Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

DER HAUCH DES TODES: Drei Western-Romane in einem Band!
DER HAUCH DES TODES: Drei Western-Romane in einem Band!
DER HAUCH DES TODES: Drei Western-Romane in einem Band!
eBook644 Seiten8 Stunden

DER HAUCH DES TODES: Drei Western-Romane in einem Band!

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Siebentausend Dollar sind eine große Verlockung, selbst dann, wenn jeder nur ein Drittel bekommen sollte. Aber Dave Coyle zu erwischen - tot oder lebendig, wie es auf dem Steckbrief weiter heißt - , ist eine ganz andere Sache, und von siebentausend Dollar hat noch keiner etwas gehabt, der sechs Fuß tief unter der Erde liegt.

Sheriff Harvey Beal geht kein Risiko ein. Er will Dave Coyle haben, und er hat die Männer, die ihm dabei helfen sollen. Eigentlich braucht er nur eine Falle zu stellen und Dave Coyle hineintappen zu lassen, sobald er nach Yellow Jackett kommt, um einen Brief abzuholen. Eine einfache Rechnung – nur hat der Sheriff sie ohne Dave Coyle gemacht...

Luke Short, eigentlich Frederick Dilley Glidden, (* 19. November 1908 in Kewanee, Illinois; † 18. August 1975 in Aspen, Colorado) war ein US-amerikanischer Schriftsteller und Journalist; er gilt als einer der populärsten und bedeutendsten amerikanischen Western-Autoren. Dieser Band enthält seine Romane In geheimer Mission, Geheimauftrag für einen Killer und Ein Name wie der Hauch des Todes als durchgesehene Neuausgaben.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum11. Mai 2020
ISBN9783748740421
DER HAUCH DES TODES: Drei Western-Romane in einem Band!

Ähnlich wie DER HAUCH DES TODES

Ähnliche E-Books

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für DER HAUCH DES TODES

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    DER HAUCH DES TODES - Luke Short

    Das Buch

    Siebentausend Dollar sind eine große Verlockung, selbst dann, wenn jeder nur ein Drittel bekommen sollte. Aber Dave Coyle zu erwischen - tot oder lebendig, wie es auf dem Steckbrief weiter heißt - , ist eine ganz andere Sache, und von siebentausend Dollar hat noch keiner etwas gehabt, der sechs Fuß tief unter der Erde liegt.

    Sheriff Harvey Beal geht kein Risiko ein. Er will Dave Coyle haben, und er hat die Männer, die ihm dabei helfen sollen. Eigentlich braucht er nur eine Falle zu stellen und Dave Coyle hineintappen zu lassen, sobald er nach Yellow Jackett kommt, um einen Brief abzuholen. Eine einfache Rechnung – nur hat der Sheriff sie ohne Dave Coyle gemacht...

    Luke Short, eigentlich Frederick Dilley Glidden, (* 19. November 1908 in Kewanee, Illinois; † 18. August 1975 in Aspen, Colorado) war ein US-amerikanischer Schriftsteller und Journalist; er gilt als einer der populärsten und bedeutendsten amerikanischen Western-Autoren. Dieser Band enthält seine Romane In geheimer Mission, Geheimauftrag für einen Killer und Ein Name wie der Hauch des Todes als durchgesehene Neuausgaben.

    1. IN GEHEIMER MISSION (Station West)

    Erstes Kapitel

    Lieutenant John Haven vom 27. Infanterieregiment der US-Armee trug die Kleidung und den mottenzerfressenen Büffelfellmantel eines gewöhnlichen Maultiertreibers, als er aus der vollbesetzten Postkutsche stieg und das schmutzige Eis auf den Planken des Bürgersteiges vor der South Pass Citys Wells Fargo Station betrat.

    Er war der dritte und zugleich größte Mann von insgesamt neun Leuten, die hier ausstiegen. Weil er versucht hatte, im Sitzen zu schlafen, und weil die Februarnacht über der Wind River Range so frostig war wie immer, hatten sich seine Füße in kalte, gefühllose Klumpen verwandelt.

    Und weil er noch nicht ganz wach war, vergaß er, den Kopf einzuziehen und knallte mit voller Wucht gegen die Oberleiste der Tür.

    Sein schwarzer, verbeulter Hut flog auf die Planken, rollte ein Stück weiter und wurde dann endgültig von den Schuhsohlen der Bergarbeiter breitgetreten, die den Bürgersteig entlangschlurften.

    Er holte seinen Hut ein, hob ihn auf und fluchte. Er war ein Mann, noch nicht ganz dreißig, mit einem wettergebräunten Gesicht und schwarzem Haar, das auf einer Seite gescheitelt war. Er sah den Armeeoffizier neben der Tür der Wells Fargo Station lehnen und überlegte, ob er ihn ansprechen solle.

    Zunächst setzte er seinen Hut auf und schloss sich der Gruppe an, die auf ihr Gepäck aus dem hinteren Kutschkasten wartete. Als er seinen schweren Handkoffer ausgehändigt bekommen hatte, blickte er wieder zur Tür hinüber. Der Offizier stand noch immer da.

    Haven drängte sich durch die Menge und blieb vor dem Offizier stehen. Er trug eine Schirmmütze mit dem Abzeichen der gekreuzten Musketen, und die weiße Außennaht seiner hellblauen Hose wurde zum Teil von dem langen blauen Mantel bedeckt. Eine dünne Zigarette ragte unter seinem eleganten Schnurrbart hervor, und in seinen wasserhellen Augen blitzte ein leicht spöttischer Humor, als Haven seinen Koffer vor ihm abstellte.

    »Sind Sie vielleicht der Mann, den ich suche?«, fragte Haven, ihn anblickend.

    »Schon möglich«, antwortete der Lieutenant. »Bitte, folgen Sie mir.«

    Er stieß sich mit einer Schulterbewegung von dem Gebäude ab, ging voraus und weiter in die Stadt hinein.

    Haven nahm wieder den Koffer auf und trabte mit einigen Schritten Abstand hinter ihm her. Ein merkwürdiger Bursche, dachte er. Auch die Stadt kam ihm merkwürdig vor. Es war zehn Uhr abends, aber die eine halbe Meile lange, schnee- und eisbedeckte Hauptstraße war noch immer belebt. Nun ja, in einer Goldgräberstadt war eine lebhafte Nacht sozusagen an der Tagesordnung, doch Haven konnte nicht sagen, wann geschlafen oder wann gearbeitet wurde. Doch eins stand fest: es war immer Betrieb. Er stolperte und merkte, dass die Planken zu Ende waren. Zu seiner Rechten war ein Blockhaus. Hinter den Fenstervorhängen konnte er eine Frau erkennen. Gleich neben dem Blockhaus war ein Zelt. Es stand so nahe an dem Fußweg, dass die vorübergehenden Bergarbeiter ihre Streichhölzer an der Plane anrissen. Als die Planken wieder begannen, sah Haven einen schäbigen, aus Schalbrettern errichteten Saloon, über dessen Fenster zwei Fackeln brannten. Haven dachte nicht mehr weiter über die Stadt nach. Das war keine Stadt, sondern ein einziges Tollhaus, in dem alles durcheinanderlief. Er hatte Mühe, den Lieutenant nicht aus den Augen zu verlieren.

    Am Ende dieses trostlos langen Häuserblocks stand eine riesige Halle von einem Saloon. Ein Dutzend Fackeln flackerten in der Nacht. Haven sah den Lieutenant nach rechts abbiegen und verschwinden.

    Er nahm seinen schweren Koffer in die andere Hand und bog ebenfalls um die Ecke. Hier waren keine Planken gelegt; vor allem herrschte hier kein so starker Betrieb. Die Straße war dunkel und verlassen. Dann sah er die dunkle Silhouette des Lieutenants, der auf ihn wartete.

    Als er nähergekommen war, hörte er ein leises Lachen und den Lieutenant sagen:

    »Ich bin Phil Stellman. Ich wollte mich an der Station keineswegs wie ein Flegel aufführen. Sie sollten nur nicht mit mir zusammen gesehen werden.«

    Haven konnte die ausgestreckte Hand des Lieutenants erkennen, griff zu, schüttelte sie und nannte ein wenig mürrisch seinen eigenen Namen. »Marschieren wir zum Camp Stambaugh?«, fragte er anschließend.

    »Das werden Sie nicht mal zu Gesicht bekommen, mein Freund. Wie war die Fahrt?«

    »Schlimmer als schlimm.«

    »Das gilt wohl auch für die Verpflegung.« Stellman lachte wieder. »Geben Sie mir jetzt Ihren Koffer, damit Ihre Arme nicht noch länger werden.«

    »Sagen Sie, was soll eigentlich diese ganze Geheimnistuerei?«

    »Das kann ich Ihnen sagen - aber ich denke, wir sollten erst noch fünfzig Schritte zurücklegen.«

    Nach diesen fünfzig Schritten befanden sie sich im Villenviertel der Stadt, wenn dieser Ausdruck zutraf. Vom Lärm der Hauptstraße war kaum etwas zu hören.

    Stellman griff nach Havens Ellenbogen und steuerte ihn quer über die Straße.

    Sie hielten vor einem breiten, flachen Blockhaus, durch dessen Fenster freundlicher Lichtschein drang. Stellman öffnete die Zauntür. Haven folgte ihm wortlos und wartete, bis er geklopft hatte.

    Die Haustür wurde von einer jungen Frau geöffnet, die zur Seite trat und freundlich »Guten Abend, Phil!« sagte.

    Einführung in die bessere Gesellschaft, dachte Haven missmutig.

    Die Frau beachtete Stellman nicht weiter, aber sie musterte Haven mit einem Blick, der gleichermaßen neugierig, freundlich und anerkennend war.

    »Mrs. Caslon - Mr. Haven«, stellte der Lieutenant vor.

    Sie streckte Haven lächelnd die Hand entgegen und sagte: »Wir haben Sie schon erwartet.«

    Havens Verwunderung nahm zu, als er ihre Hand drückte. Er trat hinter ihr ins Haus und sah sofort den Offizier in der blauen Uniform, der mit dem Rücken zum Kamin stand. Er war ein hagerer Mann, mittelgroß und mit einer hohen Stirn unter dem dünnen, dunklen Haar. Er hatte eine kühne Adlernase und einen vollen schwarzen Schnurrbart. Sein Mund lächelte nicht.

    »Ich stelle Ihnen Mr. Haven vor, Captain Iles«, sagte Phil Stellen an. Und zu Haven: »Captain Iles ist Ihr Vorgesetzter Offizier.«

    Haven klemmte seinen Hut unter den linken Arm, nahm straffe Haltung an und salutierte.

    Captain Iles erwiderte beiläufig den Gruß und sagte mit einer freundlichen, lebhaften Stimme: »Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Mr. Haven. Ich mache Ihnen übrigens keinen Vorwurf, wenn Sie an Ihrem Verstand zweifeln.«

    Haven murmelte die üblichen Höflichkeitsfloskeln. Dann sahen sich die beiden Männer abschätzend an, und Mrs. Caslon bat Haven, den Mantel abzulegen. Er kam der Aufforderung nach und gab ihr Mantel und Hut. Sie war, das sah er, eine hübsche Frau - vielleicht fünfunddreißig -, die unter ihrem dunkelblauen Kleid eine tadellose Figur hatte. Ihr braunes Haar hatte merkwürdigerweise etwas hellere Strähnen. Sie schien ihn sympathisch zu finden, doch er hatte keine Ahnung, welch eine Rolle sie bei diesem Zusammentreffen spielte.

    Captain Iles hatte die Inspektion von Havens Kordhose, der Drillichjacke und dem grauen Flanellhemd beendet und sagte: »An eine Uniform erinnert wohl kaum etwas...«

    »Ich trage diese Kleidung auf Befehl, Sir.«

    »Das ist mir bekannt.« Captain Iles bot ihm eine Zigarre an, die Haven jedoch - zugunsten seiner Pfeife - ablehnte. Als er sie stopfte, sah er sich im Zimmer um und fand, dass es einen erstaunlich eleganten Eindruck machte.

    Phil Stellman rückte einen Schaukelstuhl für Mrs. Caslon zurecht. Als sie Platz genommen hatte, setzte sich Captain Iles auf das Rosshaarsofa neben dem Kamin. Haven nahm ihm gegenüber auf dem Ledersessel Platz und wusste nicht, was er sagen sollte, als er Mrs. Caslon lachen hörte.

    »George«, sagte sie zu Captain Iles, »ich glaube, du hältst Mr. Haven unnötig in Spannung. Bis jetzt hat er bestimmt noch nichts begriffen.«

    Haven warf ihr einen dankbaren Blick zu. Stellman ging um seinen Sessel herum und lehnte sich mit der Schulter an den Kaminsims.

    Captain Iles sagte mit seiner trockenen Stimme: »Zugegeben, eine etwas sonderbare Art, sich zum Dienst zu melden. Aber bei einem Sonderauftrag hat man mit allen Situationen zu rechnen. Haven. Man darf Sie nicht mit der Armee in Verbindung bringen - das könnte katastrophale Folgen haben.«

    Diese Worte erinnerten Haven an das Begleitschreiben in seiner Brusttasche. Er übergab es Captain Iles mit den Worten: »Meine Papiere, Sir.«

    Iles nahm den Umschlag, steckte ihn ungeöffnet ein und sagte: »Das erklärt den Grund, weshalb Sie Zivilkleidung tragen.«

    »Oder es verwirrt ihn noch mehr, Sir«, entgegnete Phil Stellman.

    Iles warf Stellman einen Blick zu, in dessen hagerem Gesicht nur Respekt zu lesen war. Doch seine Haltung verriet Haven, dass er einen eigenen Willen hatte.

    Iles beugte sich vor, stützte seine Ellenbogen auf die Knie und sagte zu Haven: »Sie werden verstehen, dass ich für diese Aufgabe einen neuen Offizier brauche. Meine Leute sind in diesem Camp bekannt; demzufolge sind sie nutzlos.« Er blickte auf die Asche seiner Zigarre und krauste die Stirn. »Vor drei Wochen wurde ein Wagenzug der Zeugmeisterei aufgehalten und ausgeplündert. Er kam von Point of Rocks. Das war der siebzehnte Überfall, der in diesem Winter auf der Südpassstraße stattgefunden hat.«

    »Dabei scheinen sie es nicht einmal so sehr auf die Goldbarren abgesehen zu haben«, warf Mrs. Caslon ein.

    Iles nickte. »Es wurde in diesem Winter nur wenig Gold aus diesem Camp oder Atlantic City, einige Meilen nördlich, abtransportiert. Tatsache ist auch, dass die Grubenverwaltungen davor Angst haben, allzu viele Goldbarren in ihren Tresoren aufzubewahren. Sie baten mich um Erlaubnis, ihre Goldbarren innerhalb des Postenbereichs aufbewahren zu dürfen, weil sie dort besser bewacht werden können. Ich habe zugesagt und ich bin dafür verantwortlich. Einmal im Monat stellen die Gruben eine Mannschaft zuverlässiger Leute zusammen und transportieren die Goldbarren, begleitet von einer Militäreskorte, zur Bahnstation. Das dürfte jetzt vorbei sein.« Er rutschte unruhig auf dem Sofa herum. »Aber um wieder zum Ausgangspunkt zurückzukehren - der Überfall auf den Zug der Zeugmeisterei war keine große Überraschung. Hier treibt sich allerlei Gesindel herum, und da ist es kein Wunder, wenn Waffen gestohlen werden. Es waren nämlich Gewehre dabei. Haven, und diese Gewehre wurden nicht angerührt!«

    Haven wartete und fragte sich, was Captain Iles noch zu sagen hatte.

    »Was sie nahmen, das waren Uniformen - siebzig komplette Armeeuniformen - von der Mütze bis zum Mantel.«

    Haven krauste verwundert die Stirn. Alles, was er über Camp Stambaugh wusste, war, dass es sich um einen neuen Vorposten handelte, der die Goldgräberstadt vor Überfällen seitens der Sioux, der Arapahoes und auch der gewöhnlich friedfertigen Schoschonen schützen sollte. »Kann das Gesindel, von dem Sie sprachen, aus Indianern bestanden haben?«

    »Der Verdacht liegt nahe; aber es sind Weiße.« Iles betrachtete seine Zigarre und warf sie ins Kaminfeuer. »Haven, wir haben zwei unvollständige Kompanien Infanterie - eine hat nur ein Drittel ihrer Sollstärke, bei der anderen fehlt die Hälfte der Leute -, und wir müssen die Goldbarren bewachen. Als vor drei Wochen der Zug der Zeugmeisterei geplündert wurde, tauchten Gerüchte auf, in denen von Indianern die Rede war. Kleinere, weiter landeinwärts gelegene Gruben baten um Schutz vor diesen Indianern, weil Schuppen in Flammen aufgingen und Leute erschossen wurden. Darum wurde auch Fort Stambaugh gegründet, und ich bin für den Schutz dieser Leute verantwortlich. Das Seltsame an der Geschichte ist, dass niemand mit Sicherheit sagen kann, ob es sich bei diesen Unruhestiftern wirklich um Indianer handelt.«

    »Sie nehmen an, dass möglicherweise Weiße dahinterstecken?«, fragte Haven.

    Iles nickte nachdrücklich. »Die gleichen Weißen, die den Zug mit den Uniformen überfallen haben. Ich kann Ihnen auch sagen, warum sie das gemacht haben. Weil meine Leute gruppenweise und je nach Bedarf den Posten verlassen, wenn irgendwo Not am Mann ist. Sehen Sie, wo das allmählich hinführen kann?«

    »Sie haben früher oder später keine Leute mehr.«

    »Genau«, sagte Iles. »Und wenn der Tag kommt, an dem ich nur noch eine Handvoll Leute zur Verfügung habe, dann werden diese siebzig gestohlenen Uniformen auftauchen, und die Leute, die sie tragen, werden ohne Schwierigkeiten in meinen Posten reiten können. Das fällt überhaupt nicht auf. Und wenn es auffällt, ist es zu spät. Sie werden die Goldbarren rauben und mit der Beute entkommen.«

    Haven richtete sich langsam in seinem Sessel auf.

    »Und dieser Tag«, schloss Captain Iles, »ist nicht mehr allzu fern. Heute Nacht habe ich im Posten neunundvierzig Leute zur Verfügung. Gott allein weiß, wie viele Goldbarren im Augenblick hier aufbewahrt werden.«

    Haven dachte kurz nach und fragte dann: »Haben Sie irgendeinen Beweis, Sir, dass sich die gestohlenen Uniformen, die Überfälle und das Gold auf einen Nenner bringen lassen?«

    »Ich habe keinen Beweis, Haven, sondern ich weiß nur, dass kein Goldbarren mehr sicher ist, seit die Uniformen gestohlen wurden.«

    »Warum schaffen Sie die Goldbarren dann nicht weg?«, fragte Haven langsam.

    Iles tauschte einen flüchtigen Blick mit Stellman aus. Dann lächelte er, und sein Lächeln war ohne Humor. »Phil und ich haben uns darüber schon die Zungen dick geredet. Nehmen wir an, ich schicke jeden entbehrlichen Mann - insgesamt fünfzig Leute - mit dem Goldtransport nach Point of Rocks. Er wäre in zwei Tagen dort. Er wird in der ersten Nacht von siebzig Männern in Uniform überfallen werden, und diese Männer haben die gleichen Uniformen an, die meine Leute tragen. Auch wenn es mir gelingen sollte, das Gold zu behalten, kaum einer meiner Leute würde in diesem Durcheinander mit dem Leben davonkommen.«

    »Aber werden es siebzig Männer sein, Sir?«

    »Es sind siebzig Uniformen, und darum muss man auch mit siebzig Männern rechnen.«

    Haven nickte langsam und erkannte nun den Ernst der Situation, in der sich Captain Iles befand. Es war überflüssig, ihm die Frage zu stellen, ob er Verstärkung angefordert hatte. Selbst wenn er das getan hatte, sagte so etwas nicht viel. Das Gesuch von Captain Iles würde in einem Regal des Hauptquartiers liegenbleiben, denn dort hatte man genug mit den Sioux und den Apachen im Südwesten zu tun.

    Haven stand auf, klopfte seine Tabakspfeife im Kamin aus und blickte Mrs. Caslon an, die ihn ernst beobachtete. Dann wandte er sich an Iles und fragte: »Was ist meine Aufgabe, Sir?«

    »Ihre Aufgabe ist, die Uniformen entweder zurückzuholen oder sie zu vernichten, bevor sie gegen uns eingesetzt werden können.«

    »Und kein Mensch weiß, wo die Uniformen sind«, fügte Phil Stellman düster hinzu. »Wir können Ihnen nicht viel helfen. Wir wissen nicht einmal, wo wir anfangen sollen. Abgesehen davon, haben wir keinerlei Verdachtsmomente.«

    Iles erhob sich ebenfalls. »Als Fremder haben Sie noch die beste Aussicht auf Erfolg. Niemand kennt Sie - nur wir drei.« Er blickte zu Mrs. Caslon hinüber. »Sie werden nur durch Mrs. Caslon mit mir in Verbindung bleiben und alles melden, was irgendwie Ihren Verdacht erregt. Sie lassen sich nicht in der Nähe von Stambaugh blicken. Im Übrigen sind Sie ein Freund von Mrs. Caslons Mann, dem hier ein Stampfwerk gehörte. Er starb im vergangenen Jahr.«

    »Wer weiß sonst noch etwas von dem Uniformdiebstahl, Sir?«, fragte Haven.

    »Niemand«, murmelte Iles. »Das heißt, nur der Zeugmeister, Phil und ich wissen es. Sonst weiß es nicht einmal der Sheriff. Das ist unsere Angelegenheit und soll auch unsere Angelegenheit bleiben.« Er fügte hinzu: »Vielleicht ist das nicht ganz richtig...«

    Er blickte Haven forschend an, und als Haven nichts sagte, meinte er: »Das ist das ungewöhnlichste Anliegen, das ich einem Offizier jemals vorgetragen habe. Und ich bin nicht sehr stolz darauf.«

    Haven wusste in diesem Augenblick, dass er Captain Iles sympathisch fand. Er steckte seine Tabakspfeife in die Tasche und sagte: »Ich denke, dann sollten wir uns umgehend an die Arbeit machen, Sir.«

    Stellman trat vom Kamin weg und fragte: »Haben Sie irgendetwas in Ihren Taschen oder in Ihrem Koffer, was Sie mit der Armee in Verbindung bringen könnte?«

    »Nur meine Uniform«, war die trockene Antwort.

    Mrs. Caslon lachte, stand auf und sagte freundlich: »Kommen Sie mit. Sie können alles, was überflüssig ist, nebenan aufbewahren.«

    Haven griff nach seinem neben der Tür abgestellten Koffer, durchquerte damit den Raum und trat ins Schlafzimmer, das ebenfalls einen eleganten Eindruck machte und mit typisch weiblichem Geschmack eingerichtet war.

    Als Mrs. Caslon die Schranktür geöffnet hatte, sah Haven eine Reihe Kleider auf Bügeln hängen, die einen zarten Lavendelduft ausströmten.

    Sie machte Platz für seine Uniform und sagte dabei: »Ihr Tabakqualm wird den Lavendelduft bald verscheuchen, John.«

    Er warf ihr einen kurzen, beinahe erstaunten Blick zu und lächelte. Dann ging sie hinaus, und er machte sich daran, seine Uniform auszupacken. Wieder dachte er über diese Frau nach und stellte sich die Frage, was sie wohl in dieser Geschichte für eine Rolle spiele. Und er konnte sie gut leiden.

    Er verstaute seine Uniform, schloss den Koffer und kehrte mit nachdenklichem Blick wieder ins Wohnzimmer zurück. Er dachte über die Fragen nach, die er Captain Iles noch stellen konnte.

    Er stand im Türrahmen des Schlafzimmers, als plötzlich die Außentür geöffnet wurde.

    Haven sah ein Mädchen, das ein rotes Kopftuch und einen schweren schwarzen Mantel trug. »Komm doch mal ’raus, Papa. Mark schlägt sich schon wieder mit diesem wilden Pferd herum und...« Dann erst sah sie Haven, und ihr Blick fiel auf den Koffer in seiner Hand. Sie sahen sich wortlos an. Haven bemerkte die Verwirrung in dem Gesicht des Mädchens.

    »Verdammt!«, brummte Captain Iles, und Vangie Caslon lachte sanft.

    »Komm herein, Mary«, sagte Captain Iles.

    »Und lass dir eine Tracht Prügel geben«, fügte Stellman trocken hinzu.

    Das Mädchen trat langsam ins Zimmer, schloss mit der einen Hand die Tür und nahm mit der anderen das rote Kopftuch ab. Sie blickte von einem zum anderen, am längsten auf Haven, und sagte trotzig: »Was habe ich denn schon wieder verbrochen, Vangie?«

    »Du hast deine guten Manieren vergessen«, brummte Iles.

    »Restlos«, sagte Vangie Caslon.

    Captain Iles fragte: »Will Mark noch lange draußen bleiben?«

    »Wenn er die Zügel loslässt, gehen wir nach Hause«, antwortete Mary.

    Haven stellte den Koffer ab und musterte sie. Höchstens zwanzig Jahre, dachte er. Die Kälte hatte ihre Wangen frisch gerötet. Was ihr Aussehen betraf, so schien sie wenig von ihrem Vater geerbt zu haben. Ihre Gesichtsfarbe war hell, die seine war dunkler. Ihr glänzendes Haar war dunkelbraun und im Nacken zu einem Knoten mit lustigen Locken zusammengerafft. Ihr Gesicht war fein modelliert und nicht so markant wie das ihres Vaters. Doch die Mundwinkel ihrer vollen Lippen verrieten Humor und den Schalk, und in ihren grünen Augen blitzte eine kecke, doch versöhnlich stimmende Neugier. Sie hatte eine aufrechte Haltung, war aber nicht allzu groß.

    Iles griff nach ihrem Ellenbogen und führte sie zu Haven.

    »Sieh dir diesen Mann genau an, Mary«, sagte er, »und dann vergiss, dass du ihn jemals gesehen hast. Das ist Mr. Haven - Lieutenant John Haven, um genau zu sein.« Zu Haven sagte er einfach: »Mary, meine Tochter, die ich übrigens zu erwähnen vergaß. Sie weiß auch von den Uniformen.«

    Mary begrüßte Haven mit einem langsamen Nicken ihres hübschen Kopfes und blickte forschend ihren Vater an, der weitersprach und sagte: »Du hast Mr. Haven noch nie gesehen, wenn du ihm einmal auf der Straße begegnen solltest. Und du wirst niemandem erzählen - nicht einmal Mark -, dass du ihn hier kennengelernt hast. Auch sein Name ist dir völlig unbekannt, um es gleich vorwegzunehmen.« Captain Iles sagte es ruhig und bestimmt. Sein Gesicht war ernst und zeigte auch nicht einmal die Andeutung eines Lächelns.

    Mary Iles blickte wieder Haven an, und er sah den Schalk in ihren grünen Augen blitzen, als sie ihren Vater fragte: »Wenn ich nicht mit ihm sprechen darf - warum stellst du ihn mir dann überhaupt vor?«

    »Ein Zugeständnis an deine Neugier, meine Liebe«, antwortete Captain Iles. »Ich kenne dich ja schließlich gut genug.«

    Mary lachte hell auf, und Haven spürte, wie sich auch seine Mundwinkel verzogen.

    »Phil«, sagte Captain Iles über seine Schulter hinweg, »kannst du nicht hinausgehen und dafür sorgen, dass Mark auch wirklich nicht hereinkommt?«

    Phil zog seinen Mantel über, verabschiedete sich von Mrs. Caslon, winkte Haven zu und ging rasch hinaus, während Captain Iles seinen Mantel holte.

    Marys Interesse kehrte wieder zu Haven zurück. Sie sah ihn unbefangen an und sagte: »Für neue Offiziere pflegen wir immer einen großartigen Empfang zu geben. Schade, dass Sie nicht der Mittelpunkt sein können.«

    »Es tut mir bereits leid, Ma'am«, sagte Haven galant. Als sie sich abwandte, blitzten ihre Augen noch einmal schelmisch auf. Dann ging sie zu Vangie.

    Captain Iles hatte seinen Mantel angezogen, kam auf Haven zu und übergab ihm einen Umschlag.

    »Sie werden Geld brauchen«, sagte er.

    Haven nahm den Umschlag an sich und betrachtete ihn.

    »Sollten Sie mit dem Geld nicht auskommen, so wenden Sie sich an Vangie.« Er streckte ihm die rechte Hand entgegen. »Und nun wünsche ich Ihnen viel Glück.«

    Haven bedankte sich. Captain Iles gab Vangie einen Kuss auf die Wange, ging zur Tür, drehte sich dort noch einmal um und sagte: »Lassen Sie uns erst einmal ein Stück wegfahren.«

    Haven trat von der Tür zurück, als sie hinausgingen, und Vangie rief ein Lebewohl hinter ihnen her. Dann schloss sie die Tür, ging zum Kamin und warf Haven einen kurzen Seitenblick zu. Haven wartete ungeduldig. Er hörte draußen die Stimmen von Captain Iles, Stellman und dem anderen Mann namens Mark. Dann vernahm er einen unterdrückten Fluch - der kam von Iles - und hörte das Trappeln von Pferdehufen, die auf der gefrorenen Straße nach einem Halt zu suchen schienen.

    »Es dauert nicht lange«, brach Vangie Caslon das Schweigen, »dann machen sie kehrt und kommen zurück.«

    Haven nickte und machte ein paar Schritte. Er spürte, dass Vangie Caslon ihn beobachtete, blieb stehen und fragte ruhig: »Wer ist dieser Mark, Mrs. Caslon?«

    »Mark Bristow. Ein junger Anwalt, der Mary gern heiraten möchte.«

    »Und will sie ihn heiraten?«

    Vangie Caslon zögerte einen Augenblick und antwortete dann: »Ich glaube ja... im Frühjahr.«

    Er wartete auf die Rückkehr des Wagens, und als er wieder vorübergefahren war, nahm er den Umschlag, den Iles ihm gegeben hatte, und ging auf den Kamin zu. Vangie Caslon hatte sich an den Kaminsims gelehnt und die Arme verschränkt.

    »Den brauche ich einstweilen nicht«, sagte Haven, ihr den Umschlag gebend. Sie nahm ihn ausdruckslos entgegen, und fragte, als er seine Wanderung wieder aufnehmen wollte, mit leicht ironisch klingender Stimme: »Keine Fragen mehr, John?«

    Sie sahen sich schweigend an; Haven wusste die Ironie in ihrem Blick zu deuten und stellte die Frage, -die sich zwangsläufig ergab.

    »Wenn ich ein Freund Ihres Mannes gewesen sein soll, dann müsste ich doch auch seinen Namen wissen - nicht wahr?«

    »Ben. Er starb mit siebzig Jahren. Ich habe ihn geheiratet, als ich fünfzehn war - auf dem Papier -, um dem Waisenhaus zu entgehen. Jeder, der ihn gekannt hat, weiß das. Und Sie sollen es auch wissen.«

    Als Haven nichts sagte, fuhr Vangie Caslon fort: »Es gibt etwas, was Captain Iles Ihnen nicht erzählt hat. Im Lagerhaus von Fort Stambaugh lagern zurzeit achtzigtausend Dollar in Goldbarren. In einer Woche oder zehn Tagen werden es hunderttausend Dollar sein.«

    »Wollen Sie mich zur Eile antreiben?«

    Vangie schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht herzlos. Ich möchte nur, dass Sie es wissen.«

    Haven murmelte ein paar Dankesworte, nahm seinen Koffer und ging zur Tür.

    »Und noch etwas«, sagte Vangie Caslon. »Captain Iles und ich werden in diesem Sommer heiraten.«

    »Oh, dann kann ich nur sagen, dass Captain Iles zu beneiden ist«, erwiderte Haven.

    »Danke für das Kompliment«, lächelte Vangie Caslon. »Ich sage Ihnen das nur, damit Sie Bescheid wissen.«

    »Hmhm!« Haven verabschiedete sich und ging in die kalte Nacht hinaus.

    Als Haven den dunklen Weg entlangging und auf die Hauptstraße zu, überkam ihn das merkwürdige Gefühl, als habe er das alles nur geträumt. Vierzehn Jahre war er bei der Armee - die Hälfte dieser Zeit im Westen -, und hatte erfahren, dass bei der Armee so gut wie alles möglich war. Plötzliche Abkommandierungen, merkwürdige Befehle, Versetzungen, unerwartete Einsätze, Drill, Verpflegungsmangel, Entbehrungen, Einsamkeit. Aber immer war er dabei unter seinesgleichen gewesen und hatte trotz allem stets gewusst, woran er war. Doch dieser Auftrag war ihm völlig fremd und unbegreiflich. Immerhin haftete ihm etwas Abenteuerliches an.

    An der Ecke der Hauptstraße blieb er stehen und blickte sich um. Vor der Fassade des von Fackeln erhellten Saloons bewegte sich eine große Menschenmenge. Jeder wollte einmal kurz hineingucken oder wenigstens daran Vorbeigehen. Neben dem Saloon stand ein einstöckiges Gebäude, dessen Tafel mit der pompösen Beschriftung Hotel noch am elegantesten aussah.

    Haven überquerte die Straße und steuerte das Hotel an.

    Es war eine hölzerne Angelegenheit mit einem kleinen Vorraum, von dem nach rechts und links je ein Korridor abzweigte und die ganze Länge des Gebäudes durchlief. Er bekam sein Zimmer, ließ seinen Koffer und seinen Büffelfellmantel darin zurück, suchte wieder die Straße auf und ging in Richtung des Ecksaloons.

    Im Augenblick hatte er nichts anderes im Sinn, als sich die Stadt anzusehen oder das, was man hier Stadt nannte. Er wollte ein bisschen ausspannen. Ich habe zu lange Befehle entgegengenommen, dachte er, und zu lange Befehle ausgeführt.

    Ein Menschenknäuel trieb ihn zum Eingang des Ecksaloons mit den Fackeln vor der Fassade. Ein Ausrufer, der einen zerschlissenen Frack mit Schwalbenschwanz und einen zerknautschten Zylinder trug, bewegte sich in der Menge und zählte die Glücks- und Kartenspiele auf, die man drinnen wählen konnte. Er nannte auch die Namen der Mädchen, die für Abwechslung sorgten, und rief mit seiner Rummelplatzstimme:

    »Hereinspaziert, Gentlemen, hereinspaziert! Im Prince Marion wird ehrlich gespielt und - was auch sehr wichtig ist - gibt es die hübschesten Mädchen! Hereinspaziert, Gentlemen, hereinspaziert...!«

    Haven ließ sich durch die breite Tür in den überfüllten Saloon schieben.

    Es war ein gewaltiger, scheunenartiger Raum, und die Länge der Bar aus schwarzem Mahagoni war ebenfalls imposant. Über den Köpfen der Gäste brannten ein Dutzend Leuchter. Irgendwo hämmerte jemand auf einem Klavier herum, aber man musste schon die Ohren spitzen, um dieses Geräusch aus dem lauten Stimmengewirr heraushören zu können. An der Wand zur Straße stand ein großer Holzofen in der Nähe der dichtbesetzten Spieltische.

    Haven trat an einen der Faro-Tische in der Ecke. Irgendetwas an diesen älteren und mehr bürgerlich gekleideten Männern, die um den Tisch herumsaßen, fesselte ihn. Hier wurde mit höheren Einsätzen gespielt, das merkte man an den unbeweglichen Gesichtern der Spielteilnehmer.

    Haven sah eine Weile zu und wollte gerade wieder kehrtmachen, als er den Kartengeber »Guten Abend, Mr. Bristow!« sagen hörte. Er hatte schon zwei Schritte gemacht, als dieser Name ihm wieder einfiel. Er blieb stehen und drehte sich um. Die Spieler waren mit ihren Stühlen zur Seite gerückt und hatten einem jungen Mann Platz gemacht. Er knöpfte seinen langen Mantel mit dem Lammfellkragen auf und nickte lächelnd den anderen zu, mit denen er anscheinend befreundet war. Er schob seinen schwarzen Hut ins Genick und warf einen flüchtigen Blick auf die Spielkarten. Haven kehrte wieder an den Tisch zurück und stellte sich so hin, dass er den jungen Mann beobachten konnte. Der sah nicht übel aus, und als er dem Kartengeber eine Handvoll goldener Zehndollarstücke zuwarf, lachte er dazu und sagte: »Heute nur gelbe, Burke. Ich denke, heute ist mein Glückstag.«

    Haven trat wieder zurück und ging an zwei Pokertischen vorbei. Seine Neugier war befriedigt. Das war also der Mann, den Mary Iles zu heiraten gedachte... Haven wusste, dass dieser Mann eine kalte, geldhungrige Spielematur war, selbst wenn er so tat, als interessiere ihn das Geld nur am Rande.

    An der Bar war noch eine Lücke. Haven zwängte sich hinein und bestellte einen Drink. Er trank einen Schluck und strich nachdenklich mit der Hand über sein Kinn. Ich möchte nur gern wissen, wo und was ich anfangen soll, dachte er.

    Er wollte gerade wieder nach dem Glas greifen, als eines der Tanzmädchen neben ihm auftauchte.

    »Willst du mit mir tanzen?« Sie war nicht mehr ganz jung, und ihr blondes Haar wirkte so leblos wie ihr fahlgelbes Kleid.

    »Keine Lust, Mädchen«, sagte Haven, »aber ich werde dir einen Drink bestellen.«

    »Wenn du ein Glas Wein für mich bestellst, kann ich mich an einen Tisch setzen«, sagte sie.

    Wein war wesentlich teurer als Whisky, doch Haven war einverstanden. Ihre Gesellschaft war ihm ohnehin gleichgültig, aber vielleicht konnte sie ihm diese oder jene Frage beantworten.

    Er trank seinen Whisky aus und folgte dem Mädchen. Zwischen den beiden Billardtischen, die sich am Ende des Saloons befanden, und der Bar war eine Tanzfläche frei gemacht. Das Klavier stand an der Wand. Der obere Deckel war geöffnet, und eines der Animiermädchen spielte einen holprigen Walzer mit falschen Pausen. Der Tanzboden war von drei Seiten mit Tischen eingerahmt, an denen Bergleute mit ihren Mädchen saßen.

    Das blonde Mädchen hielt einen der Kellner an und wählte einen der an der Wand stehenden Tische. Haven sah drei kräftige Männer an der Tanzfläche stehen, die offenbar für Ordnung zu sorgen hatten.

    Havens Aufmerksamkeit konzentrierte sich schließlich auf einen Bären von einem Mann, der an einem der Tische stand und sich mit den Bergleuten und deren Mädchen unterhielt. Er trug keinen Hut und musste demzufolge zum Personal des Saloons gehören. Haven sah, wie er eine Whiskyflasche vom Tisch nahm und ein gutes Drittel ihres Inhalts in ein großes Wasserglas kippte, das er in der Hand hielt.

    Haven sank auf den Stuhl neben dem Mädchen, das geistesabwesend lächelte und unter dem Tisch die Schuhe abstreifte. Wie dem auch sei. Haven musste den bärtigen Riesen bewundern, der ein Wasserglas Whisky trank, als sei tatsächlich nichts anderes als Wasser darin. Dann ging er zum nächsten Tisch, um die gleiche Handlung zu wiederholen.

    Der Kellner brachte den Wein, versperrte Haven die Sicht, und Haven lehnte sich zurück, um den Riesen weiter beobachten zu können. Der griff eben wieder nach einer neuen Flasche - diesmal war es Wein - und unterhielt sich, zwischen den einzelnen Schlucken, mit den Leuten am Tisch.

    Haven blickte das Mädchen an, das weder von ihm noch von dem Wein Notiz nahm und froh war, endlich einmal einige Zeit sitzen zu können.

    »Wie ist denn dieser Saloon zu dem Namen Prince Marion gekommen?«, fragte Haven nachdenklich.

    »Das sind nur die Nachnamen zweier Männer«, antwortete die Blonde. »Die heißen Saul Prince und Mick Marion.« Sie deutete mit einer Kopfbewegung auf den bärtigen Riesen. »Der dort ist Mick. Saul hat die Spieltische unter sich, Mick die Bar und die Mädchen.«

    »Ein teurer Gastgeber«, murmelte Haven.

    »Aber alle können ihn gut leiden«, sagte das Mädchen beiläufig.

    »Geschmackssache.«

    »Er trinkt die ganze Nacht - Wein, Whisky, alles Mögliche.«

    »Den wirft auch so leicht keiner um.«

    »Mick? Nein, den wirft auch keiner um. Kein Whisky, keine Schlägerei oder sonst etwas.« Sie schüttelte verwundert den Kopf. »Er ist der wichtigste Mann in diesem Camp. Und keiner legt sich mit ihm an - nicht in Atlantic City, Stambaugh oder sonstwo.«

    Haven betrachtete Mick. Der Mann war wieder an einen anderen Tisch getreten und bediente sich mit einem Drink, der die gleichen unverschämten Ausmaße hatte. Sein Bart war glatt geschnitten, reichte unten bis zum Kragen und oben beinahe bis über die Augen. Trotz der genossenen Alkoholmengen bewegte er sich leicht und sicher, und Haven dachte, während er ihn beobachtete, an die Worte des Mädchens: Er ist der wichtigste Mann in diesem Camp... Haven wusste nicht, was ihn plötzlich auf den Gedanken brachte. Vielleicht reizte ihn der Umstand, dass, wenn er die Macht eines Lokalfavoriten brach, er selbst dessen Platz einnehmen konnte. Hier regierte immer noch der Stärkere. Sicher würde man ihn dann respektieren und ihm Dinge mitteilen, die er normalerweise niemals gehört hätte. Denn der stärkste Mann war eine Art Vertrauensperson, mit der es sich letzten Endes auch die Galgenvögel nicht verderben wollten. Wer hier der Stärkste war, der war es in jeder Hinsicht.

    Jetzt blickte Mick Marion herum und erspähte den Tisch, an dem Haven mit der langweiligen Blonden saß. Warum nicht? dachte Haven. Micks weiße Zähne blitzten, als er lächelnd auf den Tisch zukam. Haven merkte, dass das Mädchen rasch wieder die Schuhe anzog. Als Mick vor dem Tisch stand, hatte Haven seinen Entschluss gefasst.

    »Alles bestens?«, erkundigte sich Mick. Seine Stimme klang erstaunlich sanft und melodisch. Seine tiefliegenden kleinen Augen waren vom Alkohol getrübt, aber er stand sicher auf den Beinen.

    »Okay«, sagte Haven.

    Mick lachte und griff, wie Haven vorausgesehen hatte, nach der Weinflasche. Auch Haven griff nach ihr und bekam den Bauch der Flasche zu fassen, während sich Micks Finger um den Flaschenhals legten. Mick wollte die Flasche wegziehen, aber Haven hielt sie auf der Tischplatte fest. Mick sah Haven fragend an.

    »Ich habe die Flasche bestellt«, sagte Haven, »und ich werde sie auch austrinken - ohne fremde Hilfe.«

    Micks große Pranke hielt noch immer den Flaschenhals. Er sah Haven fünf Sekunden lang an. Dann fragte er: »Sind Sie abgebrannt? Oder haben Sie nur Durst?«

    »Nichts von beidem.«

    Mick lachte und zog wieder heftig an der Flasche. Haven ließ absichtlich los. Die Flasche kam hoch, und der Wein spritzte heraus und ergoss sich über Micks Rock.

    Haven war schon aufgestanden, als Marion mit einem lauten Fluch die Flasche nach ihm schleuderte. Haven lenkte sie mit einer Schulter ab, und die Flasche schmetterte gegen die Wand. Schon hatte Haven seine Schulter in Mick Marions Leib gerammt.

    Das Mädchen kreischte schrill. Haven stieß noch einmal mit seiner Schulter zu und hörte, wie der Riese die Luft ausstieß. Dann spürte er Micks Hand auf seiner Schulter und fühlte sich kräftig gegen einen der umstehenden Tische geschleudert.

    Mick Marion starrte ihn noch immer ungläubig an - und Haven stürmte zum zweiten Mal vor. Diesmal setzte er seine Faust auf Micks Bart, und sie prallte ab wie von hartem Granitgestein. Dann drehte ihm jemand den Arm auf den Rücken und zwang ihn in die Knie. Vier Hände packten ihn und rissen seinen Körper wieder hoch. Zwei Rausschmeißer standen rechts und links neben ihm. Er blickte Mick Marion an, der heftig atmete, aber sich keinen Millimeter von der Stelle gerührt hatte. Nur seine kleinen Augen hatten sich bewegt und bewegten sich noch, als sie Haven anstarrten. Die Bergleute von den Nachbartischen kamen näher und bildeten einen Halbkreis. Die Klavierspielerin spielte schneller, je stiller es im Saloon wurde.

    Dann sagte Mick Marion mit seiner sanften, melodischen Stimme: »Wir führen hier ein gastliches Haus, Mister.«

    »So gastlich, dass Sie immer im Tran sind«, sagte Haven, und diese Beleidigung war sorgfältig berechnet.

    In Micks Augen blitzte Ärger auf, verschwand dann und ließ nur ungläubiges Staunen darin zurück. Anscheinend hielt er Haven nicht für ganz richtig im Kopf. »Hinaus mit Ihnen«, sagte Mick mit sanfter Stimme.

    Die beiden Rausschmeißer packten ihn von hinten, und er musste sich hilflos zur Seitentür schieben und tragen lassen. Die Burschen verstanden ihr Handwerk. Im Türrahmen wurde er hochgehoben und dann in einem gewaltigen Bogen auf die Planken des Bürgersteigs befördert.

    Er landete auf Knien und Handflächen, setzte sich hin und sah die beiden Rausschmeißer im Türrahmen stehen. Einer von ihnen sagte: »Immer daran denken, mein Freund«, und dann gingen beide wieder hinein.

    Haven wischte seine Hände an den Hosenbeinen ab und nahm die neue Situation nicht ohne Humor zur Kenntnis. Mick ließ sich nicht so leicht stellen...

    Dann lächelte Haven und spürte einen wilden Unternehmungsgeist in sich aufsteigen. Er ging auf die Tür zu, blieb aber stehen, weil er sich sagte, dass die Tür sicher bewacht wurde. Es war besser, wieder den Vordereingang zu benutzen. Leider hatte er auch dort kein Glück, denn die beiden Rausschmeißer passten auf, erkannten ihn und grinsten.

    »Ein andermal!«, rief Haven ihnen zu, ging wieder hinaus, am Seiteneingang vorbei und um das Gebäude herum. In der Dunkelheit konnte er wenig sehen, tastete sich aber an der Rückwand entlang, ohne eine Tür zu entdecken. An der Ecke sah er das Nachbargebäude, das nicht so breit war wie der Saloon und an dessen Giebelseite grenzte. Die Laderampe des Gebäudes stieß bis zum Prince Marion Saloon vor. Haven sah eine Menge aufeinandergestellter Bierfässer. Er kletterte auf die Laderampe und sah auf der Giebelseite des Saloons zwei große Doppeltüren. Er hörte ein Geräusch und bemerkte einen Arbeiter, der gerade ein Fass über die Planken rollte. »Ist Mick da drin?«, fragte Haven, als sei er ein guter Bekannter von ihm.

    »Ja, soviel ich weiß«, antwortete der Mann.

    Haven ging in den Lagerraum, hörte den Lärm im Saloon und entdeckte zur rechten Hand noch zwei weitere Doppeltüren. Er öffnete eine davon und sah, dass er sich zwischen der Bar und der Nische mit den Billardtischen befand - ungefähr hinter dem Klavier. Er trat leise ein und zog die Tür hinter sich zu. Einer der Billardspieler sah ihn und blickte wieder weg. Haven ging bis zur Ecke der Billardnische, die zum Teil vom Klavier verdeckt wurde. Hinter dem Klavier sah er die beiden Rausschmeißer die Tanzfläche beobachten, aber Mick Marion erkannte er schon, ehe die Paare die Tanzfläche verlassen hatten. Er graste noch immer die Tische ab und trank alles, was er stehen sah.

    Haven wartete, beobachtete Mick Marion und - als die Rausschmeißer ein Stück weitergegangen waren - das Billardspiel. Er wartete zwanzig Minuten und spielte mehrmals mit dem Gedanken, jede Vorsicht außer Acht zu lassen und einfach auf Mick Marion zuzugehen.

    Aus irgendeinem Grund fiel es der Klavierspielerin plötzlich ein, nur auf den Tasten der höchsten Töne herumzuklimpern, so dass in dem Lärm kaum etwas zu hören war. Mick Marion blickte zum Klavier herüber und krauste die Stirn. Dann kam er näher. Er unterhielt sich mit der Klavierspielerin. Haven wartete noch ein wenig und legte dann die wenigen Schritte zurück, die ihn noch von Mick trennten. Mick hatte sich auf den oberen Deckel des Instruments gestützt und machte der Klavierspielerin mit seiner sanften Stimme Vorwürfe.

    Haven zog seinen Revolver, trat ans Klavier und rammte Mick den Revolverlauf in die Rippen.

    Mick drehte sich nach ihm um und nahm langsam den Ellenbogen vom Deckel. Als er Haven sah, blickte er langsam nach unten und auf den Revolver. Die Klavierspielerin blieb, die Hände über den Tasten, unbeweglich sitzen.

    »Wir wurden vorhin unterbrochen«, sagte Haven. »Gehen wir mal ins Freie.«

    »Warum?«, fragte Mick langsam.

    »Weil ich Ihnen Manieren beibringen will.«

    Das Lächeln erschien wieder in Micks Gesicht, es war ein Lächeln echten Vergnügens. »Da brauchen wir gar nicht hinten ’rauszugehen«, sagte er. »Diese Stadt hat eine Schwäche für kleine Meinungsverschiedenheiten. Die Boys werden Sie in Ruhe lassen.«

    »Gehen wir irgendwohin.«

    Mick drehte sich wieder nach vorn. »Gehen wir«, sagte er, ging quer durch den Saloon und auf die Vordertür zu.

    Haven steckte den Revolver ein und folgte ihm.

    Mick, beide Hände erhoben, wackelte mit den Fingern und rief: »Mitkommen, Gentlemen! Gleich gibt's was zu sehen!«

    Sofort setzten die Gäste sich in Bewegung und gingen hinter Haven her, der mit der Entwicklung der Dinge vollauf zufrieden war. Er brauchte Zuschauer, und es kamen mehr als er angenommen hatte. Die ganze Stadt würde das Schauspiel beobachten, die ganze Stadt würde davon reden.

    Es sprach sich mit einer unerklärlichen Geschwindigkeit herum. Sie waren noch nicht einmal draußen, als sich auf der Straße schon die ersten Leute versammelten, um Mick und den Fremden aus dem Saloon kommen zu sehen.

    Mick Marion wandte sich an Haven, fragte: »Ist hier Platz genug?«

    Haven blickte herum und sah, dass die Zahl der Zuschauer immer mehr stieg. Er nickte, nahm Patronengurt und Hut ab. Dann zog er seine Weste aus und legte alles auf das Haltegeländer. Ein Witzbold rief: »Hoffentlich hast du anschließend nicht vergessen, wo du deine Sachen hingelegt hast, Blacky!«

    Als Haven sich umdrehte, konnte er über die Zuschauermenge nur staunen. Mick hatte seine Jacke ausgezogen. Dann schnallte er seinen Hosengürtel ab, wickelte ihn um seine Faust und sagte zu dem neben ihm stehenden Mann: »Es macht mir immer Spaß, einem Frechdachs einen Stempel aufs Fell zu drücken, Saul.«

    Haven nahm an, dass der Mann neben Mick Saul Prince war. Ein hagerer und kränklich aussehender Mann Mitte Vierzig, der einen dunklen Anzug trug und um den Hals einen dicken Pelzkragen, um sich gegen die bittere Kälte zu schützen. Er betrachtete Haven und sagte zu Mick: »Der sieht ziemlich kräftig aus - ich kann diesmal bloß fünfhundert auf dich setzen.«

    »Drei zu eins!«, rief jemand aus der Menge. Haven wusste nicht, wer es war, aber er hörte Saul Prince sagen: »Gemacht!«

    Die Fackeln warfen ein unstetes Licht auf die Kampfstätte, und als Haven in den Kreis trat, sagte Mick mit ernster Stimme: »Keine Messer. Ich habe was gegen Schnittwunden.«

    »Sie werden bald was gegen den ganzen Kampf haben«, reizte ihn Haven. »Wollen uns erst mal 'n bisschen aufwärmen.«

    Mick lachte, aber es war in den anfeuernden Rufen der Zuschauer nicht zu hören. Sein mächtiger Körper und seine Stummelbeine bewegten sich geschmeidig, als er auf Haven zukam. Er riss seinen purpurroten Ärmelhalter vom rechten Arm und kam näher. Als Haven nicht zurückwich, griff er mit ausgebreiteten Armen an, um Haven vom Boden zu heben.

    Haven drehte sich nur zur Seite und hob den angewinkelten Arm in Schulterhöhe. Mick rannte hinein, schlug mit dem Mund gegen den Ellenbogen und erstarrte in der Bewegung, als wäre er gegen einen Balken gerannt. Haven schlug zu, setzte ihm blitzschnell seine Handkante auf die Nase und trat zurück.

    Mick zögerte, schmeckte das aus seinen aufgeplatzten Lippen dringende Blut und wischte sich mit dem Ärmel den Mund ab. Der Ärmel färbte sich rot, aber er sah nicht hin und sagte nur: »Bleib stehen, wo du stehst!«

    Er griff wieder an, und Haven sah, dass er Schmerzen verspürte. Haven wusste, dass der reichlich genossene Alkohol die Schmerzen in gewissem Maße betäubte, andererseits schärften sie auch seine Wachsamkeit.

    Jetzt holte Mick aus, stieß seine Faust wie einen Rammbock vor, und Haven bekam die ganze Wucht des Schlages zu kosten. Er sprang zurück, um den Aufprall zu dämpfen. Aber der Hieb war so wuchtig, dass er mit dem Rücken auf die eisbedeckten Planken des Gehsteigs fiel.

    Sein Sturz wurde von einem wilden Aufschrei der Zuschauer begleitet. Mick - er sah sich schon als Sieger - griff sofort wieder an. Haven kam auf die Knie und wusste, dass es zu spät war, um auch noch auf die Füße zu kommen. Er warf sich in die Richtung des Angreifers herum und stoppte Mick mit dem Kopf. Micks Körper prallte derart heftig gegen ihn, dass Haven sekundenlang dachte, er müsse sich selber das Genick gebrochen haben. Dann flog Mick über ihn hinweg. Er hörte ihn hinter sich auf die Planken krachen. Als er auf die Füße gekommen war und den Kopf drehte, sah er Mick auf dem Gesicht liegen. Haven flog mit einem Hechtsprung auf ihn zu, landete auf Micks Rücken und drückte dessen Gesicht mehrmals brutal auf die Planken. Dann rollte Mick sich zur Seite, in die Zuschauer hinein, kam aber rasch auf die Beine und blieb heftig atmend stehen. Er schüttelte den Kopf wie ein Hund, der gerade aus dem Wasser gekommen war. Haven stand ebenfalls wieder auf den Beinen.

    »Hör’ endlich mit diesem Herumgetanze auf!« Micks Stimme klang seltsam heiser. Er stürzte sich auf Haven, ehe er noch das letzte Wort ausgesprochen hatte, und griff zur Abwechslung mit einem mächtigen Fußtritt an. Haven drehte rechtzeitig das Kniegelenk zur Seite und fing den Tritt mit der Innenseite seines Oberschenkels auf.

    Es schmerzte wie rasend, betäubte sein Bein und lähmte es beinahe. Er landete eine Faust in Micks Gesicht und hatte wieder das Gefühl, auf harten Granit zu schlagen. Abgesehen davon, schien Mick nichts zu spüren, war in der nächsten Sekunde heran und umklammerte Haven mit seinen mächtigen Armen, die so stark wie zwei Männerbeine waren und auch Muskeln wie Oberschenkel hatten. Eine eiskalte Wut stieg in Haven auf. Der Riese wusste, dass ihm im Nahkampf alle Gegner unterlegen waren. Er konnte sie packen, erdrücken oder durch die Luft schleudern.

    Haven hörte die Zuschauer aufbrüllen wie hundert Ochsen. Er musste sich unter allen Umständen aus diesem Griff befreien, sonst brach sein Brustkasten zusammen wie eine Streichholzschachtel.

    Jetzt lockerte Mick seinen Griff, um noch einmal kräftig nachzufassen. Haven nutzte diesen Bruchteil einer Sekunde aus und warf sich nach hinten. Mick hielt ihn fest und stürzte mit. Beide krachten auf die Planken.

    Mit der ganzen Kraft, die noch in ihm war, brachte Haven ein Knie hoch.

    Micks Schraubstockgriff lockerte sich. Haven brachte auch das andere Knie hoch und schleuderte Mick zur Seite.

    Wie von einer Feder geschnellt sprangen beide gleichzeitig auf die Beine.

    Wieder stürmten sie aufeinander los. Diesmal feuerte Haven eine Serie Schläge ab, die alle in der Magengrube des Riesen landeten, so dass er seine Arme herunternehmen und seinen Bauch schützen musste. Das war etwas, womit Mick nicht gerechnet hatte. Er blieb in gebückter Haltung stehen.

    Was dann kam, war für Haven kaum etwas anderes als die Nahkampfschule, die er vor Jahren während seiner Ausbildung absolviert hatte. Er schlug auf Mick ein wie auf kaltes Eisen und wusste, dass er kaum mit dem Leben davonkommen würde, wenn er diesen Kampf nicht gewann. Wieder feuerte er seine Fäuste auf Micks Bart ab, durch den langsam das Blut zu sickern begann. Auch die Augen Micks färbten sich allmählich blau, und eine Braue platzte auf.

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1