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Das Gold der Nebelberge: Roman
Das Gold der Nebelberge: Roman
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eBook321 Seiten4 Stunden

Das Gold der Nebelberge: Roman

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Über dieses E-Book

Viele Goldsucher erlagen schon dem Fluch, der auf dem Goldschatz in den Nebelbergen im hohen Norden Kanadas liegt, da erfährt Prospektor Warren davon und macht sich auf den gefahrvollen Weg.

Coverbild: © Fun Way Illustration/Shutterstock.com

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum25. Apr. 2019
ISBN9783730915844
Das Gold der Nebelberge: Roman

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    Buchvorschau

    Das Gold der Nebelberge - Emil Droonberg

    ZUM BUCH

    Viele Goldsucher erlagen schon dem Fluch, der auf dem Goldschatz in den Nebelbergen im hohen Norden Kanadas liegt. Keiner kehrte lebend von der Suche zurück. Prospektor Warren, der davon erfährt, kümmert sich nicht um die Gefahr und bricht ebenfalls auf.

    Coverbild: © Fun Way Illustration/Shutterstock.com

    PROLOG

    „– und es war rot, das Gold. Rot wie gefrorene Blutstropfen lag es im Geröll des Gebirgsbaches. Mengen von Gold – Nuggets so groß wie Haselnüsse. An den Bachrändern, entlang den Wänden der Schlucht, huschten die kleinen grünen Schlangen, die Wächter des Goldes. In meinen Händen habe ich es gehalten, und durch meine Finger ist es gerieselt, als ob sie tropften von Blut –

    Und da kam die ‚böse Medizin‘, der Fluch über mich –

    Ich hatte gelacht, heimlich gelacht, als der alte, abergläubische Medizinmann der Sioux mir gesagt hatte, die bösen Geister hausten in der Schlucht und ihre ‚Medizin‘ käme über jeden, der Gold von dort weghole. Freilich, in einer Weise hatte er recht, es haftet eine ‚böse Medizin‘, ein Fluch, daran. Aber das Metall ist unschuldig. Der Fluch kommt aus dem Herzen der Menschen. Sie haben es zu ihrem Gott gemacht, dieses nutzloseste aller Metalle, und es ist ihr Teufel geworden! Um seinetwillen haben sich Völker gewürgt, sind Männer zu Schurken und Frauen zu Dirnen geworden. Das war sein Fluch, aber nicht jener andere, von dem der alte Medizinmann faselte, der an dem Golde da oben in der Felsspalte hängen sollte, als sei es belebt und nicht nur totes Metall.

    Und ich hatte gelacht!

    Als aber die Nuggets durch meine Finger rieselten wie gefrorenes Blut, da packte er mich, der Fluch – jener andere Fluch! Und die kleinen grünen Schlangen sahen es, wie er Besitz nahm von meinem Hirn, denn sie grinsten mich höhnisch, an aus ihren unheimlich bewussten Augen!

    Verflucht, du Augenblick, wo ich den alten Medizinmann verlachte!

    Verflucht, du erbärmliches rotes Gold, dass du jetzt meinen Körper mordest, wie du erst meine Seele gemordet hast – verflucht! – verfl–!"

    EINS

    Heulend und in seinen Stößen dichte Massen von Eisstaub in ganzen Wolken vor sich herjagend, raste der Sturm von den umliegenden Bergen herab. Mit der Gewalt titanenhafter Wurfgeschosse schmetterte er sie gegen den Schuppen, der unserer Abteilung deutscher Internierter als Behausung diente.

    Mit dem uns zugeteilten Wächter saß ich in einem kleinen Anbau und lauschte dem Wüten des Sturmes. Dieser Anbau war eigentlich unsere Küche, in der unser Koch, ein biederer, aber fürchterlich wortreicher Sachse, sonst seines Amtes waltete. Da aber dieser Anbau dank seiner geringen Größe und des großen Küchenherdes bei Weitem der wärmste Raum der ganzen Baracke war, hatte ich mich hierher geflüchtet, die Nacht hier zu verbringen. Ich war dazu gezwungen durch den Umstand, dass sich mein Bett in der zugigsten Ecke unseres Schlafraumes befand – der übrigens seiner ursprünglichen Bestimmung als Heuboden niemals hätte entzogen werden sollen –, und dass die durch den Sturm bis zur Unerträglichkeit gesteigerte Kälte von fünfundvierzig Grad unter Null mich von dort verjagt hatte. Allerdings leitete mich dabei noch ein Nebenzweck. Ich wollte mit dem Wächter, einem alten Prospektor von fünfundsechzig Jahren, der in diesem gott- und weltverlassenen Neste in den kanadischen Felsengebirgen seinem Lande diente, wieder mal eine der Unterhaltungen führen, wie ich sie mit ihm schon häufig während der langen Winterabende an dem gleichen Orte gepflogen hatte.

    Trotzdem wir in den häufigen Pausen unserer Unterhaltung dem baufälligen Kochherd vor uns ein Scheit duftenden Zedernholzes nach dem andern zuführten und seine verbogenen Eisenplatten rote Glut strahlten, war doch sein Kampf mit dem Sturm da draußen zu ungleich. Der pfiff und fauchte und blies durch so viele geheime Ritzen und Löcher, dass wir, dicht vor dem Herde sitzend, unsere warmen Wintermäntel und eine wollene Decke über den Knien nicht hätten entbehren können. Der Ort, wo wir uns befanden, lag in den kanadischen Felsengebirgen in einer Talsenkung. Einst, das heißt vor etwa fünfzehn Jahren, war diese wohl von dichtem Urwald ausgefüllt gewesen, wovon jetzt noch kräftige Wurzeln, über die man in jedem Hofraum und auf jedem Pfade stolperte, Zeugnis ablegten. Als man die ‚Stadt‘, der man den Namen Morrissey gegeben hatte, gründete, wurden natürlich beträchtliche Breschen in den Wald geschlagen. Sein Dasein in dieser Bergwildnis verdankte Morrissey ausschließlich den nahegelegenen Kohlenminen. Der typische Charakter der westlichen Minenstädte kam auch heute noch durch eine Anzahl mehrstöckiger Boardinghäuser zum Ausdruck, die man in den kleinen Ortschaften der Farmerdistrikte vermisst. Inzwischen hatte Morrissey freilich als typische Minenstadt auch das typische Schicksal dieser Plätze erlitten, denn es war, als eines schönen Tages der Betrieb der Minen eingestellt werden musste, von seinen Bewohnern verlassen worden.

    Nachdem das Städtchen etwa zehn Jahre lang, im Sommer in der brütenden Sonnenhitze und im Winter halb im Schnee vergraben, in einer Art Märchenschlafe gelegen, hatten es die Furien des großen Völkerkrieges zu neuem Leben erweckt. Die ganze Stadt, die freilich insgesamt aus kaum mehr zwanzig Häusern bestand, wurde von der Militärbehörde für Internierungszwecke gemietet.

    Die Gegend war wunderbar malerisch und romantisch; der Wald belebt von Eichhörnchen, Rebhühnern und allem möglichen kleineren Vogelgesindel, das oft wie eine Versammlung von Markweibern durcheinander schrie und sich auch nicht im Geringsten stören ließ, wenn ein vereinzelter Rabe mit schwerem Flügelschlage auf eine der zahlreichen Lichtungen nieder schwebte. Aber scheu versteckte es sich im Geäst der Bäume, wenn ein Habicht seine Kreise in der klaren, mit dem Dufte der Balsamtannen erfüllten Luft zog und den Warnungsruf gab, der von einem Dutzend aufgeregter Vogelstimmen wiederholt wurde.

    Und während in der Ferne die alten Bergriesen ihre einsamen gletscherumstarrten und goldrein in der Sonne blinkenden Gipfel in den Äther streckten, erschienen an den Abhängen der näheren Berge oft Bergschafe, Rehe und gelegentlich wohl auch einmal die massige Form eines Bären.

    Das alles konnten wir von dem mit Stacheldraht umzäunten kleinen Hofe, der unsere Shanty umgab, beobachten.

    Jetzt schien der Winter alles Leben, soweit es sich unseren Blicken bot, auf den Lichtungen und in den dünnen Waldbeständen der umliegenden Berghänge ertötet zu haben. Nur nachts verriet uns das Geheul der herumstreifenden Wölfe und das gelegentliche schrille, katzenartige Miauen eines Luchses, dass es sich fortspann hinter den grauen Frostschleiern, die uns die meiste Zeit die Aussicht verhüllten, verstohlen, schleichend, auf leisen, samtenen Sohlen, in stetem blutigen Kampfe von Art gegen Art und mit derselben raublüsternen Mordgier, die da draußen in der Welt die Völker sich gegenseitig abwürgen ließ.

    Während man tagsüber unsere Sicherheit und unser Wohlergehen durch die Außenposten genügend gewährleistet glaubte, teilte man uns nachts immer noch zwei Innenwächter zu. Sie lösten sich jede halbe Stunde in der Weise ab, dass der eine seinen Dienst draußen im Hofe versah, während der andere sich in der Küche unserer Shanty wärmte.

    Der eine von diesen war Edward Warren, der alte Prospektor, mit dem ich in dieser wilden Januarnacht dort saß, rauchend, plaudernd und zeitweilig dem Toben des Sturmes lauschend.

    Als echter Prospektor, den das Prospektierfieber in seiner Jugend gepackt und nicht wieder losgelassen hatte, war Warren unverheiratet geblieben. Denn was sollte wohl ein Prospektor mit einer Frau und Familie anfangen? Auch all die Schrullen besaß er, die sich naturgemäß bei einem Menschen herausbilden, der sein Leben fern von der Zivilisation und der Gesellschaft der Menschen verbringt.

    Der große reiche Fund, der jedem Prospektor wie ein flackerndes Irrlicht auf seinen Wegen vorangaukelt, war ihm noch nicht geworden. Aber die Vorstellung, die Gewissheit, dass er ihm glücken würde, lebte noch immer in seinem Hirn wie ein nie verlöschender Fiebertraum, füllte noch immer jedes Frühjahr seine alten Knochen mit dem nötigen Optimismus, irgendeinen spekulationslustigen Geschäftsmann zur Hergabe eines Grubstakes zu veranlassen und ließ ihn im Sommer unter den härtesten Entbehrungen in einsamen Schluchten und Flussbetten die Erde aufwühlen und im Winter in der froststarren Öde der Wälder seine Fallen stellen. Anstatt, dass die nun schon so oft erlebten Enttäuschungen ihn, der jetzt an der Neige seines Lebens stand, ernüchtert hätten, war im Gegenteil die immer gehegte Hoffnung auf einen reichen Fund schließlich zur fixen Idee geworden.

    Und das gilt von jedem alten Prospektor. Er besitzt stets einen Optimismus, der unverwüstlich ist – oder er wäre eben kein alter Prospektor. Er weiß recht wohl, dass nur einer unter zehn etwas von Wert findet – dass nur eine unter hundert solchen Entdeckungen eine Ausnützung durch Minenbetrieb lohnt – und dass wiederum nur einer unter tausend solcher Betriebe zu einer bedeutenden Mine wird. Aber jeder Misserfolg scheint in seiner Vorstellung nach einer Art unbewusster Wahrscheinlichkeitsrechnung den Erfolg für das nächste Mal umso sicherer zu machen.

    Das Gold und die andern Metalle sind ja doch da! Und wie der Spieler glaubt, nachdem er zehn- oder zwanzigmal verloren oder nur kleine Einsätze gewonnen hat, dass sich die Wahrscheinlichkeit auf einen baldigen großen Gewinn steigert, so geht der Prospektor auf jede Entdeckungstour mit einem immer größeren Glauben an seinen endlichen Erfolg. Einmal muss er ja doch kommen!

    Ich hatte natürlich sofort gemerkt, dass Mister Warren mich hauptsächlich aus dem Grunde seiner besonderen Aufmerksamkeit würdigte, weil er in mir einen Mann witterte, der ihm nach Beendigung des Krieges zu einem Grubstake für seine nächste Wanderung in die Berge verhelfen könnte. Das war auch keineswegs ausgeschlossen, und ich hatte ihm bereits mitgeteilt, dass ich ihn recht gern einmal auf einer seiner Expeditionen begleiten würde. Die Lager von Edelmetallen, die wir dabei entdecken würden, wollte ich ihm überlassen und mich mit den Eindrücken und Erfahrungen der Reise begnügen. Nur wenn wir gerade zufällig auf ein Lager von Placergold stoßen sollten, würde ich mich vielleicht überreden lassen, einige Taschen voll mitzunehmen.

    Diese letzte Bemerkung veranlasste ihn, mir mit einem merkwürdig forschenden, gleichzeitig aber auch nachdenklichen Blick ins Gesicht zu sehen. Das flackernde Licht der armseligen Petroleumlampe, seltsam gemischt mit dem roten Schein der glühenden Eisenplatten des Herdes, spielte über seine verwitterten Züge. Die eingesunkenen Wangen, die scharfen Linien, die Not und Entbehrungen in sein Gesicht gegraben – nicht die Not der Städte, die unter ihrem steten Druck den Geist tötet und die Seele zermürbt, sondern jene der Wildnis, die man um des Zweckes willen, den man verfolgt, mutig erträgt und die zuletzt doch nur den Körper stählt und härtet –, waren braun und von einem gesunden dauerhaften Rot überzogen. Der weiße Schnurrbart war von unzähligen Pfeifen Tabak etwas angegilbt. Der Blick der blassgrünen Augen schien weit in die Ferne gerichtet. Das alles gehörte durchaus zu dem Bilde, das man sich wohl von einem alten Prospektor macht und das noch vervollständigt wurde durch die lange, hagere Gestalt, die das Alter zwar gesteift, aber nicht ihrer sehnigen Kraft beraubt hatte.

    „Was dann, wenn das, was Sie eben gesagt und doch nur spöttisch gemeint haben, eines Tages plötzlich zur Wirklichkeit würde?"

    „Was ich dann sagen würde? Darauf bin ich selbst neugierig. Einstweilen aber wiederhole ich Ihnen, was ich Ihnen schon ein paar Mal erklärt habe: dass Sie ein unverbesserlicher Optimist sind. Golderze interessieren mich überhaupt nicht, denn man müsste eine Company gründen, um das zur Ausbeutung des Lagers nötige Kapital zu beschaffen, und für Gründungen ist das Publikum heute nicht mehr zu haben."

    „Es werden doch noch jeden Tag Kompanien gegründet", warf Mister Warren ein.

    „Wilde-Katzen-Gründungen, ja! Die großen bekannten Finanzmänner geben sich aber nicht mehr damit ab. Sie wissen zu gut, dass Goldminen so ziemlich die unsicherste Spekulation sind, die man sich denken kann. Die Minen mögen heute noch da sein und reichen Ertrag liefern, und vielleicht morgen schon hört die Ader auf. Das bezieht sich natürlich nur auf Golderze. Aber Placergold gibt’s ja auch kaum mehr. Die ganze Oberfläche der Erde ist längst abgesucht."

    „Keineswegs, unterbrach mich Warren mit der Überlegenheit des Wissenden. „Sie brauchen nur nach Alaska zu gehen, um noch ungeheure Strecken des Landes zu finden, die vielleicht noch nie ein Prospektor durchwandelt hat und die heute noch dem Geografen unbekannt sind. Aber auch hier in Britisch-Kolumbien, also gewissermaßen vor unserer Türe, gibt’s noch unerforschtes Land genug. Außerdem wird Placergold durchaus nicht nur an der Oberfläche der Erde gefunden, sondern es liegt manchmal sehr tief.

    „Das ist’s ja eben! Wenn Sie die ganze Alluvialschicht der Erde umgraben könnten, so ist es sehr wahrscheinlich, dass Sie auch noch Placergold in Massen finden würden. Aber eben das ist unmöglich!"

    „Es ist auch nicht nötig, denn kein Prospektor gräbt los auf gut Glück. Es gibt gewisse Erdschichten, zum Beispiel Titanitsand, in denen gegraben wird. Zeigen sich dabei Spuren von Gold, so gräbt er tiefer, wo er dann vielleicht mehr findet …"

    „Oder auch weniger."

    „Auch das. Und dann wird er das Graben einstellen –"

    „Vermutlich."

    „– und das Gold, das vielleicht nur ein Yard tiefer haufenweise liegt, wird dann unentdeckt bleiben, bis es vielleicht nach tausend oder hunderttausend Jahren durch eine abermalige vulkanische Umwälzung entweder noch tiefer sinkt oder an die Oberfläche gehoben wird –"

    „– wo es dann spätere Geschlechter von Prospektoren finden werden, unterbrach ich ihn aufs Neue, „vorausgesetzt, dass es dann noch Prospektoren gibt. Man kann aber annehmen, dass es zu dieser Zeit die Menschheit aufgegeben haben wird, sich von einem Metall wie von einem Dämon beherrschen zu lassen.

    „Wer weiß?", entgegnete Warren zweifelnd. „Es will mir manchmal scheinen, dass die Menschheit ohne einen Teufel nicht auskommen kann. Und einer ist ihr oft nicht genug, weshalb sie sich mehrere beschafft – genau so, wie die Naturvölker sich Götter schnitzen, bei denen man aber auch nie weiß, wo der Gott aufhört und der Teufel anfängt. Freilich, auch der Teufel ist der Mode unterworfen. Und so kann es sehr wohl sein, dass das Gold seine Macht über die Menschen einst verlieren wird, aber sicher nur, weil sie sich inzwischen einen anderen, moderneren Teufel geschaffen haben.

    Aber Sie haben mich unterbrochen. Ich wollte Ihnen nur erklären, dass auch dort Funde möglich sind, wo Prospektoren schon gesucht haben. Und glauben Sie ja nicht, dass man ein Mining College besucht haben muss, um solche Funde zu machen. Einige Kenntnis von der Sache muss man natürlich haben, die Hauptsache lernt man aber durch die Erfahrung. Und dann ist noch etwas nötig, was Sie schon ein paar Mal bespöttelt haben: Optimismus! Es vergeht kein Jahr, ohne dass ein Prospektor wertvolle Goldlager in einer Gegend entdeckt, von der die Sachverständigen erklärt haben, dass dort keine Metalle in Mengen zu finden seien, die den Abbau lohnten.

    Es ist noch gar nicht so lange her, dass ein Bekannter von mir ein mächtiges Lager von Bleierz entdeckte, das fünfzig Prozent Blei mit achtzehn Unzen Silber per Tonne ergab. Es war in Idaho, in einer Gegend, die zwanzig Jahre lang von Prospektoren, gelehrten und ungelehrten, durchwandert worden war.

    Eine der reichsten Zinkminen im Coer d’Alene-Distrikt stammt von einem Prospektor, der sich eine Blockhütte in einer Schlucht gebaut hatte und anfing, einen Tunnel in das Schiefergestein zu graben, von dem die Sachverständigen behauptet hatten, dass es keine Metalle enthalte. Nicht weit davon war eine Mine, und die Arbeiter machten ihre Witze über den Mann, als er jahrelang an dem Tunnel arbeitete, ohne dass man von irgendwelchem Erfolge hörte. Sie meinten, er zeigte nur deshalb so viel Ausdauer, weil das Graben im Schiefer so leicht sei. Als der Krieg ausbrach, war seine Mine selbst in den Kreisen der Minenspekulanten zwar noch immer unbekannt, aber ihr Wert war bereits erwiesen durch Sendungen von hochprozentigem Erz nach den Schmelzöfen. Und nun kam der Boom durch den kolossalen Bedarf an Zink, den der Krieg schaffte. Heute ist die Mine eine der wertvollsten Zinkminen der Welt. Vorher wurden die Shares – ihr Nennwert war ein Dollar – an den kleinen Minenbörsen hier im Westen mit fünfundzwanzig Cent gehandelt. In den vergangenen zwei Jahren hat die Gesellschaft vier Millionen Dollar Dividende an die Aktionäre ausgezahlt, das heißt neunzig Prozent des gesamten Aktienkapitals. Ein Share, den Sie vor drei Jahren für einen Vierteldollar kaufen konnten, bringt seinem Besitzer heute jedes Jahr sechs Dollar Dividende ein! Nicht so schlecht – was?"

    „Ungewöhnliche Zeiten bringen ungewöhnliche Gewinne."

    „Jeder Erfolg ist ungewöhnlich, versetzte Warren. „Und es gibt keinen Erfolg ohne den Glauben an ihn. Auch hier bei dieser Zinkmine sehen Sie das. Erst war der Mann da, der sich seinen Glauben an den Erfolg von andern nicht hinweglachen ließ, und dann erst kam der Krieg und half ihm weiter.

    „Und glauben Sie mir, fuhr er fort, seine kurze Pfeife von Neuem mit einem an seiner Khakihose entzündeten Streichholz in Brand setzend, „niemand braucht den Optimismus so sehr wie der Prospektor. Warum haben die gelehrten Herren Bergingenieure so selten Erfolg, wenn sie einmal in den Ferien prospektieren gehen? Man sollte doch denken, dass sie mit ihren wissenschaftlichen Kenntnissen allen Vorteil vor uns voraus hätten. Ich will es Ihnen sagen: Wie der Optimismus unsre Stärke ist, so ist sein Mangel ihre Schwäche. Wir glauben stets, der nächste Schlag unserer Spitzhacke wird uns Reichtümer bringen, während der gelehrte Herr oft einen Distrikt durchwandert, von vornherein fest davon überzeugt, dass nichts darin zu finden ist.

    Damit hatte Warren nicht so unrecht. Die größten Funde sind oft dort gemacht worden, wo man sie am allerwenigsten erwartete. Ich hatte selbst ein paar Jahre vorher auf einer Reise durch Britisch-Kolumbien ein Beispiel davon gesehen. Mit meinen zwei Packpferden, die meine Camp-Ausrüstung und meinen Proviant trugen, passierte ich ein Goldgräberlager in einer Gegend, in der seit zwei Jahrzehnten freies Gold aus der Erde gewaschen worden war. Nachdem die weißen Goldgräber den Platz verlassen hatten, weil sie die Erträge nicht mehr befriedigten, waren die geduldigen und ausdauernden Chinesen gekommen, die mit Recht als die besten Minenarbeiter der Welt gelten. Mit unglaublichem Fleiß wuschen sie jeden Kubikmeter des Bodens aus und verdienten noch immer einen für ihre Ansprüche guten Tagelohn. Nachdem auch sie die Gegend verlassen hatten, glaubte niemand, dass auch nur noch eine Unze Gold darin zurückgeblieben sei. Aber kurz bevor ich das Camp passierte, hatte ein Geschäftsmann aus der Gegend begonnen, einen Lagerschuppen zu bauen und stieß beim Ausgraben des Fundamentes in zwölf Fuß Tiefe in einer Schicht von Kiessand auf ein beträchtliches Golddeposit. Es war nicht der übliche feine Goldstaub, sondern Stückchen in der Größe von Weizenkörnern.

    Ich erwähnte die Sache aber nicht. Erstens einmal, weil es schließlich doch nur ein Beispiel war, dem Warren ohne Zweifel hundert andere aus dem reichen Archiv seiner Erfahrungen hätte anreihen können, und zweitens, weil er in der Einsamkeit seines Prospektor- und Trapperlebens das Schweigen so gut gelernt hatte, dass er stets bereit war, sich den Faden der Unterhaltung aus der Hand nehmen zu lassen. Da es aber vielmehr meine Absicht war, zu hören, als selbst zu erzählen, nahm ich immer darauf Bedacht, ihn durch nur ganz gelegentliche Bemerkungen im Gange zu halten.

    „Außerdem müssen Sie bedenken, dass ein Prospektor durchaus nicht allein nach Gold sucht. Das war früher einmal der Fall. Heute sucht ein Prospektor nach allen möglichen Metallen, die jetzt zum großen Teil ebenso wertvoll sind wie Gold. Die Industrie der letzten zehn Jahre hat Bedarf an Metallen geschaffen, die früher fast wertlos waren und welche die meisten Prospektoren kaum dem Namen nach kannten.

    Die alten und hundertmal durchsuchten Gegenden enthalten immer noch genug von den alten Metallen wie Kupfer, Zink, Quecksilber, Blei und, nicht zu vergessen, Gold. Aber man könnte ruhig noch einmal von vorn anfangen, sie nach neuen Metallen wie Tungsten, Mangan, Molybdän, Cer, Thor, Vanadin und Uran zu durchsuchen.

    Es gibt Leute, die da behaupten, das Zeitalter der Prospektoren sei vorüber, und so oder ähnlich denken Sie ja wohl auch von der Sache. Ich sage Ihnen aber, es beginnt erst."

    „Ich gebe das zu. Ebenso wenig bestreite ich die Möglichkeit, ja Wahrscheinlichkeit, dass Sie eines Tages ein großes Erzlager irgendwelcher Art entdecken mögen. Nur bezweifle ich, dass die Entdeckung Ihnen viel Nutzen bringen wird, ganz besonders, wenn es sich um Golderz handeln sollte. Ich halte es für so gut wie ausgeschlossen, das Kapital zur Ausbeutung des Claims aufzubringen. Mit Placergold liegt ja die Sache anders. Man braucht da schließlich nur eine Hacke und Schaufel und eine Pfanne zum Waschen des Goldes, und während man sich im ungünstigsten Falle doch immer noch einen Tagesverdienst aus der Erde waschen kann, hat man nebenbei die ganz angenehme Aussicht, jeden Augenblick auf ein reiches Deposit zu stoßen. Aber gerade Placergold, ich meine natürlich, reiche und überreiche Funde, ist nicht mehr vorhanden."

    Warren schwieg. Er paffte an seiner Pfeife, ohne zu merken, dass sie ausgegangen war, sodass ich den Eindruck gewann, er krame tiefer als sonst in seinen Erinnerungen nach einem der zahllosen Beispiele aus seinem Prospektorleben, mit denen er jede abweichende Behauptung stets zu widerlegen wusste.

    „Das glauben Sie?", fragte er dann, wie aus tiefem Sinnen erwachend, als ob er sich erst jetzt meiner Worte wieder erinnere. „Well, da Sie doch die Nacht hier unten sitzen wollen, will ich Ihnen etwas erzählen, was Ihre Meinung vielleicht ändern wird. Es passierte mir – lassen Sie sehen! – ja, es war zwei Jahre vor dem Kriege, und ich denke, es wird Ihnen zeigen, dass die Welt doch nicht so klein ist, wie Sie anzunehmen scheinen, und dass es noch immer Stellen gibt, wo man sich nur zu bücken braucht, um das Gold aufzuheben – wenn man den Mut dazu hat! Ich wurde heute ohnehin wieder durch den Sturm daran erinnert, obwohl es eigentlich aus meinem Gedächtnis niemals entschwunden war. Und es wird darin bleiben, auch wenn ich hundert Jahre alt würde, wenn ich’s auch manchmal zu vergessen wünschte. Es war in einer Winternacht wie diese, vielleicht noch wilder, denn ich befand mich damals ganz oben im Norden von Britisch-Kolumbien.

    Vorher möchte ich Ihnen aber erst noch zeigen, dass Sie auch in Bezug auf die Gründung von Minengesellschaften zur Beschaffung des Kapitals für die Ausbeutung eines Claims im Irrtum sind. Die Sache wird hier anders gehandhabt als in New York oder London. Dort ist es eine Spekulation für die großen Kapitalisten, hier im Westen für die kleinen und deshalb auch gar nicht so schwierig und aussichtslos, wie Sie glauben.

    Jeder hat hier Interesse für das Prospektieren und für Minengründungen. Überall spricht man davon, und die Funde und Sharegewinne werden übertrieben, während Misserfolge und Verluste kaum erwähnt werden. Wer interessiert sich dafür, wenn irgendjemand, den er kaum kennt, Geld verliert? Aber wenn jemand gewinnt, das ist etwas anderes! Davon erzählen Ihnen zunächst mal alle diejenigen, die Ihnen Shares verkaufen wollen – und die andern erzählen es mit denselben Übertreibungen gutgläubig weiter. Und nun kommt noch etwas hinzu, was Sie nicht übersehen dürfen: ein schneller, leichter Gewinn, den jemand gemacht hat, reizt Hunderte und Tausende zur Nachahmung – ein Verlust schreckt vielleicht nur zehn oder zwanzig ab.

    So hat hier fast jeder ein paar Dollars in Minenshares angelegt. Der Arzt, Geistliche oder Lehrer: jeder zahlt monatlich seine zehn oder zwanzig Dollar in ein Syndikat für die Gründung einer Mine; die Waschfrau, der Barbiergehilfe und der Hotelportier kaufen für die paar Cents, die sie sich mühsam erspart haben, Minenshares von niedrigen Nennwerten, die – wer kann es wissen? – eines Tages große Gewinne bringen mögen. Der Geschäftsmann und der Politiker sind vielleicht Partner eines

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