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(K)Ein Mord an Bord: oder das süße Kreuzfahrtleben
(K)Ein Mord an Bord: oder das süße Kreuzfahrtleben
(K)Ein Mord an Bord: oder das süße Kreuzfahrtleben
eBook305 Seiten4 Stunden

(K)Ein Mord an Bord: oder das süße Kreuzfahrtleben

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Über dieses E-Book

Einige Personen werden diese Reise nicht überleben, das steht fest. Nur, wen wird es treffen?
Für viele ist es die schönste Art zu reisen, für andere ein Alptraum – Kreuzfahrten. Wird die Kommissarin Leonie Böhm auf einer Kreuzfahrt über den nördlichen Polarkreis zu ihrer verdienten Ruhe finden?
Im Prinzip können die Passagiere das Leben an Bord genießen. Sie erfreuen sich der großartigen Bewirtung und dem eindrucksvollen Naturschauspiel, das sich ihnen bietet. Aber die Besatzung ist alles andere als entspannt. Karrieredenken, Alkoholmissbrauch, Gewalt, keinerlei Privatsphäre, schlechtes Wetter und Arbeit rund um die Uhr lassen die Nerven blank liegen.
SpracheDeutsch
HerausgeberKellner Verlag
Erscheinungsdatum16. Dez. 2019
ISBN9783956512551
(K)Ein Mord an Bord: oder das süße Kreuzfahrtleben

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    Buchvorschau

    (K)Ein Mord an Bord - Petra Karla Müller

    Petra Karla Müller

    (K)ein Mord an Bord

    oder

    das süße Kreuzfahrtleben

    Zwischen Polarmeer und Schweinegang

    Dieses Buch ist bei der Deutschen Nationalbibliothek registriert. Die bibliografischen Daten können online angesehen werden:

    http://dnb.d-nb.de

    Alle Personen und Handlungen sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder

    lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig. Inspiriert wurde die Autorin durch eine lange Seereise im Jahr 1995, seitdem haben sich die Sicherheitskonzepte der Reedereien stark verändert.

    Inhaltsverzeichnis

    1. Tag Anreise in Bremerhaven 5

    2. Tag Erholung auf See 15

    3. Tag Ålsund 49

    4. Tag Svartisengletscher / Holandsfjord 67

    5. Tag Tromsø 95

    6. Tag Hammerfest / Honnigsvårg 120

    7. Tag Erholung auf See 150

    8. Tag Magdalenenbucht / Spitzbergen / Eisgrenze 175

    9. Tag Longyearbyen / Spitzbergen 201

    10. Tag Erholung auf See 221

    11. Tag Harstad / Lofotenwand 239

    12. Tag Geirangerfjord / Geiranger 257

    13. Tag Bergen / By-Fjord 276

    14. Tag Erholung auf See 288

    15. Tag Kiel 296 Zwölf Monate später 298

    Prolog

    Die Bordwand hat er längst aus den Augen verloren.

    Sein Körper treibt kraftlos auf den Ausläufern der Bugwelle, nur vom Luftpolster seiner aufgeblähten Jacke gehalten. Meerwasser dringt ihm in Mund und Nase. Er hustet und spuckt, ringt nach Luft – schwimmen hatte er nie gelernt.

    Er nimmt nicht mehr wahr, wie die haushohe Schiffswand aus seinem Blickfeld verschwindet.

    1. Tag Anreise in Bremerhaven

    Tagesspruch: »Und an den Bäumen, Blatt für Blatt, hängt Urlaub. Schön, dass man ihn hat«!

    (Heinz Erhardt)

    Ich auf einer Kreuzfahrt! , war Leonies erste erschrockene Reaktion auf ihre gewonnene Reise. Jetzt sitzt sie im Taxi nach Bremerhaven und kann es immer noch nicht ganz glauben. Kreuzfahrt, da sieht sie sich in karibischer Sonne schwitzen, völlig entspannt, nichts tun und sich von süßen Kellnern schillerndbunte Cocktails servieren lassen – das wäre nach ihrem Geschmack. Aber nein, es geht Richtung Nordland. Zum Polarkreis und nach Spitzbergen, da ist nicht nur der Hund verfroren.

    Die Witzbolde ihrer Kollegen vom Kommissariat haben ihr eine Pudelmütze mit dickem Bommel auf den Weg mitgegeben. »Echt norwegisch«, haben sie gesagt. Seltsamer Humor. Aber vielleicht doch witziger als ein Rettungsring.

    Es ist Fakt, es geht zu den Eisbären. Leonie hat sich damit abgefunden und zu ihrer Unterhaltung drei dicke Bücher in den Koffer gepackt. Mit den zollfreien Getränken und einem riesengroßen Bett für sich allein wird sie es aushalten und sich von den unausweichlichen Polarstürmen in den Schlaf wiegen lassen. Die Erholung wird sie gut brauchen können.

    Auf der Rückbank des klapprigen Taxis sitzend, schaukeln nicht nur ihre Gedanken. Verkehrte Welt: Leonie Böhm, Hauptkommissarin, neununddreißig Jahre alt, tritt eine Luxusreise auf einem Kreuzfahrtschiff an – und das in meinem Alter!

    »So, junge Frau, nach der nächsten Ecke werden sie ihr ›Traumschiff der Liebe‹ sehen«, bringt sie der Fahrer des Wagens in die Wirklichkeit zurück. Ja, Wahnsinn, da liegt es. Groß und weiß, wie es sich für einen stattlichen Urlaubsdampfer gehört. Eine Mischung aus Wehmut und Fernweh überkommt sie. Sie muss schlucken. Da soll ich ... da muss ich drauf?

    Am Columbus Cruise Center in Bremerhaven ist der Teufel los. Aus jedem Reisebus steigen mindestens fünfzig erlebnishungrige und erholungsbedürftige Menschen aus. Reiseleiter in blauen Uniformen rennen durch die Menschenmassen. Privatwagen laden Eltern und Großeltern aus. Aufregung liegt in der Luft. Der Wind geht stärker als im Binnenland. Für eine Landratte riecht es hier schon nach Meer. Gepäckträger sammeln hastig Koffer ein und sorgen für den Transport zur Kabine. Auch Leonie wird schnell ihren Koffer los und ein Wegweiser führt sie zum Einschiffungsschalter. Sie folgt, wie bei einer Schnitzeljagd, den Namensschildern des Schiffes MS Golf durch die Abfertigungshallen. Sie betritt einen großen Saal. Er atmet Geschichte. Von hier aus sind hunderttausende von Auswanderern in die Neue Welt gereist. Beeindruckt von der geschichtlichen Dimension schießt ihr der Gedanke durch den Kopf, wie schön es wäre, am Anfang eines neuen Lebens und nicht nur am Anfang einer Reise zu stehen.

    Sie weiß es noch nicht, aber wir ahnen es, dass es so kommen wird.

    In der Schlange am Einschiffungsschalter wartend, guckt sich Leonie ihre Mitreisenden an. Freundlich aussehende, ältere Menschen, nur das eine oder andere jüngere Gesicht dazwischen lässt hoffen. Direkt vor ihr steht ein älteres Pärchen, er mit geblümtem Hawaii-Hemd und sie versucht, mit ihrer schwer beringten Hand ihre blond gesträhnte Dauerwelle zu bändigen. Sie geben sich dem Paar vor ihnen als weit gereiste Kreuzfahrer aus Düsseldorf zu erkennen. Selbst Havarien hätten sie schon überlebt, doch das lässt sie umso begeisterter auf genau jene Schiffsplanken zurückkommen. Heute soll es nun ausnahmsweise die MS Golf sein, da ihre gewohnte Suite auf ihrem Lieblingsliner nicht mehr zur Verfügung stand.

    Anstrengend, ist Leonies Gedanke, solche Leute sind auf Abstand zu halten. Ich will hier meine Ruhe haben und nichts anderes. Sie versteckt sich hinter ihrer Sonnenbrille, setzt ihren arrogantesten Gesichtsausdruck auf, ihr Gesicht sagt, sprecht mich bloß nicht an. Am Schalter angekommen, gibt sie ihr Ticket ab, dankt lächelnd dem Reisemanager dafür, dass er nur die Kurzform der »Herzlich-Willkommen-an-Bord-Tour« bei ihr zum Besten gibt.

    Immer noch groß, immer noch weiß liegt das Kreuzfahrtschiff an der Kaimauer. Leonie ist beeindruckt. Sie gibt es nicht gern zu.

    Mit ihren bequemen Turnschuhen ist sie in wenigen Schritten die Gangway hoch und an Bord. »Es ist Flut«, hört sie jemanden sagen, mit hohem Wasserstand, deshalb der »Aufstieg« an Bord. Kaum auf dem Schiff, wird sie von einem jungen, freundlichen Bordsteward in Empfang genommen und zu ihrer Juniorsuite auf das A-Deck geführt. Die Gänge dorthin sind schmal und lang und in den seitlichen Geländern hängen vereinzelt Brechtüten.

    »Hängen die dort immer?«, fragt sie den Steward und versucht gleichzeitig ihre eigene Angst vor Seekrankheit damit herunterzuspielen.

    »O, nein, reine Vorsichtsmaßnahme, das hat mit schlagseitigen Windstärken zu tun. Die letzte Rücktour kam aus der Ostsee durch den Skagerrak und da schwankt es schon mal ordentlich. Durch den heutigen Personalwechsel ist sicher noch niemand dazu gekommen, die Tüten zu entfernen.«

    »Müssen wir auch durch den Skagerrak?«, fragt Leonie mit dünner Stimme. Sie ist jetzt schon innerlich am schwanken.

    »Nein, aber das nördliche Polarmeer ist auch nicht zu verachten«, sagt der Stewart mit einem Zwinkern im Auge. Das ist genau das, was sie nicht hören wollte.

    In ihrer Kabine angekommen, entfernt sich der Steward mit einem Lächeln, ohne gleich die Hand aufzuhalten. Leonie ist bass erstaunt. Zwanzig Quadratmeter für sie allein, mit einem grandiosen Bett, auf dem Tisch ein Sektkühler mit Champagner und ein Körbchen mit Erdbeeren. Spiegelwände lassen die Kabine viel größer erscheinen. In ihnen erkennt sie sich kaum wieder. Ihre dunkelbraunen, lockigen Haare sind vom Wind zerzaust. Im großen Schrankspiegel blicken ihr ihre chronisch müden Augen hinter der hochgeschobenen Sonnenbrille entgegen. »Von dem Anblick deiner kuhbraunen Augen habe ich heute Nacht wieder süß geträumt«, war einer der Sprüche von Ralf – ihrer nun verflossenen Liebe.

    Das Glas des Spiegels ist teintfreundlich braun getönt. Sonnenbräune muss sie sich noch im Deckstuhl verdienen. Sie fällt auf das Kingsize-Bett, stürzt sich auf die ersten Erdbeeren, geht ins Bad. Keine Nasszelle, ein Traumbad mit Badewanne. Raus aus den Klamotten, rein ins Schaumbad, ein Gläschen Schampus in der einen, eine Erdbeere in der anderen Hand, sinkt sie in die knisternden Fluten. Gleich wird der Wecker piepen, das kann doch alles gar nicht wahr sein. Den leichten Geruch des Badewassers nach Chlor ignoriert sie. Sie genießt das heiße Wasser und die Neugierde und die Freude auf das, was noch kommen wird.

    ***

    Gabi Czierwitzky-Kruse ist Reiseleiterin. An Bord heißt sie einfach Gabi. Nachnamen sind hier Schall und Rauch. Ihre halblangen, blonden Haare trägt sie wegen des Seewindes meist zu einem dicken Zopf geflochten, so ist sie zu »Zopfgabi« geworden. Die Assistentin des Staff-Kapitäns heißt auch Gabi. So musste eben für die eine ein Spitzname herhalten. Mit vierunddreißig Jahren gilt Gabi schon als Oma der Reiseleitung, deshalb ist ihr »Zopfgabi« immer noch lieber als »Oma Gabi«.

    Am Eingang des Columbus-Cruise-Centers sieht man Gabi, wie sie die Gäste an einem improvisierten Cocktail-Stand empfängt. Bunte Getränke mit glitzernden Stickern werden den neuen Gästen überreicht. Die Neuankömmlinge sind begeistert. So kann der Urlaub beginnen.

    Gabi ist nicht ganz so begeistert. Sie tuschelt ihrem Kollegen zu: »Zur Einstimmung hätten wir Glühwein servieren sollen, und nicht diese Cocktails, die erinnern einen an Hitze und Wärme – und nicht an das raue Klima im Eismeer, dem wir bald ausgesetzt werden«.

    So ganz ist Gabi noch nicht bei der Sache. In aller Frühe ist sie heute Morgen aufgebrochen. Der erste Tag nach dem Urlaub ist wie immer der längste. Auf dem Weg zum Hafen überfiel sie, wie fast jedes Mal, diese Mischung aus Angst vor der eigenen Courage und endlich geht es wieder los. Fühlt sich so Abenteuerlust an?

    Auf einem Passagierdampfer den Duft der großen weiten Welt zu erleben ..., jedem der es nicht weiß, sei es gesagt: Als Reiseleiterin auf einem Schiff zu arbeiten, ist der härteste Job der Welt. Die Hierarchie an Bord ist streng. Jeder kennt jeden und beäugt jeden. Wer macht was falsch? Wer macht was richtig? Findet sich vielleicht ein kleines Seelentrösterchen für einsame Kabinennächte? So oft gibt es die allerdings nicht, denn Reiseleiter schlafen zu zweit, übereinander, in zwei kleinen Kojen, Männlein und Weiblein getrennt, versteht sich. Offiziell zumindest.

    Was wird auf dieser Reise alles passieren? Klar, sie hat sich auf Imke und Hannes gefreut – das Dreamteam der Reiseleitung. Imke, das blonde Gift, das keinen an sich heran lässt, da sie sich im Urlaub zu Hause ständig frisch verliebt. Und der blonde Hannes, Excursion-Manager, tierisch kompetent und nett, manch ein zarter Kellner hat sich schon die langen Wimpern nach ihm nass geweint.

    Auf dieser Reise wird Gabi wieder eine neue Kollegin kennenlernen. Sie werden sich die Kabine miteinander teilen müssen. Na, schlimmer als das »muntere Rehlein« vom letzten Einsatz kann die auch nicht werden, versucht sie sich selbst aufzumuntern.

    Am Einschiffungsschalter in der Halle checken das Dreamteam, Hannes und Imke, die Passagiere ein. Der braune Lockenkopf, der neben ihnen steht, ist der Zahlmeister Berthold Töpfer. Eine nicht enden wollende, erwartungshungrige Menschenschlange steht vor ihnen.

    »Herzlich willkommen an Bord. Ich hoffe, sie hatten eine gute Anreise. Bitte das Ticket und Ihren Reisepass. Der wird in der Zahlmeisterei deponiert und so werden sie während der gesamten Reise keine weiteren Ein- und Ausreiseformalitäten mehr über sich ergehen lassen müssen«.

    »Nur diesen Spruch«, flüstert Imke Berthold Töpfer ins Ohr.

    Hannes arbeitet mit seinem unwiderstehlichen Char-me und die alten Damen fließen nur so dahin. Drei Stunden später sind alle Passagiere an Bord. Die Hektik hat sich in freudige Erwartung gewandelt.

    ***

    Es ist achtzehn Uhr. Die gesamte Reiseleitung hat sich im Büro zur Einsatzbesprechung versammelt. Wie immer ist es eng und alle warten auf den Chef der Reiseleitung, den Kreuzfahrtdirektor Mathias Baum. Eigentlich heißt Baum ja Käse. Aber bei seinen Ambitionen, auch als Conferencier und Entertainer und als Organisator des Künstlerprogramms, könnte ein Name wie Käse zu einer Zustandsbeschreibung werden. Also, unser Mathias heißt jetzt Baum, wobei, ein Mann wie ein Baum ist er beileibe nicht. Das Leben hat ihm hart mitgespielt und reichlich Narben in seinen Stamm gekratzt. Das erklärt womöglich seinen Hang zum Alkohol, aber entschuldigt nicht seine permanente Sauferei an Bord.

    Heute fällt die Warterei nicht weiter auf, da sie sich alle vier Wochen nicht gesehen haben und es viel zu erzählen gibt. Außerdem ist man neugierig auf die neue Kollegin.

    »Andrea, hast du schon auf einem Schiff gearbeitet?«, will Gabi das Gespräch mit der Neuen endlich in Gang bringen.

    »Nein, aber ich war schon vorher in der Touristik. Ich bin Busfahrerin und bin die Route München–Costa

    Brava gefahren.«

    »Was hast du gemacht? Busfahrerin? Na, dann kannst du ja mal einspringen, wenn einer unserer Ausflugsbusse ausfällt.« Hannes macht große Augen.

    »Klar doch, mach ich mit links.«

    Gabi denkt nur, Oh Gott, die kennt sich ja wirklich nicht aus. Sie macht gute Miene und sagt sich, das wird die nächsten zwölf Wochen die zweite Hälfte meiner Kammer sein. Tief durchatmen und durch. Sympathisch sieht sie ja aus.

    Die Blicke der Reiseleiter wandern zur Kollegin Sabine. Als offizielle Freundin des Chefs wollen sie von ihr wissen, wo Mathias mal wieder steckt. Man merkt Sabine an, dass es ihr unangenehm ist, für Mathias einzustehen.

    »Er wird noch einen Termin beim Kapitän haben.«

    Warum muss immer der Kapitän herhalten, das glaubt ihr doch sowieso keiner mehr. Plötzlich fliegt die Tür auf und Mathias erscheint.

    »Tschuldigung, ich musste noch mit Herrn Bothe über den Auftritt seiner Frau bei der Willkommensshow sprechen.«

    »Oh, nein, bitte das nicht!« platzt es aus Imke raus. »Die Frau trällert, dass einem die Ohren abfallen.«

    »Mensch Imke, du weißt doch, was der Reeder befielt, sei mir genehm. Die Bothes sind halt alte Stammkunden und da wird schon mal eine Ausnahme gemacht.«

    Doch auch Hannes, dem Excursion-Manager, platzt der Kragen.

    »Mathias, Frau Bothe ist mit ihrem Gesang in der Lage, dafür zu sorgen, dass es keine weiteren Stammgäste mehr auf der MS Golf geben wird.«

    »Ach hör doch auf«, wendet sich Mathias beleidigt weg. Er ist der Ansicht, in Sachen Entertainment ist er der Einzige, der sich hier überhaupt eine Meinung bilden darf, die er persönlich dann auch akzeptiert.

    ***

    Leonie, die »Kommissarin auf Urlaub«, schaut sich neugierig an Deck um. Das Schiff wird in Kürze ablegen. Den ersten Wodka hat sie bereits zu sich genommen, da der gut gegen Seekrankheit sein soll und man kann ja nie wissen. Auf dem Kai hat sich eine Kapelle versammelt und spielt »Muss i denn zum Städle hinaus«. Es wird gewunken. Abschied geht zu Herzen.

    Das Schiff legt ab, grüßt die Daheimgebliebenen mit durchdringendem Signalhorn und stampft der untergehenden Sonne entgegen. Herzschmerz, das kann richtig schön sein, ...mein Schatz Ralf bleibt auch hier, denkt Leonie. Er kann mich mal, ich werde es mir jetzt so richtig gut gehen lassen – ohne ihn. Und als Erstes genehmige ich mir ein wunderbares Abendessen.

    Im Restaurant wird sie von einer rotbackigen Stewardess zu ihrem Tisch begleitet. Sie bringt sie zu einem Fensterplatz, auch das noch. Womöglich muss man bei Wellengang entsprechend der Dünung seine Nahrung zu sich nehmen. Es war bestimmt die gute Absicht der Reederei, ihrer Gewinnerin das Beste zu offerieren. Aber das ist noch nicht alles. Ihr Herz bleibt stehen. An dem Vierertisch sitzt schon ein Paar, die Kreuzfahrer aus Düsseldorf. Na, das kann ja heiter werden. Immerhin die Gattin mit gebändigter Dauerwelle. Der vierte Stuhl ist noch frei.

    Bitte nicht noch einen weit gereisten Opa, sonst werde ich oftmals eine unfreiwillige Diät einhalten müssen.

    Sie machen sich bekannt, Otto und Erna Franke, Oberstudienrat a. D. samt Gemahlin. Man glaubt es kaum. Leonie sagt ihren Namen und dankenswerterweise erscheint, bevor man sie nach ihrem Beruf fragen kann, der vierte Mann. Mit großen Augen und offenem Mund starrt Leonie ihn an. Ich glaube nicht, was ich da sehe. Er ist groß, hat lockige braune Haare, Anfang dreißig, weiße Zähne, ein umwerfendes Lächeln. Na, jetzt meint es die Reiseleitung aber wirklich gut mit mir. Wie kommt der denn hier her? Auch ein Gewinner? Also bei mir steht der schon auf dem Treppchen.

    Der junge Mann stellt sich mit charmantem norwegischen Akzent als Henrik, Lektor auf dieser Reise, vor. Die »Pausbacke« serviert die Vorspeise und Leonie lässt die wortgewaltigen Reiseerinnerungen der Düsseldorfer Frohnaturen einfach an sich vorüberziehen. Henrik, guter Kenner des Nordlandes und höflicher Tischnachbar, schafft es tatsächlich, dass der Herr Oberstudienrat nebst Gattin bald an seinen Lippen hängt. Leonie sowieso.

    Den Rest des Abends verbringen Henrik und Leonie mit zwei wunderbaren Cocktailvariationen gemeinsam an Deck. Noch berühren ihre Hände nur das kühle Mahagoniholz der Reling am Heck des Schiffes. Ihre Blicke gehen in die Weite auf die durch Schiffsschrauben durchwühlte Nordsee.

    Sollte das der erste Tag zu meinem neuen Leben sein?, träumt sich Leonie in den verhältnismäßig lauen

    Sommerabend.

    2. Tag Erholung auf See

    Tagesspruch: »Arbeit macht das Leben süß«. (Gottlieb Wilhelm Burmann) »Faulheit stärkt die Glieder«.

    (Ergänzung durch den Volksmund)

    Ein Schiff schläft nie. Die seemännische Besatzung, das Servicepersonal und der Hotelbetrieb arbeiten Tag und Nacht. Die Passagiere können schlafen, auch ausschlafen, es sei denn, sie wollen früh in den Tag starten und sich allen Annehmlichkeiten einer Kreuzfahrt stellen, dann sollten sie den Morgenwecker in ihrer Kabine einschalten. Heute wird Gabi moderieren, denn das gehört zu ihren Aufgaben als Reiseleiterin. Sechs Uhr früh am Morgen aufstehen, bedeutet das für sie. Über ihr liegt die Neue noch gemütlich in der Koje. Gabi blickt sehnsuchtsvoll auf die schlafende Kollegin.

    Nach einer Katzenwäsche verlässt sie die Kabine und eilt über die Gänge des morgendlich ruhigen Schiffes Richtung Kommandobrücke. Der Weg führt sie über das Sonnendeck. Wenn ich nicht so ein Morgenmuffel wäre, würde ich diese Stimmung lieben.

    Eigentlich tue ich es ja auch. Der Wind, die klare Luft, das gleißende Sonnenlicht. Sie blinzelt in die Sonne und atmet tief durch. Sie ist froh, der durchgedrehten klimatisierten Innenluft entkommen zu sein. Belebend schlägt ihr die frische Meeresbrise entgegen.

    Piet Lürsen, nautischer Offizier, führt die Morgenwache auf der Kommandobrücke von vier bis acht Uhr früh. Hammerhart! Der »Hundewache« können nur alte Hasen etwas abgewinnen. Als Gabi die Brücke betritt, steht wie immer frischer Kaffee bereit. Sie füllt sich den Becher voll, während der Offizier die Brückennachrichten für den »Fröhlichen Morgenwecker« zusammenstellt. Über den Seekartentisch gebeugt, ermittelt Piet die Daten der Position, Wind und Wetter, alles was der maritime Frühaufsteher wissen muss. Gabi hat sich einen Feldstecher genommen und sieht derweil aufs Meer. Wasser, wohin sie blickt. Sie schätzt die Ruhe auf der Brücke und mag die Stimmung am frühen Morgen. Leise gehen Kommandos vom Offizier zum Rudergänger. Leider kann Gabi nicht länger bleiben. Sie reißt sich aus der phantastischen Stimmung los. Piet drückt ihr noch die Informationen in die Hand und schon ist sie weg.

    Der lange Tag beginnt. Sie geht in den kleinen Raum, der als Radiostudio dient. Vogelgezwitscher wird eingelegt und die sanfte, wohltönende Stimme von Gabi findet sich in allen Kabinen wieder. Unerfahrene Passagiere, die ihr Radio nicht ausgemacht haben, werden aus dem Bett geschmissen und zum Morgensport animiert. Erfahrene Passagiere haben das Radio ausgeschaltet und träumen weiter.

    ***

    Die Kreuzfahrtgewinnerin Leonie rekelt sich in ihrem großen Bett. Sie macht von jeher einen Bogen um Gebrauchsanleitungen, so hat sie das Vogelgezwitscher des Morgenweckers kalt erwischt. Schön war es gestern Abend mit Henrik, richtig romantisch. Mein Gott, wie kitschig, à la Loveboat , ruft sie sich selbst zur Raison. Was hat der Taxifahrer noch gesagt? »Traumschiff der Liebe«?

    Jetzt wird erst einmal gefrühstückt. Seeluft macht hungrig. Danach geht es aufs Sonnendeck. Diesen Vormittag werde ich mit Musik im Ohr im Deckchair verbringen. Meine Seele soll baumeln. Den Reiseführer kann ich ungelesen ins Bücherregal versenken. Denn nun habe ich ja meinen ganz persönlichen »Norwegen-Guide« mit Namen Henrik.

    Nach dem leckeren Frühstücksbüfett – ohne Düsseldorfer Kreuzfahrergeschichten – geht Leonie direkt zum Büro der Reiseleitung, um ihre Ausflüge zu buchen. Heute Morgen sind alle auf die gleiche Idee gekommen und so bildet sich eine Schlange vor dem Counter. Ruhig Blut. Urlaub ist angesagt. Vor ihr steht ein altes Ehepaar, beide sicher schon weit über achtzig. Sie himmelt ihren Gatten aus blauen Veilchenaugen an.

    »Ja, mein Hermännchen«, sagt sie mit fast schulmädchenhaftem Blick, »du hast Recht, wir sollten noch einmal einen Ausflug zum Nordkap buchen. Nach sieben Reisen werden wir doch wenigstens einmal zu sehen bekommen, wie die glutrote Mitternachtssonne am Himmel steht. Bisher kennen wir ja den Anblick nur durch die wunderschönen Postkarten.«

    »Ja, mein Herz«, sagt Stammgast Hermann Bothe zu seiner Luise.

    Oma Krause steht daneben, blättert durch die Postkarten und fragt Leonie, welche Karten sie am eindrucksvollsten findet.

    »Ich muss das erst einmal in Natura gesehen haben, sonst kann ich das gar nicht beurteilen«, antwortet Leonie, ganz die korrekte Beamtin.

    »Ach, so genau nehme ich das nicht. Reine Pflichterfüllung für die Lieben daheim. Die dürfen ruhig ein bisschen neidisch werden. Auf diese Reise habe ich fünf lange Jahre gespart. Ich freue mich wie ein kleines Kind. Ich werde jede Minute nutzen und jeden Ausflug mitmachen.«

    »Jeden Ausflug!? Wird das nicht furchtbar anstrengend?«

    »Ich glaube nicht, wer weiß, ob ich hier in meinem Leben noch mal wieder herkomme.«

    Leonie ist irritiert. Die Tatsache, dass sich alte Leute so offensichtlich mit dem Ende ihres Lebens befassen, erschreckt sie. Doch Recht hat sie, denkt Leonie, vielleicht sollte man viel öfter im Leben begreifen, dass es sich um einmalige Erlebnisse handelt. Jeden Tag muss man genießen. Und nicht immer daran denken, was nicht ist. Nicht immer streben nach besser, weiter, höher. Genießen, das ist es!

    Noch in ihre Gedanken vertieft wird Leonie von Imke, der Reiseleiterin, die letzte Nacht offenbar mit ihren Haaren in einen roten Farbeimer gefallen ist, angesprochen.

    »Haben Sie sich Ihre Ausflüge schon ausgesucht, Frau Böhm? Wir haben sonst auch noch ein ausführliches Informationsblatt und heute Nachmittag wird unser Lektor einen Vortrag über die Ausflüge halten.«

    »Hm, Lektor, das ist gut, das nehme ich«.

    Leonie möchte schnell an die frische Luft. Mit dem Infoblatt unter dem Arm, Sonnenmilch und Pulli in der Hand, lässt sie die verdutzte Imke stehen und

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