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Das Neue Symbol: Die bevorstehende Zeitenwende gedeutet nach der Psychologie von C. G. Jung
Das Neue Symbol: Die bevorstehende Zeitenwende gedeutet nach der Psychologie von C. G. Jung
Das Neue Symbol: Die bevorstehende Zeitenwende gedeutet nach der Psychologie von C. G. Jung
eBook743 Seiten9 Stunden

Das Neue Symbol: Die bevorstehende Zeitenwende gedeutet nach der Psychologie von C. G. Jung

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Über dieses E-Book

Die Welt steht vor einer Zeitenwende. Das hat Carl Gustav Jung schon vor mehr als 60 Jahren prophezeit. Aber die Welt hat das ausgeblendet und verdrängt, weil der Mensch in seiner Hybris nicht anerkennen kann, dass er die Ursachen der kommenden Katastrophe selbst geschaffen hat. Und heute ist er nicht mehr in der Lage, das »Feuer« zu löschen, das sein Haus an allen Ecken zu vernichten droht. Aber C. G. Jung hat auch den Weg aufgezeigt, wie der Einzelne sich retten kann, indem er die Mächte versteht und anerkennt, die sein Leben immerdar lenken. Und hierbei steht die Entdeckung des komplexen Unbewussten im Mittelpunkt. Der vorliegende Text konzentriert sich auf die von C. G. Jung prophezeite Zeitenwende und auf die in seiner Analytischen Psychologie hierzu gegebenen Hinweise; aber ebenso auch auf sein psychologisches Instrumentarium, das für ein Verständnis unabdingbar ist.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum17. Juni 2021
ISBN9783347333420
Das Neue Symbol: Die bevorstehende Zeitenwende gedeutet nach der Psychologie von C. G. Jung

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    Buchvorschau

    Das Neue Symbol - Johannes Adalbert T. V. Kühn

    Vorbemerkungen

    Erste Vorbemerkung

    Die Welt geht einer Zeitenwende entgegen. Das pfeifen zwar schon die Spatzen von den Dächern. Nur ist das Meiste davon nicht sehr ernst zu nehmen, weil es immer nur Teilprobleme sind, die herausgegriffen werden, aber nie das Ganze der Weltproblematik. Damit bleibt man jedoch an der Oberfläche, weil die allem zugrundeliegenden Ursachen nicht benannt werden. Und hier ist die Vermutung naheliegend, dass man die Ursachen gar nicht kennt. Denn alle Probleme, die wir heute haben, sind vom Menschen gemacht und da müßten wir suchen. Aber wer kann das schon?

    Es hat aber vor gut einem halben Jahrhundert einen Mann gegeben, der in der Lage war, das Ganze des Weltgeschehens zu überblicken und der die Schönheit und Größe des Menschen kannte wie kein Zweiter, aber auch des Menschen Abgründe und furchtbaren Eigenschaften. Er wird als der größte Arzt der Weltgeschichte bezeichnet. Dabei geht aber unter, dass er wahrscheinlich der größte Prophet aller Zeiten gewesen ist. Und wie es Propheten zu allen Zeiten ergangen ist, so ist auch seine Botschaft nicht gehört worden, nicht ernst genommen worden.

    Und dieser Mann ist Carl Gustav Jung, der Schweizer Psychologe und Begründer der Analytischen Psychologie, geboren 1875, gestorben 1961. Nun ist der Name C. G. Jung ja nicht unbekannt und seine Psychologie erfreut sich in Fachkreisen hoher Wertschätzung. Dass er aber auch die heutige christliche Theologie einer fundamentalen Kritik unterwirft, ist schon weitaus weniger bekannt und von den christlichen Kirchen kaum zur Kenntnis genommen worden. Was aber so gut wie gar nicht bemerkt worden ist, dass ist seine Ankündigung einer Zeitenwende, die unabwendbar kommen wird, wenn nicht …

    Und genau dieses Problem behandelt der nachfolgende Text. Und soviel soll hier schon gesagt sein: Die Zeitenwende ist unabwendbar, aber es gibt eine Rettung für diejenigen, die die Botschaft von C. G. Jung verstehen und ernst nehmen. Aber nach allem, was heute schon gesagt werden kann, werden es nicht sehr viele sein, die seiner Botschaft und dem Weg folgen, den er aufzeigt.

    Wie aber komme ich dazu, diesen wichtigsten Aspekt aus dem Werk von C. G. Jung herauszudestillieren und mir und anderen außerhalb der Fachkreise bewusst und verständlich zu machen, zumal ich ja aus der Wirtschaft komme und das auch studiert habe? Und noch eins sollte gesagt sein, dass ich ja als Wirtschaftsberater gearbeitet habe, und dadurch viele Menschen, Problemstellungen und Firmen kennenlernen konnte. Und kein Auftrag war wie der andere, immer musste ich wieder von vorne anfangen. Und da hat mir meine Intuition wertvolle Hilfe geleistet. Ich habe vielfach Dinge geahnt, die anderen verschlossen waren. Aber Ahnungen mögen für den, der sie hat, ja ganz nett sein. In der Wirtschaftsberatung aber muss man seine Vorstellungen und Empfehlungen beweisen können. Und dazu gehört Detailarbeit, die einem Intuitionstyp so schwer fällt. Aber das musste ich mühsam lernen und auch das verständliche Formulieren meiner Ansichten. Aber Kreativität, klare Beweisführung und verständliche Sprache gehört in diesem harten Business untrennbar zusammen. Aber wozu erzähle ich das alles? Weil es mein Handwerkszeug war, das ich mir in langen Jahren harter Arbeit erworben habe. Damit sind aber nur die Voraussetzungen genannt, die für das Erstellen dieses Textes notwendig waren.

    Man wird mich aber zu Recht fragen, wo die Ursachen und wo die Motivation für dieses eigenartige und mir doch recht fremde Thema gesucht wurden müssten. Ich bin 78 Jahre, ein alter Mann und lade mir ein solch furchtbares Thema auf, das mich über Jahre hin bis zur Verzweiflung getrieben hat? Diesen Text zu erstellen hat alles in den Schatten gestellt, was in der Beratung je von mir gefordert war. Aber ich musste diesen Text schreiben, nicht um Bücher zu verfassen, sondern um mich selbst und mein Leben zu verstehen. Ich hatte in meinem Leben großes Leid zu tragen und bei vielem, was ich in meinem Leben machen wollte, bin ich gescheitert. Und irgendwann einmal vor circa 40 Jahren habe ich angefangen, verstehen zu wollen, warum mir das alles in meinen Leben zustößt. Ich musste verstehen, ich musste genau verstehen, was mit mir los war. Ich war mir keiner Schuld bewusst, die solch ein großes permanentes Leiden gerechtfertigt hätte. Und da kam mir das Schicksal zu Hilfe und ich las in Band 11 der Gesammelten Werke von C. G. Jung den Abschnitt: „Antwort auf Hiob". Und das wurde dann mein Schicksal, und wir werden später noch genau herausarbeiten, was unter Schicksal zu verstehen ist.

    Zunächst war es eine fremde Welt, aber es lagen ja Jahrzehnte vor mir, um mich in dieser Welt zurechtzufinden. Und weil dieses Werk von C. G. Jung mehr als 20 Bände umfasst mit zum Teil mehr als 500 Seiten, wird man so schnell durch dieses geniale gigantische Gedankengebäude nicht hindurch finden. Und dabei soll mein Text helfen, zumal die Goldadern und Edelsteine dieses unerreichten Geistes über das ganze Werk verstreut sind und unter den Überschriften nicht gefunden werden können.

    Und aus meiner persönlichen Problematik heraus erwuchs dann eine Faszination für die erhabene Schönheit und die dunklen Abgründe der menschlichen Seele im Werk von C.G. Jung. Und solange wir diesen Geist nicht wahrgenommen haben, werden wir den Menschen nicht verstehen und auch nicht seine Antriebe, aus dieser herrlichen Welt ein Gefängnis, einen Stall oder eine gigantische Müllkippe zu machen.

    Und weil das Thema der Zeitenwende das wichtigste überhaupt ist, das wir heute haben, ist dieser Text in sehr einfacher Sprache geschrieben. Und deshalb wird man hier auch das professorale Expertenwissen vermissen mit seiner fachchinesischen Sprache und den dazugehörenden Spezialausdrücken,die nur wenige kennen. Ich halte mich mit meiner Terminologie an die in Band 6 der Gesammelten Werke von C. G. Jung gegebenen Definitionen.

    Nun will ich aber auch nicht suggerieren, dass der folgende Text sehr einfach zu verstehen sein wird. C. G. Jung stellt die Welt, so wie wir Normalmenschen sie sehen, total auf den Kopf. Wer nicht bereit ist, Bestehendes, seit Jahrhunderten Geglaubtes, sogenannte „heilige Überzeugungen" und vor allem die eigene Meinung über sich selbst und andere infrage zu stellen oder zumindest es als Problem zu sehen, der wird sich sehr viel und oft ärgern über diesen Text. Aber vielleicht ist es ja gerade das, was er nötig braucht.

    Aber zurück zum Thema. Die Zeichen der Zeit deuten eine Zeitenwende an, weil die Probleme der Welt nicht mehr lösbar erscheinen. Der eine sieht die Ursache im Klimawandel, der andere in unserem kapitalistischen Wirtschafts- und Finanzsystem, ein Dritter im Untergang der Religionen oder überhaupt im Fehlen eines Wertesystems. Wieder andere machen den Egoismus der Menschen verantwortlich oder den zunehmenden Nationalismus oder das rasante Wachstum der Weltbevölkerung, die ungleiche Verteilung von Wohlstand und Armut. Und über allem schwebt das Damoklesschwert der von Menschen verursachten Störung und Zerstörung von Natur und Umwelt, die so langsam existenzbedrohende Ausmaße annimmt. Von der weiterhin bestehenden Gefahr durch atomare, chemische und biologische Kampfmittel ganz zu schweigen. Die Liste ist endlos und wir halten alle Ausschau nach einer Macht und Kraft, die rettend eingreifen könnte, um unsere so wunderschöne Welt aus diesem Gefahrenbereich herauszuführen. Und so langsam erkennen wir mit Schrecken, dass da nichts ist. Wir sehen keine überragenden Ideen, die von Politikern, Philosophen, Soziologen, Theologen und all den anderen Wissenschaften eine gesamtheitliche Problemlösung andeuten würden. Und genau darum müsste es ja gehen, dass diese in tausend Einzelproblemen zerrissene Welt wieder eine Orientierung bekommt, in der, wie durch eine „unsichtbare Hand", die Teilbereiche des Weltgeschehens sich ineinander fügen, aufeinander Bezug nehmen und dadurch Ordnung entsteht.

    Aber was könnte mit dieser „unsichtbaren Hand" gemeint sein, wenn es nicht unrealistisches oder gar blödsinniges Wunschdenken bleiben soll? Wir haben ja genug Erfahrung mit all den Theorien, die aus der Welt ein Paradies machen wollten; oder mit dem Versprechungen der Philosophen und Theologen, die ja heute kaum noch einer versteht; oder mit den Ankündigungen der Wissenschaft und Technik, die uns eine Lösung unserer Probleme immer wieder versprochen haben. Aber tatsächlich wurden die Probleme immer größer und unabsehbar vielfältiger. Und heute stehen wir vor einem Scherbenhaufen, für den wir alle verantwortlich sind und den wir, wie es aussieht, ohne eine Perspektive, wie wir die Dinge zum Besseren wenden könnten, an unsere Kinder und Kindeskinder übergeben werden.

    Und solch eine Situation ist immer die Stunde der Scharlatane und falschen Propheten, die sich eins der vielen Problemfelder herausgreifen und damit suggerieren, sie hätten den ganzen Patienten geheilt, wenn sie ihm ein Heftpflaster auf die blutige Nase kleben.

    Aber kommen wir noch einmal zurück auf den Begriff von der „unsichtbaren Hand, durch die Ordnung entstehen soll. Dieser Begriff geht auf Adam Smith zurück (englischer Nationalökonom im 18. Jahrhundert) und besagt, dass, wenn jeder einzelne Mensch bestmöglich für sich selbst sorgt, dann entsteht Ordnung und auch die weniger talentierten und begüterten Menschen wären versorgt. Das ist (vereinfacht gesagt) die Grundidee des Kapitalismus und wird von den Narren auch heute noch als große Weisheit gerühmt. Sozialismus und Kommunismus sahen diese „unsichtbare Hand in der Solidarität und der Brüderlichkeit der Arbeiterschaft untereinander, wenn erst die bösen Kapitalisten enteignet wären und der Arbeiter sein Schicksal selbst bestimmen könnte. Der Scherbenhaufen der Geschichte hat sie alle widerlegt.

    Wer sollte also heute noch einmal den Mut aufbringen, solch eine ordnende „unsichtbare Hand zu ersinnen oder solch einem Gedanken nachzugehen, und wenn auch nur als fernes, kaum erreichbares Idealbild? Und hier möchte ich mich weitgehend eigener Gedanken enthalten und einen Mann zu Wort kommen lassen, der solch ein fernes Idealbild entworfen hat in der „Globalisierung des Geistes (nicht mehr die Globalisierung von Coca Cola, Daimler, Google und co.). Es ist Teilhard de Chardin (1881 bis 1955), der in seinem wohl bedeutendsten Buch: „Der Mensch im Kosmos" einen solchen Entwurf zur Gestaltung eines Geistes der Erde vorgelegt hat. (Dieses vom Vatikan unter Zensur gestellte Buch konnte erst nach seinem Tod erscheinen; für manchen sicher ein Grund mehr, es zu lesen).

    Aber Teilhard de Cardin verknüpft diese Gestaltung eines Geistes der Erde (Ich möchte hinzufügen: eines Geistes der Mutter Erde, der alles Gebärenden, der alles Ernährenden und alles Verzehrenden) mit einer ganz wesentlichen Vorbedingung (s. S. 290f), die ich so zusammenfasse: Der Mensch kennt den Menschen nicht, er kennt sich selbst nicht. In seiner unglaublich komplizierten Seele ist Ursache, Grund und Motivation für sein Denken, Fühlen und Handeln verborgen. Und deshalb brauchen wir eine Wissenschaft vom Menschen. Seine Prognose: Die künftige menschliche Wissenschaft wird in höchstem Maß eine „Wissenschaft vom Menschen sein. Denn der um sich selbst wissende Mensch ist der Schlüssel und die Antwort auf alle Fragen, die wir haben. Hätte Teilhard de Chardin das Werk von C. G. Jung gekannt, dann wäre ihm bewußt gewesen, daß diese „Wissenschaft vom Menschen schon längst im Entstehen war und heute in vollendeter Form durch das Werk von Jung zu unserer Verfügung steht. Aber auch fast sechzig Jahre nach dem Tode dieses außergewöhnlich schöpferischen Menschen ist die Bedeutung dieses Werkes nur wenigen bekannt und in seiner prophetischen Aussage überhaupt nicht zur Kenntnis genommen worden. Und das hat im Wesentlichen zwei Gründe. Jede Form der Selbsterkenntnis ist dem Menschen zutiefst widerlich, weil er sich dann zu allererst mit seinem Schatten befassen muß, das heißt mit all den negativen und verwerflichen Eigenschaften, die jeder Mensch auch hat und die er nur bei anderen sieht (deren Geiz, Neid, Zorn, Lüge, Selbstsucht, Faulheit etc. etc.). Aber ohne diese Auseinandersetzung mit sich selbst, ist der Mensch zur Selbsterkenntnis völlig unfähig. Alles, was er in dieser Hinsicht bei sich selbst verdrängt oder unterdrückt und nicht bewusst werden lässt, wendet sich nach geraumer Zeit gegen ihn selbst. Allein diesen Gedanken zu verstehen, wird im nachfolgenden Text nicht wenig Mühe kosten.

    Aber der zweite Grund, warum die prophetische Sicht von C. G. Jung auf diese Welt nicht wahrgenommen wurde, ist fast noch wichtiger. Wenn er sagt, daß die Existenz dieser vornehmlich westlich orientierter Welt „am seidenen Faden hängt", und von katastrophaler Zerstörung bedroht ist, dann sieht und beweist er mit seiner Psychologie, dass die Ursache dafür

    • in der Dominanz des einseitigen männlichen Denkens liegt, dieser Grundlage aller Wissenschaft und Technik

    • bei gleichzeitigem Fehlen der Frau und ihrem spezifischen Denken und Fühlen, ihrer Ausgrenzung und der Verweigerung der Teilhabe an den Entscheidungen dieser männergeprägten Welt.

    Alles, was die Welt bedroht, ist von Männern gemacht, zumeist in bester Absicht, von gentlemen, mit Frau und Kindern, die ihnen viel wert sind. Nur waren und sind sie bei all ihrem Tun ihrer selbst völlig unbewusst und bemerken überhaupt nicht den riesenhaften Schatten, den sie mit all ihrem Tun in die Welt gebracht haben.

    Es sind die Frauen, die Leben hervorbringen, die Kinder gebären, um sie dann dieser Männerwelt zu opfern, wo sie in Kriegen und unter unmenschlichen Arbeitsbedingungen ihr Leben verloren haben und immer noch verlieren. Was wissen die Männer von der Arbeit und der Mühe, von der Angst und dem Herzblut der Mütter, die Kinder auf dem Weg ins Leben begleiten? Und da liegt, wenn auch nur ein kleiner Teil der Schuld bei den Frauen selbst, die sich diesem „christlich" geprägten Frauenbild unterworfen haben. Seit Jahrhunderten und länger hat die Autorität der christlichen Kirchen die Unterordnung der Frau unter den Mann gepredigt. Und dabei war diese Predigt von Anfang an zutiefst unchristlich und mit der wirklich christlichen Botschaft unvereinbar. Und wenn Jung sagt:

    „Es ist die humanisierende Wirkung des weiblichen Dazwischentretens und es ist das spezifisch weibliche Denken und Fühlen, dann müssen das zu allererst die Frauen ernst nehmen, was er hier sagt. Man geht in keine „Schlacht, auf die man sich nicht gründlich vorbereitet hat. C. G. Jung liefert hier genau die „Munition", d.h. die Argumente, die Frauen unbedingt kennen müssen, wenn sie die Einseitigkeit und Arroganz männlichen Denkens aushebeln wollen. Und da ist es die Wertfunktion, die nur über das Gefühl eingesehen und vermittelt werden kann. Es ist die permanent zu stellende Frage: Was ist uns eine Idee, ein Plan, ein Geldbetrag, ein Vorhaben, ein Zeitaufwand etc. etc. wert, im Vergleich mit all den schönen Dingen im Leben, die zumeist wenig Aufwand erfordern? Aber diese permanent zu stellende Frage wird nicht gestellt, weil im Vordergrund so gut wie immer die Aspekte von Macht und Profit stehen.

    Mehr als Andeutungen kann ich hier nicht geben. Und meine Ausdrücke von „Schlacht und „Munition sollen auch nicht den Eindruck erwecken, ich wollte hier zum Krieg der Geschlechter aufrufen. Es sollte viel eher eine Evolution sein, die auf der Basis einer gründlichen Vorbereitung die Frauen erst einmal dazu führen muss, in diesen Fragen ein solides Fundament zu bauen und damit höheres Bewusstsein zu schaffen für ein Epochenereignis, das längst überfällig ist und doch erst ganz am Anfang steht. Und hier schon der Hinweis, damit die Frauen nicht den gleichen Fehler machen, wie vorher die Männer: Der Geist der Frau wird in seiner Kraft und Schönheit unendlichen Segen stiften. Aber nie sollten die Frauen auf die Idee kommen, sie könnten auf den Willen, die Klugheit und Energie des Mannes verzichten. Denn nur im Zusammenwirken weiblicher und männlicher Eigenschaften wird ein Leben entstehen können, das langfristig Bestand hat und die Sehnsucht und das Verlangen des Menschen nach Zukunft stillt.

    Diese wenigen Andeutungen mögen hier genügen. Und vielleicht ist auch hier schon erkennbar, dass es kein leichter Weg sein wird, den wir gehen müssen, wenn wir verstehen wollen. Dabei wird mancher die Wege für Umwege halten; aber ich kann es leider keinem ersparen, meinen Erkenntnisprozeß nachzuvollziehen. Einen anderen habe ich nämlich nicht. Aber eins kann ich doch demjenigen versprechen, der einigermaßen bei Verstand ist und vor allem Geduld hat, dass er über diese Andeutungen hinaus in diesem Text etwas für sich finden wird, das ihn über das Gefühl der Sinnlosigkeit und Hoffnungslosigkeit unserer Zeit hinüberträgt in ein Land, wo er seine Seele wiederfindet: Die große Unbekannte und doch das Größte, das dem Menschen geschenkt ist, das er sich aber erwerben muss.

    Zweite Vorbemerkung

    Warum gibt es eigentlich keine Schulen für Zaunkönige, Spatzen, Meisen oder Schwalben, in denen ihnen gesagt und beigebracht wird, wie sie ihre Nester bauen, wo sie sich Nahrung holen, wer ihre Feinde sind, was sie tun müssen, um einen Partner zu finden etc.? Natürlich wissen wir, dass diese Vögel und alle anderen Tiere das vom ersten Tag an in sich tragen, und wir nennen das Instinkt. Und wie sieht das beim Menschen aus?

    Da werden wir schnell unsicher, weil wir meinen, dass der Mensch ja seinen Verstand hat und damit die Probleme seines Lebens, so gut er eben kann selbst regelt. Und mit dieser Einstellung fängt dann auch das ganze Unglück an, mit der die Menschheit heute konfrontiert ist. Denn neben dem Verstand hat auch der Mensch einen Instinkt, den er aber leider nicht benutzt. Ja er kennt ihn noch nicht einmal, bis auf ein paar Spezialisten. Wir fliegen mit Milliarden auf den Mond und demnächst zum Mars, wir erforschen mit ähnlichem Aufwand den Stammbaum ägyptischer Mumien und graben auf aller Welt nach den Schätzen des Altertums. Aber sich selbst kennt der Mensch immer noch nicht. Auf viele Fragen, die den Menschen selbst betreffen, hat er keine oder nur lächerliche Antworten. Die Probleme unserer Zeit hat weder der Kapitalismus vorausgesehen noch der Kommunismus oder Sozialismus, weder die Philosophen und auch nicht der Existentialismus und die Kirchen schon gar nicht; und brauchbare Lösungen für unsere heutigen Probleme haben sie alle nicht. Wir sitzen in der Tinte und wissen nicht, wie wir uns daraus befreien können.

    Natürlicherweise haben in solchen Zeiten die Scharlatane Hochkonjunktur. Zuerst belügen sie sich selbst mit ihren computergesteuerten Pseudoprognosen, und dann umso wirkungsvoller uns alle: Es ist halb so schlimm; wir haben alles im Griff; wir werden das Steuer noch rumreißen; und haben wir nicht schon ganz andere Probleme gelöst? etc.

    Was aber hat das mit dem Instinkt des Menschen zu tun? Die Menschen unserer Zeit haben vielleicht doch eine instinktbedingte Witterung dafür, dass die Zeiten unsicher geworden sind. Die Welt brennt an allen Ecken, und obwohl alles Mögliche getan wird, die Brände zu löschen, werden diese immer größer. Es scheint keine Grundordnung mehr zu geben, nach der die Welt sich noch ausrichten könnte, um bei diesen Problemen zu einem Konsens zu kommen. Und es schleicht sich die leise und von niemandem ausgesprochene Befürchtung ein, dass es vielleicht schön fünf nach zwölf ist und wir den Zug endgültig verpasst haben, mit dem wir noch hätten umkehren können.

    Und dann ist auch die instinktbedingte Ahnung der Menschen nicht mehr weit, dass die Welt vielleicht von Narren regiert wird. Und von diesen Narren wird im folgenden Text öfter die Rede sein. Damit sind diese hochintelligenten Menschen gemeint, die neben ihrem scharfen Verstand auch über ein ungeheures Wissen verfügen und überall in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kirche an den Schalthebeln der Macht sitzen. Ihr Hauptinstrument ist ihr genialer Verstand und damit sind sie zu der größten Gefahr für diese Welt geworden. Denn ihr Versand, so brillant und nützlich er auch ist, braucht ein Korrektiv, und das ist der Instinkt. Nur zusammen werden lebensorientierte und lebensfähige Lösungen gefunden. Aber weil die Narren die Impulse aus ihrem Instinkt ignorieren, schaffen sie zwar brillante und logisch unanfechtbare Problemlösungen, bei denen aber der Mensch auf der Strecke bleibt; wir bauen Autos, die unsere Innenstädte zunehmend unbewohnbar machen; wir verbrauchen fossile Brennstoffe, die die Erderwärmung irreversibel weiter ansteigen lassen; wir alimentieren 5 Millionen Menschen, weil wir nicht fähig sind, ihnen eine Aufgabe zu geben; aber das größte Menetekel unserer Weltzeit ist die kreative Zerstörung der Narren, die aus dem Guten ständig das immer Bessere schaffen, wo bei allem Fortschritt der Mensch nur noch als Fragment seiner selbst ankommt und in seinen Müllbergen zu ersticken droht.

    Das instinktive Korrektiv waren für die Narren von jeher die Frauen, weil sie über ihr Gefühl eine größere Nähe zum Instinkt haben, denn mit dem Gefühl hinterfragen wir den Wert, den eine Sache, eine Idee, ein Projekt etc. für uns persönlich hat. Aber die Narren haben im Laufe der letzten Jahrhunderte die Frauen vornehmlich als Dekoration betrachtet und aus ihren „Geschäften" weitgehend verdrängt. Das Überleben der Menschheit wird aber wohl davon abhängen, dass dies so schnell wie möglich wieder rückgängig gemacht wird.

    Wir ahnen zumindest, dass die Instinkte für uns nicht so ganz unwichtig sind, ganz im Gegenteil. Und ob wir nun Instinkte sagen oder das Unbewusste oder die Archetypen, das ist zunächst kein großer Unterschied. Die Feinheiten der Unterscheidung werden später erklärt. Aber so unstrittig bedeutsam das Unbewusste für den Menschen nun einmal ist, so groß ist auch die Unkenntnis der Menschen über dieses Unbewusste, obwohl wir täglich damit zu tun haben. Denn entweder ist es hilfreich oder es ist störend, manchmal sogar zerstörend und wir wissen nicht, wie und warum uns das geschieht.Und deshalb soll in diesem Text über das Unbewusste, das wichtigste Organ des Menschen, zumindest soviel gesagt werden, dass seine Bedeutung erkennbar wird für die wirklich wichtigen Fragen unseres Lebens, wie z. B. :

    • Haben wir neben dem Verstand und dem Gefühl, die wir zweifellos besitzen, auch noch eine Seele? Und wie sieht sie aus und wie erkennt man sie?

    • Wie können wir das Unbewusste bewusst machen, damit wir seine Hilfe nutzen können und der Gefahr ausweichen, die uns von dort droht?

    • Wie erkennen wir unseren Schatten, unsere dunkle Seite, die im Unbewussten liegt, und die wir so gern verdrängen?

    • Sind unerklärliche schlechte Launen, störende Zwischenfälle, unnötige Hindernisse, Unfälle und Krankheiten alles nur Zufälle oder will uns das Unbewusste damit etwas mitteilen, damit wir etwas in unserm Leben ändern?

    • Wie müssen wir unseren Charakter verstehen? Haben wir ihn ererbt oder ist er geformt von uns selbst, unseren Eltern, Lehrern etc. ? Sind wir persönlich mehr extravertiert oder mehr introvertiert? Welche Chancen und welche Gefahren sind damit jeweils verbunden?

    • Sind wir ein Denk-, Fühl-, Intuitions- oder Empfindungstyp? Denn danach richtet sich, welches bei uns die minderwertige Funktion ist und damit wenig oder gar nicht entwickelt. So ist z. B. beim heute vorherrschenden Denktyp die Fühlfunktion, d.h. seine Wertfunktion meist unterentwickelt.

    • Wie sind wir in der Lage, das von unseren Eltern, Lehren, Pastoren etc. geprägte Überich unserer Vorstellungswelt als solches zu erkennen und bewusst zu ändern?

    • Gibt es eine wahre Liebe oder auch eine falsche Liebe? Und woran kann man sie erkennen?

    • Ist unsere Willensfreiheit begrenzt? Wenn ja, in wie weit und durch wen?

    • Wie können wir den Satz des Mephisto in Goethes Faust, Teil I verstehen: Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und doch das Gute schafft?

    • Haben Träume eine Bedeutung und wie kann man ihre Symbolsprache verstehen?

    • Die Aktive Imagination ist eine von C. G. Jung entwickelte Meditationsform, mit der man Inhalte des Unbewussten ins Bewusstsein holen kann. Man kann die Methode lernen.

    • Nachdem die Welt Gott für tot erklärt hat, sollten wir wenigstens wissen, was die Religionen den Menschen in früheren Zeiten bedeutet haben. Und dabei sollten wir nicht nur das Negative nachbeten, sondern uns fragen, ob die Welt ohne das Wertsystem einer Religion überleben kann oder in Orientierungslosigkeit fällt.

    • Haben wir eine Antwort auf den Tod?

    • Gibt es Anzeichen für eine Zeitenwende, die konkret bevorstehen könnte?

    Diese Beispiele sollten zeigen, mit welchen Fragen sich der nachfolgende Text beschäftigen wird, und dass ohne eine Kenntnis der Struktur und Arbeitsweise des Unbewussten diese Fragen nicht zu beantworten sind. Und vielleicht bekomme ich ja noch eines Tages, bevor ich unter dem Rasen liege, eine Antwort auf meinen Brief an Martin Luther, der ganz am Schluss dieses Textes aufgezeichnet ist.

    Dass ich aber das Neue Symbol in einer vereinten christlichen Kirche noch erleben werde, das glaube ich nicht, dazu bin ich zu alt. Was es aber mit diesem Neuen Symbol auf sich hat, das kann ich hier nicht einmal andeuten. Es ist eine Geburt aus dem Irrationalen meines Unbewussten, weder gesucht noch gewollt, es war einfach da. Und so ist auch dieser Text nicht mehr als die Eintrittskarte in den Vorhof zu einem geheimnisvollen Irrgarten, der seine ganze Schönheit nur dem enthüllt, der mit unendlicher Geduld den Geheimnissen seiner Seele nachgeht, wie auf der Suche nach der Geliebten in dem Schloss auf dem Berg zur goldenen Sonne aus dem Märchen von der Kristallkugel.

    Dritte Vorbemerkung

    Wenn ich auch die Geduld des Lesers über Gebühr strapaziere, so muss ich doch noch einmal auf die oben genannten Fragen zurückkommen, die für unser Leben doch so wichtig sind. Warum sind diese Fragen nicht schon längst endgültig beantwortet? Die Lehrstühle an unseren Universitäten, vor allem für Philosophie, Psychologie, Theologie und Soziologie sind doch mit hervorragenden Fachkapazitäten ausgestattet. Oft beweist zwar der eine das Gegenteil von dem, was eine andere hohe Kapazität mit besten Argumenten ausführlich dargelegt hat. Nun ist es uns Normalmenschen aber nicht gegeben zu entscheiden, wo beide irren und wo beide im Recht sind. Und niemand möge glauben, dass ich mich hier zum Richter aufschwingen könnte. Das wäre Hochstapelei und Dummheit. Auch ich muss mich in Vielem zu meiner Ratlosigkeit bekennen. Wenn mich aber ein Thema wirklich interessiert, weil es nämlich lebenswichtig für mich ist, dann versuche ich mindestens eine Hypothese zu finden, die dann solange gültig ist, bis ich eine bessere finde, eine, die besser zu mir passt.

    Ich werde hier drei Hypothesen vorstellen, die vielleicht beantworten können, warum zu den genannten Fragen des menschlichen Lebens zwar tausend Leute etwas gesagt haben, sich aber selbst im Grundsätzlichen widersprechen und daher auch eine einheitliche Linie völlig illusorisch ist. Nun werden mich viele für absolut blauäugig halten. Und doch muss ich denen sagen, dass es einmal eine Zeit gab, in der zu den obigen Fragen folgendes galt: „Quod semper, quod ubique, quod ab omnibus creditur." Was immer, was überall, was von allen geglaubt wird. *¹

    Aber mit den Ausgang des Mittelalters und dem Beginn der Aufklärung galt das in zunehmendem Maße immer weniger. Und heute herrscht in diesen Fragen allgemeine Beliebigkeit, zumal sich nur sehr wenige Menschen noch dafür interessieren. Und von einer neuen Form der Globalisierung in einer gemeinsamen „Gestaltung eines Geistes der Erde" sind wir genauso weit entfernt wie unsere Erde vom Mars und Jupiter.

    Die erste Hypothese beschäftigt sich mit der Frage: Wie konnten all die hochgebildeten und erlauchten Geister der Psychologiewissenschaft die Prophetie eines C. G. Jung übersehen, der in aller nur zu wünschenden Deutlichkeit in seinem Spätwerk davon berichtet, dass und warum die Welt vor einer Zeitenwende steht? Er spricht von der bevorstehenden Katastrophe und davon, dass die Existenz unserer Welt am seidenen Faden hängt und jederzeit in ein vom Menschen gemachtes Chaos stürzen könnte. Und er begründet seinen Standpunkt sehr detailliert und gut verständlich, so dass auch ich als psychologischer Laie das verstehen konnte.

    Und so gesehen geht meine Hypothese nicht etwa davon aus, dass dieser Aspekt einer Zeitenwende etwa übersehen wurde, zumal er in seinem Spätwerk äußerst präsent ist. Es ist vielmehr die Vermutung, dass eine ganze Fachdisziplin und das heißt die ganze Psyhologiewissenschaft einen Rückfall in die „Borniertheit des bloß professoralen Fachwissens" *² erlitten hat. Man hat die Gedanken mit Sicherheit zur Kenntnis genommen, aber als Fachspezialist für z.B. Schizophrenie oder Hysterie oder Wahnvorstellungen usw. usw. war man ja für dieses Thema gar nicht zuständig und konnte es daher getrost ignorieren.

    Und ein zweiter Gedanke wird hinzugekommen sein. Wie kann man sich in der Welt der Wissenschaft damit profilieren, dass man sich mit dem Gedanken an ein möglicherweise bevorstehendes Weltenchaos befasst, auch wenn nicht zu leugnende Tatbestände dies nahelegen und eine anerkannte Fachkapazität wie C. G. Jung dahinter steht? Und wir werden nicht ganz fehl gehen in der Annahme, dass hierbei immer auch Erinnerungen wach werden an historische Begebenheiten, bei denen der Überbringer einer schlechten Nachricht mit dieser identifiziert wird. Und das hat so mancher in der Weltgeschichte mit dem Leben bezahlt. Solche Leute sind einem einfach nicht sympathisch, und außerdem gehört das Thema einer Zeitenwende zu den Lieblingsthemen gewisser religiöser Sekten, in deren Nähe sich auch nicht jeder wohlfühlt. Fazit: Einer Karriere war dieses Thema alles andere als förderlich.

    Die zweite Hypothese ist dadurch begründet, dass C. G. Jung sich bei religiösen Themen in seinem Spätwerk keine Zurückhaltung mehr auferlegt. In einem Interview sagt er auf die Frage, ob er an Gott glaubt: Ich glaube nicht, ich weiß, dass es diese Macht und Kraft gibt. *³ Und um es ganz deutlich zu sagen: Das ist kein Glaubensbekenntnis, sondern Ergebnis einer Erfahrungswissenschaft, die den Beweis liefert, dass diese Macht das Zentrum der höchsten psychischen Energie ist und „so wirklich wie Hunger und Todesangst". *⁴

    Was sich da in den Köpfen der meisten Psychologiewissenschaftler abgespielt haben mag, möge der Leser selbst erahnen. Hatte man nicht gerade diesen Gott gründlichst abgeschafft und mit den Argumenten von Sigmund Freud in die Nähe einer krankhaften Geistesstörung gerückt? C. G. Jung war anerkannter Psychologe; ihm aber hier zu folgen, ging über das Fassungsvermögen seiner Fakultät vermutlich weit hinaus und fiel nur bei sehr wenigen auf fruchtbaren Boden. Fazit: C. G. Jungs Gedanken zu einer Zeitenwende haben das Interesse und die Verstehensbereitschaft seiner Fachkollegen bis heute kaum erreicht. Und damit stehen wir bei der wichtigsten Problemstellung unser Zeit immer noch so gut wie am Anfang. Denn es kommt auf den Menschen an und auf unsere Kenntnis, von welchen Mächten der Mensch regiert wird, ohne dass er auch nur das Geringste davon bewusst mitbekommt.

    Aber auch die Theologen können wir bei diesem Thema nicht völlig ungeschoren davon – kommen lassen. Denn C. G. Jung hat in Band 11 seiner Gesammelten Werke eine Deutung der Offenbarung des Johannes vorgestellt, zu der die christlichen Kirchen bis heute keine Stellung bezogen haben. Aber C. G. Jung weist nach, dass hier kein krankhafter Geist seine Halluzinationen niedergeschrieben hat, sondern in symbolischer Sprache die Visionen eines im christlichen Glauben alt gewordenen Mannes wiedergegeben sind. Aber wie kann auch eine Kirche, die in weiten Teilen die Psychologie ablehnt und daher auch nicht kennt, in C. G. Jung einen Propheten sehen, der seiner Zeit weit voraus die Apokalypse in ihrer Bedeutung für unsere heutige Zeit wiederentdeckt hat. In ihrer Sicht und ihrem einseitigen Verständnis von einem nur „lieben Gott", ist diese Christenheit mit einer Blindheit und Starrheit geschlagen, die jede notwendige Anpassung verhindert hat, mit der sie der Not der letzten Jahrhunderte hätte begegnen können und dadurch auch die Menschen noch erreicht hätte, die ihr heute weitgehend davongelaufen sind.

    Eine Christenheit, die das Böse aus ihrem Gottesbild entfernt hat, sieht immer nur die eine Hälfte, aber nie die ganze Wirklichkeit. Und mit einem wahrhaft kühnen Gedanken wollen wir zum Abschluss kommen. In der Bergpredigt lesen wir die Worte Christi: „Ich aber sage euch, wehret dem Bösen nicht. Und hier vermute ich, das Christus diesen Satz nicht so unvollendet und unbegründet stehengelassen hat, und dass der hier fehlende Teil bei der Bereinigung der Bibel seinerzeit gestrichen wurde. Und deshalb sollten wir das vermutlich Fehlende heute wieder ergänzen. Und danach wären die vollständigen Worte Christi: Ich aber sage euch, wehret dem Bösen nicht, denn auch das Böse kommt von Gott." Und damit sage ich nicht mehr, als der Mystiker Jakob Böhme schon vor mehreren Jahrhunderten dem Inhalt nach gesagt hat.

    Und ein letzter hypothetischer Gedanke soll unser Bild abrunden, warum das Thema einer drohenden Zeitenwende von den Psychologen und Theologen so fast vollständig ignoriert werden konnte, und die Ergebnisse der Erforschung der dafür verantwortlichen Ursachen über einen kleinen Kreis von Experten niemals hinausgelangt ist.

    Die Männerdominanz in beiden Fakultäten (Psychologie und Theologie) und vor allem in deren Führungspositionen ist omnipräsent. Und damit ist auch für Themenstellung und Inhalt dessen, was opportun ist und womit man Karriere machen kann, schon weitgehend von oben festgelegt, denn man provoziert den „Oberaffen" nicht ungestraft. Diese Erfahrung gilt immer noch, auch wenn sie schon Jahrtausende alt ist.

    Und jetzt sollte jeder so viel Vorstellungskraft besitzen und zumindest erahnen, was in den Köpfen dieser erlauchten Männerwelt vor sich gegangen ist und immer noch vor sich geht, wenn ein C. G. Jung unwiderlegbar beweist, dass das Unheil dieser Welt von der Genialität des männlichen Intellekts verursacht ist, und zwar von dessen Einseitigkeit. Und weil diese Genialität gleichzeitig auch die Ursache unseres gewaltigen materiellen Reichtums ist, kommt kaum einer auf den Gedanken, dass diese Genialität eine gewaltige Schattenseite hat, die heute unsere Welt bedroht und zu einer Zeitenwende führen wird.

    Das allein wäre ja schon Irritation genug für eine erfolgsverwöhnte Männerwelt, die ihre „Lichtgestalten" wie Götter feiert. Aber es kommt für diese Männerwelt ja noch viel schlimmer, wenn C. G. Jung sagt, dass nur die Frau das von Männern gemachte Unheil noch mildern oder abwenden könnte. Seine Psychologie beweist, dass die Frau berufen ist, die minderwertige Funktion im Mann, d.h. sein Gefühl, seine Wertfunktion neu zu beleben. Nur die Frau kann ihm bewusst machen, dass sie bei ihm fehlt, er sie aber bei seinem Denken und Handeln berücksichtigen muss, wenn er eine menschliche Welt schaffen will, die auch langfristig Bestand hat. Aber diese Wertfunktion liegt, wenn sie nicht berücksichtigt wird, bei macht- und geldorientierten Männern fast immer im Schatten, das heißt in ihrem Unbewussten und entfaltet dann von dort ihre verheerende Wirkung. Und deshalb müssen wir langsam begreifen, dass die Frau immer dort stehen muss, wo der Mann seinen Schatten hat. Die Frau der Gegenwart steht vor einer gewaltigen Kulturaufgabe, welche vielleicht den Anfang eines neuen Zeitalters andeutet.*⁵

    Ich habe gedanklich sehr weit vorgegriffen und vieles wird erst später ganz verständlich, wenn diese Gedanken im Einzelnen begründet und im folgenden Text im Zusammenhang dargestellt werden.

    Teil I

    Die Grundlagen

    und ein anderer wird dich führen,

    wo du nicht hin willst. Joh., 21/18

    1) Einleitung

    Stellen Sie sich vor, Sie haben folgenden Traum: Sie sind in einer Puppenstube und jemand lässt eine Kobra frei, eine gefährliche Giftschlange und diese kommt schwebend auf Sie zu, genau in Kopfhöhe, um im letzten Moment an Ihnen vorbei das Zimmer zu verlassen und dann durch die Wand gleich wiederzukommen. Daraufhin sagt eine Stimme: „Es muss eine Goldschale sein und darin wird das Öl heiß gemacht, damit etwas gelingt. Was, das ist nicht gesagt. Dann wird das, was gelingen soll, durch eine Bodenklappe in einer durchsichtigen Röhre in den Keller herabgelassen, und die Schlange kriecht dort hin, um es aufzufressen. Sie gehen dann in den Keller, sehen aber die Schlange nicht, sie muss sich versteckt haben. In einem neuen Bild sehen Sie dann die Schlange, unten mit schönen Frauenbeinen, oben bleibt sie Schlange. Und Sie sagen: Ich liebe auch eine Schlange,wenn sie eine Frau ist". Sie wachen mit hoher Emotion auf, und deshalb werden Sie diesen Traum so schnell nicht vergessen. Aber Sie werden vermutlich kaum etwas von diesem Traum verstehen. So erging es mir jedenfalls, als ich diesen Traum am 9.1.1995 träumte. Vorher habe ich nie Träume in meinem Tagebuch notiert, aber dieser schien mir wichtig.

    Ob Träume nun Unfug sind oder doch einen Sinn haben, wird später ein zentrales Thema sein. Um überhaupt hinter einen möglichen Sinn des obigen Traumes zu kommen, hätte ich etwas wissen müssen von der Bedeutung der Symbole, von den Urbildern, den Archetypen im Unbewussten des Menschen, vom Selbst, das unsere Träume anordnet und ebenso hätte ich die antike Mythologie kennen müssen und hier vor allem den Heldenmythos. Höhle, Schlange, goldene Schale sind dort keine unbekannten Symbole und stehen im Zusammenhang mit der Bewährungsprobe des Helden.

    Warum aber, um alles in der Welt, haben Menschen heute solche Träume, „die doch kaum einer versteht, wo wir noch die Antike bemühen müssen, die auch kaum einer kennt, und in Symbole kann doch jeder das hineinphantasieren, was ihm gerade einfällt. So denken viele, die meisten, fast alle. Und so gesehen könnte dieser Text hier sein Ende finden, wenn ich nicht eine Hoffnung hätte. „Nun ist eine Hoffnung (wie jemand einmal gesagt hat) keine Gewissheit, dass etwas gelingt, es ist aber die Gewissheit, dass etwas Sinn macht. Und deshalb muss auch der erhoffte Sinn dies alles befördern, oder der Sinn ist Unsinn und alle Mühe war umsonst.

    Welches ist nun der Sinn, der hinter diesem Text steht bzw. die Hoffnung, diesen Sinn transparent zu machen? Ich schreibe gegen „die Borniertheit der Spezialisten", die einen dichten Nebel über die wohl größte Entdeckung des letzten Jahrhunderts gelegt hat, und damit bis heute wirkungsvoll verhindert, dass diese Entdeckung in die Lebenswirklichkeit der Menschen hineinreicht. Gemeint ist hier die Entdeckung des Unbewussten, und die Unterscheidung in ein kollektives und ein persönliches Unbewusstes durch Carl Gustav Jung. Dieser Mann war nicht nur Psychologe, Psychotherapeut, Psychiater, er hat eine Weisheitslehre geschaffen, die in ihrem ganzen Umfang bis heute nur von ganz wenigen erfasst und gewürdigt wird. Er kann wohl zu Recht als der größte Arzt der Weltgeschichte bezeichnet werden, weil es ihm gelungen ist, mit wissenschaftlichen Methoden (d.h. nachvollziehbar und nicht mit philosophischer Spekulation, schon gar nicht mit metaphysischen Glaubensbekenntnissen) die Kräfte im Menschen zu benennen und nachzuweisen, die in ihm wirksam sind, und ihn von jeher beeinflusst haben. Damit ist diesem Mann etwas gelungen, um das die Menschheit seit Jahrhunderten ringt, nämlich die Bestimmung, inwieweit der Mensch in Freiheit selbstbestimmt denken und handeln kann und wo seine Grenzen liegen.

    Den monumentalsten Satz im Gesamtwerk von Jung (von über 20 Bänden) sagt er in einem Interview auf die Frage, ob er an Gott glaubt: „Ich glaube nicht, ich weiß, dass es ihn gibt." Damit hat Jung nun allerdings keine Aussage über göttliche Eigenschaften gemacht, denn metaphysische Glaubensbekenntnisse sind nicht Sache der psychologischen Wissenschaft. Die stellt nur fest,dass im Menschen Kräfte wirksam sind, die in der Menschheitsgeschichte schon immer als Gott, als das Allermächtigste, als das Allerwirksamste seit Urzeiten bezeichnet wurden; und er sagt selbst, ob wir diese Kräfte Gott nennen oder das Schicksal oder das Unbewusste, ist völlig gleichgültig.

    Damit scheinen wir in ein völlig anderes Fachgebiet abgerutscht zu sein und viele Theologen sehen das auch heute noch so. Einer von ihnen, den ich im Grunde sehr schätze, weil ich viel von ihm gelernt habe, schrieb mir dazu in einem Brief: „Wer sich mit dem Unbewussten beschäftigt, der beschäftigt sich mit dem Teufel und der kommt über ihn."

    Es hat aber nur den Anschein, als hätten Psychologie und Theologie nichts oder wenig miteinander zu tun. Das Gegenteil ist richtig, vor allem in der Arbeit von C. G. Jung. Denn Jung ging es im Grunde nicht primär um das Heilen von Geisteskranken oder Neurotikern, ihm ging es um das Heilen der menschlichen Seele. Und dazu musste er diese verstehen, und das hieß für ihn, er musste sich zunächst selbst verstehen. Und dass das keine akademische Arbeit war, sondern ein Leidensweg bis an die Grenze des menschlich Möglichen, davon gibt er genug Selbstzeugnisse. Und fragen Sie einmal heute einen Theologen nach der Beschaffenheit der Seele oder tun sie es doch besser nicht, denn Sie werden bis auf seltene Ausnahmen nur nebulöses Geschwafel hören, das sich im Dunst transcendenter Beschwörungsformeln verliert und ohne jegliche Bedeutung ist. Oder sind Sie schon mal auf die Idee gekommen, mit einem seelischen Problem zu einem Theologen zu gehen? Ich hoffe nicht, denn davon versteht dieser Berufsstand heute überhaupt nichts mehr. Was wir dort hören, ist nur noch Geschwätz, nur noch der Geist der Nachahmung aus einer längst vergangenen Zeit, in der das Geheimnis noch lebendig war. Wollte ich jetzt versuchen, dieses Geheimnis mit ein paar Sätzen zu erklären, Sie würden mich unfehlbar für genau solch einen Schwätzer halten und kaum etwas verstehen. Ich habe neben Beruf und Alltag mehr als 30 Jahre gebraucht, um in die Nähe eines Verständnis zu kommen und vieles habe ich bis heute nicht verstanden.

    Spätestens hier muss ich dem Leser erklären, wie ich auf die verwegene Idee gekommen bin, diesen Text zu schreiben, der sich, wie gesagt, mit dem Unbewussten, der größten Entdeckung des letzten Jahrhunderts beschäftigen soll, aber nicht in akademischer Weltfremdheit, sondern nur und ausschließlich mit der Frage, wie dieses Unbewusste uns täglich, nächtlich, bei den großen und kleinen Problemen und Entscheidungen unseres Lebens, in Freude und Leid, in Angst und Not, in unserer Liebe, in unserem Hass und bis in den Tod hinein begleitet. Wie frei sind wir in all diesen Situationen zu tun, was wir gerade wollen? Gibt es hier Grenzen, die wir vielleicht gar nicht kennen, weil sie uns unbewusst sind und trotzdem für uns verbindlich? Und warum haben wir nicht schon längst verbindliche Antworten auf all diese Fragen gefunden, wo sich doch alleine in unserem Land tausende von hochgelehrten Professoren aus Philosophie, Theologie und Psychologie täglich um solche und ähnliche Fragen bemühen und das seit hunderten von Jahren?

    Wie komme ich also auf die Idee, hier einen, wenn auch noch so kleinen Beitrag leisten zu wollen, der ich in keiner der obigen Fakultäten studiert habe, darum auch keine praktische Erfahrung besitze, ein absoluter nobody bin, über keinerlei Reputation verfüge, über keine Verbindungen und die Arbeit an diesem Text eine Qual für mich bedeutet, ein opus contra naturam? Warum schreibe ich aber einen Text, für den sich kaum einer oder nur sehr, sehr wenige interessieren werden, wie ich wohl befürchten muss? Die Antwort: „Ich bin von der Idee besessen, dass ich diesen Text schreiben muss und vor die Hunde gehen würde, wenn ich es nicht mache. Mit dieser Antwort handele ich mir sehr schnell die Diagnose ein: „Hier schreibt ja ein Geisteskranker, denn Besessenheit steht in der Nähe von Zwangshandlungen, Phobien etc., allerdings ist der Kontext entscheidend, denn auch Besessenheitsphänome haben einen Sinn, wie wir später noch sehen werden.

    Wenn wir die Besessenheit als Grund zunächst akzeptieren, so steht immer noch die Frage im Raum, mit welcher Begründung ich mir diese Aufgabe zutraue, nämlich die größte Entdeckung des vergangenen Jahrhunderts – das Unbewusste – aus der Versenkung (einer rein akademischen Betrachtung) herauszuholen und in die Lebenswirklichkeit der Menschen zu tragen? Man wird mir entgegnen, dass es 1000 und mehr Bücher gibt, in denen ausgewiesene Experten über Komplexe, Träume, Neurosen, Symbole, Archetypen, Intro- und Extraversion, Denken und Fühlen etc. berichten und die ganze Psychologie C. G. Jungs in immer neuen Variationen ausschlachten und damit gutes Geld verdienen, soll heißen, es gibt eine Nachfrage und deshalb auch ein Interesse. Nun will ich das alles nicht in Bausch und Bogen verdammen, zumal ich selbst diese Sekundärliteratur oft mit Gewinn herangezogen habe.

    Und doch hat das Expertentum erschreckende Nachteile: es ist zunehmend steril, sogar ineffektiv, d.h. es erreicht die angestrebten Ziele gar nicht mehr. Das ist natürlich eine bodenlose Frechheit von mir und soll es auch sein. Denn die Experten sind ja zunehmend nur noch unter sich. „Da backen die Bäcker für die Bäcker die Brötchen", wie mal einer gesagt hat. Aber wer korrigiert denn die Experten? Wir als Normalmenschen verstehen das alles doch gar nicht mehr. Da greifen diese Experten ein Thema heraus und schreiben darüber ein ganzes Buch: über Träume oder Komplexe, über Vater-/Mutterbeziehung etc., etc., die Liste ist endlos. Denn richtig ist, dass viele Menschen ein wachsendes Interesse an psychologischen Themen haben;; da glaubt man als Normalmensch wenigstens etwas zu verstehen. Denn Philosophen laufen doch nur noch ihrer persönlichen Eitelkeit hinterher und die Theologen können wir zumeist ganz vergessen. Wir bekommen hier doch keine Antworten mehr, weder auf Fragen der großen Weltprobleme noch auf unsere sehr persönlichen.

    Jeder dieser psychologischen Experten verhält sich in etwa wie eine Gruppe von Ingenieuren, die uns ( jeder für sich) den Ottomotor erklären wollen. Der Erste erklärt uns die Zündkerze in allen Besonderheiten und Einzelheiten, angefangen von der Ur-Erfindung bis zur heutigen Perfektion. Der Zweite erklärt uns den Vergaser, ein hochkompliziertes Gebilde, als Einfach- und Doppelvergaser, als Einspritzpumpe mit elektronischer Steuerung. Der Dritte spricht über die Ventilsteuerung durch die Nockenwelle, ein Weiterer über Kolben und Zylinder usw., usw.

    Wer jetzt glaubt, dass ein noch Unwissender, ein Schüler, die Funktionsweise eines Otto-Motors versteht, der dürfte sich täuschen. Nun habe ich mit dem Ottomotor ein ganz einfaches Beispiel gewählt, denn die Seele des Menschen ist im Vergleich zum Ottomotor hundertmal komplizierter. Eigentlich müsste ein Schüler schon beim Ottomotor die Grundprinzipien der gesamten Funktionsweise dieses Motors kennen, damit er die Einzelelemente richtig zuordnen kann und langsam zu einem Verständnis des Ganzen kommt.

    Wie viel mehr gilt dies für denjenigen, der die menschliche Seele verstehen will. Aber was machen die psychologischen Experten: Sie versuchen uns (um im Bilde zu bleiben) die Zündkerze zu erklären, produzieren dabei ihr (abgekupfertes) Herrschaftswissen und unterstellen dabei, dass wir (selbst als interessierte Normalmenschen) das alles verstehen und in unserem Leben anwenden könnten. Es ist im Grunde genommen Lug und Trug. Kaufen Sie sich fünf Bücher über Träume und arbeiten sie diese durch. Wenn Sie glauben, danach Träume deuten zu können, dürften Sie sich getäuscht haben. Was Sie bei sehr gründlichem Studium gelernt haben werden ist, dass fast jeder seine eigene Terminologie hat, seine Wahrheit für die einzig richtige hält, kaum einer (außer Jung), die von ihm benutzten Begriffe exakt definiert und kaum jemals einer über persönliche Erfahrungen und die dazugehörenden Träume berichtet. Da lügt ein Professor dem anderen in die Tasche, denn das, worüber sie schreiben und reden, haben sie ja meist überhaupt nicht selbst erlebt. Das ist alles aus zweiter und dritter Hand. Aber psychologisch kann man nur das verstehen, was man selbst erlebt hat, wie Jung immer wieder betont. *¹ Und wenn er sagt, dass jeder Schritt auf dem Weg zur Erkenntnis nur durch Leiden erkauft werden kann, *² dann hat er sich das nicht ausgedacht und das „per aspera ad astra" (durch die rauhe Wirklichkeit zu den Sternen) nur nachgeplappert, er hat es durchlitten. Die Jahre nach dem Bruch mit S. Freud müssen die Hölle für ihn gewesen sein, aber zugleich auch die fruchtbarste Zeit seines Erkennens. Es war ein Leiden am Problem der Menschheit als Ganzes. Aber es war ein sinnvolles Schicksal, das er hatte, das letztlich der ganzen Welt zugute gekommen ist *³. Ich greif nun schon sehr weit vor, denn das wird alles erst viel später verständlicher werden.

    Aber zurück zu unseren psychologischen Experten. Da sie nicht dumm sind, ganz im Gegenteil, wissen sie all das, was oben gesagt ist, außerdem können sie es bei Jung nachlesen. Aber warum erfahren wir nichts von ihren persönlichen Träumen, den Angst-, Horror- und Freudenträumen, von den erotischen Inhalten ihrer Träume usw.? Und warum erfahren wir bei unseren Experten kaum etwas von den Zeiten, die sie durchlitten haben, wo sie gescheitert sind und selbst ratlos waren, und erst nach Jahren der Suche nicht mehr als ein erstes Ahnen aufleuchtet? Und hat nicht C. G. Jung immer wieder betont, dass man psychologisch gar nichts versteht, was man nicht selbst erfahren hat *⁴ und Erkenntnis nur durch Leiden möglich ist?

    Und ist da nicht die Frage erlaubt, ob dieses Expertenwissen vielleicht einer Ergänzung bedarf, um vollständig zu sein? Und indem einer von der anderen Seite sich als „Patient" mit seinem persönlichen Schmerz in einem fast lebenslangen Prozess um Erkenntnis bemüht, geht er ja einen völlig anderen Weg. Und diesen Weg will ich aufzeigen als mögliche Hilfestellung für alle diejenigen, die einen ähnlichen Wege gehen müssen. Und da mein Weg durch Träume, Visionen und Imagination einerseits zwar sehr individuell ist, andererseits aber das Thema einer bevorstehenden Zeitenwende überall berührt, geht es im Grunde alle an.

    Aber damit ist die Frage noch nicht beantwortet, was ich anders machen will oder kann als die Experten. Und dazu möchte ich Sokrates zitieren, der folgendes gefragt und (wie bei ihm üblich) auch immer gleich beantwortet hat: (Die Quelle des Zitates ist leider unsicher.)

    Wagen wir jetzt eine Interpretation des Dummen, so könnten wir sagen: Damit ist der Einfältige gemeint, der Instinktnahe, der es noch gewohnt ist, aus seiner Intuition zu leben und seinen Träumen eine Bedeutung beimisst, auch wenn er sie nicht bewusst versteht. Er lebt noch in Frieden mit der Welt, und in der Stille seiner Welt hört er noch die innere Stimme. Dies klingt jetzt ein wenig nach Märchenstunde und ganz falsch ist das nicht, denn der Dummling im Märchen, oft der dritte Sohn, dem niemand etwas zutraut, der gewinnt die Prinzessin, holt den goldenen Apfel etc. Psychologisch ist damit gemeint, dass bei diesem Menschen Bewusstsein und Unbewusstes noch eine Einheit bilden, bzw. in Einklang sind, sodass das Unbewusste (im Märchen oft in Gestalt eines Tieres) dem Bewusstsein helfend zur Seite steht und so die Aufgabe gelöst werden kann. Und damit sind wir ganz konkret bei der Frage, wie mein Unbewusstes mir geholfen hat, überhaupt diese Aufgabe als meine Aufgabe anzusehen. Denn die Aufgabe ist ja, das Unbewusste aus der Bedeutungslosigkeit herauszuholen und in die Lebenswirklichkeit der Menschen zu stellen. Und da mein Bewusstsein sich jahrelang gegen diese Aufgabe gewehrt hat, sie als Schwachsinn abgetan hat und weit von sich gewiesen, so muss doch mein Unbewusstes stärker sein als mein Bewusstsein. Denn Fakt ist, ich arbeite heute an dieser Aufgabe.

    Im folgenden Abschnitt soll klar werden, was ich anders machen will bzw. gemacht habe als die oben genannten Experten. Ich habe versucht meine eigenen Träume zu verstehen und meine Imaginationen (das ist eine Form der Meditation, die unter dem Stichwort: Aktive Imagination weiter unten beschrieben ist.). Denn wenn ich sie ernst nehme, müssen sie mir auf dieses drängendste Problem meines Lebens irgendwann eine Antwort geben. Schließlich bin ich schon jenseits der 78. Wozu sollte ich mir solch eine Aufgabe an den Hals hängen? Wir haben ein schönes Anwesen, drei Kinder und sieben Enkelkinder und meine größte Leidenschaft ist mein Segelschiff, mit dem ich auf der Ostsee und in deren Achterwassern unterwegs bin. Ich bin kein Mensch, der sich langweilt. Wozu diese Besessenheit, die ich nicht los werde? Nichts spricht dafür, dass ich dieser Aufgabe gewachsen bin. Ich beschäftige mich zwar mit Themen der Psychologie und Theologie seit mehr als 30 Jahren. Aber doch nicht um Bücher zu schreiben. Meine einzige Intention war es, mich selbst und mein Schicksal zu verstehen. Zu verstehen, warum in meinem Leben so viel schief gelaufen ist, nach außen wenig erkennbar, für mich selbst um so mehr. Warum muss ich ein schweres Leid mit mir seit Jahrzehnten

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