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KEINE ÜBERLEBENDEN
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eBook287 Seiten3 Stunden

KEINE ÜBERLEBENDEN

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Über dieses E-Book

Colonel John Clayton, ein Scout der US-amerikanischen Grenztruppen, wird schwer verwundet und schließlich von Crazy Horse, dem Kriegshäuptling der Sioux, adoptiert und in den Stamm aufgenommen. Die leidenschaftliche Liebe zu einer jungen Indianerfrau trägt Zwiespalt in seine Seele und führt ihn auf einen Grenzpfad tragischer Einsamkeit zwischen Weißen und Indianern.

Sein aufrichtiger Versuch, General George A. Custer vor der Schlacht am Little Big Horn zu warnen, scheitert. Jeder sieht in ihm einen Verräter, und so findet er als Ausgestoßener aus zwei Welten in den Winterstürmen des Nordens ein düsteres Ende...

Henry Wilson Allens Roman-Erstling Keine Überlebenden (No Survivors, 1950), verfasst unter dem Pseudonym Clay Fisher, beschreibt das Schicksal von John Clayton vor dem farbigen Hintergrund des historischen Geschehens mit einer weitreichenden Einsicht in das geschichtliche Quellenmaterial. Und er lässt John Clayton selbst erzählen – mit einer kargen Sprache von großartiger Unmittelbarkeit und mitreißender Bildkraft.

Der Apex-Verlag präsentiert diesen Klassiker der Western-Literatur in seiner Reihe APEX WESTERN als neue und ungekürzte deutsche Übersetzung, ergänzt um ein Essay von Dr. Karl Jürgen Roth.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum13. Feb. 2018
ISBN9783743855687
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    Buchvorschau

    KEINE ÜBERLEBENDEN - Clay Fisher

    Das Buch

    Colonel John Clayton, ein Scout der US-amerikanischen Grenztruppen, wird schwer verwundet und schließlich von Crazy Horse, dem Kriegshäuptling der Sioux, adoptiert und in den Stamm aufgenommen. Die leidenschaftliche Liebe zu einer jungen Indianerfrau trägt Zwiespalt in seine Seele und führt ihn auf einen Grenzpfad tragischer Einsamkeit zwischen Weißen und Indianern.

    Sein aufrichtiger Versuch, General George A. Custer vor der Schlacht am Little Big Horn zu warnen, scheitert. Jeder sieht in ihm einen Verräter, und so findet er als Ausgestoßener aus zwei Welten in den Winterstürmen des Nordens ein düsteres Ende...

    Henry Wilson Allens Roman-Erstling Keine Überlebenden (No Survivors, 1950), verfasst unter dem Pseudonym Clay Fisher, beschreibt das Schicksal von John Clayton vor dem farbigen Hintergrund des historischen Geschehens mit einer weitreichenden Einsicht in das geschichtliche Quellenmaterial. Und er lässt John Clayton selbst erzählen – mit einer kargen Sprache von großartiger Unmittelbarkeit und mitreißender Bildkraft.

    Der Apex-Verlag präsentiert diesen Klassiker der Western-Literatur in seiner Reihe APEX WESTERN als neue und ungekürzte deutsche Übersetzung, ergänzt um ein Essay von Dr. Karl Jürgen Roth.

    KEINE ÜBERLEBENDEN

    ERSTER TEIL

      1.

    Die Geschichte spricht mit vielen Zungen - und nicht alle berichten wahrheitsgemäß.

    Es mag zutreffend sein, dass man Captain Keoghs Pferd Comanche als einziges lebendes Wesen achtundvierzig Stunden nach Custers letzter Schlacht an den Ufern des Little Bighorn gefunden hat - wie die Geschichtsbücher berichten. Doch es stimmt nicht, dass das Pferd der letzte Überlebende von General Custers Kommando gewesen ist. Denn es gab noch einen weiteren Überlebenden - aber achtundvierzig Stunden später war dieser bereits weit entfernt von dem Schlachtfeld und den schweigenden Toten. Und er ritt fort - hinaus aus den Blättern der Geschichte.

    Ich selbst... war dieser Überlebende.

    Diese Aufzeichnungen sollen das Andenken an General George Armstrong Custer nicht trüben, der in unserem Volk als Nationalheld weiterlebt. Aber ich sah ihn sterben, und das Wissen um diese tragischen letzten Stunden will in mir nicht zur Ruhe kommen.

    Als ich sechzehn war, entflammte der Krieg zwischen den Staaten. Binnen eines Jahres war ich Captain, und wiederum genau ein Jahr später wurde ich nach den Ereignissen von Chickamauga Stabsoffizier. Die nächsten acht Monate diente ich unter dem Kommando von J. E. B. Stuart, und ich wurde wieder befördert; diesmal in Spottsylvania zum Colonel. Damals war ich neunzehn Jahre und sieben Monate alt.

    In jener Nacht, in der Lee - der Oberkommandierende der Südstaaten - seinen letzten Kriegsrat in dem Wäldchen außerhalb von Appomattox einberief, war ich einundzwanzig und Colonel in der Kavallerie der Konföderierten.

    Auf dem Papier erscheint dies alles sehr einfach. Aber ich hatte den Krieg als furchtbare Feuerprobe erlebt, da es mein Los war, immer in seiner heißesten Glut zu stehen. Und wenn ich auch nicht der härteste Mann in diesen Feuergluten geworden war, so bin ich bestimmt auch nicht der weichste geblieben.

    Vielleicht klingt das unbescheiden. Einem, der noch nie die Zähne auf seinen Pistolenlauf gebissen hat, wenn ihm ein Armeechirurg mit schmutzigen Fingern eine Yankee-Kugel aus den Eingeweiden holte, mag das so erscheinen. Vielleicht auch dem, der sich nicht selbst in den Arm biss, um nicht wie ein Weib zu schreien, als ihm eine Ordonnanz Salzsäure in einen Säbelhieb am großen Rückenmuskel goss.

    Einem Jungen aber, der das alles selbst erlebte, während seine Altersgenossen über Rechenaufgaben brüteten oder mit den Mädchen scherzten, muss diese Feststellung nüchtern erscheinen.

    Damals glaubte ich noch, ich könnte die Geschehnisse bei Appomattox unberührt hinnehmen. Doch als Lee in jener Nacht die Totenmesse der Konföderation las, hätte einem Stein das Herz brechen können.

    Unsere Armee war zerschlagen, aber sie focht noch wütend, als Lee um drei Uhr Ordonnanzen sandte und fragen ließ, ob wir Fortschritte machten. Ich stand als Kavallerie-Verbindungsoffizier bei General Gordon und hörte seine Antwort.

    »Melden Sie General Lee«, sagte er ruhig, »dass mein Kommando zerschlagen ist. Wenn Longstreet mich nicht unterstützt, komme ich nicht weiter.«

    Später erzählte mir Colonel Venable, Lees Adjutant, der alte Krieger habe bei dieser Meldung eine volle Minute in die Dunkelheit gestarrt, ehe er langsam sagte: »Dann bleibt mir nichts anderes übrig, als General Grant von der Union aufzusuchen - und doch würde ich lieber tausend Tode sterben.«

    Die folgenden Ereignisse an unserem Frontabschnitt führten mich zum ersten Male mit jenem Manne zusammen, der in meinem eigenen Leben eine so schicksalhafte Rolle spielen und mit seinem rätselhaften Tod eines der größten militärischen Geschehnisse seiner Zeit herbeiführen sollte. Ich sah ihn das erste Mal, als er neben unserem Unterhändler, Colonel Green Peyton, von der Unionsseite her zu unseren Linien geritten kam.

    Unsere Botschaft an den feindlichen Kommandeur hatte gelautet: General Gordon hat von General Lee eine weiße Flagge erhalten, um die Schlacht abzubrechen. Der Kommandeur der Union war der verhasste Sheridan. Wir Angehörigen von Gordons Stab hatten also die hässliche Aufgabe vor uns, Little Phil geziemend zu empfangen.

    Man stelle sich unsere Gefühle vor, als nicht Sheridan mit Peyton zurückkehrte, sondern ein unbekannter Unionsgeneral, dessen Erscheinung so ungewöhnlich war, dass wir ihm schweigend entgegenblickten.

    Makellos waren seine Haltung und die Bewegung im Sattel. Obwohl wir als Männer aus dem Süden an Reitkünste gewöhnt waren, hatte noch keiner von uns einen besseren Reiter gesehen. Der Mann war groß - und so schlank wie eine Frau - aber mit einer stählernen Biegsamkeit. Sein Haar fiel in langen Wellen bis auf die Schultern, und in der Morgensonne dieses Begräbnistages schimmerte es goldgelb.

    Ein aufgeregter Schütze in der Reihe neben mir murmelte laut: »Schau dir sein Haar an: gelber als ein Kornfeld im August!«

    Dieser prächtige Offizier galoppierte an General Gordon heran und brachte sein Tier in einer kunstvollen Parade dicht vor ihm zum Stehen. Er salutierte mit dem Degen und sagte:

    »General Gordon - ich bin General Custer und überbringe Ihnen eine Botschaft von General Sheridan. Der General wünscht, dass ich Ihnen seine Komplimente ausspreche. Weiter fordert er die augenblickliche und bedingungslose Übergabe aller Truppen unter Ihrem Befehl.«

    Gordon antwortete mit weißen Lippen: »General, erwidern Sie die Komplimente an General Sheridan, und sagen Sie ihm, dass ich mich nicht bedingungslos ergebe.«

    Daraufhin sagte der Unionsoffizier unbeeindruckt: »Falls Sie irgendwelche Zweifel wegen Ihrer Übergabe haben sollten, lässt Ihnen General Sheridan sagen, dass er Ihre Truppen umzingelt hat und sie innerhalb einer Stunde vernichten kann.«

    General Gordon blieb fest und erklärte, er könnte die eigene Lage besser überschauen als andere, und wenn General Sheridan die Verantwortung für ein weiteres Gemetzel übernehmen wollte, so wäre das seine Sache.

    Custer salutierte und wendete sein Pferd, aber anstatt fortzureiten, hielt er gerade vor mir. Er grüßte und schaute mich beharrlich an. Einigermaßen verwirrt, erwiderte ich den Gruß, und dann saßen wir beide da und starrten uns an. Fieberhaft suchte ich nach einer Erklärung für diese Auszeichnung, und ich fand sie auch, ehe er sprach.

    Als sich Custer unserem Kommando näherte und noch etwa siebzig Meter entfernt war, hatte ein unritterlicher Schütze der Konföderierten seine Muskete gehoben, als wollte er auf ihn feuern. Ich hatte die Bewegung bemerkt, ihm das Gewehr aus der Hand geschlagen und nach hinten die Anordnung gegeben, ihn zu arretieren, ohne dabei den Blick von dem heranreitenden Offizier zu wenden. Der Soldat war ein Gebirgler aus Tennessee und einer unserer sichersten Schützen. Ich war zufrieden: Custer war nicht mehr als einen Fingerdruck vom Tode entfernt gewesen, und die Ehre der Konföderierten Armee nicht weniger weit davon, für alle Zeiten beschmutzt zu sein.

    Doch die ganze Angelegenheit erschien so nichtssagend gegen das sich abspielende große Drama, dass sogar die Leute unserer eigenen Kompanie sie kaum beachteten. Es schien unglaubhaft, dass Custer jenes kleine Zwischenspiel bemerkt hatte.

    »Colonel...« - seine Stimme klang verwirrend tief - »...meine Hochachtung! Zweifellos haben Sie mir das Leben gerettet. Ich werde mich daran erinnern, falls sich unsere Wege wieder kreuzen sollten.«

    Schon im Fortreiten deutete er auf den Soldaten, der auf ihn schießen wollte, und er fragte mich: »Darf ich einen Befehl erteilen, Colonel?«

    Ich nickte mechanisch, und er rief den Corporal, dessen Kommando den Schützen bewachte.

    »Corporal! Lassen Sie den Mann frei und geben Sie ihm sein Gewehr zurück.«

    Dann riss er sein Pferd scharf herum und salutierte mit dem Degen vor der ganzen Linie. Seine letzten Worte in ihrem heiseren Ton werden mir immer in Erinnerung bleiben.

    »Meine Komplimente der unvergleichlichen Konföderierten Armee!«

    In einem Augenblick war er verschwunden und jagte den eigenen Linien zu.

      2.

    Ich werde nicht weiter vom Sterben der Südstaaten bei Appomattox berichten. Die kurze Zusammenfassung mag als Vorwort für die wirkliche Geschichte meines Lebens dienen - für die Saga vom Zug nach dem Westen, die dann begann, als ich nach der Übergabe vergeblich versucht hatte heimzukehren.

    Meine einzigen Besitztümer auf dieser Reise nach Westen waren meine Kampferprobtheit, mein Pferd und ein alter Colt-Revolver. Wir drei zusammen boten vermutlich kein sehr vertrauenerweckendes Bild.

    Hussein, die Grundlage des verwahrlosten Trios, trug viel zu diesem verheerenden Erscheinungsbild bei. Er war ein prächtiger Hengst, der angeblich reines Araberblut in seinen Adern haben sollte, und nach der Schlacht von Chickamauga hatten ihn mir meine Soldaten geschenkt.

    Auf irgendeine Weise hatte er die beiden letzten Kriegsjahre überlebt - doch um welchen Preis! Eine Kugel hatte eine Furche über seine fünf letzten Rippen gepflügt. Aus Gründen der Symmetrie trug er auf der anderen Seite ein halbes Dutzend fußlanger Säbelhiebe. Sein linkes Ohr war von einer feindlichen Kugel zerfetzt worden, die sicherlich mir gegolten hatte, nun hing es trübselig herab. Sein Winterfell war struppig; Mähne und Schweif zeigten gleichermaßen die Spuren von Kugeln und Säbelhieben, und diese ehrenvollen Narben leuchteten in einem gespenstischen Weiß. Allgemein erinnerte er an einen Waschbär-Hund, der nur mit Bachwasser gefüttert wurde. Er war eine so echte Rosinante wie ich ein echter Südstaaten-Don-Quichote war. Kurzum, er war so dünn, dass sein Schatten Löcher hatte.

    Allerdings war nicht nur sein Äußeres unerfreulich. Sein gewöhnlicher Geisteszustand schwankte zwischen der Stimmung eines verwundeten Grizzly-Bären und eines brünstigen Elches. Er hasste die Menschheit im Allgemeinen und Frauen im Besonderen und brachte andere Pferde lieber um, als dass er sie anschaute. Zwei Dinge an ihm waren kerngesund: seine Lungen und sein Herz. Die Lungen hatten nie Erschöpfung gekannt, und sein Herz war stark wie ein Nagelfass. Nur ein Gefühl hatte darin Platz: die Liebe zu mir.

    Ich war der rechte Gefährte für das Biest. Nicht nur das Uniformgrau gab meiner Kleidung die Farbe, sondern ich war vom Stetson-Hut abwärts bis zu den aufgerissenen Spitzen meiner Kavalleriestiefel von einem Staubschleier bedeckt. Dieser Schmutz verschönte kaum meine ohnehin von der Natur nicht begünstigten Züge. Zufällig hatte ich einmal gehört, wie ein Schütze mich folgendermaßen einem Melder beschrieben hatte.

    »Colonel Clayton findest du am linken Flügel vorn. Musst nur dorthin schauen, wo die Kugeln am dichtesten fliegen und der Rebellenruf am lautesten ertönt. Er ist ungefähr drei Axtstiele lang und einen breit an der Schulter. Wenn du ihn daran noch nicht erkennst, dann suche nach einem Cherokee-Gesicht mit einem Schnurrbart so schwarz wie ein Yankee-Herz und starrer als der einer Wildkatze. Wenn du ihn immer noch nicht findest, stoße den Rebellenruf aus. Der erste Offizier, der dann brüllt: »Vorwärts Leute! Das ist er.«

    Diese Darstellung meiner persönlichen Reize braucht wohl nicht weiter ergänzt zu werden. Die Mischung aus irischem und kreolischem Blut hatte mir Gesicht und Hautfarbe verliehen, die einem mörderischen Eingeborenen angemessener gewesen wären als einem Gentleman aus Georgia.

    Man möchte kaum glauben, dass ein einfacher Revolver so viel Persönlichkeit besitzt, um eine Beschreibung nötig zu machen. Doch der Colt, der seit der ersten Schlacht bei Manassas an meiner Seite hing, hatte sich diese Auszeichnung reichlich verdient. Old Cottonmouth hatte ihn ein längst vergessener Soldat deshalb getauft, weil er so viele Yankees mit echter Südstaaten-Höflichkeit willkommen geheißen hatte.

    Dieses zartbesaitete Dreigespann erschien im Frühling 1866 - über ein Jahr nach Appomattox - auf dem Marktplatz von Kansas City. So lange hatte ich gebraucht, um zu lernen, dass die Yankees Wiederaufbau und Vernichtung genau gleich buchstabieren.

    Zuerst hatte ich die Erfahrung gemacht, dass Sheridans Wort, der Krieg sei die Hölle, hervorragend auf die Pflanzung der Claytons passte. Meine Mutter war gestorben - die beiden Schwestern nach Norden gegangen.

    Ich trieb mich dort in der Gegend herum und hantierte mit Würfeln und Karten - von Macon bis Mobile und von Augusta bis Austin. Als Spieler fuhr ich auf einem Dampfer den Mississippi hinauf. In Memphis wurde ich angeschossen und verlor mein Geld und dreißig Pfund Gewicht. Mit dreiundzwanzig Jahren reiste ich wieder nach Hause: ein Grenz-Rowdy, Kartenhai und Hansdampf in allen Gassen. Ich war in Texas gewesen, und dort hatte es mir nicht gefallen. Aber ich war auch oben am Fluss gewesen und hatte von Kansas City, vom Oregon-Trail und von Kalifornien reden gehört.

    In den späten sechziger Jahren war Kansas City der größte von allen Fleischtöpfen an der Grenze, und der Marktplatz war der Mittelpunkt. Hierher kam der Abschaum der Grenze, um sich zu amüsieren. Hier blieben die Rinderleute, Händler, Trapper und Büffeljäger den Sommer über bis zum nächsten harten Winter. Hier holten die Auswanderer, Fuhrleute, Scouts und Wagenzug-Führer noch einmal in Ruhe Atem, bevor sie mit ihren Prärieschonern in die gefährliche indianische See hinaussegelten.

    Alle Güter des verweichlichten Ostens gab es hier für die Angehörigen der rauen Hirschlederbrigade zu kaufen. Mein Hauptproblem war, wie ich mir eine Ausrüstung beschaffen konnte. Ein dringendes Problem zweifellos, doch die Ausführung war für mich vorerst schleierhaft.

    Am Tage nach Appomattox hatte ich meinen Degen an einen nach Andenken lüsternen Unions-Lieutenant für zwanzig Dollar verkauft. Ich klärte meinen Wohltäter dahingehend auf, dass mir General Gordon die Klinge als Dank für treue Dienste verehrt hätte. Mein Gewissen fühlte sich nicht davon belastet, dass ich die Waffe erst am Tage zuvor einem glücklosen Unteroffizier der Yankees abgewonnen hatte. Alles ist erlaubt - im Frieden wie im Kriege.

    Das Geld hielt noch einsame Wache in meiner Brusttasche. Wenn dieses goldene As eine Ergänzungskarte brauchen sollte, dann hing in meinem Pistolenhalfter noch ein guter Trumpf in Gestalt des Colts.

    Wir drei also - der alte Colt, das Goldstück des Leutnants und ich - wir gingen vom Marktplatz los, um unser Glück zu versuchen. Husseins Zügel hatte ich mitten auf dem von Leben wimmelnden Marktplatz fallen gelassen. Ich hatte keine Angst, Hussein bei meiner Rückkehr dort nicht mehr vorzufinden. Denn ihn zu berühren oder gar fortzuführen, das hätte jeden gebrochene Knochen gekostet.

    Für mich steht es fest, dass ein Gentleman aus dem Süden vom Trinken und vom Kartenspielen etwas verstehen muss. Meine Erziehung mit Karten und Whisky hatte früh begonnen und lange gedauert. Mir schwebte jetzt vor, als freundliches Mittel der Selbsterhaltung ein kleines Pokerspiel zu versuchen.

    Es dauerte auch gar nicht lange, bis ich ein Spiel fand, in das sich ein Mann einkaufen konnte. Schon von weitem sah ich, dass es um hohe Einsätze ging. Fünf hartgesottene Männer hatten im Schatten eines Mietstalles eine Decke auf dem Boden ausgebreitet. Das Spiel war im Gang, und die Einsätze waren hoch. Eine Galerie von Gesindel schaute ringsum zu. Mit den Ellbogen schob ich mich nach vorn und beobachtete das Spiel einige Minuten lang.

    Die größten Räuber waren seit je die berufsmäßigen Kartenhaie, die auf freigebige Büffeljäger lauerten. Diese Herrschaften mit den flinken Fingern gaben sich das Ansehen von ehrbaren Trappern und Siedlern, und in Wirklichkeit warteten sie nur auf eine günstige Gelegenheit, um den gemästeten Ochsen der Grenze das Fett abzunehmen. Gewöhnlich arbeiteten sie zu zweien, und ein geschicktes Team machte in einer guten Saison große Gewinne - und eine gute Saison war jede, an deren Ende man noch am Leben war.

    Nach der Art ihres Gewerbes waren die Kartenhaie meistens erfahrene Revolverleute. Die Spielmethode blieb immer gleich: Sie bauten ein Spiel auf, indem sie zuerst verloren, und dann ruinierten sie mit hohen Einsätzen den Gewinner unbarmherzig, jede Reklamation über Art und Weise des Spiels wurde von diesem Zeitpunkt an mit den Waffen beantwortet. Sobald der ahnungslose Spieler den Mund auftat, um nach einer zweifelhaften Karte zu fragen, wurde er rücksichtslos hinter seinem Blatt erschossen.

    Drei Runden genügten mir, um festzustellen, wo der Leopard die Flecken hatte. Das Spiel war so krumm wie das Hinterbein eines streunenden Hundes und doppelt so dreckig.

    Ich trat aus dem Kreis der Zuschauer, nahm den alten Colt aus dem Halfter, drehte den Zylinder, prüfte den Hahn und schob die Waffe vorsichtig an ihren Platz zurück. Als ich den Kreis wieder erreichte, hatte eben ein Spieler mit bleichem Gesicht seinen Platz verlassen. Ich trat an seine Stelle, ließ mich auf ein Knie nieder und fragte nach Karten. Man gab sie mir, und ich schob beim Aufnehmen vorsichtig den Pistolenhalfter ein wenig griffbereiter.

    »Wenn niemand Einwände erhebt, wollen wir ehrliches Poker spielen«, sagte ich sanft.

    Kein Wort unterbrach das leise Fallen der Karten. Die zwei Männer, die das Spiel aufgebaut hatten und denen ich gegenüber kniete, sahen mich von unten über die Decke weg an, als die letzte Karte fiel, und das Spiel ging weiter, ohne dass sie mich eines zweiten Blickes würdigten.

    In wenigen Runden hatte ich mit einem für ehrliches Poker unnatürlichem Glück eine beträchtliche Summe gewonnen. Und nun begann das Spiel, auf das ich gewartet hatte. Aus dem Reizen war zu erraten, dass jeder ein großes Blatt zugeteilt erhalten hatte. Rechts von mir wurde eröffnet, und ich steigerte. Der Mann zu meiner Linken - ein affenäugiger Prospektor - steigerte ebenfalls. Auch die beiden Kartenhaie steigerten sich noch gegenseitig. Der letzte passte. Wie das Spiel nun stand, hieß es, die Lage noch einmal zu überblicken.

    Links gegenüber saß der kleinere der beiden Hartgesottenen. Er war dürr, mit schnellen, nervösen Bewegungen, dünnlippig und mit einem wirren Ziegenbart. Es wäre leichtsinnig gewesen, diesen übernervösen Typ bei einer Schießerei zu unterschätzen.

    Der andere war groß und ruhig und glich nicht ganz der Vorstellung, die man von einem Kartenhai hatte. Wenn man seine gelassenen Hantierungen mit Karten und Geld beobachtete, gewann man den Eindruck einer tierhaften Kraft und Sicherheit. Er sprach während des ganzen Spiels kein Wort, und sein Bieten und Kartenfordern war nur ein einsilbiges Grunzen.

    Sein Alter war schwer zu schätzen - wahrscheinlich nicht unter fünfunddreißig. Er war wie ein Büffeljunge gekleidet, und zwei Colts des neuesten Modells hingen tief und weit vorn an seinen massigen Oberschenkeln. Gegen die Mode trug er den Schnurrbart kurz gestutzt, und im Übrigen war er glattrasiert. Dichtes Haar von eigenartiger aschgrauer Farbe quoll unter seinem Schlapphut hervor. Die Präriesonne hatte seine Haut fast mahagonibraun gebrannt. Zu den verwaschen-hellen Augen und dem grauen Haar bildete das einen unvergesslichen Gegensatz.

    Wir nahmen Karten. Der Grauhaarige, der Slate genannt wurde, gab.

    Ich hatte drei Damen und zog die vierte und einen Buben. Die einzigen Laute kamen von denen, die zusahen: hin und wieder ein Keuchen, ein nervöses Räuspern, das Knirschen von Sohlen auf dem Sand. Ohne mich umzublicken, wusste

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