57, 58, 59, SECHZIG!: 125 Jahre Fußball TSV 1860 München
Von Claus Melchior und Thomas Bohlender
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Über dieses E-Book
Anlässlich der Jubiläumsfeierlichkeiten haben die Autoren Claus Melchior und Thomas Bohlender – Mitglieder der Fußballabteilung und der Abteilung Vereinsgeschichte des TSV 1860 – Anekdoten, Bilder und Erinnerungen aus der langen Historie der Löwen-Fußballer ausgegraben. Auf 256 üppig bebilderten Seiten nehmen sie die Leser mit auf eine Reise durch die eine Geschichte, die schon immer ein Auf und Ab der Emotionen war. Dabei geht es nicht nur um sportliche Highlights wie das Endspiel um die Deutsche Meisterschaft 1931 (2:3 gegen Hertha), die Pokalsiege 1942 und 1964, den Einzug ins Finale um den Europapokal der Pokalsieger 1965 (0:2 gegen West Ham) sowie natürlich die Meisterschaft 1966 sondern auch um Bedeutung und Rolle des Klubs in der Münchner Fußball-Landschaft.
• 125 Jahre Löwen-Geschichte: Eine emotionale Reise durch Triumphe und Tragik
• Sportliche Highlights der "Blauen" aus München
• Mit vielen spektakulären Fotos aus der Geschichte des Vereins
"Blaue" Münchner Fußball-Geschichte
In welcher Liga 1860 auch spielte oder spielt – Emotionen weckte der Verein immer, und zur Klubgeschichte gehört auch die Schicksal, heute tief im Schatten eines Lokalrivalen zu stehen, der einst Untermieter im Sechzger-Stadion an der Grünwalder Straße war. Eine starke Erinnerungsreise durch 125 Jahre Fußballgeschichte beim TSV 1860, die begleitet wird von allerlei Veranstaltungen im Jubiläumsjahr 2024.
Claus Melchior
Claus Melchior, geboren 1954, lebt seit 1974 in München und ist dort als Buchhändler tätig. Den TSV 1860 hat er schon 1965 vor dem Fernsehschirm bis nach Wembley begleitet. Damals hätte man ihn noch als Erfolgsfan bezeichnen können, ein Problem, das schon bald keines mehr war. Als Fußballpublizist ist er mit einer umfassenden Geschichte des TSV München von 1860 hervorgetreten (gemeinsam mit Hardy Grüne) sowie seit 1995 als Mitglied des Redaktionskollektivs des kleinen, aber feinen Fußballmagazins Der tödliche Pass.
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Buchvorschau
57, 58, 59, SECHZIG! - Claus Melchior
Vorwort
256 pralle Seiten – viel zu wenig, um 125 Jahre Fußballgeschichte des TSV 1860 München komplett zu beschreiben, zu schildern oder als Leser erleben zu können. 125 Jahre Sechzig, das ist ein einzigartiges unergründliches Universum aus großartigen Erfolgen und epischen Niederlagen, eine Geschichte von unfassbarem Größenwahn, atemberaubenden Aufstiegen und Abstürzen, Pleiten, Pech und Pannen, ein Mount Everest an himmlischer Glückseligkeit und tiefster Depression.
Dieser Münchner Traditionsverein hat in 125 Jahren alles erlebt, was der Fußball zu bieten hat: Im Turnverein München als Spielriege gegründet, ab 1902 im Liga-Spielbetrieb zunächst mit bescheidenem Erfolg aktiv, in den 1920er Jahren zum Spitzenklub gereift, 1931 um die Deutsche Meisterschaft betrogen, 1942 Pokalsieger über das Schalker Wunderteam, 1963 Meister der Oberliga Süd und Gründungsmitglied der Bundesliga, 1964 DFB-Pokalsieger, 1965 im Endspiel um den Europapokal der Pokalsieger in Wembley, 1966 Deutscher Meister, 1967 Vizemeister. Den überragenden Erfolgen der 1960er Jahre folgte ab 1970 der Niedergang, der 1982 schließlich in der Amateurliga endete. Eine wundersame Wiederauferstehung folgte, die durch ein erfolgreiches Jahrzehnt Bundesliga zwischen 1994 und 2004 gekrönt wurde, bevor die Löwen für längere Zeit den tristen Alltag im Niemandsland der 2. Liga erlebten. 2017 dann der beispiellose Absturz in die Niederungen der Viertklassigkeit, der man im Jahr darauf mit dem Aufstieg in die 3. Liga glücklich entkommen konnte.
Die beiden Autoren, kritische Beobachter und seit Jugendtagen glühende Fans des TSV 1860 München, wollen in diesem Buch einige Schlaglichter auf die Geschichte dieses faszinierenden Fußballvereins werfen: Mit einem Überblick über die Entwicklung seit den bescheidenen Anfängen, mit Berichten von wegweisenden Spielen, mit Portraits zu bedeutenden Spielern und einem Interview mit den Meisterlöwen von 1966. Auch Hintergründe vom Aufstieg und Fall des Giesinger Klubs werden beleuchtet. Die Autoren nehmen die Legende vom Arbeiterverein ebenso kritisch unter die Lupe wie das ruinöse Wirken maßgebender Vereinsverantwortlicher in Zeiten des Niedergangs. Sie fordern Gerechtigkeit für Francis Kioyo und sie weisen nach, dass der Fußball bei 1860 München wirklich in Giesing seine Geburtsstätte hat.
Diese Buch ist den Fans gewidmet, den besten und beständigsten der Welt. Nicht zu übertreffen in ihrem Glauben an eine erfolgreiche Zukunft, in ihrer unerschütterlichen Hingabe, ihrer legendären Leidensfähigkeit, ihren tollen Choreographien in der Westkurve, ihren meinungsstarken, bisweilen auch umstrittene Verlautbarungen in Wort, Bild und Gesang und ihrer unsterblichen Treue. Ohne sie wäre 1860 nichts, ohne sie gäbe es dieses Buch nicht. Sie sind die Seele von Sechzig, in ihnen schlägt das Herz des Vereins, in ihnen lebt der Fußball. Egal welche Liga, ihre Liebe währt ewig. Sechzig ist ihr Verein, ihre Heimat und das Stadion an der Grünwalder Straße ihr Zuhause.
Unser Dank gilt allen, die uns mit Informationen und kritischen Anregungen begleitet und unterstützt haben, insbesondere Roman Beer, Susanne Bischler, Wolfgang Budack, Sepp Danzer, Manfred Graf, Franz Hell, Walter Hettche, Matze Huber, Roswitha Kiermaier, Anton Löffelmeier, Stefan Markt, Joachim Mentel, Rudi Obst, Bernd Oswald, Claude Rapp, Anne Wild, unseren Meisterlöwen Hans Reich, Fredi Heiß, Hans Rebele, Bernd Patzke, Bubi Bründl und der Abteilung Vereinsgeschichte. Beim Verlag die Werkstatt gilt unserer besonderer Dank Katharina Dahme und Hardy Grüne.
Einmal Löwe – Immer Löwe
Claus MelchiorThomas Bohlender
1899-1902
Es begann unter dem Turnerbanner
Gründung als Spielriege
Im Jahre 1929 legte die Fußballabteilung des SV München 1860 – wie die eine Hälfte des Vereins nach der 1924 von der Deutschen Turnerschaft erzwungenen Aufteilung in Turnverein und Sportverein 1860 hieß – eine Festschrift aus Anlass ihres dreißigjährigen Bestehens vor. Das Deckblatt nennt die Jahreszahlen 1899-1929 und spätestens seit dieser Festschrift wird das Jahr 1899 allgemein als Gründungsjahr der Fußballabteilung (FA) des TSV München von 1860 angegeben, genauer: als Gründungsjahr der Spielriege, aus der die FA hervorging. Folgerichtig heißt es also im Jahr 2024: 125 Jahre Fußballabteilung München 1860.
Insofern mag es überraschend oder gar ketzerisch erscheinen, wenn ausgerechnet eine Publikation, die diesen Anlass feiern will, mit Zweifeln an der Richtigkeit der Zahlen beginnt. Doch es gibt gute Gründe, die Gründung der Spielriege bereits im Jahr 1898 zu verorten. So heißt es in einer zum 40. Stiftungsfest des Turnvereins München von 1860 im Jahr 1900 erschienenen Festschrift: „Die mit Beginn des Frühjahres von einigen begeisterten Anhängern der Turn-Spiele in‘s [sic] Leben gerufene Spielriege blühte rasch auf und legte bereits beim Stiftungsfeste eine Probe ihres Könnens ab. Gemeint ist, wie aus dem folgenden Absatz eindeutig hervorgeht, das am 18./19. Juni 1898 abgehaltene 38. Stiftungsfest. Worin exakt die „Probe ihres Könnens
bestand, die die Spielriege abgelegt habe, wird leider nicht näher ausgeführt; wie überhaupt die Spielriege im restlichen Text der Festschrift keine Erwähnung mehr findet. Unerwähnt blieben dementsprechend auch die Leiter der neuen Riege, der 1. Spielwart Rudolf Deprosse (Städtischer Verwaltungs-Direktor) und sein Stellvertreter Fritz Kutzner (Sport-Redakteur).
Das Vereinsheim des TV München 1860 auf einer Postkarte, gestaltet vom Vereinsmitglied Carl Moos im Jahre 1904.
Zehn Jahre später, 1910, feierte der Verein das erste halbe Jahrhundert seines Bestehens mit einer weiteren Festschrift. In der Chronik findet sich der Eintrag: „Mit Beginn des Frühjahrs 1898 wurde von einigen begeisterten Anhängern der Turnspiele eine ‚Spielriege‘ ins Leben gerufen, die rasch aufblühte. Hier stand zweifelsfrei der Text der oben zitierten älteren Festschrift Pate, doch auch im Kapitel über die Entwicklung der „Spielmannschaft des Turnverein München von 1860
heißt es eindeutig: „Die Gründung der ‚Spielmannschaft des T.V. M. von 1860‘ fällt in das Jahr 1898." In zwei zeitnah erschienenen Publikationen wird also mit Bestimmtheit 1898 als Gründungsjahr der Spielriege genannt.
Die 1889 eröffnete Turnhalle an der Auenstraße.
Warum dann plötzlich 1899? Das Jahr taucht bereits 1919 in einer Schrift zum 20-jährigen Jubiläum der Fußballabteilung auf. Und in der bereits erwähnten Festschrift aus dem Jahr 1929 heißt es über die Spielriege: „Nach kurzer Zeit ihres Bestehens konnte schon in einer Turnratssitzung vom 25. April 1899 ein lebhaftes Aufblühen der Riege zur Kenntnis gegeben und auch genommen werden. (Der 25. April 1899 erscheint später mitunter als Gründungsdatum der Fußballabteilung, was keinen Sinn ergibt, denn eine Abteilung, die an einem bestimmten Tag ein lebhaftes Aufblühen zur Kenntnis gibt, muss ja schon vor diesem Tag gegründet worden sein.) Nur wenige Absätze später wird berichtet, der Magistrat München habe im Juni 1899 „zum Zwecke der Spielpropaganda‘ den Spielplatz beim Männerfreibad, die sogenannte Schyrenwiese
zur Verfügung gestellt. Zweimal also 1899. Möglicherweise war in Vergessenheit geraten, dass die Spielriege im April 1899 nicht erst wenige Wochen, sondern bereits ein gutes Jahr bestand. Und vermutlich war die Überlassung des Spielplatzes ein für die Entwicklung der Abteilung so bedeutsames Ereignis, dass es in enger Verbindung mit der Abteilungsgründung gesehen wurde und in der Erinnerung mit dieser verschmolz.
Verwirrung um das Gründungsjahr
Spätestens ab 1929 galt also 1899 als Gründungsjahr der Spielriege bzw. der daraus entstandenen Fußballabteilung. Dementsprechend erschien 1949 eine Festschrift der Fußballabteilung zu ihrem 50-jährigen Bestehen. Dort heißt es explizit: „Nach den uns überlieferten Aufzeichnungen fällt die Gründung der Fußball-Abteilung des TSV. München von 1860 in die Zeit Anfang März 1899." Um welche Aufzeichnungen es sich dabei handelt, lässt sich nicht feststellen. Die Festschriften von 1900 und 1910 lassen, wie gesagt, das Jahr 1898 vermuten. Vermutlich im Rückgriff auf die Festschriften der FA aus den Jahren 1929 und 1949 legt andererseits auch die große Festschrift des Vereins zum Hundertsten aus dem Jahr 1960 die Gründung der FA dezidiert in das Frühjahr 1899.
Die Mannschaften des TV 1860 (ganz in Weiß) und des 1. Münchner FC vor dem ersten Löwenspiel am 27. Juli 1902 auf der Schyrenwiese.
LEGENDE
Josef Braumüller
15. DEZEMBER 1886 – 4. OKTOBER 1961
AKTIV IN DER 1. MANNSCHAFT VON 1905 BIS 1923, ZAHL DER ABSOLVIERTEN PFLICHTSPIELE NICHT ZU ERUIEREN / EHRENSPIELFÜHRER
Fußballpionier, Trainer, Multitalent
Josef Braumüller gehört nicht nur zu den herausragenden Persönlichkeiten in der Fußballgeschichte des TSV München 1860; er war ein sportliches Multitalent und seine Bedeutung für den Verein reicht weit über die Fußballabteilung hinaus.
Er kam 1903 als Jugendlicher zu den Fußballern des TV 1860 und rückte schon bald in die 1. Mannschaft auf, in der er fast 20 Jahre lang die Position des linken Verteidigers einnahm, meist neben seinem ebenso lange tätigen Kollegen Josef Bruglachner. Schon früh wurde er zum Mannschaftsführer ernannt, womit Training und Aufstellung in seinen Händen lagen, denn einen Fußballtrainer beschäftigte man bei 1860 in jenen Jahren noch nicht. Seine Leistungen auf dem Platz wurden mehrfach mit Berufungen in Münchner und bayerische Auswahlmannschaften gewürdigt.
Noch als aktiver Spieler nahm er auch die Jugendarbeit bei 1860 in die Hand, eine Tätigkeit, die er mit Unterbrechungen bis in die 1950er ausübte. Zahlreiche Talente, die den Sprung in die 1. Mannschaft schafften, wurden von ihm ausgebildet. 1909 gehörte er zu den Gründern des Münchner Jugendausschusses, der sich um die Organisation des Jugendfußballs in der Stadt kümmerte. Von 1909 bis 1925 war er zugleich „Leiter der Altmannschaften" und agierte nebenbei noch als Schiedsrichter. Braumüller wurde bei einigen Endrundenspielen um die Deutsche Meisterschaft eingesetzt und fungierte beim Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft 1928 in Bern als Linienrichter. Schiedsrichter in jenem Spiel war der spätere FIFA-Präsident Stanley Rous.
Braumüller, von Beruf Versicherungsbeamter, war aber nicht nur ein engagierter Fußballer. Er war auch bei den Turnern aktiv. Bei einem Stiftungsfest des Vereins befand sich bei seiner Übung an den Ringen unter den Zuschauern der Protektor des Vereins, der bayerische Kronprinz Rupprecht. Zeitweise leitete Braumüller auch die Schwimmabteilung, mit der er 1913 am Deutschen Turnfest in Leipzig teilnahm. Als passionierter Skiläufer und Leichtathlet machte er ebenfalls von sich reden. So nahm er mehrfach am alljährlichen Staffellauf Grünwald-München teil, bei dem die Löwen Jahr für Jahr in großer Zahl mitmachten und jahrzehntelang stets gewannen. Auch das Bergsteigen und Turnspiele wie Faustball oder Schlagball gehörten zu den von ihm praktizierten Sportarten. In den 1930ern trainierte er zudem die Hockeyspielerinnen der Löwen. Fürwahr ein Allrounder.
Der „Vater der Jugend", wie ihn die Vereinszeitung in seinem Nachruf nannte, war bis zu seinem Tod für seinen TSV 1860 tätig. Bei seinem Begräbnis auf dem Münchner Ostfriedhof folgte eine große Trauergemeinde dem Sarg.
Was aber allem Anschein nach nicht stimmt. Sollte die Fußballabteilung also für die Zukunft 1898 offiziell als Gründungsjahr festsetzen? Das wäre zumindest bedenkenswert. Man könnte jedoch auch einem in dem Western „The Man Who Shot Liberty Valence des Meisterregisseurs John Ford ausgesprochenen Rat folgen: „If the legend becomes fact, print the legend.
Im Film geht es um Legenden aus dem wilden amerikanischen Westen im 19. Jahrhundert, nicht um die gute alte Zeit in der beschaulichen bayerischen Residenzstadt. Wer aber wollte bestreiten, dass sich auch dort um einen in ebenjenem Jahrhundert gegründeten Turn- und Sportverein etliche Legenden gebildet haben? An die man vielleicht nicht rühren sollte. Zumal ja nicht auszuschließen ist, dass die Spielriege zwar schon im Jahr 1898 aktiv war, ihre formale Institutionalisierung jedoch tatsächlich erst 1899 erfolgte.
Die Spielmannschaften in Vereinspublikationen der Jahre 1901 und 1906.
Worin aber bestanden die Aktivitäten der neuen Riege (von Abteilungen sprach man damals bei Turnvereinen noch nicht)? Die eingangs erwähnte Festschrift aus dem Jahr 1929 erwähnt die Spiele Faustball, Fußball, Schlagball, Tamburin und Schleuderball, die mit Ausnahme des Fußballs alle in die Reihe der sogenannten Turnspiele gehören, die innerhalb der Turnbewegung gegen Ende des 19. Jahrhunderts zunehmend an Popularität gewannen. Eine aus vier Mann bestehende Spielergruppe errang dann auch, wie im Jahr 1900 vermeldet wurde, beim Oktoberfest-Turnen am 24. September 1899 den Sieg im Schleuderball-Wettspiel. Erwähnung findet später auch die Faustballmannschaft, die z. B. im Juli 1903 beim Deutschen Turnfest in Nürnberg in Erscheinung trat.
Es gibt deshalb Grund zu der Annahme, dass Fußball in den allerersten Jahren der Spielriege noch keine Rolle spielte. Das neue, aus England importierte Spiel fand es überhaupt schwer, in München Fuß zu fassen. Während in anderen deutschen Städten schon Ende der 1880er Jahre erste Vereine sich diesem Sport widmeten und es in der ersten Hälfte der 1890er an zahlreichen Orten zu Vereinsgründungen kam, trat der erste Fußballverein in München erst im Jahr 1896 auf den Plan. Man war gebildet und gab sich den lateinischen Namen Terra Pila (Erdkugel), hatte allerdings nur kurz Bestand und wurde 1899 unter dem Namen 1. Münchner FC 1896 neu gegründet. Ein Jahr später gehörte der Verein zu den Gründungsmitgliedern des Deutschen Fußball-Bunds, doch noch vor dem Ersten Weltkrieg zog man sich vom Spielbetrieb zurück.
Wappen der Spielmannschaft in den frühen Jahren.
Anfänge auf der Schyrenwiese
Als langlebiger erwies sich die nächste Gründung, die Fußballmannschaft des Männerturnvereins München von 1879, die im Jahr 1897 erfolgte. Eigentlich war der Fußball in der deutschen Turnbewegung nicht wohlgelitten und wurde oft mit den Begriffen „Fußlümmelei und „englische Krankheit
abqualifiziert. In München zeigten sich die Turner dem neuen Sport gegenüber wesentlich aufgeschlossener. Nicht nur beim MTV 1879, wo bis heute Fußball gespielt wird, sondern bald auch bei anderen Turnvereinen. Der MTV 1879 aber spielte bis zum Ersten Weltkrieg eine führende Rolle im Münchner Fußball. 1900 ging aus ihm der FC Bayern hervor, und da der MTV eine Abspaltung vom Turnverein München ist, lässt sich indirekt auch eine Verbindungslinie von 1860 zu den Bayern ziehen. Problematisch für die Turnvereine war die Zugehörigkeit zu anderen Sportverbänden neben der Deutschen Turnerschaft. Solange es noch keinen geordneten Ligabetrieb gab, ein nachgeordnetes Problem, doch die Gründung des FC Bayern war eine Reaktion auf die Weigerung des MTV, sich dem neu gegründeten Verband Süddeutscher Fußball-Vereine anzuschließen.
Zurück zum Turnverein München. Wann genau auf der Schyrenwiese erstmals gegen das runde Leder getreten wurde, lässt sich nicht exakt bestimmen. Spätestens 1901 aber war es definitiv so weit. In der 1910er Festschrift heißt es: „so erfolgte im Jahre 1901 die Gründung einer Fußballmannschaft, die sich sofort der Spielmannschaft anschloss. Dadurch waren nun die Anhänger des Rasensports in einer Abteilung unter einheitlicher Leitung vereinigt. Dies lässt vermuten, dass bis dahin in der Spielabteilung eher Turnspiele betrieben worden waren. Doch das Titelblatt einer „Kneip-Zeitung zur Siegerkneipe am 30. Nov. 1901
zeigt einen Sportler in Fußballerausrüstung, der eine Hecke überspringt. Und im Hintergrund wird eindeutig gekickt; ein Torwart zeigt sogar eine Parade, obwohl der Ball sich gar nicht in der Nähe befindet.
Ab April 1902 führte die Mannschaft ein Riegenbuch, das die Teilnahme an den Übungsstunden dokumentierte. Waren zunächst 26 Mitglieder beteiligt, so wuchs diese Zahl bis zum Juli auf 33. Und Ende dieses Monats war der Zeitpunkt gekommen, sich mit einem Gegner zu messen, der das Spiel schon länger betrieb. Am 27. Juli 1902 absolvierte die Fußballmannschaft des TV München 1860 endlich ihr erstes Spiel.
Sie bestritten das erste Fußballspiel für den TV 1860: (stehend v. l.) Petry, Fritzsche, Sporer, Leistl, Guttmann, Sattler; (sitzend) Stöhr, Rosenfeld, Bauer, Wagner, Moos. Die Herren in Zivil waren die Linienrichter Zisch (vermutlich der spätere Vereinsvorsitzende) und Dr. Haggenmüller.
SPIELTAG
27. JULI 1902 • TV 1860 MÜNCHEN – 1. MÜNCHNER FC 1896 2:4 (2:3)
Ganz in Weiß – das erste Spiel
Endlich war es so weit, das erste Wettkampfspiel der 1860-Fußballer stand an: Bei schönstem Sonntagswetter trat die Mannschaft des TV 1860 in blütenweißen Trikots und knielangen Hosen in der Besetzung Fritzsche, Wagner, Sattler, Sporer, Leistl, Stöhr, Rosenfeld, Bauer, Petry, Moos und Guttmann gegen den 1. Münchner FC 1896 an.
In ihrem Bericht am 1. August sprach die Münchner Zeitung fälschlicherweise von der „Fußballmannschaft des Männerturnvereins, ein Lapsus, der einige Tage später korrigiert wurde. „Beide Parteien leisteten Vorzügliches
, heißt es, doch die „schöne Kombination des 1. M. F.-C. machte sich (…) besonders bemerkbar" und setzte sich letztlich durch. Zur Pause stand es 3:2 für den MFC, am Ende hieß es 4:2, ein durchaus achtbares Ergebnis für die Sechziger gegen einen erfahreneren Gegner.
Über die Identität der einzelnen Spieler kann nur spekuliert werden, doch bei A. Sattler handelt es sich mit einiger Sicherheit um Andreas Sattler, der von den Turnern zur Spielriege gestoßen war und später in der Bergsport- und der Skiabteilung des Vereins eine bedeutende Rolle spielte. Nachdem er bei einem Bergunfall ums Leben gekommen war, wurde die vereinseigene Skihütte nach ihm benannt. Anton Leistl fungierte seit 1902 als II. und später auch als I. Turnwart; gut möglich, dass er der in der Aufstellung genannte Leistl ist. Und der Kunstmaler und Grafiker Carl Moos, von dem das bereits erwähnte Titelblatt der Kneipzeitung von 1901 stammt, stand vermutlich ebenfalls bei diesem ersten Spiel auf dem Rasen.
Nicht bekannt ist der Name des Schiedsrichters, doch das überlieferte Bild jener ersten Mannschaft zeigt die Linienrichter Heinrich Zisch und Dr. Hans Haggenmüller, die beide über Jahrzehnte hinweg bedeutende Funktionen im Verein innehatten. Vor allem Zisch sollte in der Geschichte der Fußballabteilung noch eine wichtige Rolle spielen.
Wie die blütenweißen Trikots der Herren Fußballer des Turnvereins 1860 nach diesem legendären ersten Spiel auf der Schyrenwiese aussahen, wurde fotografisch leider nicht festgehalten, doch ihre Träger konnten stolz auf die gezeigte Leistung sein.
27. Juli 1902, 16.00
München – Städtischer Jugendturnspielplatz am Schyrenplatz
TV München 1860 – 1. Münchner FC 1896 2:4 (2:3)
TV 1860: Gustav Fritzsche, Wagner, Andreas Sattler, Sporer, Anton Leistl, Franz Stöhr, Rosenfeld, Bernhard Bauer, Franz Petry, Carl Moos, Karl Guttmann
1902-1919
Pionierjahre
Der erste Sieg
Mit der Aufnahme des Spielbetriebs wurde die Fußballmannschaft zunehmend zum Gesicht der Spielriege. Über Fußballspiele wurde in der örtlichen Presse berichtet; von den Aktivitäten der übrigen Spielmannschaften ist hingegen wenig zu erfahren. Unterdessen hatten sich im Verein weitere Abteilungen gebildet. In der Folge kam es am 9. November 1908 zu einer strukturellen Veränderung: Fußballer, Skiabteilung, Naturriege und Schwimmabteilung wurden unter dem Oberbegriff „Sportabteilung zusammengefasst. (Der heute seltsam anmutende Begriff „Naturriege
meint die Leichtathletikabteilung – in der Turnerschaft wurden die leichtathletischen Disziplinen Laufen, Springen und Werfen im Unterschied zum Geräteturnen gemeinhin als „Naturdisziplinen" bezeichnet.) Während andernorts der neumodische Sport bei den alteingesessenen Turnern eher Misstrauen erregte, wurden die Sportler beim TV 1860 früh integriert und gefördert, was vermutlich nicht zuletzt daran lag, dass eine große Zahl von Aktiven in beiden Bereichen tätig war.
Nach dem Auftakt gegen den 1. MFC suchten sich die Fußballer im Herbst 1902 weitere Gegner. Gegen den FC Bavaria gab es ein 1:2, dem ein 0:3 im ersten Derby gegen den FC Bayern folgte. Am 5. Oktober gelang – erneut auf dem Schyrenplatz – mit einem 4:1 gegen den 1. Münchner FC 1896 der erste Sieg, auf den allerdings bald ein deftiges 0:13 gegen den MTV 1879 folgte. All diese Spiele und die weiteren der Spielzeit fanden in München statt. Eine Reise über die Stadtgrenzen hinaus unternahm man erst im Juli 1903, als es beim Deutschen Turnfest in Nürnberg zu einer Begegnung mit dem MTV Augsburg kam.
Im Herbst 1902 beteiligten sich die 1860-Fußballer erstmals an einem Wettbewerb. In den Spielen um einen vom FC Bayern ausgeschriebenen Pokal sicherte man sich mit einem 4:3 über die Turnerschaft und einem 3:3 gegen die 2. Mannschaft der Bayern sogar den Sieg in der 2. Klasse. Im Frühjahr 1903 trat der TV 1860 dann mit fünf weiteren Vereinen in der 1. Klasse desselben Wettbewerbs an, konnte allerdings noch nicht so recht mithalten. Mit Niederlagen in allen Spielen blieb nur der letzte Platz.
Erster Derby-Erfolg
Am 9. Oktober 1903 schlossen sich die fußballspielenden Vereine Münchens zum Münchner Fußball-Bund zusammen. Der MFB organisierte anschließend in den Spielzeiten 1903/04 und 1904/05 eine Herbst- und eine Frühjahrsmeisterschaft. Ab 1905, mit dem Beginn von Ligaspielen im süddeutschen Verband, dann nur noch eine Frühjahrsrunde. Die verlor jedoch in den letzten Jahren vor dem Kriegsausbruch an Bedeutung, da die Spitzenvereine nun mit ihren zweiten Mannschaften antraten, da ihnen mehr an lukrativen Freundschaftsspielen gegen auswärtige Klubs gelegen war.
Bei den ersten Austragungen im Herbst 1903 und Frühjahr 1904 reichte es für 1860 jeweils zu Platz 4 unter sechs Mannschaften, wobei am