Perry Rhodan Neo 309: Hundert Millionen Jahre: Staffel: Chronopuls
Von Rüdiger Schäfer
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Über dieses E-Book
Die Gefahr scheint ihren Ursprung in zwei Nachbargalaxien der Milchstraße zu haben – den Magellanschen Wolken. Mit dem mächtigen Expeditionsschiff SOL bricht Perry Rhodan dorthin auf, wo es aber zu einem verheerenden Zwischenfall kommt. Während Rhodan und einige Gefährten in die Heimat zurückkehren können, wird die SOL in eine ferne Sterneninsel und Epoche verschlagen.
Ohne Aussicht, ihre Familien und Freunde jemals wiederzusehen, kämpfen die Menschen an Bord um ihr Überleben. Das Schicksal des Generationenraumschiffs entwickelt sich zu einer Odyssee durch Raum und Zeit – sie umspannt HUNDERT MILLIONEN JAHRE ...
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Buchvorschau
Perry Rhodan Neo 309 - Rüdiger Schäfer
Band 309
Hundert Millionen Jahre
Rüdiger Schäfer
Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt
Cover
Vorspann
1. Chart Deccon
2. Mentro Kosum
3. Mai Tai Tanaka
4. Chart Deccon
5. Mentro Kosum
6. Chart Deccon
7. Hage Nockemann
8. Nauja Taqtu
9. Amena El Mokhtar
10. Chart Deccon
11. Breckcrown Hayes
12. Chart Deccon
13. Geoffry Abel Waringer
14. Chart Deccon
15. Eric Leyden
16. Corun Han Buhrlo
17. Chart Deccon
18. Geoffry Abel Waringer
19. Donna Stetson
20. Breckcrown Hayes
21. Donna Stetson
22. Breckcrown Hayes
23. Waylon Javier
24. Geoffry Abel Waringer
25. Breckcrown Hayes
26. Hage Nockemann
27. Mentro Kosum
28. Breckcrown Hayes
29. Corun Han Buhrlo
30. Breckcrown Hayes
31. Mentro Kosum
32. Mai Tai Tanaka
33. Breckcrown Hayes
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Seit mehr als einem Dreivierteljahrhundert reist die Menschheit zu den Sternen. In dieser Zeit hat sie zahlreiche Konflikte sowie kosmische Katastrophen bewältigt. Im Jahr 2112 mehren sich Hinweise auf eine neue Bedrohung für das kleine Sternenreich der Terraner.
Die Gefahr scheint ihren Ursprung in zwei Nachbargalaxien der Milchstraße zu haben – den Magellanschen Wolken. Mit dem mächtigen Expeditionsschiff SOL bricht Perry Rhodan dorthin auf, wo es aber zu einem verheerenden Zwischenfall kommt. Während Rhodan und einige Gefährten in die Heimat zurückkehren können, wird die SOL in eine ferne Sterneninsel und Epoche verschlagen.
Ohne Aussicht, ihre Familien und Freunde jemals wiederzusehen, kämpfen die Menschen an Bord um ihr Überleben. Das Schicksal des Generationenraumschiffs entwickelt sich zu einer Odyssee durch Raum und Zeit – sie umspannt HUNDERT MILLIONEN JAHRE ...
1.
Chart Deccon
Der Schrei kam von überallher zugleich. Er klang schrill und lang gezogen. Und nur entfernt menschlich.
Chart Deccon wälzte sich zur Seite. Einmal mehr nahm der Kommandant der SOL seinen massigen Körper als etwas wahr, das nicht wirklich zu ihm gehörte. Sein Geist war so viel beweglicher. Schneller, fokussierter, gewichtsloser – aber eingesperrt in einem unförmigen Gefängnis aus Fleisch.
Er erkannte die schmale Gestalt von Mai Tai Tanaka. Die Funk- und Ortungschefin stammte aus Japan und war das genaue Gegenteil von ihm: schlank, dynamisch, geradezu zierlich. Ihre langen, schwarzen Haare klebten ihr in dünnen Zöpfen am Schädel und vereinten sich am Hinterkopf zu einem Knäuel, in das sie bunte Bänder geflochten hatte.
»Sind wir feuerbereit?«, fragte Deccon. Seine Worte dehnten sich zu einer Abfolge unverständlicher Laute, die seinen Mund verließen und danach ein seltsames Eigenleben entwickelten. Er konnte sie sehen. Sie waberten als faustgroße Schwaden durch die Zentrale. In ihren diffusen Strukturen blitzten hin und wieder Lichter auf wie gerade geborene Sterne in einem galaktischen Gasnebel.
Ozias Gruber antwortete. Zumindest bewegte sich sein Mund. Doch alles, was Deccon von seinem Zweiten Waffenoffizier hörte, war ein tiefes, rhythmisches Brummen. Es klang wie das Wummern einer mächtigen Maschine, das durch mehrere Stahlplastwände drang.
Der Hyperstrudel!, durchzuckte es Deccon. Er hat uns aufgesaugt und verschluckt.
Gerade eben hatte die PERLENTAUCHER mit Perry Rhodan an Bord noch im Zentrum der Ortungshologramme gestanden – nun war sie verschwunden. An ihre Stelle war ein dunkelrotes Glühen getreten. Die SOL stürzte durch einen Trichter aus rotierenden Wolkenschichten, an dessen Rändern sich schwarze Schlieren durch das Rot zogen.
»Feuer!«, schrie Deccon. »Feuer, verdammt noch mal!«
Aus den Tiefen der SOL tönte ein dumpfes Rumoren. Der Kommandant kannte es nur zu gut. Er bezeichnete es in Gedanken gern als Magenknurren: das Geräusch, das eine hungrige Bestie machte, bevor sie zuschnappte.
Das Hantelraumschiff hatte zwei seiner vier Waffenringe aktiviert und nahm eine der BALKA-Stationen der Perlians unter Beschuss. Der Antrieb der SOL kam nicht gegen den Sog des Hyperstrudels an. Somit blieb nur der Angriff als letzte Chance. Vielleicht konnten sie den Trichter zum Zusammenbruch bringen und so den ringsum tobenden Gewalten entkommen.
Auf dem Holodom war das Zielobjekt verschwommen zu erkennen. Ein glatter Zylinder. Dahinter etwas, das wie natürlich gewachsen wirkte und an ein Korallenriff erinnerte. Es glitzerte in allen Regenbogenfarben, doch die Energielanzen der Thermo- und Impulsgeschütze zuckten kilometerweit an der Raumstation vorbei.
Nein!, schrie alles in Deccon. Das kann nicht sein!
Wie konnte Gruber danebenschießen? Auf diese Entfernung? Auf ein derart riesiges Ziel? Und trotz der Unterstützung durch SENECA, einer der fortschrittlichsten Künstlichen Intelligenzen, die je existiert hatten?
Die Protonen-Strahltriebwerke der SOL brüllten wie ein Rudel wütender Löwen. Ein abgenutzter Vergleich, aber es gab keinen besseren. Löwengebrüll erreichte Lautstärken bis zu 114 Dezibel und behauptete sich damit locker gegen eine Kettensäge. In diesen Sekunden peitschten Myriaden mit Hyperenergie angereicherte und auf 99,99 Prozent der Lichtgeschwindigkeit beschleunigte Wasserstoffkerne durch die Schubdüsen an der Südpolkalotte der SOL. Ohne die Andruckneutralisatoren wäre jedes Besatzungsmitglied von dieser ungeheuren Kraft auf der Stelle zu einer formlosen Masse zusammengequetscht worden. Dennoch stürzte die SOL weiterhin in die unergründlichen Tiefen des Aufrisstrichters.
Wieder der Schrei. Gedehnt. Gellend. Chart Deccon hatte nie zuvor etwas derart ... Fürchterliches gehört. Der Schweiß lief ihm in Strömen über Stirn und Wangen, fand seinen Weg am Hals entlang und den speckigen Nacken hinunter.
Dann begriff er. Das war kein Schrei. Das war kein Mensch. Das war ein bis zur Unkenntlichkeit verzerrter Alarmton. Und er signalisierte einen Vakuumeinbruch!
2.
Mentro Kosum
Es tat weh, obwohl er wusste, dass es nicht seine eigenen Schmerzen waren, die er fühlte. Es waren die Schmerzen der SOL, mit der er über die SERT-Technik verbunden war.
SERT. Simultane Emotio- und Reflex-Transmission. Was für eine beleidigend prosaische Bezeichnung für das, was seine Arbeit als Emotionaut ausmachte! Er war nicht der Pilot der SOL – er war das Raumschiff selbst. Niemand, der so etwas nicht schon mal persönlich erlebt hatte, konnte sich auch nur annähernd vorstellen, was das bedeutete.
Mentro Kosum spürte die Hitze der Schubdüsen in den Füßen, die Spannung der stählernen Wände, Decken und Böden auf der Haut, den Fluss der Energie durch die Milliarden Leitungen, die gewissermaßen den Blutkreislauf des Hantelraumschiffs bildeten, in seinen eigenen Venen und Arterien. Ja, die SOL war ein Organismus, ein lebendes Wesen mit einer Persönlichkeit. Außer ihm und Senco Ahrat, dem Piloten der FAIRY, der ebenfalls ein Emotionaut war, konnte das jedoch niemand sonst begreifen.
Das Pulsieren des Black-Hole-Protonenreaktors beschleunigte sich wie der Herzschlag eines Leistungssportlers auf dem Höhepunkt des Wettkampfs. Kosums Atem ging keuchend. Dass die in seinem SERT-Liegesessel integrierte Medopositronik, die seine Vitalfunktionen überwachte, Alarm gab, nahm er nur unterbewusst wahr. Ebenso wie die Maschinen der SOL arbeiteten auch die Organe seines Körpers auf Volllast. Vor allem sein Gehirn. Es kam nicht oft vor, dass er als Emotionaut an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit stieß. Diesmal war es so weit.
Die SOL kämpfte. Er kämpfte. Mit allem, was er hatte. Stemmte sich gegen den Sog des Hyperstrudels. Spürte dessen Ziehen und Zerren, die abstrakte Gier, mit der sich der energetische Moloch seine Beute einverleiben und sie für immer verschlingen wollte. Kosum wusste, dass er den monströsen Gewalten nicht mehr lange standhalten konnte, doch er gab nicht auf. Das Leben von viereinhalbtausend Besatzungsmitgliedern hing von ihm ab.
Der Strudel wirkte Furcht einflößend. Kosum sah ihn nicht nur durch die Augen der Ortungsgeräte; er hörte, fühlte und schmeckte ihn auch. Da war dieses unterschwellige Rascheln. Wie Wind, der in einen Haufen Herbstblätter fuhr und sie davonwehte. Da war diese Kühle, die Gänsehaut auf seinen Armen erzeugte und ihn frösteln ließ. Und da war dieser bittere, metallische, unangenehme Geschmack im Mund. Einen Moment lang hatte er das dringende Bedürfnis auszuspucken, tat es aber doch nicht.
Die SOL vibrierte. Synchron verkrampften sich seine Muskeln in Armen und Beinen. Sofort griff die Medopositronik ein und sandte über die Elektroden seines SERT-Anzugs exakt dosierte Impulse durch das betroffene Gewebe. Die Muskeln entspannten sich wieder, der Schmerz verschwand.
Ich schaffe es nicht, dachte Kosum. Er ließ die Triebwerke noch mal für zwanzig Sekunden mit Überlast feuern, legte alles in diese Aktion, was er noch hatte. Das winzige, künstliche Schwarze Loch im Zentrum der SOL-Südkugel schien sich ruckartig auszudehnen und erfüllte plötzlich Kosums gesamtes Denken. Die Dunkelheit, die es ausstrahlte, hatte nichts mit dem Schwarz des Weltraums oder einer sternenlosen Nacht auf einem Planeten zu tun. Es war die absolute Lichtlosigkeit, die perfekte Finsternis, die nicht nur die optische Wahrnehmung ausschaltete, sondern alle Sinne. Ein schreckliches Gefühl, das Kosum nicht lange ertrug.
Mit einem Schrei fuhr er von seinem Liegesessel hoch. Niemand schien ihn zu beachten. Nur die Medopositronik gab erneut Alarm.
»SENECA?« Kosum wischte sich mit dem rechten Ärmel seiner Kombination über das feuchte Gesicht. »SENECA? Kannst du mich hören?«
»Ich höre Sie, Mister Kosum«, drang die tiefe, angenehm temperierte Stimme des Bordrechners an seine Ohren. »Fühlen Sie sich nicht wohl?«
Was war das für eine seltsame Frage? SENECA wusste ganz genau, wie er sich fühlte. Die SOL drohte von den Kräften des Hyperstrudels zerrissen zu werden. Es war, als hätten mehrere Haluter den Emotionauten gepackt und zerrten an seinen Gliedern – in verschiedene Richtungen.
Kosum blickte sich um, konnte aber nicht viel erkennen. Die Zentrale war von einem seltsamen Nebel erfüllt. Er musste spontan an die hydroponischen Anlagen auf seiner Heimatwelt Cybora denken. Die dort kultivierten Pflanzen gediehen in einer künstlichen Atmosphäre, die mit bis zu hundert Prozent Feuchtigkeit gesättigt war. In der schwülen Hitze kondensierte der Wasserdampf zu winzigen Tröpfchen und hing wie Watte in der Luft. Während seiner Ausbildung zum Emotionauten hatte er es geliebt, durch jene weitläufigen Gärten und Felder zu spazieren und seinen Gedanken nachzuhängen.
Er ignorierte SENECA und konzentrierte sich wieder auf seine Aufgabe. Nebel in der Zentrale der SOL war ein Ding der Unmöglichkeit. Er hatte offenbar Halluzinationen. Das kam bei seiner Arbeit gar nicht so selten vor. Der Denkapparat eines Emotionauten war empfindlich und reagierte extrem sensibel auf eine ganze Reihe äußerer Stimuli.
Sofort waren die Schmerzen zurück, doch diesmal kam die Angst hinzu. Die SOL litt nicht nur – sie starb. Er wusste, dass das für Außenstehende überspannt klang, aber so war es nun mal. Selbstverständlich würde er nie so weit gehen und ein Raumschiff – selbst ein so hoch entwickeltes wie die SOL – als lebendes und denkendes Wesen betrachten. Aber sie war ebenso wenig nur ein Stück seelenlose Technik. Schließlich entstammte sie den Werkstätten der Posbis, und die positronisch-biologischen Roboter mit ihren Plasmakomponenten hatten die Sicht der Menschen auf Maschinen nachhaltig verändert.
Die Öffnung des Hyperstrudels war kaum noch zu erkennen. Zwar verloren Distanzen ihre Bedeutung, wenn es um höherdimensionale Räume und Strecken ging, doch es blieb die Tatsache, dass sie bereits viel zu tief in das Gebilde eingedrungen waren, um es aus eigener Kraft wieder verlassen zu können. Die Wände des Trichters rückten immer näher an die Außenhülle des Hantelraumschiffs, und wenn sie den Rumpf berührten, würde den Menschen an Bord auch der Schutzschirm nicht mehr helfen.
»SENECA!«, rief der Emotionaut erneut. »Wir müssen hier weg! Das hält die SOL nicht mehr lange durch!«
»Das weiß ich, Mister Kosum.« SENECA klang so ruhig und gelassen, als verlese er das Wochenprogramm des schiffseigenen Holokinos.
Der Emotionaut erinnerte sich an einen Trividbericht über die Künstliche Intelligenz in den Bordnachrichten. Darin hatte man Donna Stetson interviewt, die sich als eine Art Positronikpsychologin um den Zentralrechner der SOL kümmerte.
»Ja, SENECA hat Gefühle«, hörte Kosum ihre Stimme in seinen Gedanken. »Er kann sich ärgern, freuen oder ängstigen. Er empfindet Trauer, Überraschung oder Vergnügen. Allerdings unterscheiden sich diese Emotionen deutlich von jenen, die ein Mensch hat. Schon allein deshalb, weil sie auf gänzlich andere Weise entstehen und ihren Ursprung in hochkomplexen Programmroutinen und Verknüpfungen in einem neuronalen Netzwerk aus Hyperfeldern haben.«
Nun, falls sich SENECA um die SOL – und damit auch um seine eigene Existenz – sorgte, ließ die KI sich das jedenfalls nicht anmerken.
In diesem Moment überfiel ihn der Schmerz mit einer Intensität, wie Kosum ihn niemals zuvor gespürt hatte. Diesmal gab es keinen passenden Vergleich, keine treffende Analogie, die er bemühen konnte. Ein Blitz schlug ein – und spaltete seinen Leib in zwei Hälften.
Seine Haut ... die stählerne Außenhülle ... riss auf. Er ... die SOL ... kreischte in nackter Panik. Die Eiseskälte des Weltraums strömte in ihn hinein. Füllte ihn aus. Legte einen Panzer um ihn und jeden weiteren Gedanken. Im Hintergrund seines gefrierenden Bewusstseins heulte ein Alarm auf.
Vakuumeinbruch!
3.
Mai Tai Tanaka
Chart Deccon bewegte sich nur sehr langsam. Das tat er auch sonst ziemlich oft, doch diesmal starrte er sie zusätzlich aus aufgerissenen Augen an. Er hatte den Mund weit geöffnet und den rechten Arm wie zu einem flüchtigen Gruß erhoben. Seine unglaublich dicken Finger sahen aus wie Würmer, die sich eng aneinanderdrängten: weiße Würmer mit fetten, fleischigen Körpern.
Mai Tai Tanaka riss sich von diesem ebenso faszinierenden wie verstörenden Anblick los und fokussierte wieder auf die Hologramme ihrer Instrumente. Zumindest auf die, die ihr geblieben waren. Die meisten Anzeigen flackerten so heftig, dass sie sich nicht mehr ablesen ließen. Oder sie waren