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Drei Fälle für Konrad Clasen: 3 Thriller
Drei Fälle für Konrad Clasen: 3 Thriller
Drei Fälle für Konrad Clasen: 3 Thriller
eBook384 Seiten4 Stunden

Drei Fälle für Konrad Clasen: 3 Thriller

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Über dieses E-Book

Dieser Band enthält folgende Romane:
(399)


Mord und Sabotage (W.A.Hary)

Der eiskalte Tod (W.A.Hary)

Ein Killer kommt selten Allein (W.A.Hary)





Die russische Tokarew war bildschön, aber in der verkehrten Hand, nämlich in der eines Mörders. Ihre Mündung deutete genau auf Konrad Clasens Bauchnabel. Eine Stelle, die ihm gar nicht passte.

Der Mörder grinste anzüglich. In seinen Augen schien es zu blitzen, wie sonst nur bei schlechtem Wetter.

Auch Konrad Clasen grinste. Es war der reinste Galgenhumor. Der Vergleich mit dem Wetter gefiel ihm so gut. Vor allem deshalb, weil die dunkel drohenden Wolken scheinbar direkt über seinem Haupt schwebten.

Die Waffe schwenkte ganz langsam nach oben. Das Ziel kroch auf Konrads Herzgegend zu.

Herrschaftszeiten, der Typ steht zu weit entfernt, um ihn anzuspringen, und ich bin zu nahe, um rechtzeitig Deckung finden zu können. Mit anderen Worten: Mein Leben ist keinen Pfifferling mehr wert.

Der Typ grinste stärker. Dann krümmte sich sein Zeigefinger um den Abzug.

Konrad Clasen schwitzte Blut und Wasser. Seine Augen brannten. Sein Blick fraß sich an diesem Zeigefinger fest, der ihm den Tod bringen wollte.

Druckpunkt war erreicht. Der Zeigefinger kannte keine Gnade. Er krümmte sich weiter.
SpracheDeutsch
HerausgeberCassiopeiaPress
Erscheinungsdatum11. Okt. 2023
ISBN9783753211077
Drei Fälle für Konrad Clasen: 3 Thriller

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    Buchvorschau

    Drei Fälle für Konrad Clasen - W. A. Hary

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

    Alfred Bekker

    © Roman by Author

    © dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

    Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

    Alle Rechte vorbehalten.

    www.AlfredBekker.de

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    Alles rund um Belletristik!

    Mord und Sabotage

    W. A. Hary

    „Alarm im Atomkraftwerk: Der Super-G.A.U. droht!"

    Die neue Generation von Atomkraftwerken soll alle anderen ersetzen. Endlich ist diese Art garantiert sauber und völlig ungefährlich. Bis zur Sabotage und dem eingeleiteten Super-G.A.U., den größtmöglichen Ernstfall. Und was hat der Mord an der Ehefrau des technischen Leiters damit zu tun?

    Vielleicht kann einer das Allerschlimmste noch verhindern: Agent KC9? Falls man ihn rechtzeitig findet…

    Mord!

    Dieter Kreuch erstarrte vor Entsetzen. Halb hatte er schon den Mantel ausgezogen, als sein Blick auf die Regungslose gefallen war.

    Jemand hatte seine Frau ermordet!

    Sie lag auf dem Rücken, und ihre gebrochenen Augen starrten wie anklagend in seine Richtung. Ihr Hals zeigte Würgemale. Ihre Finger hatten sich in den Teppichboden direkt hinter dem Eingang zum Wohnzimmer verkrallt.

    „Nein!", murmelte Dieter Kreuch mit brüchiger Stimme.

    Er schaffte es endlich, den Blick von der Leiche zu lösen. Das Wohnzimmer zeigte Spuren eines Kampfes. Die Stehlampe war umgeworfen, zwei Sessel umgekippt und über den Boden hatte sich eine alkoholische Flüssigkeit ergossen. Das Glas, in dem sich die Flüssigkeit befunden hatte, bestand nur noch aus Scherben.

    Der Mantel rutschte von seinen Schultern und fiel achtlos auf die Keramikfliesen im Flur.

    In diesem Augenblick schrillte das Telefon.

    Dieter Kreuchs Blick wurde gehetzt. Er jumpte über den Leichnam hinweg und rannte zum Telefon. Gerade wollte er den Hörer von der Gabel reißen, als seine Hand mitten in der Bewegung stoppte.

    Wer war das überhaupt? Polizei, ein Freund oder...?

    Das Schrillen verstummte. Gleichzeitig sprach die Türglocke an.

    Dieter Kreuch taumelte bis zur Mitte des Wohnzimmers und ballte die Hände zu Fäusten.

    Mein Gott, man wird mir nicht glauben. Jeder weiß, dass meine Ehe nicht mehr funktioniert. Und ich muss an meine Karriere als technischer Leiter des Atomkraftwerks denken.

    Seine Gedanken wirbelten im Kreise.

    Ich komme soeben aus Frankfurt, von einer wichtigen Besprechung. Unterwegs fuhr ich wie der Teufel, weil ich rechtzeitig meinen Dienst im Kraftwerk antreten muss. Dabei gewann ich genügend Zeit, hier noch vorbeizufahren, um ein paar Akten abzuholen.

    Ich werde auf die Akten verzichten und schleunigst verschwinden. Dann wird kein Verdacht aufkommen.

    Wann ist Karin eigentlich gestorben? Sieht aus, als wäre es eben erst geschehen.

    Der Mantel!

    Noch immer läutete es an der Tür Sturm. Dieter Kreuch rannte in die Diele, nahm den Mantel auf und kehrte ins Wohnzimmer zurück.

    Die Wohnung lag im ersten Stockwerk. Die Balkontür stand weit offen. Der Wind wehte herein und bauschte die Gardinen.

    Dieter Kreuch durfte keine Sekunde verlieren. Vom Balkon aus warf er einen Blick nach unten auf den trockenen Rasen.

    Er war nicht besonders sportlich, aber den Sprung konnte er gewiss überstehen, ohne sich sämtliche Knochen dabei zu brechen.

    Dieter Kreuch überlegte nicht mehr länger, ließ Leichnam und nervenzerreißendes Klingeln der Türglocke zurück und flankte über das Geländer.

    Mit dem Mantel in der Hand landete er unten.

    Es war schlimmer als erwartet. Der Aufprall warf Kreuch um.

    Er rappelte sich verzweifelt wieder auf. Gottlob, er hatte sich nicht verletzt.

    Mit keuchendem Atem sicherte er nach allen Seiten.

    Schritte, die auf die Hausecke zukamen. Jeden Augenblick konnte der Unbekannte auftauchen und Dieter Kreuch sehen. Er würde sich wundern, wieso der Ehemann von Karin Kreuch diesen ungewöhnlichen Weg benutzte, um die gemeinsame Wohnung zu verlassen.

    Dieter Kreuch hetzte zur Buschreihe. Der Unbekannte näherte sich von der Vorderseite. War es der Mann, der die ganze Zeit über geklingelt hatte?

    Da war er!

    Kreuch sah nur einen Schatten, mehr nicht. Schon befand er sich zwischen den Büschen in Deckung. Weiterlaufen, nur nicht umsehen, zu den Garagen und zum Auto, das dort geparkt stand. Und dann nichts wie weg!

    Es hämmerte in Kreuchs Schläfen.

    Die haben Karin ermordet. Aber wer und warum?

    Um mich hereinzulegen?

    Irgendein verschmähter Liebhaber?

    Karin war reich an Verehrern gewesen, und jetzt ist sie tot, und man wird mir alles in die Schuhe schieben. Ein Skandal, der nicht nur mir, sondern dem ganzen Projekt schadet. Deshalb darf der Verdacht gegen mich schon gar nicht aufkommen.

    Hatte ihn der Unbekannte doch noch gesehen?

    Dieter Kreuch erreichte seinen Wagen und warf sich hinter das Steuer. Vor seinen Augen tanzten farbige Ringe, und tausend Nadeln stachen in seine Lunge.

    In fliegender Hast startete er den Motor und bog mit kreischenden Pneus aus. Erster Gang, Gas! Der schwere Mercedes machte einen Satz nach vorn und jagte auf die Straße.

    Dieter Kreuch fuhr wie von Furien gehetzt.

    Hinter sich wusste er das Grauen, und er hatte das Gefühl, dass es direkt in seinem Nacken hockte.

    *

    Konrad Clasen ahnte von diesen Vorgängen nichts. Er wohnte in Saarbrücken, einige hundert Kilometer vom Ort des Geschehens entfernt. Missmutig und viel zu spät stand er auf - wie meistens. Auf die Uhr wagte er schon gar nicht mehr zu blicken.

    Er dachte an einen der Sprüche seines Freundes Peter Bell. In einem solchen Zusammenhang hätte er gewiss zitiert:

    „Morgenstund hat Gold im Mund - doch Silber im Ohr zieht den Mittag vor."

    Konrad Clasen schnalzte mit der Zunge und schwankte ins Bad. Erst als er den Wasserstrahl der Dusche von heiß auf Wechseltemperatur stellte, erwachten seine Lebensgeister.

    Konrad Clasen war noch nie ein Frühaufsteher gewesen. Ein Mann, normalerweise voller Energie, Temperament und Tatendrang - außer am frühen Morgen.

    Als er das Bad verließ, ging es ihm besser. Routiniert und ohne Hast bereitete er sich das späte Frühstück. Doch kaum saß er am Tisch, klingelte das Telefon. Gerade hatte er sich den ersten Bissen zwischen die Zähne schieben wollen.

    Das mochte Konrad Clasen ganz und gar nicht. Er überlegte, ob er abnehmen sollte. Aber dann fiel ihm ein, dass er zurzeit ohne Job war und er die Hoffnung nicht hatte aufgeben wollen.

    Seufzend erhob er sich. Vielleicht eine Chance? Ein Jammer, würde er sie schießen lassen.

    Er nahm den Hörer von der Gabel und meldete sich.

    „Sind Sie allein, Herr Clasen?"

    Konrad runzelte die Stirn.

    „Natürlich, aber was soll diese Frage?"

    „Sie sind Konrad Clasen, zurzeit ohne Beschäftigung, nachdem Sie die mit Ihrem Freund Peter Bell gemeinsam unterhaltene Detektei wieder aufgegeben haben, und ich bin Dr. Steinbach und wünsche Sie zu sprechen. Wie gefällt Ihnen das?"

    Das war ihm noch nie passiert.

    „Überhaupt nicht!", antwortete er wahrheitsgemäß.

    „Warten Sie's ab, Herr Clasen. Wir werden uns noch unter vier Augen unterhalten. Das wird Sie interessieren. Möglicherweise habe ich die Lösung all ihrer Probleme parat? Stellen Sie sich vor, es wäre Weihnachten und..."

    „Dann sind Sie wohl der Weihnachtsmann, nicht wahr? Genauso hört es sich an."

    Dr. Steinbach lachte amüsiert.

    „Das ist Clasen wie er leibt und lebt. So und nicht anders habe ich Sie mir vorgestellt. Hm, ich weiß, dass es Ihnen momentan nicht besonders gut geht. Das Leben ist teuer - vor allem, wenn man kein Geld verdient."

    „Sie haben vollkommen recht, Doktor, und deshalb halten Sie mich nicht länger auf. Es ist zwar nett, dass Sie mich ein wenig unterhalten wollen, aber ich habe einen Fernseher und habe Radio. Das Angebot gefällt mir besser."

    Konrad Clasen wollte schon wieder auflegen, aber Dr. Steinbach rief erschrocken:

    „Moment, Herr Clasen, ich habe einen Job für Sie."

    „Und wer wird mein Chef? Sie etwa? Nein, danke!"

    „Kommen Sie erst zu mir und hören Sie sich alles an. Allein für das Vorstellungsgespräch bekommen Sie fünftausend bar auf die Hand."

    „Auch wenn Sie das Angebot erhöhen, Doktor, ich bin weder lebensmüde, noch will ich oben auf dem Lerchesflur landen. Gesiebte Luft war noch nie mein Fall."

    „Und wenn ich Ihnen verspreche, dass wir nicht gegen die Gesetze verstoßen?"

    „Wann soll ich kommen?"

    „Sofort, Herr Clasen."

    „Wäre nett, wenn Sie mir den Weg beschreiben würden."

    „Sie werden in diesem Augenblick abgeholt, Herr Clasen. Bis nachher!"

    Es knackte in der Leitung.

    Konrad betrachtete den Hörer in seiner Hand wie einen bösen Feind.

    Komischer Kauz!, dachte er ärgerlich. Scheint sich gut über mich informiert zu haben. Was will der Bursche wirklich von mir?

    Er ging ein paar Schritte auf und ab.

    Dr. Steinbach? Nie gehört.

    Die Türglocke sprach an. Konrad Clasen blieb stehen und schielte nach seinem verspäteten Frühstück. Der Magen knurrte zwar, aber das half wenig. Besser, wenn er den Abholer nicht zu lange warten ließ.

    Ein Job also. Mehr als mysteriös. Normalerweise wäre Konrad Clasen niemals der Einladung gefolgt, aber er war von Natur aus sehr neugierig. Deshalb ging er zur Tür. Unterwegs nahm er die Jacke vom Haken. Im Treppenhaus erst zog er die Jacke an.

    Der Fahrstuhl brachte ihn nach unten.

    Mal sehen, dachte er.

    *

    „Was machst du denn für ein Gesicht?", empfing der Sicherheitsingenieur des Atomkraftwerks Lüneburger Heide seinen Freund Dieter Kreuch.

    Kreuch zwang sich zu einem verkrampften Lächeln. Eine Antwort verkniff er sich.

    „War Frankfurt ein Reinfall?"

    Er schüttelte den Kopf.

    „Das nicht gerade. Ganz im Gegenteil. Die Atomkonferenz war ein voller Erfolg, aber auch sehr anstrengend. Ich wollte gestern abend schon kommen, war aber so kaputt, dass ich es auf heute verschob. Ich musste fahren wie der Teufel, um rechtzeitig zum Dienst zu erscheinen."

    Ein Blick auf die Uhr. Es waren noch genau zehn Minuten Zeit.

    Gerhard Zeißler, der Sicherheitsingenieur, nahm ihn am Arm und zog ihn mit sich in den Kontrollraum.

    „Komm, bereiten wir die Ablösung vor. Die Übergabe nimmt immer ihre Zeit in Anspruch, und die anderen werden froh sein, wenn sie gehen können."

    Sie traten ein und grüßten. Es begann die von Schicht zu Schicht immer gleiche Routinearbeit.

    Später saßen sie auf ihren Plätzen und waren allein. Ein Gespräch kam nicht zustande, denn dafür hatten sie keine Gelegenheit.

    Eine Stunde später murmelte der Sicherheitsingenieur Zeißler erschrocken:

    „Phase eins!"

    Dieter Kreuch versuchte immer wieder, das Bild seiner toten Frau loszubekommen. Deshalb hörte er nicht sofort darauf.

    Gerhard Zeißler brüllte:

    „Phase eins: Alarm!"

    Dieter Kreuch schreckte zusammen.

    „Was?"

    Er sah Zeißler entgeistert an. Da blinkte auch schon die rote Warnlampe. Alles in ihm wehrte sich dagegen. Aufkeimende Panik wurde von dem Zwang unterdrückt, sofort Maßnahmen zu ergreifen. Oft genug hatten sie den Ernstfall geprobt.

    Dies hier war keine Probe. Dies hier war grausame Wirklichkeit.

    Kreuch hieb mit der geballten Hand auf den knallroten Hebel. Er musste dreimal schlucken, ehe er hervor würgen konnte:

    „Alarm!"

    Es wurde zu einem gellenden Schrei: „Alarm! und „Phase eins!

    Gerhard Zeißler beherrschte sich wieder. Nach außen hin gab er sich so, als würde ihn die ganze Sache gar nichts mehr angehen.

    Während Kreuch, sein direkter Vorgesetzter in der Schaltzentrale des Atomkraftwerks, die Hauptkontrollen überwachte, war Zeißler für den Sicherheitsteil verantwortlich. Deshalb hatte er die Gefahr auch als erster entdeckt.

    Zeißler nahm ein paar Schaltungen vor. Der Negativprozess im Reaktor machte erschreckende Fortschritte. Das Gebäude erbebte wie ein fieberkranker Riese.

    Sie waren zu zweit in der Zentrale, aber dreißig weitere Mitarbeiter ihrer Schicht waren auf die Hauptkontrollpunkte verteilt oder befanden sich auf Erkundungsgang.

    Bisher war die Stille nur gestört worden durch das allgegenwärtige Summen der Anlagen. Doch jetzt wimmerten die Sirenen. Sie erhoben sich gleich Stimmen von Furien, geißelten die Nerven der Belegschaft.

    Die Freischicht flog aus den Betten. Sie hörte den Alarmruf von Dieter Kreuch und wusste, was es zu bedeuten hatte: Der neuartige Reaktor der Serie B entglitt der Prozesssteuerung. Tödliche Gefahr für alle.

    Jeder begab sich augenblicklich auf seinen Platz - egal, wo er sich im Moment aufhielt.

    Die Tür zur Zentrale flog auf: Eine Frau im schlecht sitzenden Morgenmantel, ein Mann im Pyjama und der zweite Mann, zwar ordentlich gekleidet, doch mit einem Bierglas in der Hand. Den Inhalt hatte er unterwegs verloren. Offenbar war ihm gar nicht bewusst, dass er das Glas noch mitführte.

    Er sprang neben Gerhard Zeißler, um ihn zu entlasten.

    Zeißlers Blick saugte sich an einem Messinstrument fest. Die Nadel tanzte, zeigte erhöhte Strahlenintensität an.

    Der Sicherheitsingenieur nahm immer wieder Korrekturen vor. Jede Schaltung bewirkte komplizierte Vorgänge im Reaktor. Die Entladung der tödlichen Strahlen sollte eingedämmt werden.

    Der Computer der Sicherheitsanlage unterstützte seine Tätigkeiten.

    „Verdammt noch einmal", schimpfte sein Nebenmann.

    Zeißler hatte keine Zeit, darauf zu achten. Er musste weitermachen, um die Werte zu drosseln, ehe es auch außerhalb der Bleikammern gefährlich wurde.

    Die harte Strahlung würde jedes Leben vernichten. Keiner von ihnen würde es überstehen.

    Zeißler schnappte nach Luft wie ein Karpfen auf dem Trockenen. Seine Bemühungen blieben erfolglos. Deshalb griff er zum äußersten Mittel: Er verstärkte den energetischen Schutz. Damit verringerte er die Abgabeleistung des Kraftwerks.

    Prompt meldete die Elektrozentrale Beschwerden an. Ein paar der negativen Werte wurden an sie übermittelt, aber sie hatten offenbar noch immer nicht begriffen, dass es hier um Leben und Tod ging.

    Zum ersten Male ging in Deutschland ein Atomkraftwerk hoch! Das hieß, wenn Zeißler, Kreuch und die anderen keinen Erfolg haben sollten.

    Die Elektrozentrale befand sich weit genug entfernt. Die saßen nicht so auf dem Pulverfass wie die Mitarbeiter des Kraftwerks.

    Kein Mensch achtete auf die Proteste der Zentrale. Strom war nicht mehr so wichtig. Auch wenn vielerorts die Kochplatten kalt blieben und die Beleuchtung nur noch flackerte.

    Die Elektrozentrale begriff endlich, was hier vorging. Doch sie konnten nicht eingreifen, sondern mussten darauf hoffen, dass die Techniker und Ingenieure erfolgreich blieben.

    Ja, Gerhard Zeißler hatte mit seiner Maßnahme bescheidenen Erfolg. Er beließ es dabei, weil ihm nichts anderes übrig blieb.

    Ein Blick zum Hauptbildschirm. In jeder Abteilung des Kraftwerks herrschte hektische Betriebsamkeit.

    Der GAU stand immer noch kurz bevor.

    In den äußeren Abmessungen war das Kraftwerk wesentlich kleiner als herkömmliche. Trotzdem war es mehrfach so leistungsfähig. Die Kraft der Atome wurde direkt in elektrische Energie umgewandelt, ohne Umweg über Dampfkessel und Generatoren. Deshalb gab es auch keine hässlichen Kühltürme mehr. Außerdem wurde das spaltbare Material so ausgenutzt, dass es praktisch keine gefährlichen Rückstände mehr gab: Also Schluss mit dem Atommüll!

    Dennoch galt die Anlage als so sicher, dass sie auch den ärgsten Atomkraftgegner überzeugte.

    Und jetzt das!

    Der große Schirm zeigte die Plutoniumstäbe. Sie steckten im Wandler.

    Kühlleitungen, die man nicht völlig wegfallen lassen konnte, bildeten auf dem Röntgenbild helle Schatten, kaum die Bildqualität beeinträchtigend.

    Restwärme wurde entzogen und zum Heizen der Institutsräume verwendet.

    Gerhard Zeißler wusste praktisch auf Anhieb, dass auf dem Bild etwas nicht stimmte. Und doch musste er überlegen.

    Was war anders als sonst?

    Dampf! Ja, die Plutoniumstäbe dampften kaum merklich!

    Gerhard Zeißler grinste verstört. Das war doch völlig unmöglich. Das gab es doch überhaupt nicht. Es sah gerade so aus, als würden sich die Stäbe langsam auflösen wie schmelzende Eiszapfen.

    Und dann? Eine Flüssigkeit entstand, die alles vernichtete.

    Druckanzeige. Zeißlers Augen weiteten sich. Der Druck stieg auf irrsinnige Werte. Noch hielten zwar die Schutzwandungen, aber wie lange? Dann würde sich das Kraftwerk in eine Atombombe verwandeln. Von der Lüneburger Heide blieb nicht mehr viel übrig.

    Zischend entwich die angestaute Luft aus Zeißlers Lunge.

    Blitzschnell überlegte er. Dann hatte er eine Lösung: Ganz offensichtlich stieg die Hitze im Wandler, und deshalb musste die Leistung des Kühlsystems schleunigst erhöht werden. Nur so konnte er den Prozess eindämmen.

    Zeißler überließ es dem Computer.

    Sichtkontakt mit Kreuch. Dieter Kreuch nickte ihm zu. In seinem Gesicht war Verzweiflung zu lesen.

    Der technische Leiter des Instituts dachte jetzt nicht mehr an den Tod von seiner Frau. Hier ging es um wesentlich mehr.

    Gerhard Zeißler, der Sicherheitsingenieur, betrachtete die Instrumente.

    Gottlob, der Druck fiel ab.

    Doch damit war die eigentliche Ursache der Überhitzung natürlich nicht beseitigt.

    Abermals blickte Zeißler zum Hauptschirm.

    „Die Stäbe!", brüllte er durch das Sirenengeheul.

    Dieter Kreuch entgegnete in der gleichen Lautstärke:

    „Sie erhöhen aus unerklärlichen Gründen die Energieabgabe. Das widerspricht jeglicher wissenschaftlicher Erkenntnis. Es ist völlig unmöglich."

    Jetzt wurden die Plutoniumstäbe langsam aus dem Wandler gezogen, um den Prozess ganz zu unterbinden.

    Die Wirkung war eher negativ. Der Wandler setzte die vorhandene Strahlung um und isolierte dadurch die Stäbe. Wenn man die Stäbe herauszog, wurden sie nur noch von den Bleiwaben isoliert.

    Und das Blei reagierte ziemlich unerwünscht auf die Hitze.

    Zeißler wehrte sich gegen den schlimmen Gedanken, obwohl es nicht mehr zu leugnen war, dass die Kühlsysteme völlig unzureichend waren, um die Hitze ausreichend abzubauen, denn in diesem Augenblick erhöhte sie sich sprunghaft.

    Das Blei begann sich zu verflüssigen. Die schützenden Waben lösten sich auf. Dann würde die Strahlung ungehindert frei werden.

    Der Reaktorkern verwandelte sich in eine hochgradige Bombe, die jeden Augenblick detonieren konnte.

    Die tüchtigen Ingenieure und Techniker hatten das Schlimmste nicht verhindern können.

    *

    Etwa zur gleichen Zeit verließ Konrad Clasen das Apartmenthaus in der Halbergstraße. Neben dem Eingang prangte die Zahl 66.

    Ein Fremder vertrat ihm den Weg.

    Konrad Clasen stockte im Schritt und betrachtete den Mann von Kopf bis Fuß.

    Der Fremde lächelte und deutete eine Verbeugung an.

    „Schindler ist mein Name, Dr. Ludwig Schindler."

    Clasen zuckte die Achseln.

    „Mich kennen Sie wohl schon oder irre ich mich? Wo finden wir denn diesen Steinbach?"

    Schindler erschrak und blickte sich nach allen Seiten um.

    „Ich bitte Sie, Herr Clasen, doch nicht so laut!"

    Clasen verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. Dr. Schindler war ein hochgewachsener, hagerer Typ mit intelligenten Augen. Der Anzug schlotterte ein wenig um die dünnen Glieder. Wie ein Gangster sah er nicht aus.

    „Warum diese Geheimnistuerei?"

    „Das werden Sie bald begreifen, Herr Clasen. Wenn Sie mir bitte folgen wollten?"

    Er führte Konrad Clasen zu einem altersschwachen Peugeot und klemmte sich hinter das Steuer.

    „Hat auch schon bessere Tage gesehen", meldete Clasen Bedenken an.

    „Wie bitte?"

    „Sind Sie sicher, Dr. Schindler, dass ich mit dem Sitz nicht auf der Straße lande?"

    Schindler lachte.

    „Ich wusste gar nicht, dass Sie so ängstlich sind."

    „Mal was vom kalkulierbaren Risiko gehört? Wenn nötig kämpfe ich gegen einen Tiger - aber nicht mit einer Dessertgabel oder gar einem Strohhalm in der Hand. Was Ihren Schrottkoffer betrifft..."

    „Also bitte, keine Beleidigungen. Vielleicht nehmen Sie meinem Auto damit den letzten Mut und es fährt keinen Schritt mehr."

    Konrad Clasen öffnete den Wagenschlag und pflanzte sich auf den Rücksitz.

    „Sie beginnen mir zu gefallen, Doktor. Dieser Steiner allerdings wird mir sehr auf die Nerven gehen."

    Schindler grinste.

    „Vielleicht gewöhnen Sie sich mit der Zeit daran?"

    „Niemals, behauptete Clasen. „Wer gibt sich denn freiwillig mit einem Wahnsinnigen ab? Ich erwäge, ob ich wieder aussteigen soll.

    „Bloß nicht, rief Schindler erschrocken. „Was denken Sie, was Steinbach mit mir macht? Er wird mir natürlich die Schuld in die Schuhe schieben. Wenn ihm etwas gegen den Willen geht, versteht er keinen Spaß.

    „Auf diesen Kauz bin ich wirklich gespannt, aber ich hätte Polizeischutz anfordern sollen."

    Schindler startete den Motor. Der Peugeot schüttelte sich unwillig. Dann röhrte und klopfte er.

    „Der kann Sie nicht leiden, Herr Clasen, weil Sie ihn beleidigt haben", beschwerte sich der Doktor,

    Den ersten Gang legt er mit zwei Händen ein. Das war ein ganz gehöriges Stück Arbeit.

    „Warum nehmen Sie zu diesem Zweck keinen Vorschlaghammer?", erkundigte sich Clasen.

    Schindler schwieg verbissen.

    Sie bogen am Evangelischen Krankenhaus ab und stellten sich an die rote Ampel.

    „Die versprochene Bezahlung wird sich wohl als Windei erweisen, wie?", nahm Konrad Clasen wieder den Faden auf.

    „Wie kommen Sie darauf?"

    „Na, wenn sich die Mitarbeiter von Dr. Steinbach keine richtigen Autos leisten können..."

    „Falls Sie es noch nicht bemerkt haben, Herr Clasen, was Autos betrifft, bin ich ein Individualist. Dieser Wagen hier ist schon fünfundvierzig Jahre alt."

    „Nicht mehr? Ich rechnete ehrlich gesagt mit neunzig. Sagen Sie, ist es eigentlich noch weit? Ich frage, weil ich wissen muss, ob wir die Strecke zur Not auch zu Fuß schaffen könnten."

    Es wurde Grün. Schindler fuhr an und bog nach rechts ab, in Richtung City.

    „Wie ich die Sache sehe, Herr Clasen, ist die Fahrt mit meinem Auto für Sie das kleinste Abenteuer. Ganz andere Dinge kommen noch auf Sie zu."

    „Aha, noch ein Geheimnis drauf. Wer wird mich eigentlich mal aufklären? Oder dauert die Rätselstunde noch an?"

    „Dr. Steinbach wird Ihnen das Wesentliche beibringen, KC9."

    „Wie sagten Sie?"

    „Merken Sie sich das vorab, Herr Clasen. KC9 wird künftig Ihre Codebezeichnung sein. Alles läuft streng geheim. Außenstehende dürfen niemals etwas davon erfahren. Ist das klar?"

    „Moment mal, Sie reden gerade so, als wäre ich in euren Verein schon aufgenommen. Und wenn ich mich weigere?"

    „Das werden Sie nicht, Herr Clasen - jetzt nicht mehr."

    „Was macht Sie so sicher? Bei einem Nein drücken Sie wohl auf ein Knöpfchen und Ihr Auto fliegt auseinander. Ich muss Sie belehren, Doktor, denn das brauchen Sie gar nicht. Ein lautes Räuspern genügt bereits."

    „Herr Clasen, wir haben ein detailliertes Charakterprogramm, was Sie betrifft. Schwierig war es nur, Ihr Interesse zu wecken. Als Sie in dieses Auto hier einstiegen, klappte die Falle zu – die psychologische Falle."

    „Wusste doch gleich, dass ich etwas klappen gehört habe. Ich dachte nur, es wäre die Tür gewesen, weil sie nicht mehr richtig hält."

    „Wir fahren zum Rastpfuhl, Herr Clasen."

    „Fahren nennen Sie das?"

    Konrad Clasen ärgerte sich maßlos. Indem er Schindler provozierte, kompensierte er seinen Ärger einigermaßen.

    Aber Schindler blieb ganz ruhig.

    „Sie werden in wenigen Minuten die Steinbach-Stiftung kennenlernen, KC9. Die Stiftung wird Ihr künftiger Brötchengeber sein. Wir haben sogar einen Trumpf in der Hand, falls Sie doch noch ablehnen sollten."

    Konrad Clasen beugte sich vor.

    „Passen Sie mal gut auf, Doktor, jetzt haben wir genug gescherzt. Gelinde gesagt: Mir langt's. Sie sind anmaßend und genauso verrückt wie Ihr Chef. Fahren Sie weiter und halten Sie den Mund. Es sei denn, Sie haben etwas Konstruktives zu sagen. Wenn ich von Steinbach nicht mehr zu hören bekomme als von Ihnen, dann werde ich dieser sauberen und strenggeheimen Stiftung schneller den Rücken gekehrt haben als Sie denken. Und Sie werden mich keineswegs aufhalten."

    Schindler schluckte mehrmals.

    „Das war deutlich, Herr Clasen. Dr. Steinbach hat nicht zu viel versprochen. Man sollte sich nicht mit Ihnen anlegen. Äh, Herr Clasen, ich bitte um Entschuldigung, wenn ich bei Ihnen wirklich diesen Eindruck erweckt habe. Sie sind die wichtigste Person der ganzen Stiftung."

    „Danke für die Blumen."

    „Verdammt, Clasen, so begreifen Sie doch endlich. Die Steinbach-Stiftung ist ein wissenschaftliches Forschungszentrum. Es befindet sich mitten in Saarbrücken - und kein Mensch ahnt etwas davon. Wir haben umwälzende Entdeckungen gemacht, die sich allerdings nicht für die Serienproduktion eignen. In den richtigen Händen sind es unglaubliche Waffen. Sie, Herr Clasen, sind unser James Bond. Wir sind nur die Rückendeckung oder bestenfalls die Nachhut, denn wir sind allesamt Wissenschaftler und keine Kämpfer."

    Konrad Clasen lehnte sich zurück und runzelte die Stirn.

    „Und warum wendet ihr euch nicht an eine staatliche Stelle wie Geheimdienst und dergleichen?"

    Schindler schüttelte entschieden den Kopf.

    „Weil wir selber bestimmen wollen, was mit unseren Sachen geschieht. Wir dienen keinem Staat und auch keiner bestimmten Nation, sondern wir dienen dem Menschen schlechthin. Und Sie sollen heute in unser Team als aktiver Partner aufgenommen werden. Sie sind KC9, unsere ausführende Hand, wählend wir das Gehirn bilden."

    „Wenn Sie sich nur nicht irren, Doktor, denn ich, Konrad Clasen, habe mein Leben lang bewiesen, dass ich einen eigenen Kopf mit einem eigenen Gehirn habe."

    Schindler lächelte wieder.

    „Das spricht Ihnen niemand ab, KC9. Ohne Ihre besonderen Fähigkeiten, sowohl körperlich als auch geistig, wären Sie als Mitarbeiter niemals in Betracht gekommen. Ich freue mich schon darauf, Ihnen Dr. Steinbach vorstellen zu können. Er kennt Sie zwar besser als Sie sich selbst, hat Sie aber noch nie zuvor persönlich zu Gesicht bekommen."

    Den Rest der Fahrt verbrachte Konrad Clasen vorerst mit brütendem Schweigen.

    Sie durchquerten die Innenstadt von Saarbrücken und erreichten den Ludwigsberg. Aus dem Kreisverkehr bogen sie ab in Richtung Rastpfuhl.

    Jetzt habe ich zwar eine Menge Vorschussinformationen erhalten, dachte er erbittert, aber dadurch ist die Sache nicht weniger geheimnisvoll und mysteriös geworden. Sind diese Wissenschaftler echt oder handelt es sich nur um Scharlatane? Vielleicht eine Gruppe von entsprungenen Irren, die sich mit dem armen Konrad Clasen einen makabren Scherz erlauben?

    Er betrachtete Schindler.

    Nein, das mochte er nicht glauben. So fantastisch die Sache auch klang: Es schien etwas dran zu sein.

    „Den Rest werde ich also an Ort und Stelle erfahren?"

    „So ist es, KC9."

    „Wie sind Sie nur auf eine solche Bezeichnung gekommen? Man glaubt fast, es geht um ein Agentenspiel in der Art: Hasch mich, ich bin der Spion."

    Konrad Clasen verschränkte die Arme vor der breiten Brust und grinste dreist.

    Dr. Schindler beobachtete ihn durch den Rückspiegel. Das Grinsen schien ihm überhaupt nicht zu gefallen.

    *

    Der Mann war einer der Mitarbeiter des Atomkraftwerks Lüneburger Heide. Das bewies die Schutzkleidung mit dem Atommodell auf der Brust.

    Unbemerkt zog er sich

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