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Die Goldwäscher am Klondike
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eBook293 Seiten3 Stunden

Die Goldwäscher am Klondike

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Über dieses E-Book

1897. Goldrausch in Alaska. Ein Goldsucher stirbt, als auf seinem Claim eine Goldader gefunden wird. Seine junge Tochter ist Alleinerbin. Gauner schicken eine Doppelgängerin vor, um an die Millionen zu gelangen.

Coverbild: © Sly Raccoon/Shutterstock

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum25. Apr. 2019
ISBN9783730911433
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    Buchvorschau

    Die Goldwäscher am Klondike - Emil Droonberg

    Zum Buch + 1. In Dawson City

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    Emil Droonberg

    Die Goldwäscher am Klondike

    Coverbild: © Sly Raccoon/Shutterstock

    1. In Dawson City

    Wer sich unter dem Worte ‚City‘ eine große Stadt vorstellen sollte – und etwas anderes soll es ja auch eigentlich gar nicht bedeuten –, der würde sich in Bezug auf das halbe Dutzend Citys, das man in den letzten Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Alaska und am Klondike in aller Eile gegründet hatte, schwer irren. Dawson City wenigstens, die größte von ihnen, bestand im Jahre 1897, von dem hier die Rede ist – ein Jahr nach seiner Gründung – aus nicht mehr als etwa fünfzig Häusern. Und auch diese Häuser hatten sehr wenig City-Mäßiges an sich, außen wie innen. Durchweg aus Balken und Brettern und oft auch nur aus roh behauenen Baumstämmen errichtet, wurde ihr wenig versprechendes Äußere meist nur noch von dem Mangel an häuslicher Bequemlichkeit im Inneren übertroffen.

    Das erklärte sich ohne Weiteres daraus, dass Dawson City zu dieser Zeit fast ausschließlich eine Männerstadt war, die den im Lande herumwandernden Goldsuchern als Sammelplätze für die nötige Verproviantierung und in den langen, grimmigen Frostmonaten, die jede Arbeit auf den Claims unmöglich machten, zum Winterquartier diente. Nur eine einzige Frau hatte bisher den Mut aufgebracht, ihrem Manne in dieses Land mit seinen kurzen, heißen Sommern und fürchterlichen Wintern zu folgen; in diese lebensfeindliche Nordlandsnatur, die den Starken unter ihrem Eishauch zum Titanen erstarken lässt, den Schwachen aber unbarmherzig vernichtet.

    Neben dieser Frau, aber nicht zu den sesshaften Bürgern der neugebackenen Stadt zählend, war noch ein halbes Dutzend Fräuleins von etwas durchlöchertem Charakter und gleichwertigem Ruf vorhanden, die in den beiden Trinkhäusern des Ortes, die zugleich Spiel- und Tanzsalon waren, den Inhabern getreulich halfen, die nach der Stadt kommenden Goldgräber möglichst schnell von aller Sorge um ihr in monatelanger harter Arbeit aus der Erde gewaschenes Gold zu befreien.

    Das eine der beiden Trinkhäuser war der Malamut-Salon, der seinen Namen von den ‚Malamuts‘ genannten Schlittenhunden der Eskimos herleitete. Vermutlich aus Gründen der Konkurrenz trug der andere die Bezeichnung ‚Husky-Salon‘, nach den Schlittenhunden der im Norden lebenden Indianer.

    Es war an einem Abend im September. Die Azetylenlampen an den Wänden und Decken des Malamut-Salons waren wegen der jetzt bereits früh hereinbrechenden Dunkelheit schon längst angezündet. Ihr grelles weißes Licht beleuchtete aber nur Räume, die von Gästen fast leer waren. Hinter dem Schenktisch, der Bar, stand der Bartender und polierte mehr zum Zeitvertreib als aus Notwendigkeit, wie sein gelegentliches Gähnen verriet, mit einem weißen Tuche eine Anzahl Gläser, die er dann bedächtig in einem Fache des hinter ihm aufgestellten und mit Likörflaschen besetzten Regals nebeneinander reihte. Vor der Bar standen die einzigen zwei oder drei Gäste, hin und wieder einen Schluck aus den vor ihnen stehenden Whiskygläsern nehmend, in halblauter Unterhaltung.

    Zur Seite der Bar saß an einem kleinen Tische der Spielhalter, in Ermangelung anderweitiger nutzbringender Beschäftigung in ein Geduldspiel vertieft. Hinter ihm, auffallend herausgeputzt, stand eines der drei in dem Salon beschäftigten Mädchen und beobachtete mit augenscheinlichem Interesse den Fortgang des Spiels. Der Spielhalter, ein noch junger Mann mit Gesichtszügen, die mit ihrer graubraunen Leberfarbe und verschiedenen tiefen Falten von einem hauptsächlich in Kneipen verbrachten Leben zeugten, und stechenden, unruhig umherflackernden Augen, zollte ihr indessen nicht die geringste Aufmerksamkeit. Er fuhr fort, diese oder jene Karte aus dem vor ihm liegenden Reihen herauszuheben und auf einen besonderen Haufen zu legen, wobei er in seinem rechten Mundwinkel geschickt eine Zigarre balancierte.

    An der gegenüberliegenden Wand, in der sich eine Tür nach dem daranstoßenden, ebenfalls grell beleuchteten Tanzraum öffnete, saß ein älterer, ausnehmend magerer Mann vor einem Klavier. Er schien eben eine Tanzweise beendet zu haben, denn die anderen beiden Mädchen traten erhitzt und lebhaft atmend aus dem Nebenraum, wo sie bei dem völligen Mangel tanzlustiger Vertreter des stärkeren Geschlechts offenbar miteinander getanzt hatten.

    Dieses Piano, Tausende von Meilen von dem nächsten Seehafen entfernt, musste hier überraschen. Es wurde auch allgemein als eine Errungenschaft angesehen, und der Besitzer des Salons war mit Recht stolz darauf, denn er hatte es unter hohen Kosten auf dem Umwege über Nome am Beringmeer und von da an stromauf über den 2000 Meilen langen Yukon heranbringen lassen. Dass der Husky-Salon demgegenüber nur über ein armseliges Grammophon verfügte, erhöhte die Befriedigung des Besitzers über seinen Unternehmungsgeist ganz merklich.

    Das Spiel schien den Mann am Klavier angestrengt zu haben, denn ein Hustenanfall hatte ihn gepackt, der seinen Oberkörper eine lange Zeit schüttelte. Als er das Taschentuch vom Munde nahm und betrachtete, bemerkte er Blutspuren darauf. Das schien ihm nichts Neues zu sein, denn die Feststellung entlockte ihm nur ein trübes Lächeln.

    „Komm, trink einen Whisky, Pat! Das wärmt dich durch. Man kann kein Haus in diesem verdammten Lande bauen, ohne dass der Wind durchbläst, als wenn er eine Fabrikpfeife in Tätigkeit setzen wollte", rief ihm einer der Gäste am Schenktische gutmütig zu. Dabei spritzte er einen Strahl braunen Tabaksaftes gegen den in der Mitte des Raumes stehenden eisernen Ofen, als wolle er ihm sein Missfallen darüber bezeigen, dass er trotz der leichten Rotglut, die einige Stellen seiner Eisenwand färbte, so schlechte Arbeit leistete.

    „Lass gut sein, Bob, wehrte der Mann am Klavier ab. „Ich will lieber nicht trinken; es taugt nicht für mich.

    „Taugt nicht für dich?, wiederholte der Erste geringschätzig. „Ich sage dir, ein Whisky tut immer gut. So lange man trinkt, stirbt man nicht.

    Und als wolle er diese Behauptung bekräftigen, trank er sein Glas leer, und indem er es mit Nachdruck wieder auf den Schanktisch zurücksetzte, ohne dass es wunderbarer Weise dabei in Stücke brach, sagte er: „Schenk ein, Jimmy!"

    Der Mann am Klavier machte keine weitere Bemerkung. Er saß in sich versunken auf seinem Stuhl, und seine Gedanken schienen fernab zu weilen.

    Es entstand eine Stille, die die öde Stimmung in dem Lokal fast fühlbar machte. Draußen hörte man die Windstöße an dem Hause rütteln. Bald würde sich das Bild ändern. Der kommende Winter meldete sich bereits an. Binnen Kurzem mussten die Goldgräber von ihren Claims und die Prospektoren aus ihren entlegenen Felsentälern zurückkommen, um in den elenden Behausungen, zusammengepfercht hinter Verschlägen, den langen, traurigen Winter in der ‚Stadt‘ zu verbringen. Dann würde sich der Malamut-Salon füllen, die Paare in dem Tanzraum durcheinander stampfen, die Roulettekugel springen, die Champagnerpfropfen knallen und die Karten im Pharaospiel fliegen. Wer wollte es den Männern verargen oder es gar unbegreiflich finden, wenn sie nach monatelanger Einsamkeit und Entbehrung, harter Arbeit und dürftigster Nahrung hier in einem Taumel wüster Vergnügungen die Stumpfsinnigkeit des Lebens während der langen Wintermonate wenigstens auf Stunden vergessen wollten. Freilich, am Ende des Winters würden sie dann ohne einen Cent und wahrscheinlich noch mit Schulden im Store wieder hinausziehen auf ihre Claims oder dem Laufe unbekannter Bergbäche folgen, um dort Gold und andere Metalle zu suchen. Aber was tat das? Es ging ja nicht anders. Und manchmal würde man doch den großen Fund machen und als reicher Mann nach Hause zurückkehren. Das Gold war da, darüber konnte kein Zweifel mehr bestehen. Man hatte es ja auch schon gefunden. In Juneau und Dyea und Nome. Freilich, es war dort nicht Placergold, also frei in der Erde liegendes Gold in Form von Staub oder Nuggets, sondern es waren niedrigprozentige Golderze, an denen den Prospektoren, wie sie hier in den Bergen und an den Flussläufen herumkrochen, meist nicht viel gelegen ist, weil ihr Abbau und ihre Verarbeitung Kapitalien erfordern, die sie nicht aufbringen konnten. Aber man hatte doch schon vielfach hier an den zahlreichen Creeks und Nebenflüssen des Klondike und Yukon auch Placergold gefunden.

    Tausende von Prospektoren lebten doch nur, freilich in den meisten Fällen recht armselig, von den Erträgnissen ihrer Goldwäscherei. Nur der große Fund war noch nicht gemacht worden, aber niemand war mehr überzeugt als die Prospektoren selbst, dass er eines Tages kommen würde. Wo so viel Gold überall im Lande verstreut umherlag, musste es auch Stellen geben, wo es in Massen angehäuft war. Und nachdem man nun schon seit zwanzig Jahren danach gesucht hatte, konnte der Tag nicht mehr fern sein, an dem diese Stellen gefunden wurden.

    Allerdings war das Land von einer Ausdehnung, dass man ganze Königreiche des alten Europa darin hätte verstecken können. Aber wer wollte sagen, dass nicht schon morgen die Mutterader, von der all das Gold ursprünglich gekommen sein musste, entdeckt wurde?

    Und musste es gerade die Mutterader sein, die eine neue Völkerwanderung von rund um den Erdball nach diesem Lande von Eis und Schnee veranlassen würde? Nach diesem Lande, von dem die Leute, die es kannten, behaupteten, dass Gott es vergessen habe? Für den Einzelnen genügte es doch, wenn er ein ‚Nest‘ fand, um allen Sorgen des Lebens enthoben zu sein. Und solche ‚Nester‘ waren gefunden worden und würden immer wieder gefunden werden. Jeder rechnete damit, dass ihm demnächst ein solches Glück zuteil werden würde. Auf diese Aussicht hin hungerte man, fror und grub in der Erde, bis die Knochen steif wurden, und nur die ungeheure Ermüdung erzwang in der Nacht den Schlaf trotz der Pein der schmerzenden Glieder.

    Der Klavierspieler hatte wieder in die Tasten gegriffen. Keine banale Tanzweise diesmal. Es rauschte und sang und klang unter seinen Händen. Er schien seine Umgebung völlig vergessen zu haben.

    Und wie konnte er spielen!

    Die Töne nahmen Gestalt an. Man fühlte sich draußen in der großen, frostklaren Einsamkeit, eingeschlossen von eisbedeckten Bergen, über denen unbeweglich der kalte Mond schwebte. Und die Stille der Nacht, die man fast greifen konnte. Nur von Zeit zu Zeit wurde sie zerrissen von dem unsagbar traurig klingenden, langgezogenen Geheul eines herumstreunenden Wolfes, das irgendwoher durch das gleiche Geheul beantwortet wurde; oder durch das schrille, katzenartige Geschrei eines Luchses. Man sah sich am Lagerfeuer mit einer Schneewand im Rücken, die die Wärme zurückstrahlen sollte, während hoch oben in der gefrorenen Luft das Nordlicht gelb, rot und blau leuchtende Lanzen über den Himmel schoss.

    Das sah man und fühlte man. Hunger und Einsamkeit und kalten Sternenglanz.

    Und dann änderte sich plötzlich das Thema. Eine wehe Sehnsucht klang aus den Tönen. Die Sehnsucht nach einem Heim, nach einem traulichen Feuer im Herd, mit lieben Gesichtern um sich – und das Ringen um das nackte Leben vorüber, und der Kampf um das verfluchte Gold, das der Teufel in der Erde dieses kalten Nordlandes verborgen hatte!

    Ein neuer langer Hustenanfall zwang ihn plötzlich, wieder abzubrechen. Die roten Flecken in seinem Taschentuch waren diesmal größer.

    Eines der beiden Mädchen, die vorher zusammen getanzt hatten, trat zu ihm.

    „Du packst morgen deine Sachen, Pat Malony!, sagte es in einem Tone des Mitleids, aber bestimmt. „Du darfst keinen Tag länger hier bleiben. Der Winter kommt, und er tötet dich. Der Fluss ist noch offen. Ich weiß einen, der morgen in einem Boote den Lewis hinauffährt bis zum Lindemann-See und von dort nach dem White-Pass. Er wird dich mitnehmen, wenn ich mit ihm spreche. Ihr werdet die Pässe durch das Gebirge erreichen, noch ehe sie verschneit sind, und gerade noch zeitig genug in Juneau eintreffen, um den letzten Dampfer dieses Jahres nach San Franzisko zu benutzen.

    „Geht nicht, Peggy, erwiderte der Mann, den sie Malony genannt hatte. „Ich kann nicht fort von hier.

    Und im Flüsterton setzte er dann hinzu: „Ich habe eine Stelle gefunden, wo ich sicher bin, dass sich Gold findet. Ich konnte nur nicht tief genug graben, denn ich hielt es nicht aus. Es wurde zu kalt, und der Platz war sehr zugig. Aber wenn ich im Frühjahr wieder hinaus kann …"

    „Das sagt ihr alle. Im Frühjahr, pshaw! Ich kenne nicht einen, der nicht sicher wäre, einem reichen Fund auf der Spur zu sein. Und es ist doch alles Täuschung. Aber auch wenn es so wäre, so kannst du nicht warten bis zum Frühjahr. Der Winter bringt dich um. Geh fort und komm im Sommer wieder, wenn du so fest an dein Gold glaubst."

    „Ich sage dir, es geht nicht, Peggy. Erstens habe ich kein Geld für die unnütze Reise, und zweitens könnte ich nicht zeitig genug wieder an Ort und Stelle sein, denn ich muss anfangen, sobald der Boden aufgetaut ist, wenn ich bis auf das harte Felsgestein hinunter graben will. Und eher kann man doch nicht sicher sein, dass das Gold nicht da ist. Du kennst den roten Hansen, den Dänen. Er hatte mit einem Partner monatelang gegraben und gab die Sache dann auf, weil sie mit all ihrer Arbeit nicht mehr als einen kargen Tageslohn erzielen konnten, und nach ihnen kamen ein paar Chinesen hin, gruben weiter und fanden das Gold."

    „Du wirst aber nicht graben, Pat Malony", sagte Peggy bedeutsam.

    „O, es ist nicht so schlimm mit dem Winter, beschwichtigte sie der Mann, „wenn man in der warmen Bude sitzen kann wie ich hier; denn McAllister hat mir versprochen, dass er mich den ganzen Winter hindurch als Klavierspieler behalten will. Und die Zeit will ich benützen, mich gesund zu machen. Ein indianischer Medizinmann hat mir Kräuter gegeben, das heißt, wir haben getauscht. Ich gab ihm Bohnen, und er gab mir die Kräuter. Die werde ich jetzt gebrauchen. Er hat sich selber einmal damit geheilt, als er seine Lungenspitzen erfroren hatte und Blut spuckte.

    „Merk dir, was ich sage, Pat Malony, beharrte das Mädchen auf ihrer Meinung. „Es gibt kein Kraut für dich gegen den Winter hier am Klondike. Denke an deine Frau – oder hast du keine?

    Der Mann zögerte eine Weile mit der Antwort. Dann sagte er:

    „Sie ist tot. Und mit leiserer Stimme setzte er hinzu: „Für mich wenigstens.

    „O, steht es so? – Und hast du sonst niemand?"

    „Doch, ich habe eine Tochter in San Franzisko. Für sie bin ich hier – und für sie werde ich hier bleiben. Du meinst es gut, Peggy, ich weiß; aber du siehst, es geht nicht anders. Warum gehst du nicht selbst zurück? Du bist anders als die Übrigen. Ich habe das wohl gemerkt. Du bist viel zu schade dazu, dein Leben hier so zu verpfuschen."

    „Es ist längst verpfuscht!", erklärte das Mädchen, und ein Zug von Bitterkeit legte sich dabei um ihre hübschen Mundwinkel.

    „Unser Leben ist niemals verloren, solange wir es nicht selbst verloren geben", sagte der Mann, indem er jetzt zum ersten Male sein Gesicht zu ihr erhob.

    Sie blickte in seine abgezehrten, aschgrauen Wangen, auf die roten Flecke, die sich davon abhoben, und in ein paar Augen, in denen es glühte wie in geheimem Fieber.

    „Hast du keine Eltern mehr, Peggy?", setzte er hinzu.

    Auch bei ihr dauerte es eine Weile, ehe sie die Frage beantwortete.

    Dann sagte sie in demselben gedämpften Tone wie er selbst vorher:

    „Sie sind tot – für mich wenigstens."

    Gleich darauf berichtigte sie sich aber, indem sie sagte: „Lass mich ehrlich sein und sagen: Ich bin tot – für sie."

    Die weitere Unterhaltung erfuhr jetzt eine Unterbrechung, denn die Eingangstür wurde geräuschvoll aufgestoßen, und begleitet von einem Gust kalten Windes erschien ein neuer Ankömmling, dem man es ansah, dass er direkt aus den Minen kam und der Träger wichtiger Neuigkeiten war.

    2. Der große Fund

    Der Mann schien noch jung zu sein, was man aber höchstens an der dunklen Farbe seines unter einer dicken Mütze hervorquellenden Haares und struppigen Bartes, der fast sein ganzes Gesicht bedeckte, und an den kraftvollen, energischen Bewegungen seines Körper beurteilen konnte. Er war gekleidet in die gewöhnliche derbe Tracht der Goldgräber, die von den Mucklucks an, den wasserdichten Stiefeln aus Seehundsleder, bis hinauf zur Mütze von den Spuren eines tagelangen Marsches durch eine raue, pfadlose Wildnis bedeckt war, was hier freilich nicht weiter auffiel.

    „Hallo, Davy Evans!, rief ihm der Bartender lustig entgegen. „Siehst gut aus! Kalkuliere, deine Mutter – der Herr segne die alte Dame – würde Mühe haben, in dir ihren Sprössling wiederzuerkennen.

    Und „Hallo, Davy!" begrüßte man ihn von allen Seiten mit einem freundlichen Händeschütteln, und es entwickelte sich ein Durcheinander von Fragen und Antworten, dem der Neuangekommene dadurch ein Ende machte, dass er einen schweren Beutel voll Goldstaub auf den Schenktisch warf.

    „Girls und Boys, rief er dabei, „ihr seid heute alle meine Gäste. Wählt euch, was ihr trinken wollt! – Jimmy, wiege ab. Hundert Dollars fürs Erste. Wenn’s nicht reicht, gibt’s mehr. Was kostet Alaska?

    „Was geht dich Alaska an?, rief der Spielhalter von seinem Tische herüber. „Wir sind doch hier am Klondike, und der gehört, so viel mir bekannt ist, noch zu Kanada.

    Er schob dabei die Karten seines Spieles zusammen, denn jetzt begann sein Geschäft. Bereits hatte sich in kurzen Zwischenräumen eine Anzahl weiterer Gäste in dem Salon eingefunden. Es schien, als ob eine Bombe von Neuigkeiten in das bisher recht eintönige Leben der Pionierstadt geplatzt wäre, die irgendwie mit Davy Evans, wie man den Neuankömmling hier genannt hatte, in Zusammenhang stehen musste, und über die man hier weitere Aufschlüsse zu erhalten hoffte.

    „O, die paar Meilen bis zur Grenze von Alaska machen keinen Unterschied, entgegnete Evans übermütig. „Aber gleichviel, was kostet der Klondike-Distrikt mit Alaska zusammen?

    „Ich habe noch keinen Auftrag erhalten, sie zu verkaufen", antwortete der Spielhalter trocken. Er war inzwischen ebenfalls an den Schenktisch getreten.

    „Mister Murphy wird’s wissen", rief einer aus der Menge, auf einen der Gäste deutend, die nach Evans eingetreten waren. Murphy war ein Mann von etwa dreißig Jahren mit intelligentem Gesicht, dem man aber eine große Vorliebe für Whisky anmerkte. Auch stach er durch eine etwas vernachlässigte Stadtkleidung, die sich sogar auf einen nicht mehr völlig reinen Kragen erstreckte, von den Übrigen ab.

    „Der Rechtsverdreher!", höhnte ein anderer.

    „Keine Schmeicheleien, Gentlemen, entgegnete er mit Würde und in einem salbadernden Tone, „oder, so wahr ich Murphy heiße und meiner Mutter ungeratener Sohn bin, ich lasse euch das nächste Mal, wenn euch der Friedensrichter einladet, auf einige Zeit in seinen eisernen Käfigen Gast der kanadischen Regierung zu sein – wahrhaftig, ich lasse euch dann sitzen, bis ihr die Ratten in eurer Zelle für weiße Mäuse anseht. An Gelegenheit dazu lasst ihr’s ja nicht fehlen, denn ich muss zu meinem großen Missfallen und Kummer feststellen, dass die Mehrzahl von euch die Sittsamkeit unserer tugendhaften Gemeinde durch gottlose Gewohnheiten gefährdet. – Da ihr aber an mein weises Urteil appelliert habt, will ich es euch nicht vorenthalten. Der Fall liegt so: Hier ist Mister Davy Evans, und allen der Person nach bekannt. Er scheint eine Neigung zu haben, Alaska, mit dem Klondike-Distrikt als Zugabe, zu kaufen. Als vorsichtiger Mann – auf Ihr Wohl, Ladies und Gentleman! – möchte er aber vorher den Preis wissen. Nun, meine Herren Geschworenen, unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Vereinigten Staaten, als sie im Jahre 1867 Alaska von Russland kauften, sieben Millionen Dollar dafür bezahlt haben, kalkuliere ich, dass der Preis heute, und mit dem Klondike-Distrikt als Zugabe, über das hinausgehen dürfte, was Mister Evans dafür bezahlen kann.

    Alle lachten, und es begann wieder ein Durcheinander von Stimmen.

    Der Bartender hatte inzwischen alle augenblicklichen Wünsche der Gäste befriedigt und nahm den Beutel mit Goldstaub, um nach der Rate von sechzehn Dollar die Unze für hundert Dollar davon abzuwiegen. Dann gab er den Beutel an Evans zurück.

    „Wer sagt, dass ich Alaska mit dem Klondike-Distrikt nicht bezahlen kann?", rief er.

    Die Worte schlugen wie ein Blitz ein, trotzdem schon die ganze Situation, die von Augenblick seines Eintretens an gespannt gewesen war, die Anwesenden auf etwas Ungewöhnliches vorbereitet hatten. Eine tiefe Stille breitete sich für einen Moment über den Raum. Alle starrten auf den verwildert aussehenden Mann, denn sie fühlten, dass seine Worte mehr als eine leere Prahlerei waren, und dass sie, wenn auch viel Übertreibung in ihnen lag, doch Wahrheit genug enthielten, um darüber den Atem zu verlieren.

    Der Mann am Klavier hatte bisher weder an der Begrüßung des Neuangekommenen noch an der allgemeinen Unterhaltung, an der sich auch Peggy und die andern beiden Mädchen lebhaft beteiligten, teilgenommen. Wie in einem Schwächeanfall hatte er auf seinem Stuhle gesessen. Jetzt schien er ihn aber überwunden zu haben, denn er kam herbei, um auch seinerseits Evans zu begrüßen.

    „Hallo, Pat, du auch da! Hatte dich gar nicht bemerkt. Aber es tut meinen Augen wohl, dich zu sehen. Ich will aber verdammt sein, wenn du nicht noch magerer geworden bist, seit wir uns das letzte Mal sahen. Du erinnerst mich beinahe an die Vogelscheuche, die mein Vater einst auf unserm Felde aufgestellt hatte. Die sah so furchtbar aus, dass die Spatzen angstzitternd alle die Weizenkörnchen zurückbrachten, die sie von uns gestohlen hatten. Aber lass gut sein, alter Junge, komm, trink ein Glas Champagner mit mir, das wird wieder Leben in deine wackelige Anatomie bringen. Ich habe auch noch eine Neuigkeit für dich – eine gute."

    Der Bartender hatte bereits ein Glas vor den Klavierspieler gestellt, das Evans aus seiner Flasche füllte.

    Diesmal weigerte sich Malony nicht mehr zu trinken. Er schien einer Anregung zu bedürfen, und leerte das Glas mit einem schnellen Zuge.

    Evans, der noch aller Augen voll Spannung auf sich gerichtet sah, wandte sich jetzt an die Übrigen.

    „Well, Girls – und ihr alten Sauerteige und Cheechakos, hört und merkt euch, was ich euch jetzt sage. Von morgen

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