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Leben in der neuen Welt: Roman zur Sachbuchreihe "Machtübergabe - Deutsche Version"
Leben in der neuen Welt: Roman zur Sachbuchreihe "Machtübergabe - Deutsche Version"
Leben in der neuen Welt: Roman zur Sachbuchreihe "Machtübergabe - Deutsche Version"
eBook495 Seiten6 Stunden

Leben in der neuen Welt: Roman zur Sachbuchreihe "Machtübergabe - Deutsche Version"

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Über dieses E-Book

Hallo, ich bin Sarah.

Wie soll Deine Zukunft aussehen? Wie soll die Zukunft der Menschheit aussehen? Hast Du manchmal Deine Zweifel, ob die Politik beides in Einklang bringen kann?

Komm mit auf meine Reise durch ein Leben unter vielen in der neuen Welt. Erlebe mit mir, wie alte Probleme gelöst werden und die Menschheit gemeinsam glücklicher wird. Sei gespannt darauf zu erfahren, welche Innovationen unsere Zukunft retten können. Freue Dich auf eine Hoffnung, alles im Leben erreichen zu können, solange Du Deine Ziele mit der Allgemeinheit abstimmst.

Mein Leben in der neuen Welt zeigt Dir, wie die Sachbuchreihe "Machtübergabe" in der Realität der nahen Zukunft umgesetzt werden könnte. Bitte hilf mir dabei und finde Deine Wahrheit in diesem Roman.

Zusammenfassung
Das Buch macht Ihnen Hoffnung auf eine großartige Zukunft ohne unsere heutigen politischen Probleme. Klimawandel, Krieg, Schulden, Terrorismus, Diktatur, Armut, Hunger verschwindet weltweit.
Es bietet viele Weltneuheiten, darunter:
Erste politische Sachbuchreihe, die auch als Roman erhältlich ist.
3 Staatsformen und 4 Wirtschaftssysteme werden gleichzeitig in einem Land betrieben.
Mit dem Kauf erhalten Sie, falls gewünscht, Zugang zum Netzwerk, das die Welt retten will. Wir haben einen Plan für 200 Jahre, an dessen Ausführung alle mitbestimmen können. Alles kann, nichts muss.

Hinweise
Dieser Roman ist eine Zusammenfassung der Sachbuchreihe "Machtübergabe - Deutsche Version" von Andreas Seidl. Alle Verweise im Text sind Endnoten, in denen die Nummer und der Titel der entsprechenden Bände und Kapitel angegeben sind.
Deutschland steht in dem Roman exemplarisch für jedes Land der Welt. Diese Entwicklungen könnten sich überall abspielen, aber der Autor kennt Deutschland am besten.

Trigger-Warnung
Drogenkonsum, Homophobie, Selbstmord, Kindesmissbrauch (häusliche Gewalt), Rassismus
Bitte versuchen Sie, meinen Texten unvoreingenommen zu begegnen, denn ich bin nur daran interessiert, wie alle Menschen in Frieden zusammenleben könnten. Wenn Sie Angst oder Hass empfinden, haben Sie vielleicht etwas aus einer gegenteiligen Sichtweise heraus verstanden oder ich habe mich unpassend ausgedrückt. Ich hoffe, dass die Lektüre Sie auf neue Ideen bringt, die Ihnen Hoffnung geben aus jeder Situation das Beste zu machen.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum24. Jan. 2024
ISBN9783758340635
Leben in der neuen Welt: Roman zur Sachbuchreihe "Machtübergabe - Deutsche Version"
Autor

Andreas Seidl

About the author The author was born in Frankfurt am Main in 1984 and is a qualified political scientist and social pedagogue. He gained his professional experience in Brussels at the European Union, in Frankfurt at the stock exchange and in day care centres in the Rhine-Main area. He has been keeping a diary of ideas for over 20 years and in this book publishes all his previous political proposals for solutions in an overall concept. As a passionate social researcher, he is interested in the concerns, lifestyles and ideas for the future of his fellow human beings. As a convinced democrat, he likes to go to demonstrations and activists to ask about their motivation and the causes. As an author, he endeavours to use restrained criticism, constructive solutions and understandable language.

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    Buchvorschau

    Leben in der neuen Welt - Andreas Seidl

    1. Beginn eines neuen Lebens

    Es ist später Sonntagvormittag. Ich entstehe gerade aus einer Eizelle und einem Spermium. Meine Mutter hatte vergessen, ihre Pille zu nehmen, und Durchfall an den Tagen zuvor. Deshalb hat es meine Eizelle in den Muttermund geschafft. Mein Vater hatte keine Lust auf ein Kondom und so hatte meine Samenzelle leichtes Spiel. Draußen regnet es an einem Tag im Herbst und heute sind in Deutschland Bundestagswahlen.

    Nach dem Sex frühstücken meine Eltern. Mein Vater schaut im Anschluss das Fußballspiel seiner Lieblingsmannschaft im Fernsehen. Er hat auf Sieg gewettet. Meine Mutter sitzt daneben und hört ein Hörbuch. Seine Lieblingsmannschaft gewinnt das Spiel und er seine Wette. Er will direkt zu seinem Bruder in die Spielothek und mit dem Gewinn sich und seinen Kumpels eine Shisha gönnen. Meine Mutter trinkt gerade ihre Flasche Sekt leer, als sie ihn fragt:

    „Und wann bist du wieder daheim?"

    „Weiß ich nicht, aber, Carola, lass uns heute Abend essen gehen. Ich lade dich ein!"

    „Oh schön, und wohin?"

    „Erzähl ich dir später. Mach dich schon mal schick."

    „Mach ich und ich werd noch wählen gehen."

    „Was? Du warst doch noch nie wählen."

    „Irgendwann ist immer das erste Mal. Ich werd aber sicher früher zurück sein als du."

    „Mach das. Bis später. Lieb dich!"

    „Ich dich auch … Mustafa, warte, vergiss deinen Schlüssel nicht!"

    „Danke, Schatz! Dafür gibt’s nen Kuss!"

    Meine Mutter hat das eher aus Trotz, als aus Überzeugung gesagt, denn eigentlich geht sie nicht wählen. Sie ist eher politikverdrossen und frustriert, immer nur inhaltsloses Geschwätz oder leere Versprechungen von den Politikern zu hören. Sie will nicht allein zu Hause bleiben und da kommt es ihr gerade recht, die Wahlen als Anlass zu nehmen, auch unter Leute zu kommen. Sobald mein Vater weg ist, sucht sie auf ihrem Tablet PC im Internet nach „Bundestagswahlen 2029". Ihr wird angezeigt, dass eine Partei erstmals ihr Wahlprogramm als Spielfilm verfilmt hat.¹ Es ist eine junge erfolgreiche Partei, die bei der letzten Wahl zum ersten Mal angetreten und sofort mit zwei anderen Parteien an die Regierung gekommen ist. Aktuell ist die Partei mit fünf Ministern in der Regierung vertreten, aber ihr Programm hat noch mehr zu bieten. Meine Mutter folgt dem Link zum Spielfilm auf ihrem Fernseher und sieht ihn sich an. Im Film erleben die Hauptfiguren die Umsetzung der Reformen aus dem Wahlprogramm und als Zuschauer fühlt man sich mittendrin. In meiner Mutter spüre ich Begeisterung aufkeimen. Im Lauf des Films kommen ihr manchmal die Tränen und manchmal lacht sie auch. Das Wahlprogramm erweckt in ihr die Hoffnung auf eine bessere Zukunft und sie will dieser schönen neuen Welt eine Chance geben, Realität zu werden. Also schnappt sie sich ihren großen Regenschirm und läuft zum Wahllokal. Unterwegs trifft sie eine Kundin namens Ulla aus dem Supermarkt, in dem sie arbeitet. Die beiden unterhalten sich oft und gern über den neuesten Klatsch und Tratsch.

    „Hey Ulla, grüß dich!"

    „Ach, hallo Carola, wohin geht’s?"

    „Ich geh wählen."

    „Ich auch."

    „Du hast ja gar keinen Regenschirm. Komm mit unter meinen."

    „Ja, ich dachte erst, die Jacke reicht, aber danke. Das nehm ich gern an."

    „Hast du dich vorher informiert, wen du wählen willst?"

    „Ja, ich mache immer diesen Wahl-O-Mat im Internet und da war bei mir wieder diese neue Partei ganz vorne. Die haben so konkrete Lösungsvorschläge. Das finde ich gut.

    Und sie haben bisher in der Regierung nur gute neue Sachen gemacht."

    „Weißt du, wie die Partei heißt?"

    „Dynamische Partei oder so, irgendwas mit dynamisch."

    „Dynamische Innovationspartei?"

    „Ja, genau."

    „Ich habe mir eben denen ihr Wahlprogramm als Spielfilm angeschaut. Der Film hat mir gefallen, auch wenn ich sonst nicht so auf Politik stehe. Jedenfalls weiß ich nach den 100

    Minuten, was die vorhaben."

    „Ach komm, und wie war es? Willst du die jetzt wählen oder hat dich das Programm vom Gegenteil überzeugt?"

    „Nein, das war schon gut. Sehr konkret und klar auf den

    Punkt gebracht, was da auf uns zukommen würde, wenn die allein an die Macht kommen."

    „Ja und? Was hat dir am besten gefallen?"

    „Also die wollen, dass alles einfacher geht, ohne Papier und

    Öffnungszeiten von Ämtern, alles online und automatisiert.

    Wenn man dann eine Frage hat oder was persönlich erledigen will, gibt’s im Rathaus Büros für alles mit den gleichen Öffnungszeiten."²

    „Stimmt, das hab ich auch angekreuzt, als im Wahl-O-Mat stand: Bürokratie und Verwaltung digitalisieren und automatisieren. Ergibt aber mehr Sinn, wie du es erzählst."

    „Danke. Ich fand es krass, dass die das komplette politische System umkrempeln wollen, also Straßenfeste, wo Politiker und Bürger Gesetze aushandeln und davor und danach feiern.³ Das is was für uns, oder?"

    „Ja, dann schön bei nem Sektchen die Zukunft bestimmen.

    Haha."

    „Haha, ja das wär was."

    „Ich habe gehört, dass andere Parteien bereits Ideen von der Dynamischen Innovationspartei geklaut haben, weil das Parteiprogramm schon lange auf der ganzen Welt als Buch zu kaufen ist."

    „Was davon geklaut ist, weiß ich nicht. Jedenfalls habe ich in dem Film auch Sachen gesehen, die sie bereits umgesetzt haben. Ich wusste aber gar nicht, dass sie an der Regierung sind."

    „Und gab’s auch was, das dir nicht gefallen hat?"

    „Ja. Was die kurzfristig mit den Ausländern machen wollen, ist schon krass, oder?"

    „Das hab ich nicht mitbekommen. Was wollen die denn machen?"

    „Die wollen alle kriminellen und arbeitslosen Ausländer abschieben."

    „Was? Warum?"

    „Die begründen das mit den vielen Ausländern vor deutschen Gerichten und in deutschen Gefängnissen. Aber auch mit den hohen Staatsschulden und der hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland. Beides wollen sie bekämpfen und damit auch das Image von den verbliebenen Ausländern verbessern."

    „Ja und dein Mustafa, hast du mal an den gedacht? Hat der wieder Arbeit?"

    „Ja ja, der ist bei einer Leiharbeitsfirma seit letztem Jahr. Das gefällt ihm da. Sein Chef ist auch Türke und kommt auch aus Anatolien. Die beiden verstehen sich gut und da wird er den Job schon behalten."

    „Und seine krummen Dinger?"

    „Welche krummen Dinger?"

    „Na, die mit seinem Bruder. Das sieht doch jeder, dass die Spielothek ne Geldwaschanlage ist."

    „Ach, die Familie ist komisch, aber das interessiert mich nicht. Mustafa und ich haben nur unseren Spaß zusammen; keine Ehe, keine Kinder."

    Wenn meine Mutter zu dem Zeitpunkt gewusst hätte, dass ich bereits in ihr heranwachse und ihr diese Sorglosigkeit noch zum Verhängnis werden sollte …

    Am Abend wartet sie auf meinen Vater und schaut ausnahmsweise mal die Nachrichten. Schließlich will sie wissen, wer die Wahlen gewonnen hat. Die Dynamische Innovationspartei hat geschafft, was schon lange keiner Partei mehr in Deutschland gelungen ist. Sie hat die absolute Mehrheit im Bundestag geholt. Das bedeutet, dass ich in einer Zeit groß werde, in der viele Reformen schnell umgesetzt werden. Und wenn die Regierung gute Arbeit macht, wird das noch lange so weitergehen und mein Leben beeinflussen. Meine Mutter freut sich darüber, dass die Partei gewonnen hat, der sie ihre Stimme gegeben hat. Sie fühlt sich als Teil einer neuen Bewegung und ist stolz sogar deren Programm zu kennen. Sonst hatten ihr immer andere von Parteiprogrammen der regierenden Parteien erzählt und jetzt kann sie das endlich auch mal tun. Da lässt sie gleich den zweiten Sektkorken des Tages knallen und ruft Ulla an. Voller Vorfreude auf die Neuerungen sehe ich mit Begeisterung den Veränderungen entgegen, die ich in ihr Leben bringen werde.

    2. Elternzeit

    Knapp zwei Monate später ist meine Mutter beunruhigt, weil ihre Periode bis heute nicht gekommen ist. Nach ihrem Dienst im Supermarkt holt sie sich einen Schwangerschaftstest aus dem Regal. Sie schaut, dass ihr niemand folgt und sie keiner sieht, als sie damit zurück zu ihrer Kasse geht. Gerade als sie den Test über den Scanner zieht, kommt ihr Chef aus dem Büro. Er sieht, wie sie den Test bezahlt und sagt:

    „Na, steht uns da bald eine Elternzeit ins Haus?"

    „Mal sehen."

    „Ich würde es Ihnen gönnen, Frau Schmidt. Bitte lassen Sie es mich nur frühzeitig wissen, damit eine Vertretung für Sie organisiert wird. Wir sind ja seit Kurzem ein Unternehmen in der sozialen Marktwirtschaft und zahlen in ihre Elternversicherung ein. Kennen Sie da Ihre Rechte?"⁵

    „Nein, noch nicht. Aber warten wir das hier erst mal ab, okay?"

    „Ja, klar doch. Melden Sie sich, wenn Sie Gewissheit haben und dann erkläre ich Ihnen gern alles."

    „Danke."

    „Gern. Ihnen einen schönen Feierabend."

    „Danke, gleichfalls."

    Der Feierabend des Marktleiters ist sicher schöner als der meiner Mutter. Sie macht sich Sorgen, was wohl ihre Familie oder Mustafa und seine Familie sagen würden, wenn sie schwänger wäre. Angst steigt in ihr auf, die auch ich spüre. Dann rennt meine Mutter ein Stück ihres Heimwegs von der Arbeit, um der Angst davonzulaufen. Das tut mir gut, weil dieses Wiegen im Laufschritt mich zum Einschlafen bringt.

    Daheim angekommen, geht meine Mutter direkt ins Bad und sagt meinem Vater nichts davon. Sie schließt die Tür ab, damit er nicht versehentlich reinkommen kann. Sie macht den Test und während der Wartezeit denkt sie sich:

    „Wenn ich nicht schwanger bin, bleibt alles, wie es ist. Wenn ich schwanger bin, soll das ein Neubeginn für mich und für dieses neue Leben sein. Ich höre mit dem Alkohol trinken auf und ernähre mich gesünder. Es verändert sich gerade so vieles zum Guten in diesem Land. Meine Festanstellung bei der Arbeit habe ich und abgesichert bin ich auch, egal ob ich das Kind ganz allein großziehen muss. Der Staat hat ja alles so gemacht, dass Kinder auch ganz allein groß werden könnten durch Kindergeld und die ganzen Betreuungseinrichtungen.⁶ Da brauche ich mir keine Sorgen zu machen, wen ich fragen kann, wenn ich mal Hilfe oder Unterstützung brauche. Mir ist es egal, was meine Familie dazu sagt. Wenn sie mich unterstützt, wäre das toll, aber wenn nicht, wäre das ja auch nichts Neues. Mustafa? Ach, Männer kommen und gehen."

    In dem Moment färbt sich der zweite Strich immer stärker rot. Ich bin zum ersten Mal sichtbar geworden auf dieser Welt. Meiner Mutter treibt es die Tränen in die Augen und Freude steigt in ihr auf. Die Freude spüre ich auch und freue mich mit ihr. Den positiven Test steckt sich meine Mutter in die Handtasche – in das Fach mit dem Reißverschluss. Sie will mich noch geheim halten und erst zum Frauenarzt gehen, um Gewissheit zu haben.

    Eine Woche später hat sie ihren Termin, sitzt im Behandlungszimmer, hat bereits einem Gentest zugestimmt und dafür Blut und Urin abgegeben.⁷ Sie will kein behindertes Kind und deshalb hoffe ich, dass bei dem Test keine Behinderung oder Erbkrankheit festgestellt wird. Da kommt der Arzt herein, begrüßt sie, ruft die Laborwerte ab und sagt:

    „Ich will Sie nicht auf die Folter spannen und sage Ihnen: Sie sind schwanger. Wie fühlen Sie sich denn damit?"

    „Danke. Ich fühle mich gut damit. Aber ich habe doch die Pille genommen."

    „Hatten Sie denn mal Durchfall gehabt?"

    „Ja."

    „Dann wurden die Hormone von der Pille wahrscheinlich nicht in Ihrem Darm aufgenommen, sondern sind ausgeschieden worden. Dann reicht der Wirkspiegel an Hormonen in Ihrem Blut nicht aus, um Ihrem Körper vorzuspielen, Sie wären bereits schwanger. Wissen Sie denn schon, ob Sie das Kind behalten wollen?"

    „Ja, ich will es behalten."

    Dieser Satz macht mich sehr glücklich. Ohne anderen davor von mir zu erzählen und sich beeinflussen zu lassen, hat sie sich für mich entschieden und dafür, notfalls auch allein für mich da zu sein. Als Belohnung darf sie mich jetzt sehen. Der Arzt bittet meine Mutter auf die Liege und legt ihr das Ultraschallgerät auf. Ich bin zum zweiten Mal sichtbar auf dieser Erde. Hallo, das bin ich. Ein kleiner Haufen, den man auf den ersten Blick nicht als Mensch erkennen würde. Aber da, mein Herz – wie es schlägt. Der Arzt sagt zu meiner Mutter:

    „Kerngesund, wie wir hier sehen, und die Laborwerte konnten keine genetischen Krankheiten oder Missbildungen feststellen. Herzlichen Glückwunsch, Frau Schmidt!"

    „Danke! Da bin ich erleichtert, dass mein Kind gesund ist."

    „Sie können sich wieder anziehen. Wissen Sie denn jetzt, was auf Sie zukommt? Da gab es einige Reformen in der letzten Zeit."

    „Nein, nicht genau. Ich habe bisher nur von dem Elternführerschein gehört."

    „Den müssen sie später machen. Entscheidend ist, dass Sie ab jetzt keine Drogen mehr nehmen dürfen. Was konsumieren Sie denn?"

    „Ich trinke ganz gern Sekt."

    „Sonst nichts?"

    „Ja, ich trinke schon recht oft und viel Alkohol, rauche auf Partys und zieh hin und wieder mal an einem Joint."

    „Dann kann Ihnen die Suchtmittelkrankenkasse weiterhelfen. Die werden automatisch einen Leitfaden für Sie zusammenstellen, welche Erfolgsrezepte es für Schwangere gibt, wie man sich von den Süchten entwöhnen kann und welche harmlosen Ersatzstoffe es gibt. Notfalls gibt es auch eine Kur."

    „Was kostet das alles?"

    „Nichts. Die Beiträge zur Suchtmittelkrankenkasse bezahlen sie automatisch beim Kauf der Drogen."

    „Das ist gut! Wie erreiche ich diese Suchtmittelkrankenkasse?"

    „Die brauchen Sie nicht zu erreichen. Ich gebe Ihnen alles mit oder schicke es Ihnen. Und ich würde auch die Kur veranlassen. Dabei kann Sie aber auch ihr Hausarzt beraten."

    Der Arzt schaut auf seinen Bildschirm und sagt:

    „Ich sehe hier, dass Sie Ihre Gesundheitskarte mit Ihrem Ausweis gekoppelt haben."

    „Ja, dann habe ich nur eine Karte für alles."

    „Haben Sie denn auch schon den Volkscomputer?"

    „Ja, den habe ich auch."

    „Dann haben Sie zwei Möglichkeiten: Entweder wir machen alles digital oder Sie gehen zum Jugendamt und die machen dann alles für Sie."

    „Wir machen alles digital – diese Rennerei zu den Ämtern brauch ich nicht."

    „Alles klar, dann trage ich jetzt auf Ihrer Gesundheitskarte ein, dass Sie schwanger sind. Ihre Daten werden dann an alle passenden staatlichen Stellen automatisch weitergegeben."

    „Welche Stellen sind das?"

    „Das sind alle Stellen, die sich darauf vorbereiten müssen, dass ein weiterer Bürger dazukommt, beispielsweise das Schulamt. Ihre persönlichen Daten werden aber nur an das Jugendamt übermittelt, weil die mit Ihnen Kontakt aufnehmen. Für den Leitfaden der Suchtmittelkrankenkasse schicke ich Ihnen eine Nachricht mit einem Link. Damit bekommen sie einen Fragebogen, auf dessen Basis der Leitfaden automatisch erstellt wird und direkt heruntergeladen werden kann. Ab dem dritten Monat geht automatisch eine Meldung an Ihr Profil im Personenverzeichnis und an das Familienministerium. Im Personenverzeichnis bekommen Sie dann eine Nachricht vom Familienministerium mit der Einladung in das Familienverzeichnis. Dort können Sie Kurse für den Elternführerschein buchen."¹⁰

    „Wo macht man diesen Elternführerschein?"

    „Da können Sie sich Räume in der Umgebung aussuchen. Meistens finden die Kurse abends in allen örtlichen Grundschulen statt. Sie können sich aber auch direkt zur Abschlussprüfung anmelden, wenn Sie glauben, schon alles zu wissen."

    „Nein nein, ich bin froh über die Kurse und bin gespannt, was ich da lerne."

    „Wie steht es denn um den Vater des Kindes?"

    „Mit dem bin ich zusammen, aber er weiß noch nicht, dass ich schwanger bin."

    „Soll er es denn von ihnen erfahren oder über seinen Volkscomputer?"

    „Er ist Türke und hat keinen Volkscomputer."

    „Dann würde er Post bekommen oder angerufen werden, je nachdem was er beim Einwohnermeldeamt angegeben hat, wie er kontaktiert werden möchte."¹¹

    „Das weiß ich nicht, aber ich möchte es ihm auch lieber selbst sagen."

    „Okay, ich kann hier eintragen, wann er benachrichtigt werden soll, wenn nicht sofort. Und der Zeitpunkt muss innerhalb von einem Monat liegen."

    „Dann tragen Sie nächste Woche ein."

    Jetzt steigt wieder die Angst in meiner Mutter auf. Sie macht sich Sorgen über Mustafas Reaktion und die seiner Familie. Sie geht nach Hause und er ist schon da. Als sie die Tür reinkommt, fragt er sie skeptisch, weil er sie schon früher von der Arbeit erwartet hatte:

    „Hey Perle, wo warst du?"

    „Hallo Musti, komm mal zu mir aufs Sofa."

    „Oh, heute so direkt zur Sache kommen?"

    „Ja, aber nicht, wie du denkst. Setz dich mal hin."

    „Was los? Wo warst du?"

    „Ich war beim Frauenarzt und bin schwanger."

    „Was? Du nimmst doch die Pille, oder etwa nicht?"

    „Ja schon, aber der Arzt meinte, wegen der Durchfallerkrankung kann es zu einem zu geringen Wirkspiegel gekommen sein."

    „Was Wirkspiegel?"

    „Na, die Hormone und so."

    „Das Kind treibst du aber ab, oder?"

    Meiner Mutter spürt ein Zwicken im Bauch. Das bin ich. Nix da Abtreibung! Ich bin gekommen, um zu bleiben! Oder, Mama? Los sag’s ihm!

    „Nein, das Kind werde ich bekommen. Ob es dir passt oder nicht!"

    Mein Vater wird kreidebleich, lehnt sich in die Couch und fährt sich mit beiden Händen über das Gesicht. Stille. Ein Seufzer von ihm. Er fragt sie aufgeregt:

    „Ist dir eigentlich egal, was das für mich bedeutet?"

    „Nein, ist es mir nicht, aber es kann dir egal sein."

    „Wieso das?"

    „Weil Kinder in Deutschland eigenständig leben können, egal ob bei ihren Eltern, im Jugendzentrum, im Kinderhaus oder bei Adoptiveltern."¹²

    „Willst du es adoptieren lassen?"

    „Nein, spinnst du?"

    „Du spinnst! Was werden meine Eltern sagen? Schau dich doch mal an!"

    „Wie sehe ich denn aus?"

    „Blond, sexy, unverschleiert."

    „Willst du, dass ich einen Schleier für dich trage? Und nur du siehst, was ich drunter habe?"

    „Baby, ich meine das volle Programm geht dann ab. Hochzeit, Islam, Familie in der Türkei besuchen und und und. Gibst du dir das?"

    „Warum nicht?"

    Und es kommt, wie es kommen musste. Die Eltern meiner Eltern sind gar nicht begeistert von mir. Dabei kennen sie mich noch gar nicht. Ich weiß nicht, was die immer haben mit ihrer Kultur und Religion. Ist doch später ohnehin meine Sache, wie ich lebe. Als meine Mutter mit ihrer Mutter telefoniert, bekommt sie zu hören:

    „Was? … Mit dem Türken willst du ein Kind? … Der kommt mir nicht ins Haus! … Zum Islam konvertieren, bist du bekloppt? … Lass deine rebellische Phase nicht an deinem Kind aus!"

    Als sie mit ihrem Vater telefoniert Folgendes:

    „Ach du scheiße! Wie hast du das denn angestellt? … Willst du nicht doch abtreiben? … Das mit dem Islam packst du doch niemals. … Die Sippschaft kann mir gestohlen bleiben."

    Nach den Telefonaten ist meine Mutter ziemlich niedergeschlagen. Sie weint sich in den Schlaf und ich kann in dieser Nacht überhaupt nicht schlafen. Am nächsten Tag besucht mein Vater seine Eltern, aber erzählt noch nichts von mir. Er erzählt nur von meiner Mutter und dass er sie ihnen vorstellen will. Begeisterung klingt anders. Von seinem Vater tönt es:

    „Ist sie Türkin? … Ist sie Muslima? … Ich habe Aisha für dich ausgesucht. … In diesem Land kommst du nur auf dumme Gedanken."

    Seine Mutter meint:

    „Hat sie Kinder? … Kleidet sie sich schmutzig? … Arbeitet sie? … Was arbeiten ihre Eltern? … Sind das Christen oder Heiden? … Mach uns keine Schande."

    Das ist dann wohl ein denkbar schlechter Start ins Leben, zumindest von familiärer Seite aus. Eine Woche später sind mein Vater, meine Mutter und ich zu seinen Eltern eingeladen. Offiziell ist das das Treffen, wo sie meine Mutter zum ersten Mal kennenlernen sollen. Bei dem Treffen ist die Stimmung ziemlich frostig. Meiner Mutter schmeckt das Essen nicht, aber mir schon. Sie lässt es sich nicht anmerken und bedankt sich bei Mustafas Mutter für die Mühe. Kein Wort über mich kommt aus dem Mund meiner Mutter oder meines Vaters. Das macht mich traurig.

    Einen Monat später bin ich schon so groß, dass meine Mutter einen dickeren Bauch bekommen hat. Sie ist normalerweise recht schlank. Ich werde immer sichtbarer auf der Welt und das macht mich stolz. Es ist spannend zu sehen, was meine Mutter alles im Elternführerschein lernt. Sie erfährt, welche Rechte Kinder haben. Mir ist das sehr wichtig, weil sich meine Eltern daran halten müssen und ansonsten bestraft werden können. Ich habe das Recht auf beständige fürsorgliche Beziehungen, körperliche Unversehrtheit und Sicherheit, persönliche Erprobung meiner Talente, Erfahrungen, die meinem Entwicklungsstand entsprechen, gerechte Grenzen und Strukturen, stabile und unterstützende Gemeinschaften sowie eine überlebensfähige Menschheit. Ich finde es gut, dass so etwas im Gesetz steht.¹³

    Meine Eltern lernen außerdem, wie sie sich mir gegenüber beim Sprechen, Streiten, Wickeln und Körperentdecken verhalten sollten. Das ist lustig, wenn meine Eltern an sich gegenseitig das Wickeln üben. Beim Streiten üben wird mir manchmal kurz angst und bange. Alle Rollenspiele und Fallbeispiele, die meine Eltern mitmachen, zeigen mir schon früh, was mich erwarten wird und wozu das gut ist. Die körperliche und geistige Entwicklung von der Geburt bis zum 30. Lebensjahr gibt es im Schnelldurchlauf. Als dann in einen Kurs zum Thema Streit Eltern in den Unterricht kommen, um ihre Situation zu schildern und sich Rat bei der Lehrerin und den Teilnehmenden einzuholen, sehe ich, welche Herausforderungen da auf einen warten können.

    Meine Mutter geht oft zusammen mit meinem Vater hin, aber er lässt ab und zu Kurse ausfallen, wenn seine Lieblingsmannschaft ein Fußballspiel hat. Er holt die Kurse dann online nach. Dabei sind in den Kursen so viele junge Eltern zusammen. Immer wenn meine Mutter dann allein da ist, macht sie das traurig und etwas neidisch. Diese Gefühlscocktails zeigen mir schon früh, in welche Stimmung mich meine Mutter mitnimmt.

    Eines Tages, als meine Eltern wieder gemeinsam zum Unterricht gehen, begegnen sie Mustafas Eltern vor der Schule. Der Vater fragt:

    „Mustafa, was machst du hier?"

    Schon bevor mein Vater antworten kann, schreit seine Mutter, als sie meine Mutter sieht. Eigentlich schreit sie aber, weil sie mich sieht.

    „Was ist das für ein dicker Bauch? Carola, bist du schwanger und uns sagst du nichts?"

    Jetzt überschlägt sich alles. Alle reden wild durcheinander und es wird laut. Eigentlich geht es um mich, aber uneigentlich geht es um Kulturen und Religionen, die sich fremd sind und unvereinbar scheinen. Aber wer macht diese Sachen? Menschen machen diese Sachen, also können sie sie auch verändern. Ich allein entscheide, welche Kultur und Religion ich leben will und niemand sonst. Schließlich muss ich mein Leben lang mit mir klarkommen. Ich hoffe, meine Eltern sehen das auch so, sonst könnte das eine stressige Zeit mit ihnen werden.

    Die Zukunft hat mich eines Besseren gelehrt. Meine Mutter heiratet meinen Vater mit einer riesigen Feier, aber ihre Eltern und ihr Bruder sind nicht da. Das macht Mustafas Vater sehr wütend, denn er muss sich vor all seinen Freunden und Verwandten rechtfertigen, wieso sie nicht da sind. Meine Mutter ist jetzt Muslimin geworden und lässt sich von ihrer Schwiegermutter in die Glaubensrituale und Gebete einführen.

    Bei der Hochzeit im Standesamt geht es ruhiger zu und ich kann mehr verstehen. Meine Eltern sind mit ihren Freunden und den Eltern meines Vaters da. Meiner Mutter ist die standesamtliche Hochzeit wichtig, damit ich abgesichert bin und keine Streitigkeiten um mich oder das Geld entstehen. Für mich ist es wichtig, damit immer klar ist, wer sich um mich kümmert. Das wird mir bewusst, als der Standesbeamte sagt:¹⁴

    „Dann bitte ich jetzt zuerst Sie, Frau Schmidt, mit mir in den Nebenraum zu kommen."

    Meine Mutter steht auf und wir gehen mit dem Standesbeamten weg von meinem Vater und den Gästen in ein anderes Zimmer. Dort fragt er meine Mutter:¹⁵

    „Frau Schmidt, kennen Sie Ihre Rechte und wissen Sie, was die Hochzeit für Sie bedeutet?"

    „Nein, noch nicht so ganz, aber sie klären mich jetzt auf, oder?"

    „Das kann ich gern machen. Erst mal muss ich wissen, ob Sie bereit sind, sich mit Herrn Öz zu verpartnern."

    „Was bedeutet das, ‚verpartnern‘?"

    „Das bedeutet, dass Sie freiwillig und bewusst mit Herrn Öz eine Liebes- und Sexualbeziehung eingehen möchten.

    Wahrscheinlich tun Sie das bereits, wenn ich richtig annehme, dass das Kind in Ihrem Bauch von ihm ist. Aber hier im Familienverzeichnis ist noch keine Partnerschaft bei Ihnen oder dem Herrn Öz eingetragen."

    „Ja, dann tragen Sie das ein. Wir lieben uns und das Kind ist von ihm. Meine Beziehung zu Mustafa mache ich freiwillig und bin mir auch bewusst, was Liebe und Sex bedeutet."

    „Danke, Frau Schmidt. Nach den neuen Reformen muss ich Sie das fragen. Wenn Sie die Verpartnerung oder Ehe nicht gewollt hätten, hätten Sie jetzt durch diese Hintertür gehen und notfalls auch mit staatlicher Hilfe untertauchen können. „Okay, krass.

    „Das sind Ihre persönlichen Rechte. Deshalb sind wir in diesen Nebenraum gegangen. Mit Herrn Öz werde ich jetzt das gleiche Verfahren durchgehen."

    „Alles klar. Dann will ich mal hoffen, dass er nicht durch die Hintertür verschwindet."

    Das verunsichert mich jetzt etwas. Ich bin nicht sicher, ob das von meiner Mutter ernst gemeint war. Angst oder Unbehagen spüre ich bei ihr jetzt jedenfalls nicht. Ich bin eher glücklich zu hören, dass ich durch die Liebe meiner Eltern entstanden bin. Als mein Vater dann wieder mit dem Standesbeamten zurück aus dem Nebenraum kommt, bin ich schon erleichtert. Was danach kommt, verstehe ich erst nicht wirklich, aber es sollte noch entscheidende Bedeutung bekommen. Der Standesbeamte sagt zu meinen Eltern:¹⁶

    „Kommen wir nun zum Ehevertrag."

    „Wir brauchen keinen Ehevertrag!", sagt mein Vater.

    Der Standesbeamte erwidert:

    „Doch, Herr Öz, das ist seit den neuen Reformen im Familienministerium Pflicht. Sie können aber bestimmen, was drin steht und ihn auch jederzeit wieder ändern, wenn sie beide einverstanden sind und der Text von einem Standesbeamten beglaubigt wird."

    „Wird das jetzt ein Vortrag in Fachchinesisch?"

    „Nein, sie werden das schon alles verstehen und wenn Ihnen etwas unklar ist, fragen Sie einfach nach. Wir füllen den Ehevertrag jetzt gemeinsam aus, wie ein Formular."

    „Danke, dann legen sie mal los", sagt meine Mutter.

    „Okay, lautet der Ehename Schmidt oder Öz?"

    „Öz", sagt mein Vater.

    „Danke, jetzt haben Sie drei Möglichkeiten: Erstens können Sie eine Gütergemeinschaft machen. Das bedeutet jegliches Vermögen, das vor der Ehe bestand, gehört nur jedem selbst. Jedes Vermögen, das in der Ehe entsteht, gehört Ihnen beiden. Kommt es zu einer Scheidung, wird das Vermögen, das in der Ehe entstand, zu gleichen Teilen auf sie beide aufgeteilt. Zweitens können Sie eine Gütertrennung machen. Dann behält jeder immer, was ihm gehört und was er verdient. Ihnen gehört dann nichts gemeinsam und deshalb muss nichts aufgeteilt werden. Drittens können Sie eine Fahrnisgemeinschaft machen. Das ist wie die Gütergemeinschaft, aber das Vermögen vor der Ehe teilen sie sich dann auch. Schenkungen müssen nie erstattet werden. Welche Möglichkeit möchten Sie denn nehmen?"

    „Wir nehmen die Gütertrennung, dann sparen wir uns den Papierkram mit gemeinsamen und getrennten Sachen, oder, Mustafa?"

    „Ja, weniger Papierkram klingt gut."

    „Danke. Dann trage ich das ein. Ich mache Sie drauf aufmerksam, dass Sie für Kinder aus dieser Ehe Unterhalt zahlen müssen, wenn Sie sich scheiden lassen und nicht jeder gleich viel für das Kind sorgt. Das Sorgerecht wird dann an Sie beide gleich aufgeteilt, es sei denn, jemand von Ihnen kommt in Haft, dann wird ihm für die Zeit der Haft das Sorgerecht entzogen. Das sind die Standardeinträge. Möchten Sie daran etwas ändern?"

    „Nein, das kann so bleiben, oder, Mustafa?"

    „Ich weiß nicht, was da noch hin soll. Wir lassen uns eh nicht scheiden."

    Als mein Vater das sagt, bin ich froh, meine beiden Eltern bei mir zu wissen. Es ist schön, sie so gemeinsam zu sehen, und wie sie sich auf mich vorbereiten. Was der Standesbeamte danach noch zu meinem Vater sagt, klingt beunruhigend:¹⁷

    „Herr Öz, da muss ich Sie noch auf die Neuerungen hinweisen, dass ich Ihre Hochzeit dem Integrationsministerium melden muss."

    „Wieso das?"

    „Ab dem kommenden Monat müssen Ausländer aus Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union für eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland einen Einbürgerungstest und eine Einbürgerungsphase durchlaufen."

    „Und was ist, wenn man das nicht macht?"

    „Dann ist man Gast und muss nach höchstens zehn Jahren wieder auswandern. Bei Ihnen verändert sich aber die Einbürgerungsphase."

    „Wie denn?"

    „Sie müssen Ihre Heiratsurkunde beim Integrationsbüro einreichen. Dann brauchen Sie nicht die Motivationsschreiben von mindestens zehn Freunden, von denen fünf Deutsche und der Rest Eingebürgerte sein müssen. Ansonsten bleibt alles gleich."

    „Was ist, wenn ich das nicht bestehe?"

    „Wenn sie den Test dreimal nicht bestehen oder die Phase länger als zehn Jahre dauert, können sie nicht eingebürgert werden und sind Gast."

    „Und was wird aus meinem Kind, wenn ich auswandern muss?"

    „Ihr Kind kann dann selbst entscheiden, ob es mit Ihnen kommt oder hierbleibt. Gleiches gilt für Ihre Frau."

    „Was muss ich bei dem Test und der Phase machen? Oder was darf ich nicht machen?"

    „Das erfahren Sie alles bei einem Termin im Integrationsbüro. Ich kann Ihnen nur schon sagen, dass Sie nicht in Haft kommen oder länger als zwölf Monate arbeitslos werden sollten, denn sonst werden Sie ausgewiesen."

    Das verunsichert mich und ich hoffe, dass mein Vater seine Arbeit behält und nicht verhaftet wird. Die Vorbereitungen für den Elternführerschein neigen sich mittlerweile dem Ende und meine Eltern erwartet die Abschlussprüfung. Jeder muss einen Fragebogen ausfüllen und einen Leitfaden für eine gute Erziehung schreiben. Mein Vater fällt in diesen theoretischen Prüfungen durch. Er darf sie aber beliebig oft wiederholen. Ich mache mir trotzdem etwas Sorgen. Was, wenn er und meine Mutter nicht bestehen? Im Kurs hieß es, dass wir dann ins Sozialdorf ziehen müssen und so lange zusammen im Kinderhaus wohnen müssen, bis einer meiner Eltern den Elternführerschein bestanden hat. Die praktische Prüfung hat dann drei Situationen aus verschiedenen Lebensphasen, wo mein Vater zuerst wütend wird und falsch reagiert. Beim dritten Versuch schafft er die theoretische Prüfung und bei der praktischen Prüfung schafft er es nach dem zweiten Versuch. Meine Mutter hat die Prüfungen direkt geschafft. Ich freue mich, bald auf die Welt zu kommen, und bin gespannt, mich heute beim Frauenarzt wieder zu sehen. Diesmal ist mein Vater mit dabei. Ich sehe richtig gut aus und strecke dem Frauenarzt meine Scheide entgegen, als er das Ultraschallgerät auf mich legt. Er sagt direkt:

    „Das ist kaum zu übersehen. Sie werden ein Mädchen bekommen."

    Meine Eltern sind glücklich und mein Vater gibt meiner Mutter einen Kuss auf die Stirn. Da freue ich mich. Am Abend unterhalten sie sich lange über mögliche Namen, aber ein Name gefällt ihnen für mich besonders gut: Sarah.

    In den kommenden Wochen mache ich es meiner Mutter nicht so leicht, denn ich werde immer schwerer. Auf der Arbeit lernt meine Mutter schon ihre Vertreterin an, die sie zwei Jahre lang ersetzen wird. Das ist gut, weil meine Mutter nicht schwer heben soll, damit ich nicht aus ihr herausfalle. Obwohl ich den Moment kaum erwarten kann.

    3. Geburt einer neuen Hoffnung

    Endlich ist es so weit. Ich erblicke zum ersten Mal das Licht der Welt. Meine Eltern sind mit mir im Krankenhaus. Ich liege bei meiner zufriedenen Mutter im Arm und mein Vater streichelt mir stolz über den Kopf. Jetzt werde ich direkt ein richtiger Mensch, mit allem, was dazugehört. Von der Hebamme werde ich gewogen, vermessen, fotografiert und untersucht. Währenddessen erklärt die Krankenschwester meinen Eltern:¹⁸

    „Wir legen jetzt ein Profil im Gesundheitsverzeichnis an. Wie heißt denn Ihre Tochter?"

    „Sarah Öz."

    Als mein Vater das sagt, freue ich mich, zum ersten Mal meinen Namen zu hören.

    „Danke, ich habe Ihre Daten aus dem Gesundheitsverzeichnis abgerufen und Sie als Eltern eingetragen. Bitte überprüfen Sie meine Eingaben bis morgen an Ihrem Volkscomputer, Frau Öz. Berta, hast du die Daten aus den Untersuchungen schon eingetragen?"

    „Ja, sie haben ein kerngesundes Mädchen, nicht zu leicht und nicht zu klein, alles super. Meinen Glückwunsch."

    Das freut mich zu hören. Mit diesen Worten übergibt mich die Hebamme meiner Mutter. Mein Vater grinst mich währenddessen glücklich an. Und dann schenke ich ihm und meiner Mutter mein erstes Lächeln. Wir strahlen alle bis über beide Ohren. Es dauert nicht lange, bis ich einschlafe, während ich noch höre, wie die Krankenschwester sagt:

    „Alle nötigen Daten sind jetzt eingetragen. Sie bleiben eine Nacht zur Beobachtung hier und morgen kommt ein Mitarbeiter vom Jugendamt bei Ihnen vorbei."

    Am nächsten Tag fährt der Mann vom Jugendamt mit uns vom Krankenhaus nach Hause. Dort legt er mir ein eigenes Profil im Personenverzeichnis an. Jetzt bin ich auch in der virtuellen Welt angekommen. Wie viel diese Welt für mich erledigen wird, kann ich jetzt noch gar nicht ahnen. Erst mal bin ich stolz über meine Geburtsurkunde und meinen Kinderausweis. Die hat der Mitarbeiter vom Jugendamt gleich mitgebracht. Schick sehe ich auf dem Foto aus, aber Haare wie meine Mutter hätte ich schon gern. Er gibt beides meinen Eltern und sagt:¹⁹

    „Das ist die Geburtsurkunde mit der Freigabe, dass sie den Elternführerschein erfolgreich bestanden haben. Und das ist der Kinderausweis. Er ist Ausweis, Gesundheitskarte, Bankkarte und Betreuungsausweis in einem. Sarah kann damit in allen staatlich anerkannten Betreuungseinrichtungen für Kinder rund um die Uhr sieben Tage die Woche betreut werden. Auf das Bankkonto kommt jeden Monat das Kindergeld. Was sie davon am Monatsende noch nicht für Betreuung ausgegeben haben, können Sie in den nächsten Monaten in allen Geschäften ausgeben, aber nur für Sachen für Sarah. Auf dem Rentenkonto sind 5.000 Euro Startguthaben, das am Ende des Lebens zurückgezahlt werden muss. Sobald Sarah ihren Kinderausweis selbst benutzen kann, muss sie das auch tun dürfen. Beim Einkauf gib es automatische Limits für die Bankkarte. Das erklärt ihnen aber jemand von der Volksbank genauer, wenn es so weit ist. Wir sehen uns jetzt während der nächsten drei Monate alle zwei Wochen. Wenn Sie Fragen haben, rufen Sie mich gern jederzeit an."

    Das freut mich jetzt aber. Ich bin quasi in ein Hotel mit Vollpension und persönlichen Servicekräften geboren worden. Was für ein guter Start ins Leben! Den verbringe ich zu Hause mit meiner Mutter. Sie hat zwei Jahre Elternzeit, muss nicht zur Arbeit und bekommt trotzdem jeden Monat 80 Prozent vom Lohn. Abends kommt dann mein Vater von der Arbeit. Er hätte in der freien Marktwirtschaft als Elternzeit nur ein Jahr unbezahlten Sonderurlaub für mich bekommen. Auch wenn er danach wieder eingestellt werden muss, nimmt er lieber keine Elternzeit. Er hat nicht genug Geld für das Jahr Sonderurlaub gespart, meint er. Er möchte, dass es mir an nichts fehlt, und geht deshalb weiter arbeiten, daran glaube ich.²⁰

    Die Tage sind im Leben immer ganz schön, im Gegensatz zur Nacht. Jeden Tag entdecke ich

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