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Babyboomer-Heldin, lebe deine Träume!: Wie du aus dem Pflegealltag eine Reise zu deinem Lebensglück machst
Babyboomer-Heldin, lebe deine Träume!: Wie du aus dem Pflegealltag eine Reise zu deinem Lebensglück machst
Babyboomer-Heldin, lebe deine Träume!: Wie du aus dem Pflegealltag eine Reise zu deinem Lebensglück machst
eBook458 Seiten5 Stunden

Babyboomer-Heldin, lebe deine Träume!: Wie du aus dem Pflegealltag eine Reise zu deinem Lebensglück machst

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Über dieses E-Book

Dieses Buch ist für alle Babyboomer-Frauen und Männer, die sich zu jung für ein Rentnerdasein fühlen und die sich noch einen Neuanfang wünschen. Ob Sie sich ihren Lebenstraum verwirklichen wollen, oder nur ein Stück Freiraum für sich suchen, hier finden Sie die Anleitung zum Gelingen. Besonders pflegende Angehörige fühlen sich oft nicht mehr in der Lage, etwas Neues zu starten. Dabei ist es leicht möglich, wenn Sie Ihre Wünsche und Träume wirklich ernst nehmen. Um sich den eigenen Traum tatsächlich zu verwirklichen, liefert dieses Buch eine einfach anzuwendende Anleitung.
Die Autorin möchte jedoch auch den enormen Einsatz der Babyboomer in der Gesellschaft sichtbar machen. Sie haben Enormes geleistet und tun es noch immer, doch kaum jemand spricht darüber. Die rund 4 Millionen pflegenden Angehörigen leisten im Stillen ihre Arbeit und beklagen sind nicht einmal. Niemand sieht ihren Beitrag für diese Gesellschaft. Man stelle sich nur vor, sie würden diese Arbeit von heute auf morgen den Pflegeheimen überlassen. Das würde ab sofort alle Kapazitäten der Pflegekassen sprengen. Was diese Generation alles aufgebaut hat und weiterhin zusammen hält, wird als selbstverständlich hingenommen. Dabei sind das die wahren Helden in diesem Land!
Gleichzeitig zeigt die in diesem Buch skizzierte Frauenbiografie, dass ein Neustart selbst unter den schwierigsten Umständen machbar ist. Wenn Sie es wollen, findet sich immer eine gute Lösung. Dieses Buch ist ein Weckruf an alle, die sich die Frage stellen, ob es das in diesem Leben schon alles gewesen sein soll.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum28. Dez. 2023
ISBN9783384035127
Babyboomer-Heldin, lebe deine Träume!: Wie du aus dem Pflegealltag eine Reise zu deinem Lebensglück machst
Autor

Sonja Frignani

Sonja Frignani hat sich ihr Leben lang der stetigen Weiterentwicklung gewidmet. Sie hat Erwachsenenbildung, Psychologie und Soziologie studiert und hilft seit 29 Jahren Unternehmen und Einzelpersonen bei der Entwicklung ihrer Potenziale und Talente. Wie so viele Frauen ihrer Generation arbeitete sie die längste Zeit ihres Lebens unter doppelter Belastung. In jungen Jahren hat sie die Familie und Kinder versorgt. Im letzten Jahrzehnt hat sie die alt gewordenen Eltern gepflegt. Da ihr der Beruf immer genauso wichtig wie die Familienarbeit war, zog sie in den letzten fünf Jahren professionelle Pflegedienste hinzu. Als sie im April 2020 während des Lockdowns in der Corona-Pandemie die Missstände in der Altenpflege hautnah miterlebte, kam ihr die Idee für dieses Buch. Es sollte jedoch kein Sachbuch über die Altenpflege werden, sondern eine authentische Biografie einer Babyboomer-Frau mit ihrem niemals endenden Einsatz für die Familie. Darüber hinaus wollte die Autorin allen Babyboomern neue Perspektiven aufzeigen, um sich ihren dritten Lebensabschnitt maximal selbstbestimmt zu gestalten. Dafür suchte sich die Autorin die besten Methoden aus der Erfolgsliteratur aus. Sie wollte ein leicht umsetzbares Programm für alle ambitionierte Menschen schreiben, das für alle Generationen anwendbar ist. Es geht darum, das eigene Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, um sich noch einmal in diesem Leben einen langgehegten Traum zu verwirklichen. Sie studierte zahlreiche Frauenbiographien - in der Literatur und in ihrem Umfeld. Eine von ihnen stellte sich im entscheidenden Moment die Frage "Was kann ich tun, um die Frau zu werden, die ich wirklich sein kann?" Ihre Biographie schrieb die Autorin in diesem Buch auf. Die Biographie führt uns mit historischen Zeugnissen durch die Geschichte der letzten fünfzig Jahre.

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    Buchvorschau

    Babyboomer-Heldin, lebe deine Träume! - Sonja Frignani

    Kapitel 1

    Sylvia vor

    dem Trümmerhaufen

    Sylvia legte den Hörer auf und war froh, dass das Telefonat zu Ende war. Wieder einmal hatte sie Mutters Geschimpfe über sich ergehen lassen.

    Inzwischen lebte die 91-jährige Mutter zwei Jahre nach dem Tod ihres Mannes allein. Angeblich war sie damit ganz zufrieden. Endlich hatte sie ihr Reich für sich allein. – So sagte sie.

    Gesundheitlich war sie ihrem Alter entsprechend relativ gut beieinander, das bescheinigten ihr die Ärzte. Sie konnte sich einfachere Speisen selbst zubereiten oder Vorgekochtes warm machen. Doch ihr Körper funktionierte durch zermürbende, jahrzehntelange Schmerzen nur noch schwer und versagte ihr immer mehr seine Dienste. Sie schleppte sich mit chronischen Schmerzen durch den Tag.

    Noch viel schwerer wog die Unzufriedenheit mit ihrem Leben, das sie über 66 Jahre mit einem Mann geteilt hatte, der sie immer wieder betrogen hatte. Unglücklich und verbittert wie sie war, erwartete sie nichts Gutes mehr vom Leben. Sie war auf Hilfe anderer angewiesen. Dafür hasste sie sich selbst wie auch alle ihre Helfer.

    Allen voran hasste sie Sylvia mit ihrer Eigensinnigkeit. Sie ließ keine Gelegenheit aus, ihr die Missbilligung laut entgegenzuschleudern. Nun ja, Sylvia war eine eigensinnige Person. Das war sie schon als Kind. Schon damals nahm sie die Widersprüche der Erwachsenen nicht kommentarlos hin. Später, als Erwachsene kämpfte sie sich wie eine Löwin durchs Leben. Sie hatte die schlimmsten Krisen allein gemeistert. Sie hat sich nie den Repressalien anderer Leute gebeugt. Nicht den Repressalien von Seiten der Männer, nicht der Arbeitgeber und schon gar nicht der Eltern. Sie sorgte für sich seit ihrem 22. Lebensjahr und ab dem Zeitpunkt ließ sie sich nicht mehr in ihr Leben hineinreden.

    Sie hat sich sieben Jahre lang als alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern ohne einen festen Job oder andere Sicherheit durchgeschlagen. Sie hat sich und die Kinder durch sämtliche Krisen gebracht. Sie würde es immer wieder schaffen. Von einer Frau, die sich über 66 Jahre lang an einen Tyrannen gebunden hatte, wird sie sich nichts sagen lassen.

    Sylvias Mutter hatte nie verstanden, dass Sylvia sich einfach von den Beziehungen lossagen musste, wenn für sie das Fass voll war. Wann immer sie konnte, hielt sie ihr das vor:

    »Du hättest doch mit Felix zusammenbleiben können. Ihr hättet beide so viel mehr haben können.«… »Ja, materiell hätten wir vermutlich mehr zusammengespart«, entgegnete Sylvia.

    »Und als Frau hätte ich mich damit abfinden müssen, dass Felix sein eigenes Leben führt, mich wie seine persönliche Assistentin behandelt und sich eine Geliebte hielt, wann immer ihm danach war. Das machte er schon, kurz nachdem ich ihm Tag und Nacht geholfen hatte, seine Praxis einzurichten. Maxi war damals gerade mal ein Jahr alt.«

    1.1 Vom Gedanken zum Erfolg

    »Achte auf deine Gedanken,

    denn aus Gedanken werden Taten,

    achte auf deine Taten, denn aus Taten werden Gewohnheiten.

    Achte auf deine Gewohnheiten,

    denn aus Gewohnheiten wird dein Charakter.

    Achte auf deinen Charakter,

    denn aus deinem Charakter wird dein Schicksal!«

    (aus dem Talmud)

    »Mutter, meinst du wirklich, ich war gut genug, für seine Arztpraxis zu schuften? Gut genug, um gleichzeitig unsere Familie zu versorgen? Meinst du, es war selbstverständlich, dass ich in dieser Zeit zwei Semester lang nicht in die Uni ging, sondern nur für die Familie geackert habe? All das habe ich mitgemacht, bis seine Praxis fertig war. Und als seine Praxis eröffnet wurde, sagte ich nur deutlich, dass ich ab sofort weiter studieren wollte. Das war alles. Und er reagierte sauer, weil ich mich nicht an die Rezeption seiner Praxis setzte!«

    Sylvia fuhr fort: »Was meinst du eigentlich, wofür ich jahrelang die doppelte Belastung auf mich genommen habe? Abendschule, ständige Nebenjobs, um mir das Studium zu finanzieren und plötzlich sollte ich alles hinschmeißen, weil der Herr andere Vorstellungen hatte? Glaubst du, er wäre fair mir gegenüber gewesen? Meinst du, ich hätte dieses miese Zusammenleben zu meinem Schicksal machen sollen? Interessieren dich eigentlich auch meine Wünsche? Oder gelten für dich nur die Bedürfnisse der Männer?«

    Darauf Mutter ganz trocken: »Dein Vater war viel schlimmer. Der ging regelmäßig fremd.«

    Mutters Blindheit für ihre eigene Unzulänglichkeit konnte Sylvia noch immer auf die Palme bringen. Früher musste sie sich oft Mutters hasserfüllte Berichte über Vaters Fehltritte anhören. Schon längst hatte sie damit abgeschlossen. Sie wollte das unreflektierte Gerede von dieser verbitterten Frau nicht mehr hören.

    Sie schrie ihr entgegen: »Und für diese verlogene Ehe hast du dein Leben hergegeben? Du hast für eine verlogene Familie gelebt, für eine verlogene Gesellschaft funktioniert und mir wirfst du jetzt vor, dass ich es nicht genauso mache?«

    »Oder was wirfst du mir vor? Gönnst du mir kein besseres Leben? Ich habe mich so oft abgeschuftet, um mir ein selbstbestimmtes Leben zu erschaffen. Niemand auf dieser Welt darf mir das mies machen! Und du? Wolltest du etwa, dass ich mein Leben genauso verschenke wie du?«, schleuderte Sylvia ihr entgegen.

    »Und du, hast du geglaubt, beim nächsten Mann wird alles anders? Alle Männer sind gleich,« gab Mutter zurück.

    Das sagte gerade die Frau, die dreiviertel ihres Lebens mit einem einzigen Mann verbracht hatte. Sie hatte keine Ahnung, wie facettenreich die Menschen sind. Jeder Mann hatte seine Vorzüge und seine dunklen Seiten. Sylvia hatte längst verstanden, wie viel sie von jedem ihrer Partner gelernt hatte. Sie wusste genau, warum ihr Leben so verlaufen war, wie es verlaufen war. Es war ihr Leben. Und es war gut so.

    Mutter hatte zeitlebens ihren Mann verwöhnt und sich dabei selbst aufgegeben. Sylvia erinnerte sich an die Zeit, als Vater im Alter von 86 Jahren am Herzen operiert wurde. Da stand es auf Messers Schneide. In den drei Wochen besuchte die Mutter ihren Mann jeden Tag im Krankenhaus.

    Sie stattete ihrem Mann nicht nur einen Krankenbesuch ab, nein, sie kochte noch vorher seine Lieblingssuppe und brachte ihm die Suppe mit frischem Obst ins Krankenhaus. Jeden Tag brachte sie ihm etwas zum Essen mit. Sylvia wechselte sich mit ihrem Bruder Richard ab: jeden zweiten Tag fuhren sie Mutter ins Krankenhaus. Vater litt unendliche Qualen und beschwerte sich immerzu. Am allermeisten litt er unter dem »ungenießbaren Futter im Krankenhaus«.

    Seine Frau verstand ihn und kochte jeden Tag für ihn. Sie wurde gebraucht. Noch dazu konnte sie es aller Welt zeigen. Was sie selbst betraf, versäumte sie keine Gelegenheit, um sich leidend hinzustellen. Ihr Leiden stellte sie immer zur Schau, um bedauert zu werden. Immerhin hatte sich das im Laufe der letzten Jahre so eingespielt, dass sowohl Sylvia wie auch Richard versuchten, Mutter möglichst jeden Wunsch zu erfüllen. Damals bestand ihr größter Wunsch darin, ihren Mann täglich zu besuchen.

    Nach drei Wochen überstand Vater die Strapazen der Operation und wurde nach Hause entlassen. Jedoch galt er von da an als Risikopatient, mit einem schwachen Herz. Seitdem benötigte er täglich Hilfe bei der Pflege. Da übernahm Sylvia im Frühjahr 2009 die Pflege.

    Inzwischen waren über zwölf Jahre vergangen. Sylvia nahm die Pflege auf sich, zum Teil aus Mitgefühl, zum Teil weil sie gerade wenig Aufträge hatte. Sie war viel Arbeit gewöhnt und glaubte, dass sie auch das noch mit links schaffen konnte. Außerdem konnte sie die Eltern nicht einfach im Stich lassen.

    Nur hieß das noch lange nicht, dass sie sich in die Tochterrolle zurückdrängen lassen würde. Auch wenn ihre Mutter sie immer wieder genau dort hineinpressen wollte, sie ignorierte es. Das stand Mutter nicht zu, fand Sylvia. Früher ging sie nach solchen Auseinandersetzungen frustriert nach Hause und brauchte mindestens einen halben Tag, um sich davon zu erholen.

    Heute war es anders. Sie durchschaute Mutters Übergriffigkeit und erlaubte ihr das nicht mehr. Doch Mutter ließ nicht locker und fing immer wieder mit solchen Diskussionen an. Sylvia ärgerte sich, dass sie überhaupt reagierte. Mutter war in ihren Vorstellungen über Mann- und Frausein in den 50-Jahren des vorigen Jahrhunderts stehen geblieben. Das würde sich nie ändern. Sylvia sollte das akzeptieren und den Diskussionen aus dem Weg gehen. Es war der einzige Weg, um Zeit und Nerven zu sparen.

    Sie hatte mit dem Thema längst abgeschlossen. Schließlich hatte ihre Mutter dieses Schicksal selbst gewählt. Auch wenn sie als junge Frau in der Nachkriegszeit drei Kinder geboren hatte und eine schwierige Ehe mit einem italienischen Gigolo führte, so hatte sie selbst entschieden, in dieser Ehe zu bleiben. Sie wollte sich nicht von ihrem Mann trennen und ihr Leben in eigener Regie gestalten. Stattdessen richtete sie sich ein Leben in der Opferrolle ein. Es war ihre Entscheidung.

    Sylvia sah ihre Mutter an und bedauerte sie. Es tat ihr weh, mitanzusehen, wie sie sich selbst quälte. Und wieder einmal gewann ihr Mitgefühl.

    1.2 Start mit nur 2 Prinzipien

    1. Du solltest alle Dinge lassen, die dich am Erfolgskurs hindern.

    2. Entscheide dich für eine Mentorin oder Coach, die oder der dich länger begleiten darf.

    Ausreden helfen nur den Gegnern. Es liegt immer an dir selbst, welchen Plan du zu deinem eigenen machst.

    Es ist gerade in schwierigen Situationen enorm wichtig, jemanden zu haben, der unabhängig ist und deshalb die Situation ohne seine persönliche Betroffenheit beurteilen kann.

    Was macht einen guten Coach aus?

    Ein Coach ist jemand, der die Vogelperspektive beibehält, wenn du gerade in Details versinkst. Das ist jemand, der an deine wichtigsten Ziele erinnert, wenn sie etwa drohen, aus dem Blick zu geraten. Ein Coach ist ein strukturierender, systematisch handelnder Sparringspartner, der ohne Emotionen auch die schmerzhaftesten Knöpfe drückt, wenn du sie gerade verstecken willst. Ein Coach ist gleichzeitig ein Freund, der die Melodie deines Herzens spielt, wenn du sie gerade vergessen hast.

    Ein guter Coach soll sehr gut geschult sein, damit er/sie professionelle Unterstützung leisten kann. In seltenen Fällen funktioniert Coaching auch mit der besten Freundin oder mit der Schwester. Entscheidend ist immer, dass die Person an deiner Seite dich ermuntert, zur Disziplin motiviert und keine Ratschläge erteilt. Sie sollte gut zuhören können, mitdiskutieren und unparteiisch bleiben, in guten wie in schlechten Zeiten für dich da sein. Das Gleiche gilt auch für Mentoren.

    Das schreibe ich nicht, um den Beruf des Coaches zu bewerben, sondern weil ich aus Erfahrung weiß, dass jeder außerordentlich erfolgreiche Mensch einen Coach an seiner Seite hatte. Eine Spitzensportlerin käme überhaupt nicht auf die Idee, ohne eine Trainerin bzw. Coach in die Weltklasse aufzusteigen. Das gilt für jede Disziplin. Jede erfolgreiche Persönlichkeit hatte irgendwann mal einen Coach an der Seite.

    Im gleichen Moment erinnerte sie sich an die unerledigten Aufgaben auf ihrem Schreibtisch. Sie erledigte noch die restlichen Arbeiten in Mutters Haushalt und machte sich auf den Weg. In ihrem Büro angekommen, musste sie ihre Gedanken neu sammeln.

    Immer für die Familie da zu sein, immer gut zu funktionieren, mit dem ständig an ihren Nerven zerrenden Gefühl des »ich werde nie fertig« oder auch: »ich kann machen, was ich will, aus diesem Teufelskreis komme ich nie raus«, hatte die eine oder andere Babyboomer-Frau zu kämpfen. Sylvia steckte in diesem Kampf, seitdem sie Kinder hatte.

    Dabei kam ihr tagtäglich die grausame Realität in den Sinn, dass sie ihren Beruf kaum noch ausbaute. In ihrer Phantasie gab es nur noch Fetzen von Erinnerungen aus früheren Zeiten, die umso rosiger wurden, je länger sie zurücklagen.

    Was war geschehen? Das fragte sich Sylvia gelegentlich. Schnell verwarf sie diesen Gedanken wieder. Zu viele Unwägbarkeiten waren damit verbunden. Wenn sie tatsächlich ihre Träume noch in diesem Leben verwirklichen wollte, hätte sie viel früher starten müssen.

    Jetzt waren es nur wenige Jahre bis zur Rente. Das lohnte sich nicht mehr, neu anzufangen. Doch ihre innere Stimme ließ nicht locker und erinnerte an die alte Unzufriedenheit, die mit jedem Tag immer stärker hochkam. Entsetzt dachte sie:

    »Das kann doch jetzt nicht mein Leben gewesen sein! Dieser Trümmerhaufen einzelner Ereignisse kann nicht mein Leben gewesen sein!«

    Ich habe schon so viel gemacht. Wenn ich es ernsthaft ansteuerte, habe ich noch jedes Ziel erreicht. So oft habe ich schon das Ruder herumgerissen. Warum sollte das plötzlich nicht mehr funktionieren?

    In der Ruhe liegt die Kraft

    (buddhistische Weisheit)

    Sylvia nahm sich zurück und dachte nach: Jetzt hast du relativ viele Freiheiten, die Kinder sind erwachsen. Du hast ein Leben mit einem liebevollen Partner an der Seite, ein Leben voller Annehmlichkeiten. Und wenn Mutter ihre Pflege braucht, so findest du noch genug Freiräume, um die Dinge zu tun, die dich wirklich erfüllen.

    Wenn nicht jetzt, wann dann?

    (aus dem Talmud)

    Das Gefühl »aus diesem Teufelskreis komme ich nicht mehr raus« ist leider das gelebte Normal vieler Frauen in Sylvias Alter. Zu viele Babyboomer-Frauen lebten ein Leben lang größtenteils jenseits ihrer Wünsche. Manche leben in permanenter Unzufriedenheit, andere sind unglücklich oder werden chronisch krank. Manche sind daran zerbrochen.

    Sylvia akzeptierte keine Unzufriedenheit mehr, auch sonst keine Ausreden und machte sich auf den Weg.

    Am Beginn ihrer Reise schrieb Sylvia in ihr Tagebuch:

    Es ist nie zu spät, die Frau zu werden,

    die du schon immer sein wolltest.

    Lebe deine Träume! Arbeite für deine Träume!

    Entscheidend ist, dass du deine Träume

    Woche für Woche in den Mittelpunkt deines Handelns stellst –

    genauso wie dein großes Ziel.

    Arbeite Woche für Woche mindestens sechs Stunden

    an deinem Ziel!

    Sylvia dachte über das Zitat aus dem Talmud nach. Es war eines der wichtigsten Zitate, die sie kannte. Es hat sie seit Jahrzehnten zutiefst beeindruckt. Wann immer es passte, erinnerte sie ihre Seminarteilnehmer daran. Zwar wusste sie noch nicht, wie sie selbst ihr Schicksal in die gewünschte Richtung lenken könnte, aber der Gedanke daran faszinierte sie.

    Jahrzehntelang dachte sie: Ich kann mit meinem Fleiß und kontinuierlichem Lernen auch ohne dieses Gleichnis mein Leben komplett umkrempeln. Nur der Wille zählt.

    Dann gab es andere Tage, an denen sie insgeheim hoffte, der Inhalt dieser Sätze möge nur ein übertreibendes Gleichnis von gut situierten Philosophen sein. Immerhin müsste man sich ein selbstbestimmtes Leben auch leisten können.

    Und doch, wenn sie länger nachdachte, stellte Sylvia immer wieder erstaunt fest, dass es offensichtlich Menschen gab, die nach dieser Weisheit leben. Sie staunte allerdings noch mehr darüber, wie leichtfertig die meisten Menschen diese wichtigen Botschaften nahmen, inklusive sich selbst. Bis zu ihrem 62. Lebensjahr lebte sie, als ob sie ewig leben würde.

    Kapitel 2

    Aus dem Pflegealltag zur neuen Chance

    In Sylvias Leben der letzten zehn Jahre standen hauptsächlich die Schulden im Vordergrund. Erst im Alter von 59 Jahren wurde sie sich dessen bewusst, wie sehr die Schulden ihr Leben bestimmten. Sie konnte so viel arbeiten, wie sie wollte, und kam nicht von der Stelle. Sie war über diese Entwicklung zutiefst verärgert.

    Wie konnte ausgerechnet ihr so etwas passieren? Wieso hatte sie nicht die Vorzeichen viel früher erkannt? Warum war sie so blind gewesen?

    Die meisten Vorwürfe, unter denen sie litt, waren ihre Selbstvorwürfe.

    Gemessen an ihrer Qualifikation und an ihren Weiterbildungen hätte sie schon viel weiter sein müssen. Sie hatte doch schon so viel gemacht. Wieso war sie in solche Nöte geraten? Wofür brauchte sie die existenziellen Nöte? Sie stellte sich immer wieder dieselben Fragen.

    Jetzt, im April 2020, mitten in der Corona-Krise, hatte sie viel Zeit zum Nachdenken. Da drehte sie Stein für Stein in ihrem Leben um und hinterfragte die Folgen jeder ihrer Entscheidungen. Langsam fiel es ihr wie Schuppen von den Augen:

    Mit der Übernahme der Pflege verbrachte sie überproportional viel Zeit mit ihrer Mutter, bis zum Sommer 2018 mit beiden Eltern. Der zeitliche Einsatz war noch vertretbar. Doch ihr Selbstwertgefühl litt dadurch unentwegt. Ihre Eltern fanden ihre aktuelle Lage mindestens so katastrophal wie Sylvia selbst. Zwar hielten sie ihr das nicht täglich vor, doch indirekt ließen sie keine Gelegenheit aus, um ihr zu verstehen zu geben, wie schrecklich sie ihre Situation empfanden. Und wie dumm sie doch war, es soweit kommen zu lassen.

    Die einzig gangbare Lösung innerhalb des Horizonts ihrer Eltern war, Sylvia zum Amt zu schicken: Sie solle doch Sozialhilfe beantragen und im Übrigen vom Pflegegeld leben. Damit würde sie einigermaßen hinkommen. Nur war das für Sylvia die absolute Horrorvorstellung. Seitdem sie sich aus der Hartz-IV-Spirale befreit hatte, wollte sie nichts mehr davon wissen.

    Die Diskussionen mit den Eltern hatten ihre Spuren hinterlassen. Sie waren die zwei Personen in ihrem Leben, die sie am häufigsten sah und die ihr nicht mehr zutrauten, als Hausarbeit und Pflege. Und selbst das, was sie im Haushalt tat, bekrittelten sie ständig. Nichts war ihnen gut genug.

    Unbewusst hinderten sie Sylvia daran, ihr volles Potenzial zu entfalten, zumindest solange sie Einfluss auf sie hatten. Und nun, da Sylvia Woche für Woche so viel Zeit mit ihnen verbrachte, bekam sie allzu oft ihre Ressentiments zu hören. Das war nicht ermutigend und schon gar nicht fair.

    Diese Gedanken drehten sich in ihrem Kopf im Kreis und ließen sie nicht los. Sie suchte nach Antworten, suchte nach neuen Chancen. Aber es waren keine in Sicht.

    Jede Krise birgt immer eine neue Chance. Sylvia hat diese Lebensweisheit so oft gehört. Dabei hatte sie sich meistens merkwürdig gefühlt. Etwas stimmte mit diesem Satz nicht. Es kam eben sehr genau darauf an, in welcher Phase der Krise man gerade steckt.

    Als 2020 das erste Mal ein Lockdown wegen der weltweiten Pandemie verkündet wurde, bekam Sylvia reihenweise Absagen für ihre Seminare. Ihr Verdienst ging schlagartig gegen Null. Das ging an die Existenz. Um sie herum waren viele Menschen in noch viel größere Nöte geraten. In den Krankenhäusern starben reihenweise Menschen an den Folgen der COVID-19-Erkrankung. Trotz der intensiven Behandlung waren sie grausam erstickt. Sie waren in den letzten Tagen und Stunden ihres Lebens einsam, denn Krankenhausbesuche waren verboten.

    Wie sollte man dabei an eine – wie auch immer geartete – neue Chance denken?

    Wenn Sylvia in diesem Moment jemand den weisen Spruch aus dem Talmud entgegengehalten hätte, dann hätte sie vermutlich gedacht: »Ich bin in einem falschen Film!« Denn sie selbst steckte gerade in ihrer größten Existenzkrise. Die war real. Das war alles, nur keine Chance!

    Und genauso geht es den meisten, die gerade mitten in einer Krise stecken. Sie fühlen sich bedroht und haben erst einmal jede Menge damit zu tun, mit dem bedrohlichen Gefühl umzugehen – auf der Gefühlsebene und real. Äußerlich ändert sich scheinbar gar nichts.

    Doch der Teufel steckt im Detail. Genau in dieser Situation, sobald sich das bedrohlich anfühlende Gefühl etwas legt, bewegen sich die Gedanken weiter. Die Gedanken verändern sich ständig, sie gehen hierhin und dorthin. Darunter sind auch fröhliche Gedanken. So funktioniert unser Gehirn, und das passiert jeder und jedem von uns mehrmals am

    Auch positive Gedanken zeigen sich uns mindestens einmal am Tag! Wichtig ist in Krisenzeiten, genauer auf die Gedanken zu achten, auch die positiven Gedanken zu erleben, langsamer zu agieren. Was passiert gerade jetzt? Eine scheinbar ausweglose Situation ist gerade eingetreten. Und sie fühlt sich furchtbar an.

    Viele Menschen sind in einer Krise wie gelähmt. Sie leiden darunter und erstarren in diesem Zustand. Das heißt aber auch, dass sie sich weigern, die Situation als das anzunehmen, was sie ist. Betroffene beschreiben die Krise wie einen Einbruch oder eine Katastrophe, die sie in den Abgrund zieht. Das mag als erste Idee stimmen, doch dieses Katstrophendenken hilft nicht auf Dauer weiter. Es hilft niemandem weiter.

    Wer in der Starre bleibt, der gibt der Krise eine viel stärkere

    Bedeutung, der gibt ihr Macht!

    Ähnlich erging es Sylvia. Sie lief am zweiten Tag des Lockdowns morgens in der Wohnung auf und ab. Sie fühlte sich ratlos. Sie war stinkwütend auf diese Umstände, die ihr alle kommenden Umsätze gnadenlos weggefegt hatten. Sie wusste nicht, wie sie der Situation begegnen sollte. Sie war es gewohnt, bei einem auftretenden Problem sofort Lösungen anzugehen. Aber das hier überstieg ihre Vorstellungen – zumindest in dem Moment.

    Und doch bin ich – Gott sei Dank – gesund geblieben und fühle mich ganz lebendig, dachte sie im nächsten Moment.

    Das war der Augenblick, in dem sie die Krise annahm. Sie hörte auf, sich die Dinge schön zu reden, wo es nichts Schönes gab. Sie erkannte einfach nur, dass gerade jetzt die schlimmste, vorstellbare Situation eingetreten war.

    Weil sie diese Ratlosigkeit akzeptierte, konnte sie wieder einigermaßen klar denken und sehen, was um sie herum geschah. Sie schaute aus dem Fenster und sah, wie leer die Straßen waren und wie blau der Himmel erstrahlte. Der ganze Smog, der sich sonst an sonnigen Tagen über die Stadt senkte, war plötzlich wie weggefegt. Das war einmalig!

    Sie spürte, wie ein unbändiger Bewegungsdrang in ihr aufstieg. Sofort zog sie die Sportkleidung an und lief los. Es war ein kühler Morgen, mit einer kristallklaren Luft. Mit jedem Atemzug genoss sie die frische Luft. Wie klar der Himmel war, und wie still die Stadt vor ihr lag. Was für eine Schönheit! Sie hatte die Schönheit der Stadt in dieser klaren Luft schon seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen. Was für ein Geschenk!

    Das Erlebnis beim Joggen, anderthalb Stunden unter dem kristallklaren Himmel, in dem frühlinghaft aufblühenden Stadtpark, gab ihr das Gefühl einer neuen Lebendigkeit. Nach ihrem Lauf waren die Probleme noch genauso da, wie vorher. Doch sie selbst fühlte sich erfrischt, ihr Geist war vom Wind durchlüftet und sprudelte neue Zuversicht.

    Als sie vom Laufen zurückkam, hatte ihr Partner Jan bereits einen wunderschönen Brunch für sie beide vorbereitet. Sie frühstückten zusammen und erfreuten sich an dem neuen Tempo, das ihr Leben bestimmte. Ihr Leben wurde entschleunigt. Nicht nur Sylvia, auch Jan tat das ungeheuer gut. Es fühlte sich rundum gut an.

    Nach dem Brunch setzte sie sich an den Computer. Sie war noch genauso orientierungslos, wie vorher. Und doch: Etwas war anders.

    Sie hatte die Augen für andere Aspekte des Lebens geöffnet. Ihr war klar, dass diese Krise das Leben so grundlegend auf den Kopf stellen würde, wie wir es uns nie zuvor vorgestellt hätten. Ihr war auch klar: Hier muss man nach komplett anderen Lösungen suchen. Sie war neugierig zu sehen, was das Leben noch für sie bereithielt. Sie war bereit für den Wandel. Unbewusst schaltete sie die Vorstufe für eine neue Chance.

    Was jetzt so banal klingt, ist sehr wichtig! Einfach nur die Neugier zu entdecken, was das Leben noch bereithält – unter Umständen, die so komplett anders sind als alles bisher Gekannte.

    Wichtig ist, sich darauf einzustellen: Bevor der Raum für

    eine Chance frei wird, muss ich bereit sein, die entgangenen

    Chancen loszulassen. Ohne Wenn und Aber!

    Loslassen ist die erste Voraussetzung für einen wie auch

    immer gearteten Wandel.

    Doch das Loslassen ist leichter gesagt als getan. Sylvia glaubte jedenfalls, sie hätte losgelassen. Und weil ihr noch immer nichts einfiel, surfte sie im Internet. Sie durchstöberte die sozialen Netzwerke, las hier und da, was da die Kollegen trieben und schrieb auch hin und wieder mal einen Beitrag in Social Media. Sie schaute Videos auf Youtube an. Da fiel ihr Blick zum x-ten Mal auf eine Einladung des erfolgreichsten Money-Coach in Europa.

    Eine neue E-Mail leuchtete im Posteingang auf. Sie erinnerte sich plötzlich an die Weisheit von Henry Ford: »Prüfe jedes Angebot, es könnte die Chance deines Lebens sein.« Diesmal beschloss Sylvia genau zu prüfen, was dieser Coach zu sagen hatte. Was er dort schrieb, ließ sich nicht mehr los. Sie bestellte sofort das Buch.

    Plötzlich fiel ihr auf, wie selbstverständlich sie bis dahin die besten Weisheiten auf dem Weg zum Erfolg vertreten konnte – für ihre Klienten. Leider nicht für sich selbst. Erst im Alter von 62 Jahren zog auch sie die letzte Konsequenz:

    Wenn du viel Verantwortung trägst,

    dann trage sie auch für deine eigenen Erfolge!

    Gib niemandem die Schuld für alles, was du bis heute nicht erreicht hast. Beklage nicht die Umstände oder andere Menschen, die dich in der Abhängigkeit nicht wachsen lassen haben. Sie konnten es nicht besser, denn sie wussten es nicht besser. Die meisten deiner Wegbegleiter haben nicht einmal sehen können, was du willst. Nur du allein weißt, was du willst!

    Wenn du die volle Verantwortung für deinen Erfolg

    übernimmst, dann wirst du unaufhaltsam

    den erwünschten Erfolg ansteuern!

    2.1

    Millionen pflegender Familienangehöriger

    Wenn Sylvia anderen Babyboomern von ihrer Kindheit erzählte, hörte sie oft ähnliche Lebensverläufe. Die Eltern führten ein strenges Regiment und die Kinder sollten sich fügen. Sich für die kindlichen Belange zu interessieren, kam ihnen nicht einmal in den Sinn. So war die Denke in der Nachkriegszeit. Kinder hatten nichts zu sagen. Nur die wenigsten Babyboomer hatten als Kind ein verständnisvolles Elternhaus.

    Daher ist es allzu verständlich, wenn sich diese Kinder im Erwachsenenalter ein eigenes Leben aufgebaut haben und wenn sie sich im Alter genauso wenig für die Eltern interessieren. Die Verständnislosigkeit zwischen den Generationen setzt sich ihr Leben lang fort.

    Sylvia hörte das von vielen. Daher wunderte es sie nicht, wenn diese Erwachsenen ihre alt gewordenen Eltern ohne Gewissensbisse ins Altenheim brachten. Außerdem konnten es viele aus beruflichen Gründen gar nicht anders machen.

    Und doch haben sich die meisten Babyboomer trotz aller Widrigkeiten dazu entschieden, ihre Eltern selbst zu pflegen! Nach Daten des Bundesministeriums für Gesundheit gab es im Jahr 2021 über 4,96 Millionen Pflegebedürftige in Deutschland. Von diesen wurden über 3,55 Millionen von ihren Angehörigen gepflegt. Nur rund ein Sechstel der Pflegebedürftigen wurde in Pflegeheimen gepflegt. Das sind die zuverlässigen Babyboomer, die sich um ihre altersschwachen Eltern kümmern, damit sie in ihrem eigenen Umfeld leben können.

    Das sind meine Babyboomer-Helden

    und Babyboomer-Heldinnen!

    Sie haben viel durchgemacht, sich eine eigene Existenz aufgebaut und ein Leben lang gearbeitet. Zu ihren Pflichten haben sie sogar noch die Altenpflege auf sich genommen. Sie hatten mehr Mitgefühl als Ressentiments. Sie wollten nicht mit ansehen, wie ihre alten, gebrechlich gewordenen Eltern in überteuerten Pflegeheimen dahinvegetieren.

    Wichtig ist mir an dieser Stelle festzuhalten: Nicht alle Pflegeheime lassen ihre Patienten vor sich hinvegetieren. Doch an die 80 % der Heime sind personell unterbesetzt, sodass die alten Leutchen zwangsläufig oft nur die nötigste Versorgung bekommen. Zu wenig Pflegekräfte versorgen zu viele Menschen. Da muss mancher den halben Tag im Speisesaal sitzen bleiben, wenn die Pflegekraft gerade so viel mit anderen Pflegebedürftigen beschäftigt ist. Von den bettlägerigen Pflegebedürftigen ganz zu schweigen.

    Es ist mir auch noch wichtig anzumerken, dass der katastrophale Fachkräftemangel selbstgemacht ist. Jahrelang wurden die Pflegekräfte unterdurchschnittlich bezahlt, für eine der schwersten Arbeiten, die es gibt. Dabei verlangten selbst die günstigeren Heime anno 2021 einen Preis um die 3 800,– Euro monatlich für die Vollpflege. Leider kam davon bei den Arbeitenden kaum etwas an. Die Betreiber der Pflegeheime schöpften die Gewinne ab. Oft war in der Presse zu lesen, welche riesigen Gewinne die Betreiber erwirtschafteten.

    Die Pflegekassen zahlten ihren Satz von 1 632,– € monatlich. Aber auch sie hatten ständig steigende Kosten. Die Pflegekräfte, die Patienten wie auch die Ärzte hatten so gut wie nichts von dem Geld für Pflege gesehen. Wenn der Heimplatz höher lag, als diese 1 632,– €, dann musste die Differenz zwischen dem Pflegegeld und dem Preis im Pflegeheim von den Gepflegten gezahlt werden. Für Senioren, deren Rente bei weniger als bei 2 168,– Euro lag, zahlte der Staat oder ihre Kinder. Sobald die Kinder pflegebedürftiger Eltern über ein Jahreseinkommen von über 100 000,– Euro verfügten, mussten sie für ihre Eltern zahlen.

    Noch einmal zur Erinnerung: Die pflegenden Angehörigen bekamen für einen Vollpflegefall mit Pflegestufe 4 monatlich 728,– Euro bezahlt. Und wenn sie selbst berufstätig waren, den Pflegedienst beauftragten, dann bekamen sie nichts von dem Pflegegeld. Jede Arbeit, die sie für ihre Eltern taten, war gratis. Sie verdienen unsere höchste Anerkennung!

    Für Sylvia war diese Erkenntnis sehr wichtig. Sie sah sich alle ihre Einsätze für die Eltern an, sie sah sich alle anderen Optionen der Elternbetreuung an und konnte damit ganz leidenschaftslos anerkennen, wir stark ihr eigener Einsatz war. Während der Corona-Pandemie kostete sie das 20 bis 25 Stunden in der Woche. Bezahlt bekam sie für die Pflege in einem Monat so viel, wie sie mit ihren Seminaren an einem Tag verdiente.

    Als sie nach dem Corona-Lockdown den Pflegedienst mit der Pflege beauftragte, blieben für sie vom Pflegegeld zwischen 120,– Euro und 310,– Euro im Monat übrig. Trotzdem machte sie die Arbeit weiter. Dafür verdient sie große Anerkennung.

    Noch dazu erbrachte ihr Bruder Richard einen starken Einsatz, der nicht einmal ein Pflegegeld bekam. In der Woche versorgte er Mutter jeweils einen Tag weniger als Sylvia. Er ließ auch die meiste Arbeit Sylvia tun. Trotz allem hatte er jede Menge für Mutter zu tun. Auch er machte viel in ihrem Haushalt. An seinen Einsatztagen kochte er genauso für sie, fuhr sie zum Zahnarzt, reparierte die Wasserhähne oder nahm andere handwerkliche Ausbesserungen in der Wohnung vor. Ihm gebührt ebenso viel Anerkennung.

    Das sind die Babyboomer, die unseren Senioren noch ein

    würdiges Leben in den eigenen vier Wänden ermöglichen.

    Sie verdienen unsere höchste Anerkennung!

    Es war einer der unzähligen Spätnachmittage, als Sylvia endlich von Mutter in ihr Büro zurückkehrte. Sie war frustriert und über alle Maße verärgert. Sie ärgerte sich hauptsächlich darüber, dass sie sich wieder einmal mehr von dieser Mutter vereinnahmen lassen hatte, als ursprünglich geplant. Heute war sie über vier Stunden bei ihr gewesen.

    Dazu fuhr sie jedes Mal eine halbe Stunde hin und eine halbe Stunde zurück. Das waren mehr als fünf Stunden! Heute hatte sie kurz vor zwölf die vorzubereitende Präsentation fallen gelassen, die Einkaufstaschen ins Auto gepackt und war 16 km in Mutters Wohnort gefahren.

    Dort war sie zum Markt gehechtet, um schnell Salsiccia (italienische Bratwurst), frische Salate, Focaccia und noch ein paar Kleinigkeiten einzukaufen. Bei ihr angekommen, hatte sie das Mittagessen frisch zubereitet und noch schnell die Waschmaschine angestellt. Während die Wäsche gewaschen wurde, aßen sie zu Mittag.

    Nach dem Essen räumte Sylvia die Küche auf, spülte alle Töpfe, die nicht in die Geschirrspülmaschine passten und setzte sich mit Mutter vor den Fernseher. Es war ihr Ritual, gemeinsam Nachrichten aus Italien anzusehen. Dieses Ritual war Mutter aus der Zeit ihrer 66-jährigen Ehe geblieben. Daran hielt sie fest: Nach dem Mittagessen gehörte ein Espresso mit Kleingebäck auf den Tisch. Manchmal war es ein Panettone oder frischer Erdbeerkuchen – je nach Jahreszeit. Das war ihr heiliges Ritual.

    Sylvia machte das mit, denn sie wollte ihr diese kleine Freude nicht verwehren. Schließlich war es ihr letzter Genuss, der ihr noch geblieben war.

    Nach dem Espresso massierte Sylvia ihr entweder den Rücken oder wusch ihr die Haare, bügelte die Wäsche oder erledigte andere Hausarbeiten. Danach brachte sie Mutter zu einem kleinen Spaziergang, denn sie konnte nicht mehr allein vor die

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