrer Strategie erfolgreich. Jack Welch drückt es im vorangestellten Epigraf so aus: Konzentration auf Mitarbeiter, Kunden und Produkte. Teil I dieses Buch legt dar, wie das erreicht werden kann.

    KAPITEL 1

    Einführung

    Selbst gute Leute können in unnatürlich designten Systemen großen Schaden an anderen anrichten, manchmal ohne es jemals zu merken.

    Ben Goldacre

    Am 1. April 2010 schloss Kaliforniens einzige Autofabrik, New United Motor Manufacturing, Inc. (NUMMI), die 1984 als Joint Venture von General Motors (GM) und Toyota gegründet worden war. Beide Firmen hatten von der Partnerschaft profitiert: Toyota wollte eine Fabrik in den USA, um drohende Exportrestriktionen zu umgehen, die der US Kongress als Reaktion auf den unaufhaltsam fallenden Marktanteil der US-Autohersteller plante. Für GM war es die Möglichkeit herauszufinden, wie man kleine Autos profitabel baut. Zudem galt es, das Toyota Production System (TPS) kennenzulernen, das es den Japanern ermöglichte, fortwährend beste Qualität zu niedrigeren Preisen zu liefern als die US-Hersteller.¹

    GM wählte 1984 das geschlossene Fremont-Assembly-Gelände als Produktionsstätte für das Joint Venture. Dieser Standort hatte den schlechtesten Ruf in Bezug auf die Qualität der produzierten Autos und das Arbeitsklima unter Managern und Arbeitern. Als die Fabrik 1982 geschlossen worden war, waren die Arbeitsverhältnisse wegen Arbeitern, die während der Arbeitszeit tranken und spielten, zerrüttet gewesen. Erstaunlicherweise akzeptierte Toyota trotzdem die Forderung des Verhandlungsführers von United Auto Workers (UAW), Bruce Lee, die Gewerkschaftsführer von Fremont Assembly als Leiter der Arbeitsgruppe NUMMI wieder einzustellen. Die Arbeiter wurden nach Toyota City in Japan geschickt, um dort das TPS zu erlernen. Schon nach drei Monaten wurden im NUMMI-Werk qualitativ nahezu perfekte Autos produziert. Sie gehörten zu den besten in den USA und waren genauso gut wie japanische Autos – und das bei deutlich niedrigeren Kosten als bei Fremont Assembly. Lee hatte also Recht gehabt mit seiner Annahme, dass das Problem im System lang und nicht bei den Menschen.

    Über das TPS ist viel geschrieben worden, aber wenn man den Mitarbeitern von Fremont Assembly zuhört, die bei NUMMI gearbeitet haben, gibt es ein immer wiederkehrendes Thema: Teamwork. Das klingt vielleicht banal, aber es war eine unglaublich wichtige Erfahrung für viele der UAW-Arbeiter. Das TPS macht die Produktion von Qualität zur obersten Priorität. Ein aufgetretenes Problem muss so bald wie möglich gelöst werden, und das System muss so verbessert werden, dass es keine Wiederholung des gleichen Fehlers gibt. Um dies zu ermöglichen, arbeiten Arbeiter und Manager Hand in Hand. Sobald ein Arbeiter ein Problem entdeckt, kann er oder sie den Manager herbeirufen, indem er oder sie einen Notfallschalter (den berühmten andon cord) betätigt. Der Manager kommt dann und hilft bei der Problembehebung. Wenn das Problem nicht in der verfügbaren Zeit gelöst wurde, kann der Arbeiter die gesamte Produktionsstrecke stoppen, bis es behoben ist. Das Team probiert später Ideen aus, um eine Wiederholung zu vermeiden, und implementiert diese.

    Die Idee, dass die wichtigste Aufgabe der Manager die Unterstützung der Arbeiter ist, dass Arbeiter die Produktionsstraße stoppen können und dass sie in die Entscheidung, wie ein System verbessert werden kann, involviert sind, war für die UAW-Angestellten revolutionär. John Shook, der erste Amerikaner, der in Toyota City arbeitete, hatte die Aufgabe, die NUMMI-Arbeiter anzulernen. Seinen Worten zufolge hatten die Arbeiter eine starke emotionale Erfahrung beim Lernen der neuen Arbeitsmethode, einer Methode, die echte Zusammenarbeit ermöglichte – als ein Team.

    Die Art und Weise, wie das TPS arbeitet, steht in starkem Kontrast zu traditionellen US-amerikanischen und europäischen Management-Methoden. Letztere basieren auf den Prinzipien von Frederick Winslow Taylor, dem Erfinder des Scientific Management bzw. der Wissenschaftlichen Betriebsführung (Taylorismus). Nach Taylor ist es der Job des Managers, die Arbeit zu analysieren und in einzelne Teilaufgaben zu zerlegen. Diese Aufgaben werden dann von Spezialisten ausgeführt, die nur in der Lage sein müssen, ihren speziellen Aufgabenbereich so effizient wie möglich zu erfüllen. Taylorismus basiert auf dem Gedanken, dass Organisationen wie Maschinen funktionieren, die analysiert und verstanden werden müssen, indem man sie in einzelne Komponenten zerlegt.

    Im Gegensatz dazu ist für das TPS die Erschaffung einer High-Trust-Kultur zentral, in der jeder auf das Ziel hinarbeitet, ein hochwertiges und marktorientiertes Produkt herzustellen. In ihm arbeiten Arbeiter und Manager funktionsübergreifend zusammen, um das System kontinuierlich zu verbessern und manchmal auch radikal umzugestalten. Der TPS-Ansatz einer High-Trust-Kultur mit Fokus auf fortlaufende Verbesserung (Kaizen), verstärkt durch Einheit und Autonomie auf allen Ebenen, ist essentiell, um große Unternehmen aufzubauen, die schnell auf Veränderungen reagieren können.

    Ein Schlüsselelement für den Erfolg des TPS ist seine Wirkung auf die Arbeiter. Taylorismus reduziert sie auf kleine Rädchen im Getriebe, die ausschließlich für die möglichst schnelle Erfüllung vorgegebener Aufgaben bezahlt werden. Das TPS dagegen fordert von den Arbeitern, durch kontinuierliche Verbesserung Meisterschaft anzustreben. Es gibt ihnen ein höheres Ziel: die Verfolgung eines immer höheren Niveaus an Qualität, Nutzen und Kundenzufriedenheit. Das System bietet einen gewissen Grad an Autonomie, indem es dazu ermuntert, Ideen zur Verbesserung auszuprobieren und die erfolgreichen Ideen umzusetzen.

    Jahrzehntelange Forschungen haben gezeigt, dass diese intrinsischen Motivatoren bei Aufgaben, die Kreativität und Experimentierfreude erfordern, zu höchster Leistung führen, wenn das gewünschte Ergebnis nicht durch einfaches Befolgen von Regeln erreicht werden kann.² Extrinsische Motivatoren wie Bonus oder Leistungsbewertungen reduzieren hingegen die Leistung bei solchen nicht standardisierten Arbeiten.³ Rick Madrid, der in Fremont sowohl vor als auch während der NUMMI-Ära arbeitete, sagt über das TPS, dass es sein Leben von Depression und Langeweile befreit habe, und seine Lebenseinstellung änderte. Es habe ihn nur zum Guten verändert. Für eine High-Performance-Kultur ist es elementar, dass die Leute stolz auf ihre Arbeit sind und nicht mit Zuckerbrot und Peitsche motiviert werden.⁴

    Obwohl die zentralen Prinzipien des TPS ziemlich klar erscheinen, sind sie schwer umzusetzen. GM scheiterte auf ganzer Linie, das bei NUMMI Erreichte weiterzuführen und in anderen GM-Fabriken zu wiederholen. Eine der größten Herausforderungen war die Veränderung von organisatorischen Hierarchien. Das TPS schafft das Konzept der Seniorität ab, in dem die besten Jobs an die ältesten und erfahrensten Mitarbeiter vergeben werden. Im TPS muss jeder alle erforderlichen Arbeiten lernen und im Team rotieren. Das TPS entledigt sich außerdem der Statussymbole und Privilegien des Managements. Um die Tatsache zu unterstreichen, dass jeder Mitglied desselben Teams war, trug bei NUMMI niemand eine Krawatte – nicht einmal die externen Dienstleister. Die Manager erhielten keine Sonderkonditionen wie in anderen GM-Fabriken (wie z.B. separate Cafeterias oder Parkplätze).

    Der Versuch, die Qualität zu verbessern, scheiterte letztlich an den organisatorischen Grenzen. Beim TPS arbeiten Lieferanten, Ingenieure und Arbeiter permanent zusammen, um die Qualität der einzelnen Teile zu verbessern und sicherzustellen, dass den Arbeitern das erforderliche Werkzeug für ihre Aufgaben zur Verfügung steht. Das funktionierte bei NUMMI, weil die Ingenieure vor Ort arbeiteten und es eine kollaborative Zusammenarbeit mit japanischen Zulieferern gab. In der US-amerikanischen Zulieferkette herrschten andere Verhältnisse. Wenn ein minderwertiges oder nicht passgenaues Element in die Montage-Fabriken von GM kam, gab es einfach keinen Mechanismus, das Problem zu beheben.

    Ernie Schaefer, ein Manager von GMs Van Nuys-Fabrik, der mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hatte wie Fremont Assembly, beschreibt, was bei NUMMI anders lief: »Man kann viele Unterschiede sehen. Aber etwas, das man nicht sehen kann, ist das zugrundeliegende System von NUMMI. Ich denke nicht, dass zur damaligen Zeit irgendjemand das Wesen dieses System verstand. GM war eine Art Wirf-es-über-den-Zaun-Organisation. Wir waren sehr abteilungslastig aufgestellt: Du entwirfst das Fahrzeug und dann schickst du es rüber zu den Produktionsleuten.« Das ist das Erbe eines taylorschen Managementansatzes.

    Das TPS benötigt ein funktionierendes Ökosystem aus organisatorischer Kultur, guten Lieferanten-Beziehungen, Finanz-Management, HR sowie einer Steuerung, die seiner Philosophie gerecht wird.

    GM versuchte, das TPS in Van Nuys umzusetzen, scheiterte aber. Arbeiter und Manager gingen angesichts der anstehenden Veränderungen in Bezug auf Status und Verhalten auf die Barrikaden – trotz der drohenden Schließung (die letztlich vorgenommen wurde). Laut Larry Spiegel, einem Veteran von NUMMI, der nach Van Nuys geschickt worden war, um TPS dort einzuführen, unterschätzten die Leute die Gefahr der Schließung. »Zu

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