Am Galgen sollst du hängen: G.F. Barner 292 – Western
Von G.F. Barner
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Über dieses E-Book
G. F. Barner ist legendär wie kaum ein anderer. Seine Vita zeichnet einen imposanten Erfolgsweg, wie er nur selten beschritten wurde. Als Western-Autor wurde er eine Institution. G. F. Barner wurde als Naturtalent entdeckt und dann als Schriftsteller berühmt. Seine Leser schwärmen von Romanen wie "Torlans letzter Ritt", "Sturm über Montana" und ganz besonders "Revolver-Jane". Der Western war für ihn ein Lebenselixier, und doch besitzt er auch in anderen Genres bemerkenswerte Popularität.
Mondlicht liegt auf dem Unterholz am Bodcau Bayou. Dunst über dem Wasser des sumpfähnlichen Geländes, durch das sich der schmale Pfad schlängelt. Baumwollbäume recken ihre breiten Kronen in die Nacht, die plötzlich in der Umgebung eines der Bäume völlig still geworden ist. »Sssst!« zischelt der kleine Mann auf einem der Baumäste und hebt warnend die Hand. »Da kommt was, Jeff.« Rittlings auf dem Ast, den Rücken an den gewaltigen Baumstamm gelehnt, hockt der zweite Mann. Jetzt hebt er jäh den Kopf und beugt sich vor. »Nicht«, flüstert der kleine Jackson neben ihm. »Nicht rascheln, sitz still.« »Was kommt?« fragt Jeff Taylor so leise, wie er nur kann. »Was siehst du?« »Nichts, aber ich höre etwas. Die Frösche quaken nicht mehr, Jeff.« Das ist typisch für Jackson. Ein anderer Mann würde sich keine Gedanken darüber machen, ob Frösche einmal ihr Nachtkonzert abbrechen. Nicht Jackson, der denkt sich sofort etwas dabei. Jetzt neigt sich sein Oberkörper vorwärts.
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Am Galgen sollst du hängen - G.F. Barner
G.F. Barner
– 292 –
Am Galgen sollst du hängen
G.F. Barner
Mondlicht liegt auf dem Unterholz am Bodcau Bayou. Dunst über dem Wasser des sumpfähnlichen Geländes, durch das sich der schmale Pfad schlängelt. Baumwollbäume recken ihre breiten Kronen in die Nacht, die plötzlich in der Umgebung eines der Bäume völlig still geworden ist.
»Sssst!« zischelt der kleine Mann auf einem der Baumäste und hebt warnend die Hand. »Da kommt was, Jeff.«
Rittlings auf dem Ast, den Rücken an den gewaltigen Baumstamm gelehnt, hockt der zweite Mann. Jetzt hebt er jäh den Kopf und beugt sich vor. Seine Hand zieht einen Zweig zur Seite, aber kaum hat er es getan, als das Zischeln wiederkommt,
»Nicht«, flüstert der kleine Jackson neben ihm. »Nicht rascheln, sitz still.«
»Was kommt?« fragt Jeff Taylor so leise, wie er nur kann. »Was siehst du?«
»Nichts, aber ich höre etwas. Die Frösche quaken nicht mehr, Jeff.«
Das ist typisch für Jackson. Ein anderer Mann würde sich keine Gedanken darüber machen, ob Frösche einmal ihr Nachtkonzert abbrechen. Nicht Jackson, der denkt sich sofort etwas dabei. Jetzt neigt sich sein Oberkörper vorwärts. Und dann kriecht Jackson so lautlos, als winde sich eine Schlange auf dem dicken Ast. Sein Blick wandert wie der seines Secondlieutnants nach unten auf den schmalen Pfad im Sumpfgelände und ihn entlang.
Und dann…
Großer Gott, denkt der Oberleutnant Jeff Taylor hinter dem dicken Baumstamm und hält die Luft an, da ist einer. Jackson, Mensch, fliegt der da unten?
Es ist nicht zu hören, daß nur wenige Schritte unter ihnen jemand auf dem Pfad entlangschleicht. Der Mann dort unten bildet mit den hohen Buschzweigen einen einheitlichen Schatten. Er verschmilzt mit dem Blattgewirr dieser Mauer, aber Taylor glaubt eine Armbewegung auszumachen. Danach taucht, Taylors Augen weiten sich vor Schreck, der zweite Mann auf. Mondschein trifft seine Uniform, als er sorglos auf den Weg tritt.
Großer Manitu, ein Sergeant der Nordarmee!
Doch Taylors Schreck steigert sich in den nächsten Sekunden noch. Obwohl er nicht begreift, wie diese beiden Männer die Spuren gefunden haben, muß sie irgend etwas auf die Fährte von sechzehn Reitern aufmerksam gemacht haben. Taylor bleibt kaum Zeit, sich über das Erscheinen der beiden Männer dort unten den Kopf zu zerbrechen und einen Fehler bei sich zu suchen, als es passiert.
Ein Mann verläßt die Buschmauer, tritt ins Mondlicht und wird voll sichtbar.
Es ist ein Indianer.
Er betrachtet die Spur im Gras. Dann richtet er sich in halbgebückter Stellung auf und geht langsam los.
Jeff Taylor aber, Oberleutnant der Texasbrigade, steigen die Haare vor Entsetzen hoch. Sein erster Schreck ist vergangen. Er hält krampfhaft den Ast fest und wagt es nicht, ihn loszulassen. So gering das Geräusch der auseinanderschlagenden Blätter auch sein würde, der Indianer könnte es hören. Statt dessen wendet Taylor langsam und vorsichtig den Kopf. Es ist sicher, daß der Indianer, sollte er zur Baumkrone hochblicken, nichts von ihm sehen kann.
Taylor blickt zu Jackson und friert leicht.
Matt Jackson liegt zwar immer noch, hat aber die rechte Hand unter die Jacke geschoben. Und was dort steckt, das kennt Taylor ganz genau, es sind Jacksons drei Wurfmesser.
Der kleine Mann wirft seine Messer auf fünzehn Schritt in das Herz-As einer Spielkarte.
Während Taylor das Blut in den Ohren rauscht und er beinahe sicher ist, daß sein wildes Herzklopfen unten gehört werden müßte, erreicht der Indianer den Baum. Unter diesem ist es stockfinster, aber dennoch könnte der Indianer jene Stelle entdecken, an der zwei Mann gestanden haben.
Jackson hat recht gehabt, denkt Taylor beklommen. Man kann nie vorsichtig genug sein. Alle Teufel, warum mußte ich auch gerade diesen Ritt anführen, warum der Captain Fieber bekommen? Ich bin verdammt nicht feige, aber von Indianern hat keiner etwas gesagt.
In diesem Augenblick setzt sich jener blauuniformierte Sergeant wieder in Bewegung. Der Mann huscht heran; er macht es zu hastig, und der Indianer sagt kehlig und vorwurfsvoll: »Machen Lärm wie Hirsche in Unterholz, wenn Hunde hetzen, Mann der drei Winkel!«
»Ich war doch leise, Poncah, was willst du?«
»Du zu laut, viel laut nicht gut, verstehen?«
»Schon in Ordnung, ich kann nicht leiser sein.«
»Sein laut, dann du tot, ehe es wissen«, erwidert der Indianer finster. »Bleiben zurück, bis Poncah da hinten an Ecke verschwunden und wieder winken, verstanden?«
»Hör mal, vier Augen sehen mehr als zwei, Poncah.«
»Nicht gut sehen, Mann mit drei Winkel, nicht gut hören. Poncah gehen zu Wasser, sehen nach.«
»Wie weit noch bis zum Bayou?«
»Dreimal zehn Schritte auf Pfad, dann Wasser. Viel Wasser, breit. Poncah wissen, hier Furt, nicht tief. Vielleicht drüben Wache von grauen Männern.«
Alle Teufel, denkt Taylor entsetzt, woher wissen sie das? Wie können sie erfahren haben, daß sich ein paar Rebellen durch ihre Linien geschlichen haben? Behält Jackson etwa noch mal recht?
Jener Vorfall am gestrigen Abend fällt ihm ein. Zu der Zeit waren sie bereits hinter den Linien der Nordtruppen, trafen aber in der Dunkelheit um ein Haar mit einer kleinen Gruppe Nordkavallerie zusammen. Sie wurden angerufen, antworteten mit der für diesen Tag gültigen Parole und ritten schleunigst davon. Eine halbe Stunde später brummte der schweigsame Jackson finster, über diesem Unternehmen stünde ein Unglücksstern, sie hätten die Yankees nicht treffen dürfen. Habe einer von denen scharfe Augen besessen, so sei es möglich, daß ihm die Umhänge ihrer Gruppe aufgefallen seien.
»Poncah, warum sollen es Südstaatler sein, eh?« fragt der Sergeant unten gepreßt. »Und wenn es nun unsere Leute sind?«
»Nein, keine blauen Männer«, antwortet der Indianer finster. »Reiten nicht einer hinter anderem, machen breite Fährte. Sind einmal zehn und sechs Männer.«
»Mann, Poncah, in der Meldung heißt es nur, daß wahrscheinlich ein Dutzend Rebellen hinter unseren Linien stecken, und ausgerechnet wir wollen sie gefunden haben?«
»Machen kleine Fährte, sehr schmal, sind nicht blaue Männer«, wiederholt der Indianer, und Taylor lernt nun kennen, wie einfach es sich die Indianer mit der Bezeichnung der gegnerischen Parteien in diesem Bürgerkrieg machen. Für sie tragen die einen Reiter blaue und die anderen graue Uniformen.
»Mann mit drei Winkel bleiben hier, bis Poncah winken.«
Taylor liegt still und bewundert nur heimlich die Nerven dieses kleinen, ungeheuer schnellen und zähen Jackson. Er stammt aus Nordtexas, hat alle möglichen Berufe im Zivilleben hinter sich gebracht und jahrelang mit Indianern zu tun gehabt. Der kleine, eisenharte Mann scheint sich jetzt keine Sorgen mehr zu machen.
Dafür aber macht sich Taylor welche, und nicht wenige.
Von seinem Platz aus kann Taylor nicht erkennen, wohin der Indianer verschwunden ist. Ohne Zweifel aber wird sich der Späher, der wie viele andere im Sold der Nordarmee steht und sich hier sicherlich auskennt, die beiden Posten jenseits des Bayou sehen.
Der Teufel soll es holen, grübelt Taylor, da sind wir gut hierhergekommen, um jetzt aufgespürt zu werden. Als wenn Matt Jackson es vorausgesehen hätte. Er wollte unbedingt einen vorgeschobenen Beobachtungsstand auf diesem Baum haben. Und weil ich nicht schlafen konnte, ging ich mit ihm. Der kleine Bursche hat den sechsten Sinn, das hat schon der Captain immer behauptet. Was wird nur aus dem Indianer, holt er den Sergeant da unten ab oder…
In diesem Moment ertönt ein leiser Laut. Unter Taylor regt sich der Ser-
geant, steht auf, blickt nach der Pfadbiegung und hastet dann davon.
Fünf Sekunden später ist der Ser-
geant aus Taylors Blickfeld verschwunden.
Gleichzeitig regt sich Jackson auf dem Ast und winkt.
»Jeff, komm, wir müssen ihnen nach!« zischt Matt Jackson leise. »Der verdammte Chickasaw-Indianer hat unsere beiden Posten erkannt und wird versuchen, weiter oben durch den Bayou zu schwimmen, um sie zu packen.«
»Jackson, bist du sicher?«
»So sicher, wie ich hungrig bin«, erwidert der kleine, zähe Mann grimmig. »Laß es dir gesagt sein, Second, er hat sie gesehen und wird sie umbringen, wenn er kann.«
*
Jacksons Hand legt sich wie eine Stahlklammer um Taylors Arm.
»Runter!«
Nur ein Wort, das der kleine Mann zischt, aber Taylor reagierte sofort. Augenblicklich läßt er sich fallen und rührt sich nicht mehr. Respektlos wie immer brummelt Jackson heiser:
»Dachte ich mir doch, daß der verdammte Chickasaw sich umsehen würde. Bleib liegen, Second, runter mit dem Colt!«
Yor ihnen ist das sumpfige, von Büschen bestandene Ufer des Bodcau Bayou. Und irgendwo, keine dreißig Schritt entfernt, der Indianer mit jenem Sergeant.
Taylor starrt Jackson nach. Der kleine Mann windet sich nun durch das Gras und erreicht den ersten Busch. Dann winkt er hastig, und sofort kriecht Taylor ihm nach.
»Du meinst, er gräbt einen Busch aus?« zischelt er Jackson zu.
»Sicher«, antwortet Jackson kühl. »Kenne das rote Volk doch. Er ist bis hier um die Flußbiegung geschlichen, damit ihn unsere Wachen nicht sehen können. Weiß aber genau, der rote Sohn eines Wilden, daß der Fluß einzusehen ist, wenn er auf dem letzten Drittel zum anderen Ufer geschwommen ist. Er nimmt darum einen Busch mit, versteckt sich mit dem Sergeanten hinter ihm.«
Taylor ist keinen Moment darüber im Zweifel, daß Jackson ihre Chancen, gleichzeitig mit den beiden Gegnern an den Flußrand zu kommen, schlecht beurteilt.
»Jackson, Mann, wollen wir nicht los?«
»Wir warten noch«, sagt Jackson leise.
Es vergeht keine Minute, dann nickt er und zischelt:
»Langsam nachkriechen, jetzt, Second. Chickasaw hat ein Messer, er zieht einen Busch heraus. Denke, es könnte glücken. Nimm den Sergeant, aber nicht schießen. Am besten, er schreit nicht.«
Am besten, er schreit nicht, denkt Taylor und umklammert seinen Armeecolt, was der Kleine sich bloß denkt, was? Lautlos jemanden niedermachen, widerliches Gefühl!
Der kleine Mann ist schon weggekrochen und erreicht den nächsten Busch. Dann geht es etwa zehn Schritt weiter scharf nach