BLUTGELD FÜR BRASADA
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Über dieses E-Book
Die Apachen sagen, der Berg sei verzaubert: Er würde jeden töten, der die dreißig Tonnen reinen Silbers an sich zu bringen versucht, die irgendwo in dem gewaltigen Felsmassiv verborgen liegen.
Doch der Mann, den alle Brasada nennen, glaubt nicht an diesen Spuk. Er weiß, dass ein geheimnisvoller Schütze auf jeden lauert, der dem Schatz zu nahe kommt – und dass dieser Mann keine Gnade kennt.
Brasada lässt sich nicht abschrecken. Er reitet nach Soledad, um das Silber zu finden – und jenen Phantom-Schützen, der bereits dreizehn kaltblütige Morde auf dem Gewissen hat...
Der Apex-Verlag präsentiert diesen Klassiker der Western-Literatur in seiner Reihe APEX WESTERN als durchgesehene Neu-Ausgabe, ergänzt um ein Essay von Dr. Karl Jürgen Roth.
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Buchvorschau
BLUTGELD FÜR BRASADA - Gordon D. Shirreffs
Das Buch
Die Apachen sagen, der Berg sei verzaubert: Er würde jeden töten, der die dreißig Tonnen reinen Silbers an sich zu bringen versucht, die irgendwo in dem gewaltigen Felsmassiv verborgen liegen.
Doch der Mann, den alle Brasada nennen, glaubt nicht an diesen Spuk. Er weiß, dass ein geheimnisvoller Schütze auf jeden lauert, der dem Schatz zu nahe kommt – und dass dieser Mann keine Gnade kennt.
Brasada lässt sich nicht abschrecken. Er reitet nach Soledad, um das Silber zu finden – und jenen Phantom-Schützen, der bereits dreizehn kaltblütige Morde auf dem Gewissen hat...
Der Apex-Verlag präsentiert diesen Klassiker der Western-Literatur in seiner Reihe APEX WESTERN als durchgesehe Neu-Ausgabe, ergänzt um ein Essay von Dr. Karl Jürgen Roth.
BLUTGELD FÜR BRASADA
1.
Brasada ritt nordwärts in Richtung der Grenze von Arizona. Zu beiden Seiten zogen sich einsame, kahle Gebirgszüge hin, und über der ausgedörrten Erde wogten Hitzeschleier im brennenden Sonnenlicht. Er schien allein zu sein, denn er hatte seit vielen Meilen kein anderes Lebewesen gesehen. Aber ein Apache bleibt unsichtbar, es sei denn, er will gesehen werden. Dies war das Land der Apachen, von der Sonne versengt und so wasserlos wie der Mond.
Die Gebirge zu beiden Seiten lagen halb in Sonora und halb im Arizona-Territorium, wobei die höheren Berge nördlich der Grenze emporragten. In diesem leeren Land war eine Grenze natürlich nicht fest markiert, sondern sie bestand aus hohen Bergrücken und einem Labyrinth von einsamen Cañons. Wenn ein Mann sich einmal in diesem Gewirr von Schluchten verirrt hatte, konnte er immer wieder die Grenze in beiden Richtungen passieren, ohne es je zu merken. Aber er konnte in dieser schrecklichen, heißen Wildnis auch der Hitze und dem Durst erliegen - entweder in Arizona oder in Sonora. Das ganze Land war ein Gebiet der gefährlichen Täuschung und des plötzlichen Todes.
Als Wegweiser nach Norden diente Brasada ein großes Felsmassiv, das einfach Berg genannt wurde. Mit seinen sonnenüberfluteten Geröllhängen ragte der Felskoloss wie ein warnender Finger der Natur in den Himmel empor. Der Berg war umgeben von einer unheimlichen, fast bedrohlichen Atmosphäre, die einen Mann gleichzeitig abzustoßen und doch fast gegen seinen Willen anzuziehen schien.
Im Licht des späten Nachmittags kräuselte sich ein fast unsichtbarer Schleier von Dunst aus dem Cañon am südlichen Sockel des Berges empor. Dieser Rauchschleier war kein freundliches Zeichen. Dort wohnte niemand. Und kein Chiricahua-Indianer würde seine Anwesenheit durch ein unvorsichtiges Lagerfeuer verraten.
Ein einsamer zopilote, der große Bussard von Sonora, schien aus dem Nichts in der Luft aufzutauchen. Er schwebte hoch über dem Rauchschleier dahin. Die einzigen Bewegungen in dieser Landschaft der höllischen Einsamkeit waren das träge Emporkräuseln des Rauchschleiers und die dunkle Silhouette des zopilote, der scheinbar schwerelos über dem Rauch auf- und niedersegelte.
Die Dunkelheit vor Aufgang des Mondes sank herab, als Brasada die Mündung des Cañons erreicht hatte. Er stieg ab, wickelte Rohlederlappen um die Hufe des schwarzbraunen Pferdes und führte es dann nach Norden weiter. In der Dunkelheit waren jetzt nur die von den Lederhüllen gedämpften Schritte des Pferdes und das Rascheln von Dornenzweigen gegen die ebenfalls mit Leder umhüllten Beine von Brasada zu hören.
Brasada spähte zu dem Berg empor, der hoch über dem Cañon in den Nachthimmel ragte. Die Dunkelheit an den unteren Hängen und die Dämmerung in den oberen Bereichen schufen die optische Täuschung, als ob der Berg sich drohend zu ihm hinabbeugte. »Zurück mit dir, bastardo«, murmelte Brasada. Der Berg wich nicht zurück.
Der erste blasse Lichtschimmer des aufsteigenden Dreiviertel-Mondes erhellte den östlichen Horizont. Gleichzeitig damit schien der Geruch von harzigem Holzrauch und verbranntem Fleisch herüberzuschweben.
Brasada pflockte den Schwarzbraunen im Schatten eines Eichengehölzes mit silbern schimmernden Blättern an. Von hier aus sah er auf eine tinaja hinab - eine von hochkantig daliegenden Felsblöcken umgebene natürliche Felszisterne, die gewöhnlich - aber nicht immer - einen flachen Teich von abgestanden schmeckendem Regenwasser auch während der Sommermonate enthielt.
Der Wind fächelte über einen Aschenhaufen, aus dem ein Glutfunken wie ein böse schimmerndes Auge aufging und sich wieder schloss. Eine Flamme zuckte plötzlich neben der Asche empor, und in dem ungewiss flackernden Licht erkannte Brasada den Körper eines Mannes ohne Kopf. Die Flamme züngelte sich an seinem brennenden linken Ärmel hoch.
Der Mond stieg höher. In seinem Lichtschein war auf einem flachen Felsen der abgetrennte Kopf zu sehen, dessen grauer Bart den Boden berührte. Das Mondlicht spiegelte sich in den glasigen Augen, die angespannt zu dem Berg empor zu starren schienen.
»Jubal Conn«, sagte Brasada leise. »Es scheint, ich bin ein wenig spät zu unserem Treffpunkt gekommen.«
Der Wind bewegte den Bart des alten Mannes.
2.
Brasada schlich im Schatten der Felsen hinunter, bis er den enthaupteten Körper in den Schutz der Felsblöcke nahe an die tinaja schleppen konnte. Dann ergriff er den Kopf an dem dicht verfilzten grauen Haar und trug ihn zu der Leiche.
Brasada kauerte sich hin und riss ein Streichholz an. Er stieß einen leisen Laut des Erstaunens aus, als er den Kopf untersuchte. Über dem rechten Ohr war ein schwarz umrandetes Loch von etwa anderthalb Zentimeter Durchmesser zu sehen, wo das Geschoss in den Schädel eingedrungen war. Bei ihrem Austritt hatte die Kugel das linke Ohr und ein großes Stück des Schädelknochens weggerissen. Brasada ging zu dem verglimmenden Lagerfeuer hinüber. Er hob eine deformierte Patrone auf. Die Spitze war breit zerschlagen, aber der Boden war noch nach innen gewölbt und ringförmig, wo er einmal fest in eine Patronenhülse vom 50er-Kaliber gepasst hatte.
Brasada durchsuchte den Toten sorgfältig. Er riss die abgelaufenen Hacken der Stiefel ab und schlitzte die dünnen Sohlen auf. Er durchsuchte das Hemd, die Hosen und die langen Unterhosen, aber er fand nichts. Der Mörder des alten Mannes hatte wahrscheinlich alles Wertvolle mitgenommen - und besonders einen Gegenstand.
Hoch am monderhellten Hang löste sich ein Stein und kam springend und klappernd zur tinaja herabgerollt. Nicht weit vom Lagerfeuer entfernt blieb der Stein liegen. Das zischende, raschelnde Geräusch von niederrieselnden Steinsplittern und trockenem Sand erstarb.
Brasada trat ins Mondlicht hinaus und spähte zu dem Eichengehölz empor. Der Wind flüsterte zwischen den Blättern. »Sie können jetzt herauskommen«, rief Brasada. Sein Ruf hallte von den Cañonwänden wider.
Nichts bewegte sich. Der Wind erstarb.
Brasada grinste, und seine Zähne schimmerten dabei im Mondlicht wie bei einem jagenden Wolf. Er ging auf seine Winchester-Büchse zu.
»Das ist weit genug!«, rief eine raue Stimme aus dem Eichengehölz. »Heben Sie die Hände! Keine Bewegung!«
Brasada drehte sich um und hob langsam die Hände. Der breite Rand seines Sombreros überschattete seine Nase und die Augen.
Sporen klirrten leise. Ein großer schlanker Mann kam den Hang herunter. Das Mondlicht schimmerte matt auf dem Metall seines Repetiergewehrs. Die Farbe Grau war am hervorstechendsten an dem Mann: Das Haar an den Schläfen seines schmalen Kopfes unter dem Hutrand war grau; seine Augen waren grau und sein Schnurrbart ebenfalls. Vor allen Dingen schien eine Atmosphäre wintergrauer Kälte von dem Mann auszuströmen, dachte Brasada. Das Mondlicht schimmerte auf dem an seine Weste gehefteten Blechstern eines Hilfssheriffs.
Der Hilfssheriff nahm Brasadas Winchester und schnüffelte an der Mündung und am Schloss. Dann trat er hinter Brasada und zog ihm den Colt aus dem Halfter. Der Zylinder kreiste rasselnd, als er zur Prüfung der Ladung herumgewirbelt wurde. »Wer hat den alten Mann getötet?«, fragte der Hilfssheriff.
»Er war bereits tot, als ich herkam, und Sie wissen das«, antwortete Brasada.
»Wer sind Sie?«
»Ich werde Brasada genannt.«
»Ich will Ihren ganzen Namen wissen.«
Brasada zuckte mit den Schultern. »Das ist er - Brasada.«
Der Hilfssheriff trat vor Brasada. »Sie sprechen gut Englisch«, sagte er, »was sind Sie? Ein Halbblut?«
»In Amerika geboren«, antwortete Brasada. »Aber ich bin auch ein Bürger von Mexiko - ein emigrado, wenn Sie das vorziehen.«
»Für mich seid ihr alle Spics.«
Ein Stein löste sich wieder irgendwo oben und polterte, eine kleine Geröll-Lawine auslösend, den Hang herunter.
»Der Berg ist heute Nacht sehr geräuschvoll«, bemerkte Brasada.
»Monte Ruidoso - Lärmender Berg«, übersetzte der Hilfssheriff. »Ihr Spics habt eine Vorliebe für solche Namen.«
Mit einer plötzlichen Handbewegung schlug der Hilfssheriff den Rand von Brasadas Sombrero zurück. Die Wirkung war erschreckend, fast unheimlich, als hätte jemand ein magisches Scheinwerferlicht auf das hagere, düstere Gesicht des Mannes namens Brasada gerichtet. Ein Augenpaar so grau und kühl wie eisiger Winterregen blickte, ohne zu blinzeln, in die Augen des Hilfssheriffs.
Irgendwo hoch auf dem Berghang heulte ein Coyote.
»Warum haben Sie den Körper und den Kopf des alten Mannes außer Sicht geschafft?«, fragte der Hilfssheriff.
Brasada zuckte mit den Schultern. »Ich wusste nicht genau, ob sich der Mörder des Alten noch irgendwo dort oben befand und mich beobachtete.«
»Und Sie wussten die ganze Zeit über, dass ich dort oben war, wie?«
Brasada nickte.
»Was haben Sie bei dem Toten gesucht?«
Brasada zuckte mit den Schultern. »Irgendetwas Wertvolles.«
Der Hilfssheriff lachte. »Bei Jubal Conn? Kannten Sie den alten Mann?«
»Schon seit Jahren.«
»Warum sind Sie hergekommen? Um ihn zu treffen?«
Brasada schüttelte den Kopf. »Das war Zufall. Ich habe die Wasserstelle gesucht.«
Der Hilfssheriff musterte Brasada mit kaltem Blick. »Vielleicht kennen Sie nicht die mit dem Berg verknüpfte Legende von Morden. In den vergangenen drei Jahren sind zwölf Männer auf die gleiche Art wie Jubal getötet worden. Er ist der dreizehnte.«
»Der Berg sucht also immer noch seine Opfer«, bemerkte Brasada.
»Das ist der Aberglaube eines Spic«, sagte der Hilfssheriff. Er legte den Kopf schief. »Vielleicht sind Sie kein Spic, aber Sie kleiden sich, denken und handeln wie einer.«
»Das ist nicht verboten«, sagte Brasada ruhig.
»Vielleicht war es das Werk eines Apachen«, vermutete der Hilfssheriff.
»Kaum. Kein Apache kann so gut schießen, und auch nur wenige Weiße können es.«
»Sie behaupten eine ganze Menge«, sagte der Hilfssheriff. »Können Sie mir Beweise zeigen, Mister?«
Brasada führte ihn den Hang hinter dem Wasserloch empor. Er deutete in eine flache, von Büschen getarnte Mulde, wo drei Eindrücke im weichen Treibsand zu sehen waren.
»Ellbogen, Knie und Zehen«, erklärte Brasada. Er schaute sich um. »Keine leere Patronenhülse. Wahrscheinlich zum Nachladen aufgehoben.« Er ging ein paar Schritte den Hang hinunter und hob einen mit Fett befleckten weißen Papierfetzen auf. »In Papier gewickelte Patrone«, fügte er hinzu. Er spähte den kleinen Hang zur tinaja und dem verglühenden Lagerfeuer hinab.