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D9E - Die neunte Expansion: Das Spingledeck-Gambit
D9E - Die neunte Expansion: Das Spingledeck-Gambit
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eBook279 Seiten3 Stunden

D9E - Die neunte Expansion: Das Spingledeck-Gambit

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Über dieses E-Book

Alle sind sie für den Frieden - nur herrscht Uneinigkeit, wie dieses Ziel zu erreichen ist. Als sich die Allianz gegen die Hondh zu einer Gipfelkonferenz trifft, drohen die Streitigkeiten offen auszubrechen. Hardliner im Militär fordern mehr Waffen und mehr Freiheit, um den totalen Krieg ausrufen zu können – und andere wollen ihre Vision eines Lebens unter der gnadenvollen Herrschaft der Hondh verwirklicht wissen. Dazwischen:die Crew der Interceptor, die für die beide Seiten nur als Störenfried gilt und dennoch in die Intrigen hineingezogen wird, ob sie nun will oder nicht. Als ein alter Admiral versucht, mit einem gewagten Spiel die Krise für seine Pläne zu nutzen, droht eine politische und militärische Katastrophe – alles beruht auf einem Gambit, dessen Ausgang völlig unkalkulierbar erscheint.
SpracheDeutsch
HerausgeberWurdack Verlag
Erscheinungsdatum19. Juni 2017
ISBN9783955560676
D9E - Die neunte Expansion: Das Spingledeck-Gambit
Autor

Dirk van den Boom

Dirk van den Boom, geb. 1966, arbeitet eigentlich als Consultant und ist Professor für Politikwissenschaft. Als Science-Fiction-Autor hob er die Serie 'Rettungskreuzer Ikarus' aus der Taufe. Neben seinem Engagement für 'Die neunte Expansion' veröffentlicht er regelmäßig weitere Romane in seinem Military-SF-Zyklus um den Tentakelkrieg sowie der alternative-history-Serie um die Kaiserkrieger. Darüber hinaus ist er als Übersetzer tätig.

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    Buchvorschau

    D9E - Die neunte Expansion - Dirk van den Boom

    Epilog

    1

    »Es gibt solche und solche.«

    Admiral Edward Spingledeck sah von seinem dickbauchigen Glas auf. Er saß direkt unter dem altehrwürdigen Wappen der XVI. Flotte des Terranischen Imperiums, eine militärische Einheit, die es seit über 500 Jahren nicht mehr gab, deren Taten während der Achten Expansion aber in den Kreisen diverser Kolonialmilitärs in Ehren gehalten wurden. Man musste sich ja auf irgendwas besinnen, und gerade auf den Welten, die von fliehenden Menschen besiedelt waren, hielt sich die Erinnerungen an die alte Hegemonie mit nostalgischer Verklärung. Die XVI. Flotte hatte viele Hondh getötet. Sie hatte auch zwei Aufstände militärisch niedergeschlagen, eine Tatsache, an die man sich nicht ganz so gerne erinnerte. Man pickte sich halt die Rosinen heraus, die einem besonders gut mundeten.

    Spingledeck stand damit in der gleichen Tradition wie seine beiden Kameraden, die sich mit ihm im Offiziersheim eingefunden hatten. Alle drei waren sie Menschen, keine Selbstverständlichkeit in der Verteidigungsallianz gegen die Hondh, und direkte Abkömmlinge ehrwürdiger Offiziersfamilien, die ihre Geschichte bis in die alte Hegemonie zurückverfolgen konnten. Admiral Spingledeck war der Älteste unter ihnen und wäre längst im Ruhestand, wenn nicht wieder die Hondh dazwischengekommen wären. Er hatte sich gut gehalten, strahlte eine unablässige Dynamik aus und schien niemals müde zu werden.

    Seine beiden jüngeren Kollegen hatten sich ebenfalls den Alkohol ihrer Wahl eingeschenkt. Die Farbtöne der Flüssigkeiten variierten von goldbraun bis schrillgrün, doch all den geistigen Getränken war gemeinsam, dass sie sündhaft teure Destillate waren. Man genoss, wenn man kommandierte. Außer, man verlor den Krieg.

    Wie es derzeit zu sein schien.

    Deswegen waren die drei Admirale einmal mehr in wichtiger Mission zusammengekommen.

    Admiral Fjodor Kenburn war schlank und hochgewachsen, ein Bilderbuchsoldat, mit einem Lächeln wie in einem Rekrutierungsvideo. Er achtete sehr auf sein Äußeres. Die Uniform saß makellos und war staubfrei, sie saß wie angegossen. Spingledeck betrachtete dies mit einem gewissen Neid. Seine eigene Gestalt hatte Wölbungen an Stellen, die sich schlecht durch einen geschickten Schnitt kaschieren ließen. Kenburn hatte nicht einmal Stellen.

    Admiralin Kendra Kos beachtete die Reize des Kameraden nicht. Sie war an diesem Abend sehr erschöpft, ihr schmales, normalerweise nicht unattraktives Gesicht wirkte müde und aufgebraucht. Sie kam von einer Schlacht zurück, in der die Hondh ihren Schiffen gezeigt hatten, wie man kämpfte und siegte. Sie hatte es mit Mühe in Sicherheit geschafft. Die hohen Verluste, der Tod von Freunden und Weggefährten, lag sichtlich auf ihrer Seele. Es war Trauer da, aber auch eine stille, tief in ihr lodernde Wut. Nach dieser letzten militärischen Katastrophe, über die sie kommandiert hatte, war ihre fanatische Bereitschaft, ihren gemeinsamen Plan zu verwirklichen, nur noch mehr angewachsen. Sie fühlte sich in der Gegenwart der beiden Männer unwohl. Das hatte nichts damit zu tun, dass es sich um Männer handelte, sondern sehr viel mit der Tatsache, dass sie hier saßen, um einen Militärputsch zu planen.

    Kenburn sprach.

    »Ich bin der Ansicht, dass wir sehr vorsichtig vorgehen müssen. Wir müssen uns absichern. Kleine Schritte machen. Ein falsches Wort …« Er machte eine Bewegung mit der Hand, streckte die Finger aus und spannte die Handfläche an. »Puff. Hochverrat. Militärgericht. Bei uns wird exekutiert für so was.«

    Mit »uns« meinte er die Prinzipalität von Endhor, der Staat, der ihn ausgebildet, gefüttert und befördert hatte, und dessen zivile Führung er ebenso zu stürzen beabsichtigte wie seine beiden Kameraden. Und viele weitere, die die Schnauze genauso voll hatten wie sie. Die drei Offiziere repräsentierten hochrangige Netzwerke aus einflussreichen Militärs aller Teilstreitkräfte und aller wichtiger Sternenstaaten in der Allianz. Es war keine kleine Kabale, die hier bei einem guten Schluck vor der getäfelten Wand saß. Es war ein Trio sehr mächtiger und mehr oder weniger entschlossener Anführer. Spingledeck und Kenburn sicher, Kos noch viel mehr. Dazu einige Politiker, die die Zeichen der Zeit erkannt hatten und bereit waren, auf die Sieger zu setzen. Es war unter anderem Sinn dieses Treffens, die letzten Vorbereitungen noch einmal durchzusprechen und sich auf den aktuellen Stand der Dinge zu bringen.

    Sie taten es nicht für sich. Es ging nicht um persönliche Macht.

    Es ging um die Zukunft. Den Sieg. Die Rettung vor den Hondh. Ihrer aller Schicksal. Da durfte man nicht kleinlich sein.

    »Vorsicht, ja«, sagte Spingledeck. »Aber kein Kleinmut. Wir müssen irgendwann Risiken eingehen. Was wir vorhaben, ruft Widerstand hervor. Jeder Plan birgt in sich das Risiko des Scheiterns. Doch wenn wir zu ängstlich sind, werden wir niemals aktiv werden. Dann ist es irgendwann zu spät.«

    »Haben wir denn nun eine Vorstellung davon, wie viele Loyalisten es im Admiralsstab und in der Obersten Militärführung gibt?«, fragte Kos, und man sah ihr an, dass sie es leid war, mit vagen Angaben abgespeist zu werden.

    »Wir haben Dossiers«, sagte Kenburn. »Wir waren fleißig und sorgfältig. Wir haben sie alle im Blick, bis hinunter zum Dienstgrad eines Majors oder Captains, darüber hinaus haben wir auch eine Liste von hohen Unteroffizieren auf wichtigen Dienstposten. Wir haben Einschätzungen und natürlich die diversen Loyalitätsberichte. Seit die Hondhisten immer mehr Zustimmung gewinnen, sind die Militärgeheimdienste damit recht großzügig und wir sitzen ja ohnehin an der Quelle. Über unser Netzwerk …«

    »Wie viele?«, unterbrach ihn Kos, die für die Weitschweifigkeit Kenburns wenig Geduld hatte.

    »Ich würde sagen, ein Drittel beinharte Loyalisten. Ein Drittel indifferent bis unentschlossen. Ein Drittel ist unbedingt mit uns.«

    Spingledeck nickte. »Das deckt sich mit meiner Einschätzung.«

    Das war ein gewichtiges Urteil, denn der alte Admiral war der Chef des Vereinten Militärgeheimdienstes, und wenn jemand wirklich Bescheid wissen sollte, dann er.

    »Genügt das?«

    »Wir sind organisiert und haben einen Plan. Das Überraschungsmoment ist auf unserer Seite, wenn vorher nichts durchsickert.« Kenburn sah Spingledeck an. »Deswegen Vorsicht. Kleine Schritte. Sorgfalt. Äußerste Sorgfalt.«

    Kos sah von einem Mann zum anderen. Vor ihr stand ein Glas mit einer Art Vodka, jedenfalls hatte man dem Getränk diesen Namen gegeben. Sie hatte es bisher noch nicht angerührt.

    »Admiral Kos, wie stehen Sie zur letzten Phase? Sie kennen den Ablaufplan und Sie spielen mit Ihrem Geschwader eine zentrale Rolle darin. In zwei Wochen findet die Gipfelkonferenz der Allianzführung statt. Es ist der ideale Zeitpunkt, um unsere Pläne in die Tat umzusetzen. Die Konferenz ist von hoher symbolischer Bedeutung, und wir werden sie nutzen, um unsere neue Regierung einzuführen und alle Staatschefs in Sicherheitsverwahrung zu nehmen.«

    »Schutzhaft«, korrigierte Kenburn. »Sicherheitsverwahrung ist für gefährliche Triebtäter.«

    »Exakt. Sicherheitsverwahrung also«, betonte Spingledeck und sah wieder Kos an. »Wir müssen auf allen wichtigen Welten parallel zuschlagen, Admiral. Wir brauchen jene, die mit Ihnen sind und für die Sie sprechen.«

    »Ich kann für meine Leute die Hand ins Feuer legen. Ich habe sie natürlich nicht alle im Einzelnen durchleuchtet und weiß nicht ...«

    »Unsinn«, knurrte Spingledeck und für einen Moment durchbrach echter Ärger seine joviale Maske. »Machen Sie uns nichts vor. Sie genießen höchstes Ansehen, gelten als integer und pflichtbewusst. Und Sie haben oft genug das Wort gegen militärische Fehlentscheidungen der zivilen Führung erhoben, und fast jedes Mal hatten Sie damit auch absolut Recht. Wenn Sie sich auf unsere Seite schlagen, dann haben wir schon so gut wie gewonnen.«

    Er senkte die Stimme. »Kos, wir machen Sie zur Oberkommandierenden. Zur Chefin des Admiralsstabes. Volle operative Kontrolle. Niemand pfuscht Ihnen mehr ins Handwerk.«

    Die Frau sah die beiden Männer forschend an.

    »Und Sie? Wollen Sie tatsächlich so weit gehen und in so einem Fall meine Untergebenen werden?«

    »In militärischen Fragen? Sicher. Warum nicht. Machen wir uns nichts vor, von uns kann Ihnen auf diesem Gebiet niemand das Wasser reichen. Kenburn und ich aber werden Aufgaben der Zivilverwaltung übernehmen. Wenn wir das nicht tun, lassen wir jenen, die wir abgesetzt haben, zu viel Spielraum.«

    »Rückzugsräume«, sagte Kenburn. »Wir schaffen Rückzugsräume. Das ist nicht gut. Wir benötigen die vollständige Kontrolle über die gesamte Verwaltung. Wir dürfen keine halben Sachen machen. Sie führen den Krieg, Admiral Kos. Spingledeck und ich halten Ihnen den Rücken frei. Die mit uns verbündeten Politiker geben uns den Anschein der Legitimität.«

    Kos nickte.

    »Das militärische Oberkommando? Ich meine – ohne, dass mir irgendwer hineinredet? Alle notwendigen Ressourcen?«

    »Und wenn wir sie alle dafür auspressen müssen, bis ihnen die Luft wegbleibt«, bestätigte Spingledeck.

    »Was ist mit den Hondhisten? Die Religioten werden immer stärker! Sie beeinflussen die Politik und wir wissen ja, dass sie ebenfalls etwas planen. Das Gipfeltreffen ist auch für sie …«

    »Das Problem werden wir lösen«, sagte Kenburn entschieden. »Wir werden die Sekte der Hondhisten verbieten und verfolgen, ihren Einfluss beschneiden, ihr Eigentum konfiszieren und ihre Führer inhaftieren. Die einzig logische Anklage kann nur die auf Hochverrat sein.«

    Kos nickte zufrieden. Das hatte sie hören wollen. Wer auf Frieden und Ausgleich beharrte, ohne das Wesen des Feindes zu erkennen, und das zum Preis permanenter Unfreiheit, hatte es nicht verdient, länger mit Respekt behandelt zu werden.

    »Und was die Pläne der Hondhisten für den Gipfel angeht«, sagte Spingledeck. »Überlassen Sie das mal schön mir. Ich werde die Sache unter Kontrolle halten. Ihnen gehört der Orbit, ich kümmere mich um die Landratten.«

    »Gut«, sagte sie leise. »Ich nehme Sie beim Wort, meine Herren. Den militärischen Oberbefehl und ein Ende der Hondhisten. Das ist es, wofür ich eintrete.«

    »Das ist, was Sie bekommen werden«, bekräftigte Spingledeck. »Dann bleibt es beim Plan?«

    »Auf jeden Fall«, sagte Kos mit plötzlicher Entschlossenheit in der Stimme. Ihre Erschöpfung, die sie eben noch wie einen Umhang um sich gewickelt hatte, war wie fortgeblasen. Das Glitzern in ihren Augen war ein Indiz dafür, dass sie nun bereit war, alles in die Waagschale zu werfen.

    »Was gibt es noch zu besprechen?«

    Die drei Offiziere steckten die Köpfe zusammen. Ihr Gespräch wurde zu einem kaum wahrnehmbaren Gemurmel. Sie mussten hier nichts befürchten, hatten den Ort bewusst ausgewählt. Hier war man sich einig.

    Die Regierung musste weg. Alle von ihnen. Und der Krieg musste endlich richtig geführt werden. Dafür war man zu jedem Opfer bereit.

    Vor allem auf Seiten ihrer Gegner.

    2

    »Dieser Krieg muss endlich richtig geführt werden«, erklärte Thrax und steckte sich einen Muffin in den Mund. Die Füllung trat zur Seite aus und tropfte aus seinen Mundwinkeln, so dass er sie hastig abwischen musste, damit nichts auf seine Uniformhose tröpfelte.

    Er sah Skepz an, die ihn wiederum erwartungsvoll musterte. Möglicherweise erwartete sie eine genauere Ausführung seiner Vorstellungen, vielleicht gar fertig ausgearbeitete strategische Pläne. Stattdessen schloss Thrax die Augen und konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf das, was sich in seiner Mundhöhle befand und damit befasst war, diese zuzukleben.

    »Waff ifft daff?«, fragte er mit einem bewundernden Unterton. Skepz lächelte. Thrax kaute vorsichtig, ein sanfter Ausdruck von Verzückung in seinen Zügen.

    »Marmelade aus beldurischen Süßtrauben. Schmeckt es?«

    »Köfftlich!«, brachte Thrax mit einiger Mühe hervor und seine Hand tastete nach der Teetasse. Mit etwas mehr Hast als erwartet führte er sie zum Mund und spülte sich den völlig verklebten Mundinnenraum frei. Jetzt konnte er wieder atmen und auch seine Artikulationsfähigkeit hatte sich deutlich verbessert. Der leicht verzückte Ausdruck aber blieb und er schaute seine Lebensgefährtin mit unverhohlener Bewunderung und ein klein wenig Erstaunen an.

    »Ich wusste nicht, dass du backen kannst«, sagte er und achtete darauf, in der implizierten Bewunderung nicht nachzulassen, da dies seines Wissens nach ein essentieller Bestandteil vorausschauender Beziehungsarbeit war.

    »Kann ich auch nicht«, entgegnete Skepz trocken. »Diese Muffins sind ekelhafter Kleister. Aber ich sehe, dass du zum Wohle unserer Beziehung zu leiden bereit bist. Ich erkenne das an, Alfonso. Sehr lobenswert.«

    Thrax schaute auf die Krümel vor sich auf dem Tisch. Er sah ein, dass er vorgeführt worden war. Es half ihm, dass er zuvor eine Äußerung gemacht hatte, zu der er jetzt elegant zurückkehren konnte, um zu vermeiden, sich selbst weiter in die Bredouille zu bringen.

    »Wir führen den Krieg zu halbherzig. Wir tun so, als seien die Hondh ein Feind, der Vernunftgründen zugänglich sei, der das Konzept von Gnade, Zurückhaltung und Kompromiss versteht. Das tun die Hondh nicht. Wir oder sie. Nein, halt. Es gibt nicht einmal ein oder. Für einen Hondh gibt es nur einen Hondh. Also darf es für uns nur uns geben. Aber diese Politiker …«

    Thrax warf in gespielter Verzweiflung die Arme in die Luft. Nein, nicht ganz und gar gespielt. Es war genug Ernst in der Geste, dass Skepz ihn besorgt ansah.

    »Wir machen doch Fortschritte«, sagte Skepz. »Wir wissen jetzt sogar, wie ein lebender Hondh aussieht und agiert. Das war zu unserer Zeit etwas, das wir nie erreicht haben.«

    »Ja, und? Ich bin nicht beeindruckt. Ob wir nun wissen, wie ein Hondh unter den Achseln riecht oder nicht, das Problem liegt doch woanders: sie haben Ressourcen, sie haben eine Strategie, sie haben Geduld und Entschlossenheit, sie nehmen keine Rücksicht und haben keine Skrupel – und die Allianz kämpft wie ein Hühnerstall, in den der Fuchs eingebrochen ist. Ich sehe da großen … Koordinierungsbedarf.«

    Skepz sah Thrax zweifelnd an.

    »Du hörst dich an wie manche Stimme, die ich in den Messen und Bars vernehme – jene, in denen sich die Captains treffen, du weißt schon.«

    Thrax nickte schmerzlich. Natürlich wusste er. Aus diesen Kreisen war er nun ob seines exaltierten Ranges ausgeschlossen. Der Preis seiner Beförderung und damit auch ein Ende der informellen, kameradschaftlichen Nähe zu Offizieren, die 500 Jahre jünger waren als er. Jetzt war er durch eine doppelte Kluft von ihnen getrennt, und die anderen Mitglieder des Admiralsstabes betrachteten ihn oft mit Neid, Zweifel und Abneigung. Er wusste zu viel. Er hatte zu oft Recht. Und er hielt nichts davon, mit den Politikern zu kuscheln, als ob diese auch nur einen blassen Schimmer davon hätten, wie man einen Krieg führt. Zumindest das fand bei einigen Kameraden Zustimmung. Skepz war sich aber nicht sicher, ob das in jedem Falle eine gute Sache war. Thrax hatte manchmal die Tendenz, sich Applaus von der falschen Seite zu holen, ohne dass er das merkte.

    Also hörte er auf Skepz. Und diese hielt ihn auf dem Laufenden, ohne Wenn und Aber. Das war das einzige, was seine Distanz erträglicher machte.

    »Was redet man?«, hakte er nach.

    »Den gleichen Sermon wie du. Die politische Führung ist unfähig. Wir laufen ins offene Messer. Es gibt keinen, der die wirklich notwendigen Entscheidungen trifft. Die Streitigkeiten dividieren die Flotte in inkohärente Einheiten und machen sie weniger effektiv. Der Krieg wird halbherzig geführt. Die Hälfte der Staatschefs ist korrupt und von den Hondhisten gekauft. Die andere Hälfte hat ihre Flucht schon vorbereitet und glaubt nicht mehr an einen erfolgreichen Widerstand. Keiner hört auf das Militär. Es gibt zu wenige Karrieresoldaten. Es gibt überhaupt zu wenige Soldaten. Zu wenig Geld. Zu wenig dies, zu wenig das. Soll ich weitermachen?«

    Thrax seufzte. »Die Geschichte des Lordkönigs von Rallax hast du gehört?«

    Skepz verzog das Gesicht. »Hundert Mal, in allen Variationen. Man kann sich an so was auch aufhängen, Alfonso.«

    »Sie ist aber wahr. Sie ist exemplarisch.«

    Skepz wirkte nicht erbaut.

    »Alfonso! Das war einer unter Hunderten. Ein einziger.«

    »Er war der eine, der sich dumm genug angestellt hat, um erwischt zu werden, und darüber hinaus so bescheuert war, seine Mätresse in das Fluchtschiff zu laden anstatt sein Eheweib, was erwartungsgemäß zur unangenehmen Enthüllung führte.«

    »Das ist nicht nur bescheuert, das ist ehrlos«, sagte Skepz und warf ihrem Gefährten aus irgendeinem Grunde einen langen und bezeichnenden Blick zu. Thrax wusste diesen wohl zu deuten. Seine Kommunikation mit der Hondh-Agentin Nata in der jüngeren Vergangenheit, sowohl mit ihr direkt wie auch über andere, war gut dokumentiert. Skepz war schlau genug, daraus eben keine Affäre zu machen, aber gleichzeitig nicht so dumm, ein schönes kleines Druckmittel leichtfertig aus der Hand zu geben.

    »Gut. Na gut«, sagte er schließlich. »Es ist ja auch egal. Wir müssen mit dem arbeiten, was wir haben.« Er klang resigniert, ein Gefühl, das er auch in seinem Blick auf den Teller mit den Muffins ausdrückte. Einen weiteren würde er essen müssen, um seiner Behauptung, sie wären köstliche Geschmacksexplosionen, Legitimation zu verleihen.

    »Das sagst du. Aber andere Offiziere sehen es möglicherweise anders. Es braut sich etwas zusammen. Du maulst herum, aber du erfüllst deine Pflicht. Andere aber sehen darin zunehmend keinen Sinn mehr. Ich habe Angst, dass die Unzufriedenheit irgendwann stärker wird als das Pflichtgefühl. Ich gebe ja selbst zu, dass die politische Führung manchmal blödsinnig reagiert. Es sind nicht alle die Hellsten, und manche wissen auch nicht, wie man mit dem Militär richtig umgeht.«

    »Das war damals auch so.«

    »In der Hegemonie gab es aber eine zentralisierte politische Führung, und das entsprach dem zentralisierten Oberkommando. Und es gab eine über Jahrzehnte zunehmende schleichende Einflussnahme des Militärs auf Entscheidungen der Zivilregierung. Die Allianz ist …«

    »… ein Hühnerstall«, griff Thrax auf seinen Vergleich zurück und lächelte Skepz ins Gesicht, das plötzlich mehr Fatalismus ausdrückte, als ihm lieb sein konnte. Er beugte sich zu ihr hinüber und nahm sie in den Arm.

    »Ich werde die Augen und Ohren offenhalten«, versprach er.

    »Es geht vieles an dir vorbei. Die Admirale vertrauen dir nicht. Viele respektieren dich, aber Vertrauen – in den meisten Sternenstaaten muss man Politik machen, um ein Admiral zu werden. Du bist der Einzige, der nicht nach dieser Maßgabe funktioniert. Das wirkt mindestens irritierend.«

    »Ja.« Thrax verzog missmutig das Gesicht. »Ich bin nicht gut darin.«

    »Du könntest es lernen. Die Sache mit dem Gebäck war schon nicht übel, du hast also Talent.«

    »Ich will nicht.«

    Thrax klang kategorisch und wirkte nun verschlossen. Er schaute auf die Muffins wie auf feindliche Hondh, die ihn zu überwältigen trachteten.

    Skepz seufzte, sah ihn lang an, ehe sie fragte: »Was machst du eigentlich, wenn das alles vorbei ist?«

    »Wenn was?«

    Skepz lehnte sich zurück und lächelte.

    »Der Krieg. Nehmen wir einmal an, wir besiegen die Hondh. Die neunte Expansion wird gestoppt. Friede bricht aus.«

    »Es gibt nie Frieden«, sagte Thrax bitter. »Es hat vor der Expansion ja auch keinen gegeben. Irgendwer führt immer Krieg.«

    »Aber ist das dann noch deiner?«

    Thrax schüttelte den Kopf.

    »Nein, ist er nicht. Wenn dieser hier um ist und ich wider Erwarten noch am Leben sein sollte, reiche ich meinen Rücktritt ein. Von allem. Ruhestand. Den habe ich mir verdient. Irgendwo eine Hütte am See. Oder in den Bergen. Was Ruhiges. Alle sollen mich vergessen.« Er sah sie an. »Naja, nicht wirklich alle. Du wirst wohl noch ein wenig Dienst schieben?«

    »Das weiß ich noch nicht. Vielleicht. Einen Gatten zu haben, zu dem man nach den Heldentaten heimkehrt, hätte natürlich etwas.«

    »Ich könnte kochen lernen«, sagte Thrax hilfreich. »Und backen!«

    Skepz kratzte sich nachdenklich am Kopf, ehe sie sagte: »Ach. Lass mal.«

    »Aber um deine Frage zu beantworten«, fügte Thrax hinzu, durchaus bemüht, sich die sanfte Kränkung nicht anmerken zu lassen, »versichere ich dir, dass ich ein völlig ruhiges und harmloses Leben in relativer Abgeschiedenheit vorziehe. Ein kleines Haus am See hört sich tatsächlich ausgesprochen reizvoll an. Vielleicht auf der befreiten Erde. Ein wenig angeln.«

    »Du hast noch nie geangelt.«

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