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Zwei Bühnen Stücke - Eine Retropektive aus der BRD von 1950 - 1968: Die Färber - Die heilige Vase - Zwei Theatherstücke vervollständigen die Letztlingswerke des Schreibers
Zwei Bühnen Stücke - Eine Retropektive aus der BRD von 1950 - 1968: Die Färber - Die heilige Vase - Zwei Theatherstücke vervollständigen die Letztlingswerke des Schreibers
Zwei Bühnen Stücke - Eine Retropektive aus der BRD von 1950 - 1968: Die Färber - Die heilige Vase - Zwei Theatherstücke vervollständigen die Letztlingswerke des Schreibers
eBook305 Seiten3 Stunden

Zwei Bühnen Stücke - Eine Retropektive aus der BRD von 1950 - 1968: Die Färber - Die heilige Vase - Zwei Theatherstücke vervollständigen die Letztlingswerke des Schreibers

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Über dieses E-Book

Der Schreiber, Jahrgang 1937, präsentiert zwei Theaterstücke, die die Bundesrepublik in der Zeit von 1950 bis Ende der 60ziger Jahre aufs Korn nehmen.

"Die Färber", Bühnenstück in neun Bildern, in Anlehnung an Bertolt Brecht, karikiert an einer wiedergegründeten Färberei der Nachkriegszeit den Neuanfang. Westdeutschland auf dem Weg vom verbogenen Eisenträger mit Schuttbergen zum Wirtschaftswunder und der Wohlstandsgesellschaft.
Aus Sicht des Schreibers werden rein wirtschaftliche Interessen durch Parolen wie 'Frieden und Freiheit' und "keine Experimente' verschleiert. Ein gerechter, humaner Neuanfang verblutet auf dem Altar der sogenannten freien Marktwirtschaft, denn das Wichtigste werden die Aktienkurse der Börse.

"Die Heilige Vase", Bühnenstück in sechs Bildern, persifliert in tragikomischer Weise die Protestbewegung der Studenten der 60ziger Jahre. Der noch gewaltlose Versuch, saturierte Bürger einer Oase für eine neue sozialistische Werteordnung in sexueller Freizügigkeit zu überzeugen - scheitert im Ansatz.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum8. Aug. 2023
ISBN9783347998971
Zwei Bühnen Stücke - Eine Retropektive aus der BRD von 1950 - 1968: Die Färber - Die heilige Vase - Zwei Theatherstücke vervollständigen die Letztlingswerke des Schreibers
Autor

Heino Dölker

Zum Schreiber Heino Dölker, Jahrgang 1937, lebt seit vielen, vielen Jahren furchtlos am Fuße des Vulkans auf der Insel Stromboli. Als studierter Grafiker und Texter hat ihn auf seine alten Tage die Sorge gepackt, wir könnten unseren Blauen, auch Kartoffel der Idioten genannt, wegen Hirnlosigkeit und Profitdenken vollständig ruinieren. Nach "In Spottes Namen", einer Non-Fiction-Lyrik, folgt nun sein Band mit Kurzgeschichten aus dem Planschbecken der Menschheit: mal belle - mal triste. Die Erzählungen sollen nicht nur unterhalten, sondern auch ein Anstoß des Nachdenkens sein. Aus Scham, das Beispiel Greta vor Augen, würde er gerne alle Erwachsenen und Alten zum Aufruf bewegen: "Everyday for Future!" Doch bereits seine Katze miaut herbe Kritik, das sein Bestreben die Umwelt zu retten, Zeitverschwendung und sinnlos sei, angesichts der von alters her herrschenden Klassen von profitgierigen Sesselfurzern, religiösen Geisterfahrern und politischen Salbadern. Sie empfiehlt ihm, lieber wieder zum Angeln aufs Meer zu fahren, um einen der letzten Fische zu fangen. Er hat jedoch, mit Altersstarrsinn, die erhobene Pfote seiner Katz ignoriert und beschreibt in neun Geschichten individuelle Begebenheiten sowie nicht alltägliches Verhalten. Der Leser soll, durch seine eigene Stellungnahme, angeregt werden, tradierte Werte zu analysieren und dadurch den devoten Ja-Sager überwinden. Um noch vor dem Point of no Return, als Alternative, verifizierte, wissenschaftliche Ergebnisse zu akzeptieren. Ein weiteres Letztlingswerk, zwei Theaterstücke, folgt jetzt zum Abschluss. "Die Färber" Bühnenstück in neun Bildern, in Anlehnung an Bertolt Brecht, karikiert den Aufstieg Westdeutschlands von Schuttbergen zum Wirtschaftswunder. "Die Heilige Vase", Bühnenstück in sechs Bildern, persifliert in tragikomischer Weise die Protestbewegung der Studenten der 60ziger Jahre, die bereits im Ansatz scheitert.

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    Buchvorschau

    Zwei Bühnen Stücke - Eine Retropektive aus der BRD von 1950 - 1968 - Heino Dölker

    Die Färber

    Personen

    TÄNZER und Spielleiter

    VATER, Färber und Konzernbesitzer

    JAT, sein erster Sohn

    FRITZ, sein zweiter Sohn

    PATER

    STRAMM, Mitarbeiter

    SCHLAU, Mitarbeiter

    SCHÖN, Mitarbeiter

    SAMY, Schachspieler

    IWANOW, Schachspieler

    STERNCHEN, Geliebte des Vaters

    PATRIZIA, Geliebte von Fritz

    NAMENLOSE, Bekannte von Jat

    MUTTER

    SOLDAT, Sohn der Mutter

    GEFREITER

    UNBEKANNTER, vom Tänzer dargestellt

    ANKLÄGER, vom Tänzer dargestellt

    VERTEIDIGER, vom Tänzer dargestellt

    RICHTERPUPPE, vom Tänzer dargestellt

    FRAU, STRAMM

    FRAU, SCHLAU

    EIN RICHTER

    EINE SÄNGERIN

    HOHER POLIZEIBEAMTER

    VORSITZENDE DES VEREINS MORALIA

    EINE TÄNZERIN

    EIN INDUSTRIELLER

    EIN POLITIKER

    EIN GENERAL

    EINE SCHWESTER

    Weiter Nebenrollen: Trümmerweiber, Arbeiter und Arbeiterinnen, Industrieelle, Damen vom Ballett, Politiker und Volk.

    Erstes Bild

    Background: Eine total vom Krieg verwüstete Stadt. Einzelne aufragende Trümmerteile.

    Die Personen auf der Bühne sind erstarrt. VATER, Papierblätter in der Hand haltend, ist stehend auf einer großen Kiste postiert, auf der das Wort CARE in Schablonenbuchstaben klar zu lesen ist. Nach seiner Pose geurteilt, bereitet er eine Rede vor. Alle übrigen Personen: PATER, FRITZ, JAT, STRENCHEN, PATRZIA, STRAMM, SCHLAU, SCHÖN und die Trümmerfrauen sind als Zuhörer gruppiert. Schutthalden und Schuttberge türmen sich auf der Bühne. Einige der Zuhörer sind hinaufgeklettert oder hocken auf denselben. Rechts vom Vater ein bizarrer verbogener Eisenträger, an dem der Pater lehnt. Vor dem Vater steht ein aus Ziegelsteinen frischgemauerter Sockel, auf dem ein Hammer liegt. Einige der Zuhörer stützen sich auf Schaufeln. Arbeitsgeräte, Spitzhacken usw. sind in die Schuttberge gestoßen. Alle Personen tragen die entsprechenden Masken zum Bild.

    Der Tänzer, mit einem enganliegenden Kostüm, das mit sparsamen Reminiszenzen an den Harlekin der Commedia dell‘Arte erinnert, (siehe auch Anweisungen zur Regie.), mit einem geschminkten Gesicht, großen Augen und einem roten Mund, liest in einem Schnellordner. Er leiert mit monotoner Stimme vom Rang aus, im Rücken der Zuschauer, langsam schneller werdend …

    Tänzer: Es fluchten die Rückkehrer.

    Sie hatten Glauben und Beine verloren.

    Es flohen die Schachter und Henker.

    Sie versteckten ihre blutigen Hände.

    Es greinten die Trümmerfrauen.

    Sie hatten ihre Kinder geopfert.

    Es klagten die Marktweiber.

    Sie feilschten um Kartoffelschalen.

    Es prassten die Schwarzhändler.

    Sie machten dunkle Tauschgeschäfte.

    Es darbten die Bettler.

    Sie fraßen ihren Hund gebraten.

    Es robbten die Maden.

    Sie waren fett wie ein Kirchenschiff.

    Es surrten die Eintagsfliegen.

    Sie schissen nur eine Stunde.

    Es kreißten die Witwen.

    Sie gebaren eine neue Generation.

    Es blinkte ein Silberstreif,

    Der um die Schuttberge buhlte.

    An dem verbogenen Eisenträger

    Schworen die Deutschen: Nie wieder!

    Was wurde daraus? –

    Die Rückkehrer tragen Prothesen.

    Die Schlachter wetzen die Messer.

    Die Trümmerfrauen tanzen Vergessen.

    Die Marktweiber schachern Moral.

    Die Schwarzhändler tragen eine weiße Weste.

    Die Bettler streicheln einen Rassehund.

    Die Maden geifern vor Appetit.

    Die Eintagsfliege schmarotzt vier Wochen.

    Die Witwen säugen neuen Nachwuchs.

    Der Silberstreif ist ein kostbares Armband.

    Die Schreie verstummten im Gulaschtopf.

    Chewinggum-Kauer verkauften uns

    Einen neuen Way of Life …

    Ist das der neue Anfang? –

    Nach einer kurzen Pause erwachen die Personen auf der Bühne.

    Vater: Mit rasanter Schnelligkeit treiben wir nun den Anfang voran. Heute legen wir den Grundstein. Wenn wir auch noch in unserer Handlungsfreiheit beschränkt sind, so hüpft mir doch vor Freude beim Anblick von Mörtel und Kelle das Herz. Das Fundament Deutet auf den Grundstein. wird heute gelegt … Der Tänzer kommt durch den Zuschauerraum. Noch in der Mitte …

    Tänzer: Eccomi! Halt, halt! Er klettert auf die Bühne. Ich bin aus der Verbannung wieder auferstanden und bin heimgekehrt. Ich habe mich neu definiert! Seid nicht so voreilig. Zuerst muss ich die Besucher im Saal unterrichten und die Hauptfiguren vorstellen. Er blättert in seinem Schnellordner. Zum Publikum: Da wäre zunächst das Datum, an dem dieses Stück beginnt. So bald danach, an einem Tage X. Der Ort ist hier. Die Handlung wurde stellenweise mit einem alten Bajonett passend gehauen. Entstehende Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig. Zu den Schauspielerfiguren kann ich euch mehr erzählen. Da ist zunächst unser Vater! Wir nennen ihn hier so. Er trägt immer eine Rose im Knopfloch, wenn eine verfügbar ist.

    Vater steigt während der Vorstellung von seiner Kiste herunter. Er tritt bis zur Rampe vor, setzt seine Maske kurz ab und verbeugt sich vor dem Publikum. Gegenüber den anderen ist er beinahe vornehm und akkurat gekleidet. Während der Tänzer über ihn berichtet, bleibt er in einiger Entfernung neben ihm stehen. Erst nachdem der Tänzer sich einer anderen Figur zuwendet, klettert er wieder zurück auf seine Kiste. Das Vorstellen mit Abnehmen der Maske wiederholt sich bei den anderen.

    Tänzer: Wer liebt ihn nicht! Er ist von Beruf Färber. Seine Lieblingsfarbe ist Schwarz. Als die Lage damals für ihn brenzlig wurde, verkroch er sich in die innere Immigration, weil sie ihn nicht mehr an seinen Bottich ließen, um zu färben. Insgeheim hat er angeblich gegen das herrschende Unrechtsregime agitiert und getrickst. Denn seine Berufung ist Färben, aber nur in seiner Farbe. Er ist nicht mitmarschiert und hat sich durch seine Schlauheit und täuschende Mimikry durch die Ära durchgewurstelt. D.h., er ist in der Versenkung verschwunden. Auf dem Trümmerhaufen ist er wieder auferstanden wie Phönix aus der Asche. Jetzt ist er hier am Werk, in seiner zerstörten Färberei. Wir werden ihn beobachten. Urteilt nicht zu voreilig, zu gnadenlos über ihn. Ich versichere euch, er ist ein sorgender Vater trotz seines fortgeschrittenen Alters. Er schuftet nur für seine Söhne, und er hat große Zweifel, ob sie ihn mit ihren Fähigkeiten ersetzen könnten. Er hat zwei davon. Fritz, der jüngere, für den er selbst den Namen auswählte. Fritz trete vor und unterrichte das Publikum. Er trägt eine Maske, die einen verbitterten, zynischen Ausdruck vermittelt. Seine Kleidung ist stark abgetragen, doch man spürt noch ihre frühere Eleganz.

    Fritz: Mein Streben nach Orden war nur schwach entwickelt und der Kommiss lockte mich nicht. Außerdem bin ich von Natur aus skeptisch. Bevor es richtig losging, machte ich eine Geschäftsreise in die Schweiz. Dort war ich als Waffenverkäufer für das Ausland tätig. Der Job gefiel mir. Da bin ich gleich dortgeblieben.

    Tänzer: Danach hat auch er wieder heimgefunden. Ganz anders erging es Jat. Eigentlich heißt er John Tom. Wird aber Jat genannt. Diesen Namen wählte seine Mutter für ihn aus. Gott hab sie selig. Sie hatte anglophile Allüren, die ihm seinen Namen einbrockten, mit dem es immer Schwierigkeiten gab. Jat trägt eine jünglinghafte Maske mit verklärtem Lächeln, die ihn naiv aussehen lässt. Der Tänzer deutet auf Jat: Er ist ein Glückskind. Im Krieg avancierte er bis zum Oberleutnant. Doch wegen seines Namens gab es ernstliche Bedenken. Er klang vielen zu international. Davor in der Schule war er vorbildlich fleißig. Allerdings etwas einseitig. So wuchs er überzeugt auf und wurde ein vorbildlicher Anhänger. Während der Feldzüge hatte er keine Zeit zum Nachdenken. Das hatte er erst in der Gefangenschaft. Bitte keine Anklagen. Glück im Glück beschützte ihn. Nur ganz wenige entkamen von seinem Jahrgang. Heute behindert ihn noch ein Lungensteckschuss. Seit seiner Rückkehr sucht er Gerechtigkeit. Er durchschaut die Welt und hat vermutlich Recht mit seinen Folgerungen. Irrt aber trotzdem. Selbst der Pater konnte ihm keine Nachhilfestunden mehr erteilen.

    Tänzer zum Pater gewandt mit väterlicher Stimme: Tritt vor meinen Sohn. Betrachtet ihn euch. Ist er nicht ein liebes Kerlchen? Pater löst sich vom Eisenträger. Er trägt eine streng düstere, lehrmeisterlich blickende Maske. Sein Talar ist auffallend sauber und neu. Er ist ein Christ und sollte handeln wie ein Kommunist. Nein, nein, er ist keiner von den Verkappten! – Vom Antagonismus des Reformatorischen und Katholischen, von der Inquisition, vom Schweigen des Papstes, warum Konzile nachgeben, vom Staat im Staat, von der Verfolgung Brüder anderen Glaubens, von Gottes eschatologischem Endsieg … Er tut so, als wisse er nichts davon! Er spielt den guten Menschen. Das ist ihm genug! Wenn er manchmal gegen den Verstand plädiert – verzeiht ihm. Er meint es nicht so! Er hat einen gesunden Willen zum Überleben. Wird es einmal gefährlich, so verkriecht oder versteckt er sich und antwortet so, wie es gewünscht wird. Er ist auch ein guter Geschäftsmann, der sogar am Konkurs verdient. Seht ihn euch an! Er repräsentiert die Erfahrung von Jahrtausenden. Zum Pater gewandt: Er hat schon des Öfteren Krisen überlebt. – Darum versteht er sich prächtig mit dem Vorarbeiter Stramm, wie ihr bald bemerken werdet. Stramm trägt eine Maske mit einfältigem, aufgedunsenem Gesicht. Über den Vorarbeiter muss ich wenig ergänzen. Er trägt es selber vor.

    Stramm: Bevor ich mich zum Aufpasser qualifizierte, war ich Messdiener und später Standartenführer. Ich ererbte einen langen Mantel. Es wäre eine Revolution, wenn ein solcher Mantel gegen den Wind flattern würde. Ich bin nicht feige, wenn ich JAWOHL antworte, wo es erwünscht wird. Ihr könnt es vorausahnen: Eines zukünftigen Tages werde ich wieder befehlen. So oder so.

    Tänzer: Er ist schon zu etwas Nutze und ein ganzer Kerl, unser Stramm. – Ganz anders dagegen ist unser Schlau! Seine Maske ist lachend, jubelnd. Man warf ihn nicht ganz freiwillig einst hinaus, aber ist dennoch wieder zurückgepilgert. Leider hat er nur gesessen und polemisiert, polemisiert und gesessen. Er ist zurückgekommen mit leeren Händen und einem gedankenvollen Kopf. Er profitiert nicht von seinen Erfahrungen. Jedenfalls bis jetzt noch nicht. Darum ist er im Arbeiterstand verharrt.

    Tänzer: Unser Schön ist ein gerissenes Bürschchen. Seine Maske drückt Herrschsucht aus. Markante aristokratische Züge. Zwar hat er im Augenblick nicht mehr als ein paar Orden, die er sich für weiß Gott, wofür und wo verdient hat. Noch in der Schublade versteht sich. – Zwischen Wasser und Feuer wartet immer ein Plätzchen. Jeder Feuerwehrmann riecht es gerne, wenn es brennt. Und welcher Bandstifter freut sich nicht über den Klang des Feuerhorns. Ich baue auf ihn!

    Tänzer: Hochverehrtes Publikum! Verzeiht mir bitte die Taktlosigkeit, dass ich euch die weiblichen Personen zuletzt vorstelle. Zunächst begrüßen wir Mitbürgerin Patrizia. Patrizia tritt vor. Ihre Maske karikiert den biederen, rotwangigen Kochtopftyp. Sie hegte Misstrauen gegen das braune Regime. War sogar, weil noch ein Kind, eine Querulantin. Dadurch bewahrte sie sich ihre Unschuld. Aber in die Zukunft setzt sie ein grenzenloses Vertrauen. Wie viele jungen Mädchen verspürt sie den Drang zum Hö-he-ren.

    Tänzer: Sternchen wirkt unbeschreiblich. Wir müssen sie einfach bewundern. Ihre Maske: Ein lächelndes, ein wenig auffällig geschminktes Filmstargesicht mit wasserstoffblondem, schulterlangem, glattem Haar. Sie trägt ein bescheidenes Kleidchen mit einem noch nicht unanständig wirkenden Ausschnitt. Schleifchen und andere modische Zugaben verraten einen individuellen Geschmack. Noch vor ein paar Monaten war ihre kümmerliche Habe nur ein zu kurz gewordenes Hemd. Schaut ruhig hin! Ihr werdet sie auch im Weiteren kaum wiedererkennen. – Dann haben wir hier noch einen weiteren tragischen Fall. Niemand kennt ihren Namen, darum die Namenlose. Ihre Maske besteht aus einer grauen Fläche, in die Löcher für Augen und Mund geschnitten sind. Sie stellt sich selber vor.

    Namenlose: Meine Angehörigen sind verschollen. Ich bin übriggeblieben. Keiner weiß, woher ich flüchtete. Ich bin eine Erscheinung. Ich erscheine, sie haben mich betrogen und vergewaltigt von Kopf bis Fuß. Das Ekelhafte: Ich habe es erleiden müssen und noch nicht vergessen. Jetzt suche ich. Nicht meine verlorene Jugend. Diesen Diebstahl überwand ich. Nein, ich dürste jetzt nach Wahrheit! Leider wurde ich ohne die entsprechende Erziehung keine Heldin. Ich werde euch darin enttäuschen. Ich laufe keinem Phantom nach und zerfleische mir nicht die Brust. Tragik liegt mir nicht. Erwartet keine Elektra von mir.

    Tänzer: Das ist unsere Mutter. Diese heutige Trümmerfrau trommelten sie zur Witwe. Mutter tritt aus der Gruppe der Trümmerfrauen heraus. Der Ausdruck ihrer Maske ist von Leid zerfurcht mit Tränen. Sie erweckt einen bejammernswerten, niedergeschlagenen Eindruck. Vier Söhne trug sie aus und war eine redliche Mutter. Aber das war zu wenig! Heute verwöhnt sie nur noch den Benjamin. Der war zu jung mit seinen sechs Jahren für den Krieg. Die anderen sind futsch. Wenn ich meine Pfeife rauche, empfinde ich sporadisch Mitleid. Begnadet sind vereinzelte Leute in dieser Zeit danach, sie sind bevorzugt, denn sie können sich mit Gräberpflege die Zeit vertreiben. Aber diese arme Frau hat Pech. Die Gräber liegen bis zu zweitausend Kilometer entfernt und viertausend Kilometer auseinander. Mutter geht zurück in die Gruppe der anderen Trümmerfrauen. – Ferner wirken mit Samy und Iwanow, ein Soldat, ein Gefreiter, ein Industrieller sowie die Trümmerweiber, Arbeiterinnen und Arbeiter und noch ein paar Nebenfiguren. Die Rollen eines Unbekannten, des Anklägers, des Verteidigers und des Richters übernehme und gestalte ich selber. – Wertes Publikum, habt keine Angst vor den Akteuren, es sind allesamt Schauspieler. Tänzer kneift den Vater.

    Vater: Aua!

    Tänzer: Seht ihr! – Jetzt weiterspielen. Er tritt ab.

    Vater: Es geht vorwärts. Das Davor und Danach haben wir überstanden. Schmerzlich für mich, man entriss uns fast die Hälfte unseres früheren Betriebsgeländes. Wir sind zufrieden, wenigstens wieder anfangen zu dürfen. Wirtschaftlich ist unser Aufstieg programmiert. Unsere persönlichen Rechte sind zum Teil geschützt. Ein Vorteil gegenüber von damals. Kein Schnüffler guckt uns permanent in unsere privaten Karten. Unsere privilegierten Betriebsrechte und unsere persönliche Freiheit scheinen garantiert. Unmengen erwarten wir noch. Wir wollen uns freuen, dass wir schon wieder Farben in unseren Bottichen schwenken. Ich bin also nicht zufällig hier.

    Stramm: Das begrüßen wir.

    Schlau: Hört. Hört!

    Vater: Die logische Konsequenz, die Entwicklung und das politische Durcheinander zwangen mich, hier an meinem Geburtsort wieder aufzubauen. Dabei stehen die privaten Interessen weit im Hintergrund. Euch muss an erster Stelle geholfen werden. So egoistisch plant kein Mann mit Herz. Wie wollen wir unseren zukünftigen Betrieb aufbauen? Sie entschieden sich mit überwältigender Mehrheit gegen die Planwirtschaft und vertrauen der sozialen Marktwirtschaft. Da wählten sie recht! – Denen, die da von geplanter, sozialer Marktwirtschaft faseln, will ich hier gleich ein paar passende Worte zurufen: Das ist ein Hirngespinst! So etwas hat es noch nie gegeben! Und was es noch nicht gegeben hat – gibt es auch nicht in Zukunft!

    Stramm: Bravo und jawohl!

    Vater: Ich bin für Demokratie und ihr ebenfalls. Wer die freien Wahlen verliert, der muss nachgeben. Was sollen unsere Kinder von uns denken. Sicher werden wir uns in Koalitionen zusammenraufen. Warum nicht? Auf keinen Fall mit allen. Wir brauchen eine Opposition, wie groß oder klein sie auch immer sei; denn, wenn wir alle einer Meinung wären, hätten wir keine Demokratie. Damit alles seinen rechten Weg rollt, spielt der Bürger den Schiedsrichter. Außerdem existiert immer eine Opposition, doch eine legale kann ich besser kontrollieren.

    Schlau: Hört, hört!

    Vater: Meine Söhne sind meine Stellvertreter. Wenn manch einer fragt: Warum zwei? Denn aller Anfang ist schwer. Zusätzlich täuscht es Gewissenhaftigkeit vor. Dass sie fleißig arbeiten, dafür sorge ich. Wir wirken immer Hand in Hand.

    Schön: Uns obliegt die Kontrolle. Wir passen auf, dass alles mit rechten Dingen zugeht.

    Vater: So ungern ich es auch verkünde, am Anfang werde ich mich obendrein um die außerbetrieblichen Belange und Angelegenheiten kümmern müssen. Wir kommen dann schneller vorwärts. Durch die schicksalsgünstigen Gegebenheiten sind wir enger als jemals zuvor mit dem Ausland verbunden. In allen unseren Werkstätten wird gleiches Recht herrschen. Diese Schweinereien von damals sind allemal vorbei!

    Schlau: Bravo und hört, hört!

    Vater: Wir suchen Klarheit, Sicherheit und einheitliches Recht! Wir werden in die Hände spucken müssen und hart zupacken. Jeder von uns! Ob es ihm passt oder nicht. Wir gründen ein soziales Unternehmen.

    Stramm: Ich sage Jawohl.

    Schlau: An uns soll es nicht scheitern.

    Schön: Eine Hand wäscht die andere.

    Vater: Darum jedem Angehörigen eine Wohnung! Sobald es möglich wird. Unsere Betriebspolitik ist festgeschrieben. Das bedeutet keinesfalls Doktrinarismus, ewig. Wie sich die Verhältnisse ändern, werden wir uns anpassen. Strukturpolitik von damals – ade! Keine ungerechte, prozentuale Ausschüttung; eine Hand, die verteilt, hundert Hände, die arbeiten. Wir fördern die Fachkraft. Mein Betrieb war in der Vergangenheit gesund und einflussreich und wird es wieder werden. Durch anwendbare Wissenschaft. Darum Forschung! Wir müssen konkurrenzfähig werden, uns durchsetzen. Nicht hintanstehen. Produktion und Handel! Wenn die anderen das Pfund abwerten, ziehen wir nach; obwohl wir noch gar nicht jonglieren wollten. – Kein Grund zur Beunruhigung. Löhne und Preise ändern sich nur geringfügig. Soziales Unrecht und Spekulation sind verbannt.

    Schlau: Ich werde es überwachen und kontrollieren.

    Vater: Ich frage euch, wo ist mein ehemaliges Handwerkzeug verblieben? Danach ist es teilweise abtransportiert worden. Wir können nur hoffen, dass der verbliebene Rest keinen

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