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Das Erbe des Prospektors: Roman
Das Erbe des Prospektors: Roman
Das Erbe des Prospektors: Roman
eBook269 Seiten3 Stunden

Das Erbe des Prospektors: Roman

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Über dieses E-Book

Dieser Roman ist die unmittelbare und in sich geschlossene Fortsetzung von „Das Gold der Nebelberge“. Prospektor Warren bricht nun selbst auf zur fluchbeladenen Goldschlucht in den Rocky Mountains, die noch jedem Goldsucher den Tod brachte.

Coverbild: © Amplion / Shutterstock.com

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum25. Apr. 2019
ISBN9783730918753
Das Erbe des Prospektors: Roman

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    Buchvorschau

    Das Erbe des Prospektors - Emil Droonberg

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    Emil Droonberg

    Das Erbe des Prospektors

    Coverbild: © Amplion / Shutterstock.com

    Eingang

    Es war zehn Uhr vormittags.

    Der von Osten kommende Zug der Canadian-Pacific-Eisenbahn lief in die kleine Station Morrissey in den Felsengebirgen ein.

    Ich raffte mein geringes Gepäck zusammen und sprang als einziger Fahrgast, der hier den Zug verließ, über die wenigen Stufen am Ende des Wagens auf den Bahnsteig. Es waren nur vier Personen, die den Zug hier erwarteten: ein Mann, der ihn bestieg, um irgendwohin nach dem Westen zu reisen, der Stations- und der Postagent, beide barhäuptig und in Hemdsärmeln, und ein alter Mann mit langem, grauem Haar und ebensolchem Schnurrbart, der von vielem Pfeifenrauchen stellenweise braun gefärbt war. Gekleidet war er in eine an den Ärmeln mit Fransen besetzte weiche Lederjacke von indianischer Arbeit, feste Corduroyhosen und hohe, gelbe Schnürschuhe, die in diesem Jahre – es war im Juni – sicher noch nicht geputzt worden waren.

    Er kam auf mich zu und streckte mir freundlich die Hand zum Gruße entgegen, die ich nahm und schüttelte.

    „Da sind Sie ja, rief er. „Well, well, well. Sind es zehn Jahre, dass wir uns nicht gesehen haben? Mir ist, als ob es erst gestern gewesen wäre. Und wie viel liegt doch dazwischen!

    Ich erwiderte seine herzliche Begrüßung und fasste seine Erscheinung einen Moment lang scharf ins Auge.

    Er hatte recht, es waren über zehn Jahre, dass wir uns nicht gesehen hatten. Damals war ich oben in dem Städtchen Morrissey, das zwei Meilen von der einsamen Station in einem Bergtale liegt, Zivilgefangener und er militärischer Wachtposten gewesen. Manche stille Nachtstunde hatten wir zusammengesessen. Er erzählte dann aus seinem Prospektor- und Trapperleben, und in solchen Stunden hatte er mir berichtet, was ich in meinem Buche „Das Gold der Nebelberge" wiedererzählt habe. Wir hatten uns damals auch verabredet, sobald der Krieg zu Ende und ich wieder ein freier Mann sein würde, eine Reise nach den Nebelbergen zu unternehmen, um das Lager von Placergold aufzusuchen, auf dem ein geheimnisvoller Fluch lasten sollte, der bereits einem jungen Indianer und zwei weißen Prospektoren Unglück und den Tod gebracht hatte.

    Dieser Plan konnte aber nicht verwirklicht werden, denn der Krieg dauerte viel länger, als wohl irgendjemand geahnt hatte. Ich wurde nach einiger Zeit mit einigen anderen Gefangenen in das Lager bei Vernon übergeführt und am Ende des Krieges nach Deutschland ‚abgeschoben‘. Noch unter der von der Presse betriebenen Kriegshetze hatte man in Kanada ein Gesetz herausgebracht, nach dem diejenigen, die während des Krieges interniert gewesen waren, zwanzig Jahre lang das Land nicht wieder betreten durften. Als man dann aber wieder nüchtern geworden war, hauptsächlich, weil es allmählich durchsickerte, dass die Geschichten von den von den Deutschen angeblich begangenen Gräueltaten von verlogenen, gut bezahlten Propagandisten erfunden worden waren, öffnete man den ehemaligen deutschen Internierten die Türen Kanadas wieder, die man zuerst in heiliger Empörung über die ‚Hunnen‘ hinter ihnen zugeschlagen hatte.

    Es geschah aber zu spät für meine Absicht, mit Warren die geplante Expedition nach den Nebelbergen zu unternehmen, denn ich war sicher, dass er diese längst mit einem andern Partner ausgeführt hatte. Das Warten auf mich war doch zu aussichtslos gewesen.

    Es war dann auch nicht vor dem Jahre 1929, dass ich Kanada wieder besuchen konnte.

    Gleich nach meiner Landung schrieb ich ihm von Montreal aus einen Brief, auf den ich in Edmonton eine Antwort vorfand. Sie enthielt die Mitteilung, dass er die Reise nach den Nebelbergen mit einem anderen Begleiter unternommen und glücklich zu Ende geführt habe. Was er dabei erlebte, wollte er mir erzählen, wenn ich ihn in Morrissey besuchen würde. Da ich mich ohnehin auf der Reise nach der britisch-kolumbischen Küste befände, sei das kein Umweg für mich, und die Gelegenheit, alte Erinnerungen aufzufrischen, würde mir gewiss willkommen sein. Die tote Stadt Morrissey, deren einziger Einwohner er sei, würde dann für einige Tage wenigstens einen Zuwachs von hundert Prozent aufweisen und die stattliche Zahl von zwei Einwohnern besitzen. Ich sollte ihm meine Ankunft melden, damit er mich von der Bahn abholen könne.

    Der Brief war mehr bemerkenswert durch das, was er verschwieg, als durch das, was er sagte.

    Warren hatte also die Reise nach den Nebelbergen gemacht und vermutlich die Goldschlucht auch aufgefunden. Für einen alten Prospektor, in dem sich das Auffinden entlegener Örtlichkeiten längst zu einem sechsten Sinn ausgebildet hatte, war das mithilfe der Wegeaufzeichnungen, die er dem sterbenden Goldsucher in der vereisten Hütte am Stikine-River verdankte, so gut wie eine Selbstverständlichkeit.

    Hatte er aber das Gold gefunden und aus der Felsenschlucht fortgeholt?

    Das war für mich das Wichtigste, aber gerade darüber enthielt der Brief kein Wort. Der Umstand, dass er sich in der toten Minenstadt niedergelassen hatte, anscheinend um dort den Rest seiner Tage zu verbringen, schien dagegen zu sprechen. Warren war aber ein Sonderling. Das einsame Leben als Trapper und Prospektor, das er so lange geführt und das nur hin und wieder durch einen mehr oder weniger langen Aufenthalt in der Zivilisation unterbrochen worden war, bis er einen neuen stillen Teilhaber gefunden hatte, der seine Verproviantierung für die nächste Reise übernahm, hatte ihn dazu gemacht. Es gibt keinen alten Prospektor, den Jahrzehnte eines solchen Lebens nicht zum Sonderling gemacht hätten. Die Wahl seines seltsamen Wohnsitzes war also kaum verwunderlich, selbst unter der Annahme, dass er jetzt ein Vermögen besaß. Seine einsiedlerischen Gewohnheiten konnten sehr wohl eine solche Macht über ihn erlangt haben, dass gerade der Aufenthalt in dieser von Gott und den Menschen verlassenen Stadt den größten Reiz auf ihn ausübte. Alte Prospektoren sind in jeder Beziehung unberechenbar. Man kann von ihnen nicht dieselbe Denkweise erwarten wie von Leuten, die ihr ganzes Leben mit und unter den Menschen verbracht haben. Es wäre durchaus verständlich gewesen, wenn die Aussicht, mit vielem Gelde in der Stadt zu leben, für ihn in seinem Alter etwas Unbehagliches gehabt hätte, während für ihn nicht das geringste Seltsame darin lag, sich fern von den Menschen in der Einsamkeit dieser toten Stadt zu vergraben.

    Ich wusste aber, dass ich brieflich nicht viel mehr von ihm erfahren würde. Seine Reise nach den Nebelbergen war vermutlich so voll von Erlebnissen gewesen, dass er die Unmöglichkeit einsah, sie mir brieflich zu berichten. Deshalb begann er gar nicht erst damit.

    Ich entschloss mich daher kurz, was ich vielleicht aber auch ohnehin getan hätte, ihn in seiner Abgeschiedenheit aufzusuchen, und gab ihm den Tag meiner Ankunft in Morrissey bekannt.

    Und nun sah ich ihn vor mir. Er schien in all der Zeit kaum um einen Tag gealtert zu sein, war genau so lang und sehnig wie früher, nur dass das Haar, das er damals unter dem Zwange der militärischen Disziplin kurz geschnitten trug, jetzt lang über seinen Rücken hing.

    Er hatte ein Ford-Auto bei sich, eine alte Karre, die er bei einem Althändler für fünfzig Dollar gekauft haben mochte. Aber auch das ließ keine Schlüsse auf seine gegenwärtige finanzielle Lage zu. Er würde sich in einem eleganten Auto wahrscheinlich gar nicht wohlgefühlt haben, und außerdem hätte ein solches Ansprüche an Reinhaltung gestellt, die er nicht zu erfüllen geneigt war.

    Er forderte mich auf, das Auto zu besteigen, und nahm selbst am Steuer Platz, das ich ihm gern überließ, denn ich fürchtete, es könnte Eigenschaften entwickeln, mit denen man vertraut sein musste, um Unheil zu vermeiden. Mit einigen Hebeldrücken und anderen geheimnisvollen Maßnahmen brachte er es schließlich auch in Gang, und wir rollten die ansteigende Straße nach Morrissey hinauf.

    Nach etwa zwanzig Minuten erreichten wir die ersten Gebäude der Stadt: die Baracke, die während des Krieges als Verwaltungsgebäude gedient hatte, jetzt aber leer stand; ihr gegenüber das große zweistöckige Gebäude, das in den Zeiten, in denen die Minen hier im vollen Betrieb gewesen waren und reges Leben in der Stadt geherrscht hatte, ein Hotel gewesen war und das später die Gefangenen beherbergt hatte, und einige andere Gebäude.

    Es waren große Lichtungen hier in den Wald geschlagen worden, die aber zumeist schon wieder mit Gestrüpp und niedrigem Baumbestand bewachsen, stellenweise aber auch nur mit einem frischgrünen Pflanzenteppich bedeckt waren, aus dem unzählige Sommerblumen in den zarten blassen Farben des Hochgebirges hervorleuchteten. Um sie herum stand der dichte Bergwald, und über alles hinweg ragten ringsum in der Ferne die weißen von der Sonne vergoldeten Häupter der Gletscher in das kristallklare Blau des Himmels.

    Es war ein paradiesisch schönes Stück Landschaft, nicht beklemmend oder beengend, denn die einschließenden Gletscher waren genügend weit entfernt und hinderten den Ausblick nicht, aber voll Weihe und Frieden – weil die Menschen fehlten. Zum ersten Male verstand ich jetzt, wie ein Mensch sich in dieser Einsamkeit abschließen konnte, und fragte mich, ob der alte Prospektor damit nicht doch das bessere Teil erwählt habe.

    Gleich darauf befanden wir uns in der Stadt, die, abgesehen von einigen verstreut abseits liegenden Hütten und Baracken, eine einzige Straße mit überraschend gut gebauten Häusern bildete. Sie waren natürlich jetzt im Verfall, denn niemand bemühte sich, diesen aufzuhalten. Sogar den einzigen Wächter, der sich noch während meiner Gefangenschaft dort befunden, hatte man zurückgezogen. Die Dinge, die in den Häusern geblieben, mochten sich diejenigen holen, die etwas damit anfangen konnten. Allzu viele waren das nicht, denn außer einigen in der näheren oder ferneren Umgebung lebenden Siwash-Indianern hatte sich in der Gegend, die nur wenig landwirtschaftliche Möglichkeiten bot, niemand angesiedelt.

    Die ungepflasterte Straße war zolltief mit feinem, mehlartigem Staub bedeckt, auf den die Sonne herabglühte und den die Räder unseres Autos in ganzen Wolken emporwühlten. Die Häuser zu beiden Seiten zeigten schadhafte Dächer, an einzelnen waren die Fensterläden herabgefallen oder hingen nur noch an einer verrosteten Angel. Die Fenster fehlten meist ganz oder zeigten zerbrochene Scheiben. Und doch wirkte das Ganze nicht wie ein Bild der Verwüstung, sondern wie das einer in hundertjährigem Schlafe liegenden Märchenstadt, die nur auf den kühnen Helden wartet, der sie wieder aufweckt. Auch ein paar Katzen fehlten nicht, die behaglich schnurrend auf Fenstersimsen und Türschwellen saßen, gelegentlich aber aufsprangen, um eine vorwitzige Maus zu erhaschen. Aus diesem träumerischen Dasein wurden sie plötzlich aufgeschreckt durch das Gebell zweier Hunde, die um eine Hausecke stürmten und auf unser Auto losstürzten, während ein Pferd in einer Fenz hinter demselben Hause den Kopf hob und neugierig nach uns ausschaute.

    „Zwei von meinen Schlittenhunden und das Pferd, das mich lange Zeit auf meinen Wanderungen als Prospektor begleitet hat, erklärte Warren. „Ich gebe ihnen hier das, was man so das Gnadenbrot nennt, obwohl der Name vielleicht nicht richtig ist, denn sie haben es sich reichlich verdient. Haben gearbeitet, gehungert und unglaubliche Strapazen und Gefahren durchgemacht, sodass ich fast vergessen habe, dass es Tiere sind. Das kittet zusammen. Wir kennen uns, sind Freunde, sind es geworden in einem harten Leben. Ich weiß nicht, ob Sie das verstehen können, aber einer würde für den andern sein Leben hingeben. Und mehr als einmal wäre das auch bei einem Haar geschehen. – Wollt ihr wohl ruhig sein, ihr verdammten Biester, und euch betragen, wie es sich für Hunde in euerm Alter geziemt!

    Der Zuruf hatte nur geringe Wirkung. Die Hunde begriffen wohl, dass der Eindringling in diese Einsamkeit ein Freund war, aber seine Erscheinung hatte sie doch so aufgeregt, dass sie fortfuhren, das Auto in wilden Sprüngen zu umtanzen.

    Gleich darauf hielten wir vor dem Hause, aus dessen Hofraum die Hunde hervorgeschossen waren.

    „Well, hier sind wir angelangt, sagte Warren, „und als Oberhaupt der Stadt heiße ich Sie willkommen und ernenne Sie gleichzeitig zum Ehrenbürger. Das heißt also, Sie brauchen keine Steuern zu bezahlen. Wie gefällt Ihnen das?

    „Ausgezeichnet. Das Steuerzahlen war immer mein größter Kummer."

    Nachdem Warren das Automobil in den Hofraum gelenkt hatte, traten wir in das Haus ein, das sich in einem durchaus bewohnbaren Zustande befand, wahrscheinlich dank der Ausbesserungsarbeiten, mit denen Warren seine Tage ausfüllte. Es war ein geräumiges Haus, das sogar ein oberes Stockwerk mit mehreren Schlafzimmern aufwies, die allerdings jetzt leer standen und in denen des Nachts, wie ich mich bald zu überzeugen Gelegenheit hatte, der Wind geheimnisvollen Zugang fand und darin rumorte wie eine Schar Unfug treibender Kobolde.

    Die Einrichtung war mehr als einfach und nicht viel anders, als man sie in einer Trapperhütte zu finden erwarten konnte. Sie genügte Warren aber augenscheinlich, denn sie enthielt alles, was er an Bequemlichkeiten vom Leben forderte, und machte auch auf mich, dem das Leben in einer solchen Hütte nicht fremd war, einen ganz anheimelnden Eindruck. Es ist erstaunlich, wie wenig der Mensch zu seiner Behaglichkeit braucht, in einer Umgebung, wo er nicht genötigt ist, Freunden und Bekannten eine elegante Wohnungseinrichtung vorzuführen.

    Ich blieb zwei volle Wochen bei Mr Warren, und sie gehören zu den angenehmsten und friedvollsten, die ich mich erinnern kann jemals verlebt zu haben. Schon am ersten Tage hatte ich ihn über das Ergebnis seiner Reise nach den Nebelbergen befragt, aber keine Auskunft darüber erhalten.

    Er wolle mir alles lieber im Zusammenhang erzählen, sagte er, und nicht mit dem Ende beginnen!

    Das tat er auch, und wenn wir abends auf dem freien Platze vor dem Hause saßen, der früher ein Vorgarten gewesen sein mochte, und ein Stück frisches Holz um das andere in das Feuer schoben, um durch den Rauch die Moskitos zu vertreiben, erzählte er von den seltsamen Dingen, die er auf dieser Reise erlebt hatte.

    Ob es die Glut des Sonnenuntergangs war, die um die Häupter der Gletscher webte und sich in wunderbarer Farbenspiegelung auf den weißen Schneefeldern brach, oder das Heulen der Wölfe in den umliegenden Wäldern, in denen das Leben der Nacht erwachte, das Geschrei einer Eule, das von Zeit zu Zeit schrill die Luft zerriss und für eine kurze Zeit den Gesang einer Oriole zum Schweigen brachte – ich weiß es nicht, aber seine Erzählung bewegte mich fast noch mehr als jene erste vom Gold der Nebelberge, der ich in jener Winternacht in der Gefangenschaft gelauscht hatte.

    Ich erzähle jetzt wieder, was ich von ihm hörte, aber ich fürchte, es wird mir nicht gelingen, in dem Leser, der sie in der Zivilisation, inmitten der politischen Streitigkeiten, der wirtschaftlichen Nöte und der Unruhe unseres modernen Lebens vernimmt, denselben Eindruck zu erwecken, den ich da oben auf der einsamen Höhe des kanadischen Felsengebirges empfing.

    Sacramento. Cal. USA.

    Der Verfasser

    Spuren im Sande

    Lionel Gordon saß am Rande des Flusses, der, von einer unbekannten Quelle in den Catskill-Gebirgen im Norden von Britisch-Kolumbien kommend, hier die Landschaft durchströmte, und beobachtete den Kork seiner Angelschnur, der auf dem langsam fließenden Wasser auf und nieder tanzte.

    Es war im Juni, und die Sonne stand hoch am Himmel. Ihr Widerschein lag auf dem Wasser, das in seinem sandigen Bett dahinströmte und manchmal die dunklen Körper von Fischen sehen ließ, wenn sie über eine bis auf den Grund erleuchtete Stelle dahinglitten. Um ihn lag die Einsamkeit der nordischen Wildnis, mit altem Waldbestand und großen Lichtungen. Abgesehen von einigen wenigen Prospektor- und Trapperhütten, die sich hier und dort in der Gegend finden mochten, gab es nur zwei Niederlassungen in der Nähe: einen Handelsposten der Hudson-Bai-Kompanie und weiter entfernt in den Bergen ein Dorf von Sioux-Indianern.

    Die Ufer des Flusses waren mit tausenderlei kurzen, zähen Kräutern bewachsen, aus denen Blumen in allen Farbschattierungen herausleuchteten. Zwischen ihnen und an den Rändern des Flusses zeigten sich Regenpfeifer, trillernde Wasserläufer und ein paar Möwen. In der Luft zogen Habichte und Geier ihre Kreise, und zwischen den Baumkronen flatterten Eisvögel, deren Schatten ihnen im Wasser folgte. Eine Wachtel führte ihre Jungen aus dem Gestrüpp des Ufers zum Trinken, und im Schilfe schnatterten wilde Enten. An einer Stelle wusch ein Waschbär einen unvorsichtigen Frosch, den er erhascht hatte, und nicht weit davon tauchte eine Moschusratte aus dem Wasser empor und strebte dem Lande zu mit einer Muschel, die sie sich vom Grunde geholt hatte.

    Und als Gordon – er war noch jung und mochte die Dreißig kaum erreicht haben – einmal den Kopf wandte und flussabwärts sah, erblickte er auf dem Uferrand ein rotbraunes Bündel Pelz, ungefähr so groß wie eine sehr lange Katze mit kurzen Füßen. Es lag ganz still, wie tot. Irgendein Zugehöriger zur Wieselfamilie, der sich an Fischen satt gefressen hatte und jetzt lang ausgestreckt dalag, um in der Sonne zu schlafen.

    Zu schlafen? Nein, so töricht konnte er nicht sein, sich an einer Stelle zum Schlafen hinzulegen, wo er den Blicken aller seiner Feinde ausgesetzt war. Der Angler schöpfte daher Verdacht; er zog seinen Feldstecher hervor und stellte ihn ein. Der Schläfer war ein Nerz, wie er bereits vermutet hatte. Aber sein Schlaf war Verstellung, das bewiesen seine glänzenden roten Augen. Warum lag er aber dann hier, mit seinen kleinen Läufen ausgestreckt, als ob er tot wäre?

    Gordon sah umher, ob etwa eine Moschusratte unvorsichtig in seinen Bereich gelangt war.

    Nein.

    Aber da oben in der Luft schwebte ein Habicht, zog Kreise, sank herab und stieg wieder höher. Schweigend, wie drohendes Unheil, und ohne dass ein Flügelschlag zu hören gewesen wäre. Es war aber klar erkennbar, dass seine Aufmerksamkeit einer bestimmten Stelle am Flusse galt, der Stelle, wo der Nerz lag. Sein reiches orangefarbenes Gefieder verriet, dass er noch ein junges Tier war. Ein alter Habicht hätte seine Absichten nicht so deutlich erkennen lassen, er wäre vorsichtiger gewesen und hätte sich auf zu große Wagnisse nicht eingelassen. Ein junger Habicht hat noch nicht gelernt, dass Vorsicht der bessere Teil der Tapferkeit ist. Deshalb sehen wir auch viel mehr junge, rötliche Habichte in unsern Museen als alte graue Tiere, die viel zu schlau sind, dem Sammler ins Garn zu gehen.

    Immer niedriger zog der Habicht seine Kreise, bis er plötzlich mit einer Geschwindigkeit aus der Luft stieß, der das Auge nicht folgen konnte. Seine Fänge hätten sich im nächsten Augenblick in den Körper des Nerzes geschlagen, wenn dieser nicht plötzlich mit einem Sprunge auf seinen vier Läufen gestanden hätte, seine spitzen Zähne in den Hals des Habichts gegraben. Vor Schreck versuchte der Habicht aufzusteigen und stieß verzweifelt gegen den Nerz. Die Last war aber zu groß, er sank mit ihr sofort wieder nieder, und Raubtier und Raubvogel stürzten zu Boden. Sie rollten auf dem sandigen Boden übereinander, und der Habicht schlug mit seinen Schwingen auf den Nerz los, um ihn abzuschütteln. Einmal war der Nerz oben, das andere Mal der Habicht, der vergeblich versuchte, seinen Hals aus dem tödlichen Griff zu befreien. Im nächsten Augenblick ging aber ein Zucken durch seinen Körper, dann lag er tot auf dem Rücken.

    Anstatt sich aber nun mit ein paar Schlucken des roten, warmen Blutes zu begnügen und seine Beute dann liegen zu lassen, wie es sonst die Gewohnheit der zur Wieselfamilie gehörenden Tiere ist, schleppte der Nerz sie in das Gebüsch. Das bedeutete, dass er Junge hatte, die Unterricht im Vogelfangen erhalten mussten mit dem toten Habicht als Lehrmittel.

    Inzwischen hatte sich ein Barsch an der Angel gefangen. Gordon legte ihn in seinen Korb, in dem sich schon vier oder fünf Fische befanden, befestigte einen neuen Köder an der Schnur und warf die Angel wieder aus.

    Als er nach einiger Zeit einen Blick flussaufwärts richtete, wo sich ein kleiner Wasserfall befand, sah er einen dunklen, runden Kopf sich aus dem Wasser heben. Er hielt sich regungslos, denn er sah, wie das Tier nach ihm schaute. Einen Augenblick, dann tauchte es wieder unter.

    Hatte er es verscheucht?

    Nein, denn gleich darauf kam der Kopf wieder zum Vorschein, gefolgt von drei kleineren runden Köpfen. Ein Fischotterweibchen, das seine Jungen das Schwimmen, Tauchen und Auffinden der unter Wasser befindlichen Zugänge zu seiner Höhle lehrte. Langsam und kaum merkbar wandte Gordon den Kopf, um sie zu beobachten. Er sah, wie sie

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